Table.Briefing: China

Sommer-Davos + Chip-Abkopplung

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute geht es bei uns zweimal um die Entkoppelung der Wirtschaft. Während wir in unserem ersten Text darüber berichten, dass Premier Li Qiang den Trend der westlichen Länder zur Loslösung von China geißelt, zeichnet unser zweiter Text genau so eine Abkoppelung nach – allerdings wird sie von China eifrig mitbetrieben.

Die Ironie daran ist zunächst, dass kaum ein westlicher Politiker ernsthaft eine “Abkopplung” fordert. Dafür gibt es ja jetzt das Zauberwort des “De-Risking”, das bei Li allerdings ähnlich schlecht ankommt. Li hat seine Kritik in einer Rede auf “Sommer-Davos” in China vorgebracht, von der Jörn Petring berichtet.

Die ganz reale Entfremdung der Wirtschaftsräume ist allerdings nicht das Ergebnis eines einzelnen Aktes der “Politisierung” (wie Li es sagt) der Wirtschaftsbeziehungen. Auf beiden Seiten gab es Schritte, die voneinander weggeführt haben. Im vergangenen Jahr wurde der Abstand dann praktisch unüberbrückbar.

Im Ergebnis ist Chinas Chipindustrie dabei, aufzuholen und eigenständig zu werden. Das wiederum ist eine schlechte Nachricht für Anbieter wie Intel, Infineon oder Samsung. Sie können ihrerseits nicht in moderne Fertigungsanlagen in China investieren, weil sie dann nicht mehr an die reich gefüllten Subventionstöpfen der USA herankommen. Sie versuchen nun, sich den chinesischen Markt warmzuhalten, ohne mit den USA zu brechen.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Chip-Hersteller zwischen den Fronten

Was macht ein Unternehmen, dem Peking gerade mit fadenscheiniger Begründung das China-Geschäft verdirbt? Es investiert umso mehr in China, weil dort weiterhin die wichtigsten Kunden sitzen. So hat es jetzt der US-Halbleiterhersteller Micron gemacht.

Kurz nach seiner Verbannung aus kritischen Netzen Chinas wegen Sicherheitsbedenken hat Micron angekündigt, viel Geld in Übernahme und Ausbau eines bestehenden Werks zu stecken. Die Fabrik liegt in Xi’an, die Investitionssumme beträgt 4,3 Milliarden Yuan (550 Millionen Euro).

Harte Wahl zwischen den USA und China

Aus dem Verhalten des Unternehmens spricht eine gewisse Verzweiflung. Die Halbleiterhersteller sind voll zwischen die Fronten der Handelskonflikte geraten. China baut unter dem Druck von US-Sanktionen seine eigene Halbleiterindustrie rasch aus. Wer dort relevant bleiben will, muss eigentlich vor Ort produzieren. Doch gesteigertes Engagement in China lehnen die politischen Strategen in westlichen Hauptstädten immer deutlicher ab.

So wie Micron suchen daher auch Intel, Infineon, Samsung, TSMC und andere Branchengrößen einen Weg, wie sie ihre Präsenz in China erhalten, ohne sich gegen den politischen Kurs ihrer Heimatländer zu stellen. Vor die Wahl gestellt, spielen sie aktuell zwar lieber im Team USA und investieren in westlichen Ländern. Doch das schwächt eben ihre Position in China, wo wichtige Kunden sitzen.

Die zwei Supermächte driften auseinander

China hat bereits 2015 beschlossen, in Schlüsseltechnologien möglichst schnell unabhängig zu werden. Zu “Made in China 2025” gehört auch die Halbleiterindustrie. Die USA wiederum spielen seit 2017 betont aggressiv gegen den Rivalen in Fernost und haben die Reibereien zu einem echten Handelskonflikt eskaliert.

Im vergangenen August hat Präsident Joe Biden mit dem CHIPS and Science Act den ersten Schritt getan, um China von US-Technik abzuschneiden. Wer in den USA von Milliardensubventionen profitieren will, darf keine moderne Technologie mehr nach China transferieren. Biden will Know-how und Arbeitsplätze in die USA zurückholen.

Subventionswettlauf beschleunigt Abkopplung

Im Oktober 2022 legte Biden noch einmal nach und verbot die Lieferungen moderner Chips und von Anlagen zu deren Herstellung an China. Später folgten die Niederlande und Japan den sogenannten Chip-Sanktionen.

Im Dezember vergangenen Jahres dann reagierte China. Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission stellt nun eine Billion Yuan (125 Milliarden Euro) über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung, um die Branche zu fördern. Sowohl bei Prozessoren als auch bei Speicherbausteinen werden die chinesischen Anbieter nun vermutlich schnell aufholen. Die beiden größten Volkswirtschaften machen wahr, was vorgeblich keiner will: eine Entkopplung.

Hartes Spiel, aber hohe Förderung

Damit haben die Politiker in Washington und Peking die Manager der westlichen Halbleiterhersteller in eine schwierige Lage gebracht. Die Impulse von Made in China 2025 haben die Unternehmen zunächst motiviert, mehr in China zu investieren. Nach dem Stimmungswechsel in Washington hatten die US-Hersteller damit jedoch die eigene Regierung gegen sich.

Beispiel Intel: Das Unternehmen wollte noch 2021 die Produktion in China hochfahren, um sich gegen den Chip-Mangel zu stemmen. Biden vereitelte das Vorhaben. CEO Pat Gelsinger ließ später Pläne für weitere Werke in China auf Eis legen, um von den gigantischen Subventionen im Rahmen des CHIPS Act zu profitieren.

Die Industrie kommuniziert widersprüchlich

Gelsinger nannte China jedoch kurz darauf wieder “den wichtigsten Markt” für sein Unternehmen. Er hat damit schlicht gesagt, wie es ist. Weltweit werden die meisten Chips in China verbaut. Das Land ist konsistent der größte und am schnellsten wachsende Markt für Halbleiter.

Denn Fabriken in China stellen den Löwenanteil der global verkauften Elektronik her, seien es PCs, Handys, Tablets, Fernseher oder Kopfhörer. In China hergestellte Halbleiter verlassen das Land gar nicht erst, sondern wandern gleich ins Endprodukt – das dann exportiert wird.

Micron will Kunden halten

Microns Investiton in Xi’an ist auch Reaktion auf eine drohende Krise auf dem chinesischen Markt. Chinesische Kunden hegten offenbar bereits Pläne, zu einheimischen Anbietern zu wechseln. Die geplante 550-Millionen-Euro-Investition spiegelt nun den typischen Versuch wider, es sowohl Washington als auch Peking recht zu machen. Denn sie kollidiert nicht mit dem CHIPS Act. Das Werk in Xi’an besteht schon länger und wurde bisher von einem chinesischen Partner betrieben. Es macht China also keine neue Technik zugänglich.

Zudem geht es hier vor allem um Verpackungen, während die Beschränkungen aus Washington auf die Herstellung besonders fein gebauter Chips mit Strukturgrößen unter 28 Nanometern zielen. Zugleich lenkt Micron Investitionen in fortschrittliche Werke von Asien in die USA um. Das Unternehmen will in seiner Heimat mit 40 Milliarden Dollar knapp zehnmal mehr ausgeben als in China.

Deutschland hängt dazwischen

Die Dilemmata der Branche haben auch Auswirkungen auf Deutschland. Zum Teil sind diese positiv, denn Intel investiert nun statt in China in Magdeburg, auch wenn irrwitzige Subventionen nötig waren, um Gelsinger davon zu überzeugen.

Auch der deutsche Halbleiterhersteller Infineon ist grundsätzlich betroffen. Das Engagement in China ist dem Unternehmen wegen der Bedeutung des Marktes grundsätzlich wichtig. Infineon betreibt eine Fabrik in Wuxi und Verwaltungsstandorte in Peking, Shanghai und Shenzhen.  

Auch Infineon geht aber derzeit in die andere Richtung und investiert Rekordsummen da, wo das Geld sicher aufgehoben ist: im Heimatmarkt, in Dresden. Der koreanische Elektronik-Gigant Samsung handelt ähnlich. Trotz einer gut entwickelten Präsenz in China investiert das Unternehmen jetzt kräftig in seiner Heimat Südkorea, umgeht somit Kritik aus Washington und macht die eigene Regierung glücklich.

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Abkopplung ist das große Thema bei Sommer-Davos

Zum Auftakt von Sommer-Davos hat Chinas Ministerpräsident Li Qiang ähnliche Töne angeschlagen wie bei seinem Antrittsbesuch in Deutschland: In der Eröffnungsrede des dreitägigen Wirtschaftsgipfels in der ostchinesischen Metropole Tianjin warnte Li am Dienstag die USA und Europa davor, die Abspaltung von China voranzutreiben.

Die Wirtschaftsbeziehungen dürften “nicht weiter politisiert werden”. Er warnte vor den Folgen einer “Abkopplung”: “Einige im Westen übertreiben die sogenannten Reden von der Verringerung der Abhängigkeit oder vom De-Risking.” Beides seien falsche Ansätze. Wie schon vergangene Woche in Deutschland und Frankreich betonte Li, dass nicht die Politik, sondern die Unternehmen am besten in der Lage seien, bestehende Risiken einzuschätzen. 

Appell an den Geschäftssinn der Unternehmer

Li forderte damit – wenig überraschend – eine Rückkehr zur kooperativen Politik von USA und EU, die seiner eigenen Industrie viel genützt hat. Die Forderung, Wirtschaftsbeziehungen “nicht zu politisieren”, gehört zur Grundausstattung an Phrasen der chinesischen Außenpolitik und der Propagandamedien. Sie soll immer ein bisschen so klingen, als seien nur westliche Länder bereit, ihre Marktmacht zur Einflussnahme zu nutzen.

Zugleich versuchte Li, einen Nerv bei den anwesenden Wirtschaftsvertretern zu treffen, die sich weiter in China engagieren wollen. Die Unternehmen “sollten ihre eigenen Schlüsse ziehen und ihre eigenen Entscheidungen treffen”, so der Premierminister. “Regierungen und betreffende Organisationen sollten es nicht zu weit treiben, geschweige denn das Konzept vom Risiko überspannen oder es in ein ideologisches Werkzeug verwandeln.”

Die KP übt Einfluss auf die Wirtschaft aus

Auch das wirft Fragen auf. Li ermutigt die westlichen Unternehmen, sich gegen ihre Regierungen aufzulehnen. Im chinesischen System erhalten die eigenen Firmen allerdings deutliche Signale der politischen Führung, welche internationale Strategie gerade gefragt ist. Li misst hier mit zweierlei Maß. Auf dem heimischen Markt hält die Führung die Zügel für private Unternehmen fest in der Hand. Gerade erst wurde ein großer Regulierungs-Crackdown im Technologiesektor abgeschlossen.

Massiv interveniert hat Peking vor zwei Jahren auch beim chinesischen Fahrdienstvermittler Didi, der auf Druck der chinesischen Behörden sein Listing an der New Yorker Börse rückgängig machen musste. Auch hier wurde die Risikoabwägung nicht einfach dem Unternehmen überlassen. Ganz zu schweigen von ausländischen Unternehmen in China, die nach wie vor über eine deutliche Benachteiligung klagen

Sommer-Davos: Internationale Begegnungen in China

Wie das Original-Davos in der Schweiz, wo sich alljährlich die globale Elite aus Politik und Wirtschaft trifft, organisiert das Weltwirtschaftsforum (WEF) auch die dreitägigen Treffen der “New Champions”. So heißt das Sommer-Davos offiziell. Es findet abwechselnd in den ostchinesischen Metropolen Tianjin und Dalian statt und ist eine der wenigen Gelegenheiten, das Führungspersonal der Volksrepublik live sprechen zu hören.

China sieht das Sommer-Davos wiederum als Chance, sich zu präsentieren und um internationale Investitionen oder Kapital zu werben. Dieses Jahr nehmen unter anderem der neuseeländische Premierminister Chris Hipkins, die Generaldirektorin der Welthandelsorganisation Ngozi Okonjo-Iweala und der saudi-arabische Minister für Wirtschaft und Planung, Faisal Alibrahim, teil.

Schadensbegrenzung nach Image-Schäden

Doch die Welt ist eine andere als beim ersten Sommer-Davos 2007 in Tianjin. Damals waren China und die USA noch nicht auf Konfrontationskurs. Und auch in Deutschland stellte sich kaum jemand die Frage, wie viel Abhängigkeit von China eigentlich gesund ist. Vielmehr stimmten Politik und Wirtschaft regelmäßig gemeinsame Lobgesänge auf die Globalisierung an.

Heute ist das anders. Was Li zu sagen hatte, klang vor allem nach Schadensbegrenzung. Die westlichen Regierungen sind vom Verhältnis der Chancen zu den Risiken, die China bietet, gründlich desillusioniert. Für die Wirtschaft ist eine gründliche Risikobewertung überlebenswichtig – und hier werden die roten Fragezeichen über China immer mehr.

Li: Höheres Wachstum im zweiten Quartal

Li brachte zum Sommer-Davos auch eine relativ positive Prognose für die chinesische Wirtschaft mit – und stellte neue Konjunkturhilfen in Aussicht. China sei “voll und ganz zuversichtlich und in der Lage”, langfristig ein stabiles und qualitativ hochwertiges Wachstum zu entwickeln. Die Regierung werde “mehr praktische und effektive Maßnahmen” ergreifen, um die Binnennachfrage zu steigern und die Marktdynamik zu fördern.

Trotz der derzeitigen Schwäche des Aufschwungs zeigte sich Li zuversichtlich, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal stärker gewachsen sei als zu Jahresbeginn. Das Wachstumsziel seiner Regierung von “rund fünf Prozent” werde in diesem Jahr erreicht.

  • De-Risking
  • Wirtschaftspolitik

Sinolytics-Radar

Ausblick vieler Firmen weiter pessimistisch

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  • Es herrscht Pessimismus: Fast zwei Drittel der europäischen Unternehmen, die an der Geschäftsklima-Umfrage der EU-Handelskammer (EUCCC) teilnahmen, sehen zunehmende Probleme bei ihren China-Geschäften. Auch die Zuversicht deutscher Unternehmen ist auf einen historischen Tiefstand gesunken: 45 Prozent von ihnen 2022 eine negative Entwicklung ihrer Branchen.
  • Dieser Pessimismus wird von den US-Unternehmen geteilt. Sie sind allerdings ein wenig optimistischer sind als ihre europäischen Kollegen: 34 Prozent der Befragten erwarteten 2022, dass sich ihre Umsätze verringern würden.
  • Mit der schwindenden Zuversicht verliert China als Standort deutlich an Attraktivität. 2022 hatten 11 Prozent der befragten EU-Unternehmen ihre Bereitschaft bekundet, bestehende Investitionen aus China zu verlagern. Dieses Jahr nun gab der gleiche Anteil an Unternehmen an, eine solche Verlagerung bereits umgesetzt zu haben.
  • Dagegen plant immer noch etwa die Hälfte der befragten deutschen Unternehmen, ihre Investitionen in China zu erhöhen. Auch sieht etwa die Hälfte der US-Unternehmen China als ein Top-3-Investitionsziel an. Doch auch diese Zahlen bedeuten einen deutlichen Rückgang gegenüber den Vorjahren.
  • Der Vertrauensverlust ausländischer Unternehmen ist hauptsächlich auf die Null-Covid-Maßnahmen der Volksrepublik, auf durch Chinas Autarkiebestrebungen verursachte Markteintrittsbarrieren sowie auf regulatorische Hindernisse zurückzuführen, die sich hauptsächlich aus strengen Datenschutzbestimmungen ergeben. Mit den wachsenden geopolitischen Spannungen wird zudem das Geschäftsumfeld zunehmend politisiert.
  • Die Regierung in Peking hat einige Versuche unternommen, ausländische Unternehmen zu beschwichtigen und diejenigen für sich zu gewinnen, die für sie noch von Nutzen sind. Diese Bemühungen haben sich jedoch als bei weitem nicht als ausreichend erwiesen, um das Vertrauen der Unternehmen zurückzugewinnen. Auch stehen sie in direktem Widerspruch zu Maßnahmen, die ausländische Unternehmen aus Gründen der nationalen Sicherheit einschränken.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • EU-Handelskammer
  • EUCCC

News

DIW kritisiert Schuldenpolitik in Afrika

Chinesische Kredite in Afrika sind dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge relativ teuer und widersprechen den Interessen der Schuldner. Zudem gingen sie häufig an rohstoffreiche Staaten mit geringem Demokratisierungsgrad, wie das DIW in einer neuen Studie zeigt. “Die chinesische Kreditvergabe an afrikanische Länder steht somit im Wettbewerb zur westlichen Entwicklungspolitik”, lautet das Fazit von Autor Lorenz Meister.

Der Aufschwung Afrikas wird generell zum großen Teil über Kredite finanziert. Bis 2006 lag das Volumen neu zugesagter Kredite bei zehn Milliarden Dollar – oder gut neun Milliarden Euro – jährlich. Zehn Jahre später, 2016, lag es bei knapp 80 Milliarden Dollar. Vor allem die Staatsverschuldung stieg rapide an. 2020 lag sie durchschnittlich bei 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Einige Länder, darunter Ghana, haben Schwierigkeiten, den laufenden Schuldendienst zu leisten. Kenia, Ghana und Sambia verhandeln gerade ihre Schulden mit dem IWF.

Laut DIW hat China maßgeblich zum Kreditwachstum beigetragen. Zwischen 2007 und 2017 habe der chinesische Anteil fast 40 Prozent ausgemacht. Allerdings sinke das Kreditvolumen seit 2016 – unter anderem, weil China seinen Fokus von der Außenwirtschaft auf den heimischen Markt verlagert hat.

Zu den hohen Schulden haben auch westliche Akteure beigetragen. Laut DIW haben multilaterale Darlehen den Rückgang chinesischer Kredite in den vergangenen Jahren mehr als ausgeglichen. Auf dem Finanzgipfel in Paris in der vergangenen Woche wurde kritisiert, dass westliche Entwicklungsfinanzierer hauptsächlich Darlehen in Afrika vergeben, aber nur wenig Eigenkapitalfinanzierungen anbieten. Auch haben Investmentbanken, vor allem amerikanische, in den vergangenen Jahren in hohem Maße Eurobonds afrikanischer Emittenten in Dollar oder Euro auf den internationalen Kapitalmärkten platziert.

Dass China seine Kredite an afrikanische Schuldner ausgeweitet hat, liegt jedoch auch daran, dass China eine maßgebliche Rolle beim Bau von Infrastruktur in Afrika eingenommen hat. 2020 war das Land laut einer Studie des Beratungsunternehmens Deloitte für 31 Prozent aller Infrastrukturprojekte auf dem Kontinent mit einem Auftragswert von mehr als 50 Millionen Dollar verantwortlich. 2013 waren es noch 13 Prozent. Der Anteil westlicher Unternehmen sank in diesem Zeitraum von 37 auf zwölf Prozent. hlr

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Engere Militär-Kooperation mit Vietnam

China will mit dem benachbarten Vietnam militärisch enger zusammenarbeiten. Man wolle die Kooperation zwischen den Streitkräften beider Länder auf hoher Ebene stärken, sagte der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu am Dienstag bei einem Treffen mit seinem vietnamesischen Amtskollegen Phan Van Giang in Peking. Die Sicherheit der Asien-Pazifik-Region stehe vor erheblichen Herausforderungen. “China und Vietnam sollten weiterhin Hand in Hand arbeiten und sich auf dem neuen Weg des Sozialismus eng zusammenschließen, die gemeinsamen strategischen Interessen beider Länder wahren und einen positiven Beitrag zu Frieden und Stabilität in der Region leisten”, so Li.

In der Region gibt es zahlreiche Territorialstreitigkeiten, unter anderem auch zwischen China und Vietnam. Beide streiten sich um Inseln im Südchinesischen Meer und führten 1979 einen kurzen Krieg an der Landgrenze. Insofern ist die Ankündigung durchaus überraschend. Neben China bemühen sich auch die USA und europäische Staaten wie Deutschland um engere Kontakte zu Vietnam. Erst am Sonntag hatte der US-Flugzeugträger Ronald Reagan im vietnamesischen Hafen von Danang angelegt. rtr/ck

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Ermittlungen gegen Disziplinar-Beamten


Chinas oberste Korruptionsbekämpfungsbehörde hat einen hochrangigen Beamten der Zentralen Kommission für Disziplinaraufsicht (CCDI) unter Beobachtung gestellt. Er ist damit der neueste Fall eines CCDI-Beamten, der selbst in Chinas umfassende Korruptionsbekämpfung verwickelt wird. Das berichtet das Nachrichtenportal Caixin.

Aktuell wird Hao Zongqiang, stellvertretender Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der CCDI, “schwerer Verstöße gegen die Disziplin und das Gesetz” verdächtigt – ein Euphemismus für Korruption. Die Vorwürfe gehen aus einer Erklärung hervor, die am Sonntag von der CCDI wurde.

Hao ist der vierte CCDI-Beamte, gegen den im vergangenen Monat wegen angeblicher Bestechung ermittelt oder der bestraft wurde. Im Rahmen der Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping hat die Aufsichtsbehörde die Kontrollen auch in den eigenen Reihen verstärkt. cyb

  • Korruption

Weltgrößtes Hybrid-Solar-Wasser-Kraftwerk am Netz

Seit Anfang der Woche produziert das weltweit größte hybride Solar-Wasserkraftwerk auf dem osttibetischen Plateau Strom. Das berichten chinesische Staatsmedien. Mit einer Leistung von 1 Gigawatt an Solarmodulen und 3 Gigawatt an Wasserkraftgeneratoren kann die Anlage auf der Hochebene des Yalong-Flusses in der Provinz Sichuan jährlich zwei Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen. Das entspricht den Berichten zufolge dem jährlichen Energieverbrauch von mehr als 700.000 Haushalten. Die Kela-Anlage ist Teil eines großangelegten Projekts, das zum Ziel hat, saubere Energie für 100 Millionen Haushalte zu erzeugen. cyb

  • Erneuerbare Energien
  • Photovoltaik

Presseschau

China übt sich nach russischen Unruhen in Zurückhaltung DERSTANDARD
Wagner mutiny exposes risks for China’s deep Russian ties REUTERS
If Biden Wanted to Ease U.S.-China Tensions, Would Americans Let Him? NYTIMES
Bipartisan lawmakers visit Taiwan as Biden seeks to stabilize China relationship CNBC
Nikki Haley takes aim at Trump’s record on China in foreign policy speech CNN
‘What’s a Uyghur?’: Miami mayor and 2024 GOP hopeful Suarez fumbles question on China CNN
China sichert sich Zugriff auf Hafen in Russland: Droht Putin der Verlust von Wladiwostok? MERKUR
Netanyahu says China has invited him for a state visit APNEWS
New Zealand foreign minister confirms ‘very robust’ meeting with Beijing REUTERS
China warnt vor Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen WELT
Chinas Regierungschef: Wachstum im zweiten Quartal beschleunigt HANDELSBLATT
Indictment details plan to steal Samsung secrets for Foxconn China project REUTERS
China offers closer military cooperation with Vietnam REUTERS
China decoupling would be an act of ‘suicide’ for Europe, Hungary’s foreign minister says CNBC
Taiwan Faces a #MeToo Wave, Set Off by a Netflix Hit NYTIMES
Tech war: strong demand in China for advanced chips used on AI projects creates growing market for smuggled Nvidia GPUs, despite US ban SCMP

Standpunkt

Kooperation ohne Ausschluss

Von Sascha Klotzbücher
Sascha Klotzbücher ist Associate Professor für Sinologie an der Comenius-Universität Bratislava.

Schon kurz nach dem Antritt von Xi Jinping als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas verschlechterte sich für uns der Feldzugang. Die Zahl der möglichen Kooperationspartner verkleinerte sich dramatisch. Der Ökonom Ilham Tohti von der Minzu-Universität wurde aufgrund seines Internetblogs, in dem er kritisierte, dass von den Geldern aus Peking in der uigurischen Autonomen Region Xinjiang vor allem Han-Chinesen oder Zuwanderer profitieren, nach Ürümqi gekarrt und dort lebenslänglich verurteilt. Seine Familie hat von ihm seit Jahren nichts mehr gehört. Wissenschaftler wie Wu Qiang wurden aus den chinesischen Universitäten herausgedrängt. Die uigurische Anthropologin Rahile Dawut ist verschwunden.  

Nicht nur die Zahl der Wissenschaftler, auch die der Themen, die für uns Europäer für Kooperationen infrage kommen, hat sich im Laufe der Jahre immer weiter verringert. Die Hände, die uns aus China zur Kooperation entgegen gereicht werden, werden immer weniger und auserwählter. Es wäre als Geste fatal, nun wie gewohnt einfach weiterzumachen und nur noch mit Wissenschaftlern zu kooperieren, die der KP Chinas passen. Viele, unter anderem der China-Wissenschaftler David Tobin, haben sich entschlossen, unter diesen Bedingungen nicht mehr nach China zu fahren und die Kooperation auszusetzen. Tobin meint, dass von offizieller Seite tolerierte Feldforschung nur funktioniere, wenn sich Forscher weigern “chinesischen Bürgern zuzuhören, sie zu unterstützen oder jene intellektuell zu analysieren, die die willkürliche staatliche Gewalt, die sie unterdrückt, herausfordern”. Laut Tobin würde immer etwas fehlen und die Kooperation unter Bedingungen einer strikten politischen Kontrolle könne diese Lücke nicht mehr schließen.  

China blockiert frei zugängliche Informationen

Gerade diejenigen, die sich den rhetorischen Kooperationsangeboten verweigern oder aber eigenständig – und damit weitgehend unbeobachtet von der Regierung – Informationen zusammensammeln, werden harsch ausgegrenzt. Adrian Zenz, dessen Forschungen für die Aufdeckung der Konzentrationslager in der Autonomen Region Xinjiang entscheidend waren und auch im Bericht der damaligen UNO-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte erwähnt werden, wurde mit anderen europäischen Wissenschaftlerinnen sowie dem gesamten Merics-Institut von den chinesischen Behörden sanktioniert

Gleichzeitig wird der Zugang in Deutschland zu Informationen, die in China öffentlich sind, teilweise vertragswidrig beschränkt. Der Betreiber des Internetportals CNKI hatte Ende März verlautbaren lassen, dass es bis auf Weiteres keinen Zugang zu den abonnierten statistischen Jahrbüchern, chinesischen Dissertationen und Patenten geben werde. Bibliotheksvereinigungen haben daraufhin einen offenen Brief verfasst. Inwieweit und wann wir wieder Zugang bekommen, ist ungewiss. 

Wollen wir unter diesen Bedingungen von Zensur und Beschränkung einfach so weitermachen wie bisher? 

Schon immer war die sozialwissenschaftliche China-Forschung in politische Zusammenhänge oder Projekte eingebettet, es war embedded research mit taktischen Kompromissen und Redebeschränkungen. Selbstzensur garantierte somit einen Feldzutritt. Gleichzeitig ist es aber unaufrichtig, dieses teilweise unbewusste Zugeständnis zu verschweigen. Es ist nicht verwunderlich, dass in Umfragen unter Fachkollegen Selbstzensur im Umgang mit China als wichtig, aber immer nur am Anderen wahrgenommen wird.

In unserem Selbstbild des Wissenschaftlers, dem freies Denken und Rede zugeschrieben und auch gesetzlich garantiert wird, ist dieser taktische Rückzug immer ein peinliches Eingeständnis, das lieber schnell verschwiegen und tabuisiert wird. In dem Moment, in dem man sich zu dieser Selbstzensur im wissenschaftlichen Raum bekennen würde, hat man auch selbstgewählt diese Rolle und Rechte aufgegeben. Es ist also nicht verwunderlich, dass in einem Aufruf für eine Sondernummer einer sinologischen Fachzeitschrift zu “Censorship and Self-Censorship in China” von den über 50 Einsendungen sich keiner mit Selbstzensur in der westlichen Wissenschaft befassen wollte. 

Interesse für den Dialog nutzen

Der Wiener Anthropologe Roland Girtler hat in seinem beeindruckenden Buch “10 Gebote der Feldforschung” darauf hingewiesen, dass für das Verständnis und Interpretation der Ergebnisse im Feld unabdingbar ist, auch genau zu dokumentieren und zu analysieren, wie und in welchen sozialen Rollen, Erwartungen aber auch Zuschreibungen derjenigen, auf die man später trifft, man das Feld betreten und verlassen hat.

Es macht eben – übrigens für Wissenschaftler und Journalisten – einen Unterschied, ob wir Tibet in der Entourage der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas betreten oder als Yakhirte – die Gesprächspartner und Themen und wie wir behandelt werden, würden sich ändern. Genauso wichtig ist es, wie wir das Feld verlassen […] Wer taktische Zugeständnisse macht, muss auch Methoden und unsere Regeln finden, über die damit eingenommene Position und die damit verbundenen Fähigkeiten, Ressourcen, das Wissen oder die soziale Rolle des jeweiligen Analysestandorts zu sprechen.  

Dafür sind auch neue Räume oder Zentren notwendig, in denen die Selbstzensur dokumentiert und zur Diskussion gestellt wird, über China gesprochen und gestritten werden darf und nicht zuletzt die Stimmen Gehör finden, die in China unterdrückt und wegzensiert werden. Viele chinesische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wollen nach Deutschland kommen, im Moment bedauerlicherweise auch mit Knebelverträgen des China Scholarship Council unter Mithilfe des DAAD oder Universitäten wie der FU Berlin oder LMU München.

Dieses Interesse für den Wissenschaftsstandort Deutschland gilt es für einen Dialog zu nutzen, der konsequent auf den Prinzipien und der Redefreiheit unserer Gesellschaft beruht. Wir brauchen mehr und eine andere “Chinakompetenz“. Diese nur der Sinologie oder denjenigen zuzuschreiben, die Chinesisch sprechen, ist zu kurz gegriffen und historisch auch extrem zweifelhaft. Mit Sprachkenntnissen und noch besserem Zugang zu KP-Propagandamaterial konnten sich mitunter spätere Sinologie-Professoren ein noch größeres Brett vor den Kopf nageln und dazu beitragen, dass der Maoismus als Chinoiserie des 20. Jahrhunderts in Westeuropa sich etablieren konnte. Wir müssen Zentren und Foren schaffen, in denen verschiedene Formen der akademischen und nicht-akademischen, theoretischen, sprachlichen und praktischen China- und Autokratiekompetenz zusammen kommen, mit chinesischer Beteiligung, aber transparent und inklusiv. 

Dieser Text ist eine mit dem Autor einvernehmlich gekürzte Version. Er entstand im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag, 29.06. 11.00 Uhr, diskutieren Matthias Stepan vom Forschungsprojekt “Hochschulen als Akteure im Dialog mit China” an der Ruhr-Universität Bochum und Sascha Klotzbücher, Associate Professor am Ostasiatischen Institut an der Universität Bratislava, über das Thema: Deutsche Forschungskooperationen: Wissen Schaffen für oder mit China? China.Table ist der Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.

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  • KP Chinas
  • Wissenschaft
  • Wissenschaftskooperation

Personalien

Dario Gargiulo ist ab Juli neuer Geschäftsführer von Bottega Veneta für Greater China. Gargiulo war zuvor Chief Marketing & Digital Business Officer bei der Luxusmarke. Als China-Chef folgt er Mauro Malta nach.

Ao Wang ist seit April Manager für R&D Validation und Testing bei der Great Wall Motor Deutschland GmbH. Er war zuvor New Energy Powertrain Expert, ebenfalls bei Great Wall Motor in München.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Bachelor- und Master-Absolventen lassen sich nach der Abschlussfeier an der Renmin-Universität in Peking für ein Erinnerungsfoto knipsen. Es wird erwartet, dass in diesem Jahr eine Rekordzahl von 11,6 Millionen jungen Menschen ihren Abschluss an chinesischen Hochschulen machen wird, unter ihnen auch mehr Doktoranden als je zuvor.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    heute geht es bei uns zweimal um die Entkoppelung der Wirtschaft. Während wir in unserem ersten Text darüber berichten, dass Premier Li Qiang den Trend der westlichen Länder zur Loslösung von China geißelt, zeichnet unser zweiter Text genau so eine Abkoppelung nach – allerdings wird sie von China eifrig mitbetrieben.

    Die Ironie daran ist zunächst, dass kaum ein westlicher Politiker ernsthaft eine “Abkopplung” fordert. Dafür gibt es ja jetzt das Zauberwort des “De-Risking”, das bei Li allerdings ähnlich schlecht ankommt. Li hat seine Kritik in einer Rede auf “Sommer-Davos” in China vorgebracht, von der Jörn Petring berichtet.

    Die ganz reale Entfremdung der Wirtschaftsräume ist allerdings nicht das Ergebnis eines einzelnen Aktes der “Politisierung” (wie Li es sagt) der Wirtschaftsbeziehungen. Auf beiden Seiten gab es Schritte, die voneinander weggeführt haben. Im vergangenen Jahr wurde der Abstand dann praktisch unüberbrückbar.

    Im Ergebnis ist Chinas Chipindustrie dabei, aufzuholen und eigenständig zu werden. Das wiederum ist eine schlechte Nachricht für Anbieter wie Intel, Infineon oder Samsung. Sie können ihrerseits nicht in moderne Fertigungsanlagen in China investieren, weil sie dann nicht mehr an die reich gefüllten Subventionstöpfen der USA herankommen. Sie versuchen nun, sich den chinesischen Markt warmzuhalten, ohne mit den USA zu brechen.

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    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Chip-Hersteller zwischen den Fronten

    Was macht ein Unternehmen, dem Peking gerade mit fadenscheiniger Begründung das China-Geschäft verdirbt? Es investiert umso mehr in China, weil dort weiterhin die wichtigsten Kunden sitzen. So hat es jetzt der US-Halbleiterhersteller Micron gemacht.

    Kurz nach seiner Verbannung aus kritischen Netzen Chinas wegen Sicherheitsbedenken hat Micron angekündigt, viel Geld in Übernahme und Ausbau eines bestehenden Werks zu stecken. Die Fabrik liegt in Xi’an, die Investitionssumme beträgt 4,3 Milliarden Yuan (550 Millionen Euro).

    Harte Wahl zwischen den USA und China

    Aus dem Verhalten des Unternehmens spricht eine gewisse Verzweiflung. Die Halbleiterhersteller sind voll zwischen die Fronten der Handelskonflikte geraten. China baut unter dem Druck von US-Sanktionen seine eigene Halbleiterindustrie rasch aus. Wer dort relevant bleiben will, muss eigentlich vor Ort produzieren. Doch gesteigertes Engagement in China lehnen die politischen Strategen in westlichen Hauptstädten immer deutlicher ab.

    So wie Micron suchen daher auch Intel, Infineon, Samsung, TSMC und andere Branchengrößen einen Weg, wie sie ihre Präsenz in China erhalten, ohne sich gegen den politischen Kurs ihrer Heimatländer zu stellen. Vor die Wahl gestellt, spielen sie aktuell zwar lieber im Team USA und investieren in westlichen Ländern. Doch das schwächt eben ihre Position in China, wo wichtige Kunden sitzen.

    Die zwei Supermächte driften auseinander

    China hat bereits 2015 beschlossen, in Schlüsseltechnologien möglichst schnell unabhängig zu werden. Zu “Made in China 2025” gehört auch die Halbleiterindustrie. Die USA wiederum spielen seit 2017 betont aggressiv gegen den Rivalen in Fernost und haben die Reibereien zu einem echten Handelskonflikt eskaliert.

    Im vergangenen August hat Präsident Joe Biden mit dem CHIPS and Science Act den ersten Schritt getan, um China von US-Technik abzuschneiden. Wer in den USA von Milliardensubventionen profitieren will, darf keine moderne Technologie mehr nach China transferieren. Biden will Know-how und Arbeitsplätze in die USA zurückholen.

    Subventionswettlauf beschleunigt Abkopplung

    Im Oktober 2022 legte Biden noch einmal nach und verbot die Lieferungen moderner Chips und von Anlagen zu deren Herstellung an China. Später folgten die Niederlande und Japan den sogenannten Chip-Sanktionen.

    Im Dezember vergangenen Jahres dann reagierte China. Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission stellt nun eine Billion Yuan (125 Milliarden Euro) über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung, um die Branche zu fördern. Sowohl bei Prozessoren als auch bei Speicherbausteinen werden die chinesischen Anbieter nun vermutlich schnell aufholen. Die beiden größten Volkswirtschaften machen wahr, was vorgeblich keiner will: eine Entkopplung.

    Hartes Spiel, aber hohe Förderung

    Damit haben die Politiker in Washington und Peking die Manager der westlichen Halbleiterhersteller in eine schwierige Lage gebracht. Die Impulse von Made in China 2025 haben die Unternehmen zunächst motiviert, mehr in China zu investieren. Nach dem Stimmungswechsel in Washington hatten die US-Hersteller damit jedoch die eigene Regierung gegen sich.

    Beispiel Intel: Das Unternehmen wollte noch 2021 die Produktion in China hochfahren, um sich gegen den Chip-Mangel zu stemmen. Biden vereitelte das Vorhaben. CEO Pat Gelsinger ließ später Pläne für weitere Werke in China auf Eis legen, um von den gigantischen Subventionen im Rahmen des CHIPS Act zu profitieren.

    Die Industrie kommuniziert widersprüchlich

    Gelsinger nannte China jedoch kurz darauf wieder “den wichtigsten Markt” für sein Unternehmen. Er hat damit schlicht gesagt, wie es ist. Weltweit werden die meisten Chips in China verbaut. Das Land ist konsistent der größte und am schnellsten wachsende Markt für Halbleiter.

    Denn Fabriken in China stellen den Löwenanteil der global verkauften Elektronik her, seien es PCs, Handys, Tablets, Fernseher oder Kopfhörer. In China hergestellte Halbleiter verlassen das Land gar nicht erst, sondern wandern gleich ins Endprodukt – das dann exportiert wird.

    Micron will Kunden halten

    Microns Investiton in Xi’an ist auch Reaktion auf eine drohende Krise auf dem chinesischen Markt. Chinesische Kunden hegten offenbar bereits Pläne, zu einheimischen Anbietern zu wechseln. Die geplante 550-Millionen-Euro-Investition spiegelt nun den typischen Versuch wider, es sowohl Washington als auch Peking recht zu machen. Denn sie kollidiert nicht mit dem CHIPS Act. Das Werk in Xi’an besteht schon länger und wurde bisher von einem chinesischen Partner betrieben. Es macht China also keine neue Technik zugänglich.

    Zudem geht es hier vor allem um Verpackungen, während die Beschränkungen aus Washington auf die Herstellung besonders fein gebauter Chips mit Strukturgrößen unter 28 Nanometern zielen. Zugleich lenkt Micron Investitionen in fortschrittliche Werke von Asien in die USA um. Das Unternehmen will in seiner Heimat mit 40 Milliarden Dollar knapp zehnmal mehr ausgeben als in China.

    Deutschland hängt dazwischen

    Die Dilemmata der Branche haben auch Auswirkungen auf Deutschland. Zum Teil sind diese positiv, denn Intel investiert nun statt in China in Magdeburg, auch wenn irrwitzige Subventionen nötig waren, um Gelsinger davon zu überzeugen.

    Auch der deutsche Halbleiterhersteller Infineon ist grundsätzlich betroffen. Das Engagement in China ist dem Unternehmen wegen der Bedeutung des Marktes grundsätzlich wichtig. Infineon betreibt eine Fabrik in Wuxi und Verwaltungsstandorte in Peking, Shanghai und Shenzhen.  

    Auch Infineon geht aber derzeit in die andere Richtung und investiert Rekordsummen da, wo das Geld sicher aufgehoben ist: im Heimatmarkt, in Dresden. Der koreanische Elektronik-Gigant Samsung handelt ähnlich. Trotz einer gut entwickelten Präsenz in China investiert das Unternehmen jetzt kräftig in seiner Heimat Südkorea, umgeht somit Kritik aus Washington und macht die eigene Regierung glücklich.

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    Abkopplung ist das große Thema bei Sommer-Davos

    Zum Auftakt von Sommer-Davos hat Chinas Ministerpräsident Li Qiang ähnliche Töne angeschlagen wie bei seinem Antrittsbesuch in Deutschland: In der Eröffnungsrede des dreitägigen Wirtschaftsgipfels in der ostchinesischen Metropole Tianjin warnte Li am Dienstag die USA und Europa davor, die Abspaltung von China voranzutreiben.

    Die Wirtschaftsbeziehungen dürften “nicht weiter politisiert werden”. Er warnte vor den Folgen einer “Abkopplung”: “Einige im Westen übertreiben die sogenannten Reden von der Verringerung der Abhängigkeit oder vom De-Risking.” Beides seien falsche Ansätze. Wie schon vergangene Woche in Deutschland und Frankreich betonte Li, dass nicht die Politik, sondern die Unternehmen am besten in der Lage seien, bestehende Risiken einzuschätzen. 

    Appell an den Geschäftssinn der Unternehmer

    Li forderte damit – wenig überraschend – eine Rückkehr zur kooperativen Politik von USA und EU, die seiner eigenen Industrie viel genützt hat. Die Forderung, Wirtschaftsbeziehungen “nicht zu politisieren”, gehört zur Grundausstattung an Phrasen der chinesischen Außenpolitik und der Propagandamedien. Sie soll immer ein bisschen so klingen, als seien nur westliche Länder bereit, ihre Marktmacht zur Einflussnahme zu nutzen.

    Zugleich versuchte Li, einen Nerv bei den anwesenden Wirtschaftsvertretern zu treffen, die sich weiter in China engagieren wollen. Die Unternehmen “sollten ihre eigenen Schlüsse ziehen und ihre eigenen Entscheidungen treffen”, so der Premierminister. “Regierungen und betreffende Organisationen sollten es nicht zu weit treiben, geschweige denn das Konzept vom Risiko überspannen oder es in ein ideologisches Werkzeug verwandeln.”

    Die KP übt Einfluss auf die Wirtschaft aus

    Auch das wirft Fragen auf. Li ermutigt die westlichen Unternehmen, sich gegen ihre Regierungen aufzulehnen. Im chinesischen System erhalten die eigenen Firmen allerdings deutliche Signale der politischen Führung, welche internationale Strategie gerade gefragt ist. Li misst hier mit zweierlei Maß. Auf dem heimischen Markt hält die Führung die Zügel für private Unternehmen fest in der Hand. Gerade erst wurde ein großer Regulierungs-Crackdown im Technologiesektor abgeschlossen.

    Massiv interveniert hat Peking vor zwei Jahren auch beim chinesischen Fahrdienstvermittler Didi, der auf Druck der chinesischen Behörden sein Listing an der New Yorker Börse rückgängig machen musste. Auch hier wurde die Risikoabwägung nicht einfach dem Unternehmen überlassen. Ganz zu schweigen von ausländischen Unternehmen in China, die nach wie vor über eine deutliche Benachteiligung klagen

    Sommer-Davos: Internationale Begegnungen in China

    Wie das Original-Davos in der Schweiz, wo sich alljährlich die globale Elite aus Politik und Wirtschaft trifft, organisiert das Weltwirtschaftsforum (WEF) auch die dreitägigen Treffen der “New Champions”. So heißt das Sommer-Davos offiziell. Es findet abwechselnd in den ostchinesischen Metropolen Tianjin und Dalian statt und ist eine der wenigen Gelegenheiten, das Führungspersonal der Volksrepublik live sprechen zu hören.

    China sieht das Sommer-Davos wiederum als Chance, sich zu präsentieren und um internationale Investitionen oder Kapital zu werben. Dieses Jahr nehmen unter anderem der neuseeländische Premierminister Chris Hipkins, die Generaldirektorin der Welthandelsorganisation Ngozi Okonjo-Iweala und der saudi-arabische Minister für Wirtschaft und Planung, Faisal Alibrahim, teil.

    Schadensbegrenzung nach Image-Schäden

    Doch die Welt ist eine andere als beim ersten Sommer-Davos 2007 in Tianjin. Damals waren China und die USA noch nicht auf Konfrontationskurs. Und auch in Deutschland stellte sich kaum jemand die Frage, wie viel Abhängigkeit von China eigentlich gesund ist. Vielmehr stimmten Politik und Wirtschaft regelmäßig gemeinsame Lobgesänge auf die Globalisierung an.

    Heute ist das anders. Was Li zu sagen hatte, klang vor allem nach Schadensbegrenzung. Die westlichen Regierungen sind vom Verhältnis der Chancen zu den Risiken, die China bietet, gründlich desillusioniert. Für die Wirtschaft ist eine gründliche Risikobewertung überlebenswichtig – und hier werden die roten Fragezeichen über China immer mehr.

    Li: Höheres Wachstum im zweiten Quartal

    Li brachte zum Sommer-Davos auch eine relativ positive Prognose für die chinesische Wirtschaft mit – und stellte neue Konjunkturhilfen in Aussicht. China sei “voll und ganz zuversichtlich und in der Lage”, langfristig ein stabiles und qualitativ hochwertiges Wachstum zu entwickeln. Die Regierung werde “mehr praktische und effektive Maßnahmen” ergreifen, um die Binnennachfrage zu steigern und die Marktdynamik zu fördern.

    Trotz der derzeitigen Schwäche des Aufschwungs zeigte sich Li zuversichtlich, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal stärker gewachsen sei als zu Jahresbeginn. Das Wachstumsziel seiner Regierung von “rund fünf Prozent” werde in diesem Jahr erreicht.

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    Sinolytics-Radar

    Ausblick vieler Firmen weiter pessimistisch

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    • Es herrscht Pessimismus: Fast zwei Drittel der europäischen Unternehmen, die an der Geschäftsklima-Umfrage der EU-Handelskammer (EUCCC) teilnahmen, sehen zunehmende Probleme bei ihren China-Geschäften. Auch die Zuversicht deutscher Unternehmen ist auf einen historischen Tiefstand gesunken: 45 Prozent von ihnen 2022 eine negative Entwicklung ihrer Branchen.
    • Dieser Pessimismus wird von den US-Unternehmen geteilt. Sie sind allerdings ein wenig optimistischer sind als ihre europäischen Kollegen: 34 Prozent der Befragten erwarteten 2022, dass sich ihre Umsätze verringern würden.
    • Mit der schwindenden Zuversicht verliert China als Standort deutlich an Attraktivität. 2022 hatten 11 Prozent der befragten EU-Unternehmen ihre Bereitschaft bekundet, bestehende Investitionen aus China zu verlagern. Dieses Jahr nun gab der gleiche Anteil an Unternehmen an, eine solche Verlagerung bereits umgesetzt zu haben.
    • Dagegen plant immer noch etwa die Hälfte der befragten deutschen Unternehmen, ihre Investitionen in China zu erhöhen. Auch sieht etwa die Hälfte der US-Unternehmen China als ein Top-3-Investitionsziel an. Doch auch diese Zahlen bedeuten einen deutlichen Rückgang gegenüber den Vorjahren.
    • Der Vertrauensverlust ausländischer Unternehmen ist hauptsächlich auf die Null-Covid-Maßnahmen der Volksrepublik, auf durch Chinas Autarkiebestrebungen verursachte Markteintrittsbarrieren sowie auf regulatorische Hindernisse zurückzuführen, die sich hauptsächlich aus strengen Datenschutzbestimmungen ergeben. Mit den wachsenden geopolitischen Spannungen wird zudem das Geschäftsumfeld zunehmend politisiert.
    • Die Regierung in Peking hat einige Versuche unternommen, ausländische Unternehmen zu beschwichtigen und diejenigen für sich zu gewinnen, die für sie noch von Nutzen sind. Diese Bemühungen haben sich jedoch als bei weitem nicht als ausreichend erwiesen, um das Vertrauen der Unternehmen zurückzugewinnen. Auch stehen sie in direktem Widerspruch zu Maßnahmen, die ausländische Unternehmen aus Gründen der nationalen Sicherheit einschränken.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

    • EU-Handelskammer
    • EUCCC

    News

    DIW kritisiert Schuldenpolitik in Afrika

    Chinesische Kredite in Afrika sind dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge relativ teuer und widersprechen den Interessen der Schuldner. Zudem gingen sie häufig an rohstoffreiche Staaten mit geringem Demokratisierungsgrad, wie das DIW in einer neuen Studie zeigt. “Die chinesische Kreditvergabe an afrikanische Länder steht somit im Wettbewerb zur westlichen Entwicklungspolitik”, lautet das Fazit von Autor Lorenz Meister.

    Der Aufschwung Afrikas wird generell zum großen Teil über Kredite finanziert. Bis 2006 lag das Volumen neu zugesagter Kredite bei zehn Milliarden Dollar – oder gut neun Milliarden Euro – jährlich. Zehn Jahre später, 2016, lag es bei knapp 80 Milliarden Dollar. Vor allem die Staatsverschuldung stieg rapide an. 2020 lag sie durchschnittlich bei 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Einige Länder, darunter Ghana, haben Schwierigkeiten, den laufenden Schuldendienst zu leisten. Kenia, Ghana und Sambia verhandeln gerade ihre Schulden mit dem IWF.

    Laut DIW hat China maßgeblich zum Kreditwachstum beigetragen. Zwischen 2007 und 2017 habe der chinesische Anteil fast 40 Prozent ausgemacht. Allerdings sinke das Kreditvolumen seit 2016 – unter anderem, weil China seinen Fokus von der Außenwirtschaft auf den heimischen Markt verlagert hat.

    Zu den hohen Schulden haben auch westliche Akteure beigetragen. Laut DIW haben multilaterale Darlehen den Rückgang chinesischer Kredite in den vergangenen Jahren mehr als ausgeglichen. Auf dem Finanzgipfel in Paris in der vergangenen Woche wurde kritisiert, dass westliche Entwicklungsfinanzierer hauptsächlich Darlehen in Afrika vergeben, aber nur wenig Eigenkapitalfinanzierungen anbieten. Auch haben Investmentbanken, vor allem amerikanische, in den vergangenen Jahren in hohem Maße Eurobonds afrikanischer Emittenten in Dollar oder Euro auf den internationalen Kapitalmärkten platziert.

    Dass China seine Kredite an afrikanische Schuldner ausgeweitet hat, liegt jedoch auch daran, dass China eine maßgebliche Rolle beim Bau von Infrastruktur in Afrika eingenommen hat. 2020 war das Land laut einer Studie des Beratungsunternehmens Deloitte für 31 Prozent aller Infrastrukturprojekte auf dem Kontinent mit einem Auftragswert von mehr als 50 Millionen Dollar verantwortlich. 2013 waren es noch 13 Prozent. Der Anteil westlicher Unternehmen sank in diesem Zeitraum von 37 auf zwölf Prozent. hlr

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    Engere Militär-Kooperation mit Vietnam

    China will mit dem benachbarten Vietnam militärisch enger zusammenarbeiten. Man wolle die Kooperation zwischen den Streitkräften beider Länder auf hoher Ebene stärken, sagte der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu am Dienstag bei einem Treffen mit seinem vietnamesischen Amtskollegen Phan Van Giang in Peking. Die Sicherheit der Asien-Pazifik-Region stehe vor erheblichen Herausforderungen. “China und Vietnam sollten weiterhin Hand in Hand arbeiten und sich auf dem neuen Weg des Sozialismus eng zusammenschließen, die gemeinsamen strategischen Interessen beider Länder wahren und einen positiven Beitrag zu Frieden und Stabilität in der Region leisten”, so Li.

    In der Region gibt es zahlreiche Territorialstreitigkeiten, unter anderem auch zwischen China und Vietnam. Beide streiten sich um Inseln im Südchinesischen Meer und führten 1979 einen kurzen Krieg an der Landgrenze. Insofern ist die Ankündigung durchaus überraschend. Neben China bemühen sich auch die USA und europäische Staaten wie Deutschland um engere Kontakte zu Vietnam. Erst am Sonntag hatte der US-Flugzeugträger Ronald Reagan im vietnamesischen Hafen von Danang angelegt. rtr/ck

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    Ermittlungen gegen Disziplinar-Beamten


    Chinas oberste Korruptionsbekämpfungsbehörde hat einen hochrangigen Beamten der Zentralen Kommission für Disziplinaraufsicht (CCDI) unter Beobachtung gestellt. Er ist damit der neueste Fall eines CCDI-Beamten, der selbst in Chinas umfassende Korruptionsbekämpfung verwickelt wird. Das berichtet das Nachrichtenportal Caixin.

    Aktuell wird Hao Zongqiang, stellvertretender Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der CCDI, “schwerer Verstöße gegen die Disziplin und das Gesetz” verdächtigt – ein Euphemismus für Korruption. Die Vorwürfe gehen aus einer Erklärung hervor, die am Sonntag von der CCDI wurde.

    Hao ist der vierte CCDI-Beamte, gegen den im vergangenen Monat wegen angeblicher Bestechung ermittelt oder der bestraft wurde. Im Rahmen der Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping hat die Aufsichtsbehörde die Kontrollen auch in den eigenen Reihen verstärkt. cyb

    • Korruption

    Weltgrößtes Hybrid-Solar-Wasser-Kraftwerk am Netz

    Seit Anfang der Woche produziert das weltweit größte hybride Solar-Wasserkraftwerk auf dem osttibetischen Plateau Strom. Das berichten chinesische Staatsmedien. Mit einer Leistung von 1 Gigawatt an Solarmodulen und 3 Gigawatt an Wasserkraftgeneratoren kann die Anlage auf der Hochebene des Yalong-Flusses in der Provinz Sichuan jährlich zwei Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen. Das entspricht den Berichten zufolge dem jährlichen Energieverbrauch von mehr als 700.000 Haushalten. Die Kela-Anlage ist Teil eines großangelegten Projekts, das zum Ziel hat, saubere Energie für 100 Millionen Haushalte zu erzeugen. cyb

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    • Photovoltaik

    Presseschau

    China übt sich nach russischen Unruhen in Zurückhaltung DERSTANDARD
    Wagner mutiny exposes risks for China’s deep Russian ties REUTERS
    If Biden Wanted to Ease U.S.-China Tensions, Would Americans Let Him? NYTIMES
    Bipartisan lawmakers visit Taiwan as Biden seeks to stabilize China relationship CNBC
    Nikki Haley takes aim at Trump’s record on China in foreign policy speech CNN
    ‘What’s a Uyghur?’: Miami mayor and 2024 GOP hopeful Suarez fumbles question on China CNN
    China sichert sich Zugriff auf Hafen in Russland: Droht Putin der Verlust von Wladiwostok? MERKUR
    Netanyahu says China has invited him for a state visit APNEWS
    New Zealand foreign minister confirms ‘very robust’ meeting with Beijing REUTERS
    China warnt vor Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen WELT
    Chinas Regierungschef: Wachstum im zweiten Quartal beschleunigt HANDELSBLATT
    Indictment details plan to steal Samsung secrets for Foxconn China project REUTERS
    China offers closer military cooperation with Vietnam REUTERS
    China decoupling would be an act of ‘suicide’ for Europe, Hungary’s foreign minister says CNBC
    Taiwan Faces a #MeToo Wave, Set Off by a Netflix Hit NYTIMES
    Tech war: strong demand in China for advanced chips used on AI projects creates growing market for smuggled Nvidia GPUs, despite US ban SCMP

    Standpunkt

    Kooperation ohne Ausschluss

    Von Sascha Klotzbücher
    Sascha Klotzbücher ist Associate Professor für Sinologie an der Comenius-Universität Bratislava.

    Schon kurz nach dem Antritt von Xi Jinping als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas verschlechterte sich für uns der Feldzugang. Die Zahl der möglichen Kooperationspartner verkleinerte sich dramatisch. Der Ökonom Ilham Tohti von der Minzu-Universität wurde aufgrund seines Internetblogs, in dem er kritisierte, dass von den Geldern aus Peking in der uigurischen Autonomen Region Xinjiang vor allem Han-Chinesen oder Zuwanderer profitieren, nach Ürümqi gekarrt und dort lebenslänglich verurteilt. Seine Familie hat von ihm seit Jahren nichts mehr gehört. Wissenschaftler wie Wu Qiang wurden aus den chinesischen Universitäten herausgedrängt. Die uigurische Anthropologin Rahile Dawut ist verschwunden.  

    Nicht nur die Zahl der Wissenschaftler, auch die der Themen, die für uns Europäer für Kooperationen infrage kommen, hat sich im Laufe der Jahre immer weiter verringert. Die Hände, die uns aus China zur Kooperation entgegen gereicht werden, werden immer weniger und auserwählter. Es wäre als Geste fatal, nun wie gewohnt einfach weiterzumachen und nur noch mit Wissenschaftlern zu kooperieren, die der KP Chinas passen. Viele, unter anderem der China-Wissenschaftler David Tobin, haben sich entschlossen, unter diesen Bedingungen nicht mehr nach China zu fahren und die Kooperation auszusetzen. Tobin meint, dass von offizieller Seite tolerierte Feldforschung nur funktioniere, wenn sich Forscher weigern “chinesischen Bürgern zuzuhören, sie zu unterstützen oder jene intellektuell zu analysieren, die die willkürliche staatliche Gewalt, die sie unterdrückt, herausfordern”. Laut Tobin würde immer etwas fehlen und die Kooperation unter Bedingungen einer strikten politischen Kontrolle könne diese Lücke nicht mehr schließen.  

    China blockiert frei zugängliche Informationen

    Gerade diejenigen, die sich den rhetorischen Kooperationsangeboten verweigern oder aber eigenständig – und damit weitgehend unbeobachtet von der Regierung – Informationen zusammensammeln, werden harsch ausgegrenzt. Adrian Zenz, dessen Forschungen für die Aufdeckung der Konzentrationslager in der Autonomen Region Xinjiang entscheidend waren und auch im Bericht der damaligen UNO-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte erwähnt werden, wurde mit anderen europäischen Wissenschaftlerinnen sowie dem gesamten Merics-Institut von den chinesischen Behörden sanktioniert

    Gleichzeitig wird der Zugang in Deutschland zu Informationen, die in China öffentlich sind, teilweise vertragswidrig beschränkt. Der Betreiber des Internetportals CNKI hatte Ende März verlautbaren lassen, dass es bis auf Weiteres keinen Zugang zu den abonnierten statistischen Jahrbüchern, chinesischen Dissertationen und Patenten geben werde. Bibliotheksvereinigungen haben daraufhin einen offenen Brief verfasst. Inwieweit und wann wir wieder Zugang bekommen, ist ungewiss. 

    Wollen wir unter diesen Bedingungen von Zensur und Beschränkung einfach so weitermachen wie bisher? 

    Schon immer war die sozialwissenschaftliche China-Forschung in politische Zusammenhänge oder Projekte eingebettet, es war embedded research mit taktischen Kompromissen und Redebeschränkungen. Selbstzensur garantierte somit einen Feldzutritt. Gleichzeitig ist es aber unaufrichtig, dieses teilweise unbewusste Zugeständnis zu verschweigen. Es ist nicht verwunderlich, dass in Umfragen unter Fachkollegen Selbstzensur im Umgang mit China als wichtig, aber immer nur am Anderen wahrgenommen wird.

    In unserem Selbstbild des Wissenschaftlers, dem freies Denken und Rede zugeschrieben und auch gesetzlich garantiert wird, ist dieser taktische Rückzug immer ein peinliches Eingeständnis, das lieber schnell verschwiegen und tabuisiert wird. In dem Moment, in dem man sich zu dieser Selbstzensur im wissenschaftlichen Raum bekennen würde, hat man auch selbstgewählt diese Rolle und Rechte aufgegeben. Es ist also nicht verwunderlich, dass in einem Aufruf für eine Sondernummer einer sinologischen Fachzeitschrift zu “Censorship and Self-Censorship in China” von den über 50 Einsendungen sich keiner mit Selbstzensur in der westlichen Wissenschaft befassen wollte. 

    Interesse für den Dialog nutzen

    Der Wiener Anthropologe Roland Girtler hat in seinem beeindruckenden Buch “10 Gebote der Feldforschung” darauf hingewiesen, dass für das Verständnis und Interpretation der Ergebnisse im Feld unabdingbar ist, auch genau zu dokumentieren und zu analysieren, wie und in welchen sozialen Rollen, Erwartungen aber auch Zuschreibungen derjenigen, auf die man später trifft, man das Feld betreten und verlassen hat.

    Es macht eben – übrigens für Wissenschaftler und Journalisten – einen Unterschied, ob wir Tibet in der Entourage der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas betreten oder als Yakhirte – die Gesprächspartner und Themen und wie wir behandelt werden, würden sich ändern. Genauso wichtig ist es, wie wir das Feld verlassen […] Wer taktische Zugeständnisse macht, muss auch Methoden und unsere Regeln finden, über die damit eingenommene Position und die damit verbundenen Fähigkeiten, Ressourcen, das Wissen oder die soziale Rolle des jeweiligen Analysestandorts zu sprechen.  

    Dafür sind auch neue Räume oder Zentren notwendig, in denen die Selbstzensur dokumentiert und zur Diskussion gestellt wird, über China gesprochen und gestritten werden darf und nicht zuletzt die Stimmen Gehör finden, die in China unterdrückt und wegzensiert werden. Viele chinesische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wollen nach Deutschland kommen, im Moment bedauerlicherweise auch mit Knebelverträgen des China Scholarship Council unter Mithilfe des DAAD oder Universitäten wie der FU Berlin oder LMU München.

    Dieses Interesse für den Wissenschaftsstandort Deutschland gilt es für einen Dialog zu nutzen, der konsequent auf den Prinzipien und der Redefreiheit unserer Gesellschaft beruht. Wir brauchen mehr und eine andere “Chinakompetenz“. Diese nur der Sinologie oder denjenigen zuzuschreiben, die Chinesisch sprechen, ist zu kurz gegriffen und historisch auch extrem zweifelhaft. Mit Sprachkenntnissen und noch besserem Zugang zu KP-Propagandamaterial konnten sich mitunter spätere Sinologie-Professoren ein noch größeres Brett vor den Kopf nageln und dazu beitragen, dass der Maoismus als Chinoiserie des 20. Jahrhunderts in Westeuropa sich etablieren konnte. Wir müssen Zentren und Foren schaffen, in denen verschiedene Formen der akademischen und nicht-akademischen, theoretischen, sprachlichen und praktischen China- und Autokratiekompetenz zusammen kommen, mit chinesischer Beteiligung, aber transparent und inklusiv. 

    Dieser Text ist eine mit dem Autor einvernehmlich gekürzte Version. Er entstand im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag, 29.06. 11.00 Uhr, diskutieren Matthias Stepan vom Forschungsprojekt “Hochschulen als Akteure im Dialog mit China” an der Ruhr-Universität Bochum und Sascha Klotzbücher, Associate Professor am Ostasiatischen Institut an der Universität Bratislava, über das Thema: Deutsche Forschungskooperationen: Wissen Schaffen für oder mit China? China.Table ist der Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.

    • Hochschulkooperation
    • KP Chinas
    • Wissenschaft
    • Wissenschaftskooperation

    Personalien

    Dario Gargiulo ist ab Juli neuer Geschäftsführer von Bottega Veneta für Greater China. Gargiulo war zuvor Chief Marketing & Digital Business Officer bei der Luxusmarke. Als China-Chef folgt er Mauro Malta nach.

    Ao Wang ist seit April Manager für R&D Validation und Testing bei der Great Wall Motor Deutschland GmbH. Er war zuvor New Energy Powertrain Expert, ebenfalls bei Great Wall Motor in München.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Bachelor- und Master-Absolventen lassen sich nach der Abschlussfeier an der Renmin-Universität in Peking für ein Erinnerungsfoto knipsen. Es wird erwartet, dass in diesem Jahr eine Rekordzahl von 11,6 Millionen jungen Menschen ihren Abschluss an chinesischen Hochschulen machen wird, unter ihnen auch mehr Doktoranden als je zuvor.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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