mit der sexuellen Aufklärung verhält es sich in China in etwa so wie mit der Meinungsfreiheit: Die Menschen haben davon gehört, lassen aber lieber die Finger davon. Dass sich in einer konservativen Gesellschaft wie der chinesischen nun ein wachsender Markt für Sexspielzeug entwickelt, ist eine interessante Entwicklung, die Fabian Peltsch heute für uns nachzeichnet.
Es ist wenig wunderlich, dass es vornehmlich junge Menschen aus den urbanen Ballungsräumen sind, die ihre Scheu gegenüber neuen Trends ablegen. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun: In der Zeit der Lockdowns war die explizite Industrie eine der wenigen Branchen, die in China boomten. Der Effekt davon ist unter anderem eine langsame Enttabuisierung der persönlichen Verlangen unterhalb der Gürtellinie. Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit verbrennt man sich an Sexspielzeugen eben nicht die Finger.
Geopolitisch wird es in unserer zweiten Analyse. Die von China gegründete Entwicklungsbank AIIB verzichtet weiterhin auf eine Unterstützung von russischen Infrastrukturprojekten. Das verriet uns deren deutscher Vizepräsident Ludger Schuknecht exklusiv.
Für die AIIB ist die Distanz zu Russland ein wichtiges Element ihrer Außendarstellung. Weil China den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mittelbar unterstützt, wird die Position der AIIB gegenüber Moskau genau beobachtet, zumal sie unter anderem auch von Deutschland finanziert wird. Seit ihrer Gründung vor knapp neun Jahren sieht sich die AIIB dem Vorwurf ausgesetzt, nationalstaatliche chinesische Interessen zu vertreten. Und dass sich Russland und China sehr nahe sind, bestätigte erst gestern wieder der russische Verteidigungsminister.
China ist auch bei Sextoys die Werkstatt der Welt: Rund 70 Prozent der weltweit produzierten Erwachsenenspielzeuge werden in der Volksrepublik hergestellt. Mittlerweile liefern chinesische Shopping-Plattformen wie Temu ohne Zwischenhändler weltweit – zu Preisen, bei denen westliche Hersteller oft nicht mithalten können.
Doch Chinas Sextoy-Industrie setzt nicht mehr nur auf den Export, sondern versucht zunehmend die wachsende Inlandsnachfrage zu befriedigen. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun: In der Zeit der Lockdowns war die Sexspielzeugindustrie eine der wenigen Branchen, die in China Wachstum verzeichnen konnten. Auch wenn die Konsumraten noch weit hinter denen Japans liegen, dem größten Markt in Ostasien, ist der chinesische Markt vielversprechend. Bis zum Jahr 2030 könnte er ein Volumen von 12,3 Milliarden US-Dollar erreicht haben. Zum Vergleich: der US-amerikanische Markt wurde im Jahr 2022 auf 1,3 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bei der letzten China Adult Care Expo, der größten chinesischen Branchenmesse in Shanghai, wurden folgende Trends deutlich:
Schätzungen zufolge gibt es in China 900 Millionen sexuell aktive Menschen, wobei 93 Prozent des Umsatzes mit Sexspielzeug auf junge Erwachsene unter 35 Jahren entfällt. “Immer mehr junge Chinesen stehen zu ihren sexuellen Wünschen und werfen die sexuelle Scham ab”, sagt Lu Wang von der Shanghaier Firma Master4Fancy四趣 im Interview mit Table.Briefings. Die 35-Jährige gründete das Sextoy-Startup 2019 zusammen mit zwei Freundinnen. Ihre Zielgruppe sind Frauen und Personen aus der LGBTQ-Community, “deren Fantasien im traditionellen Sextoy-Markt bisher wenig berücksichtigt wurden”.
Master4Fancy hat heute zehn Mitarbeiterinnen. Das Team hat sich auf Toys spezialisiert, die die Fantasie anregen sollen und mal an Tentakel und mal an Orchideen erinnern. Einige seien auch direkt von chinesischer Mythologie inspiriert, sagt Lu, etwa das Drachenmodell “Gem The Keeper“. “Viel zu lange wurden Spielzeuge als bloßer ‘Männerersatz’ konzipiert“, sagt Lu. “Die meisten Designs auf dem Markt sind ziemlich einfach – fleischfarbene Teile in Penisform. Wir wollen das ändern.” Eine Analyse der Follower auf ihren verschiedenen Kanälen zeigt, dass etwa 64 Prozent der potenziellen Kunden Frauen und 36 Prozent Männer sind.
Früher wurde Sexspielzeug in China hauptsächlich in kleinen Geschäften verschämt als “Gesundheitsartikel” verkauft. Mit dem Erfolg von E-Commerce sind diese Läden, die auch Potenzmittel und Unterwäsche anboten, so gut wie ausgestorben. E-Commerce-Plattformen haben den Vorteil, dass sie einen einigermaßen anonymen Einkauf ermöglichen, sagt Lu. Für Nischen-Unternehmen, wie Master4Fancy, sind sie überlebenswichtig. Dabei sind die Produkte ihres Start-ups auf Plattformen wie Taobao und JD.com nicht ohne weiteres zu finden – sie können zwar verkauft, aber nicht beworben werden. “Die Kunden benötigen einen speziellen Link, um unseren Laden zu finden, da wir nicht in den Suchergebnissen auftauchen dürfen.” Eine Art von Shadowbanning. Auch käme es immer wieder vor, dass ihre Waren ohne Grund entfernt werden, was bei anderen Produkten nicht der Fall ist.
Neben dem einfacheren Zugang hat E-Commerce auch dazu beigetragen, das Thema massiv zu enttabuisieren. “Viele Kunden wenden sich an uns auf Taobao mit Fragen, zum Beispiel, ob es in Ordnung ist, ein Spielzeug für ihre ersten sexuellen Erfahrungen zu benutzen, oder was zu tun ist, wenn ihre Eltern von dem Spielzeug erfahren und sie deswegen zur Rede stellen.” Sie haben ihre Toys bewusst als Collectibles – Sammlerstücke- angelegt, die nicht in erster Linie pornografisch sein sollen, sagt Lu, die, wie die drei anderen Gründerinnen, schon vorher in der Sexualerziehung tätig war. “Das Zeigen von Sexspielzeug in den eigenen vier Wänden ist immer weniger ein Tabu. Es ist auch ein kleiner Akt der Rebellion in einer repressiven Umgebung.“
Die gesellschaftliche Einstellung zu Sexualität ist in China nach wie vor überwiegend konservativ. Sexualerziehung für Jugendliche findet in der Schule nur als schambehafteter Teil des Biologie-Unterrichts statt. So wird dort beispielsweise der Begriff “Pubertätserziehung” (青春期教育) häufiger verwendet als “Sexualerziehung”. In einem 2019 veröffentlichten Bericht von Unesco und & Unfpa, der Agentur der Vereinten Nationen für sexuelle und reproduktive Gesundheit, gaben einige Lehrer an, dass sie “sensible Teile” des Sexualkundeunterrichts einfach auslassen würden, weil ihnen das Thema “extrem unangenehm” sei. Auch Eltern schweigen lieber als aktiv die Aufklärungsarbeit zu übernehmen. Neben Pornografie bleiben Online-Foren deshalb die wichtigste Informationsquelle.
Das Thema Sexualerziehung polarisiert in China, sagt Lu. Die einen befürworten sie, die anderen sind strikt dagegen und fürchten den Verfall der Sitten. “Insgesamt aber wird die Sexualerziehung besser!” In der Vergangenheit habe sie sich vor allem auf die Gesundheitsrisiken fokussiert, etwa Aids oder ungewollte Schwangerschaften. Heute ginge es in Chinas Online-Selbsthilfe-Foren auch um ein offenes Gespräch über sexuelle Lust. “Der Selbstbefriedigung von Frauen, früher ein Tabuthema, wird viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was eine große Veränderung ist“, sagt Lu. Als Anbieter von Sexspielzeug sieht sie sich auch dahingehend als Aufklärerin. Andere Start-ups wie Sistalk aus Peking folgen dieser Selbstdefinition. So wurde auf der eingangs erwähnten Shanghaier Messe etwa ein Vibrator beworben, der durch Messung der Innentemperatur den Eisprung vorhersagen kann oder für die jeweilige Benutzerin personalisierte, mit KI optimierte Pulsmuster erstellt.
Lu gibt zu bedenken, dass sich die neue Offenheit bislang vor allem bei der jungen Bevölkerung größerer Städte bemerkbar macht. In ländlichen Gebieten hätten die Menschen immer noch Probleme mit einer vielfältigen Sexualerziehung. “Ich habe eine 18-jährige Freundin aus einer ländlichen Gegend, die sich nicht traute, ihren Freund zu bitten, ein Kondom zu benutzen, weil sie fürchtete, er würde sie für promiskuitiv halten. Dabei ist sie schließlich schwanger geworden. Solche Geschichten zu hören, macht mich wütend und traurig”, sagt Lu. Für einen befreiten Umgang mit Sexualität und eine breite Akzeptanz von Sextoys müsse noch viel getan werden.
“Es gibt zum Beispiel viele Männer, die nur auf unsere Seiten kommen, um uns zu beleidigen oder uns zu belästigen. Wir reagieren selten auf sie – wir wollen nicht, dass sie das Gefühl haben, Aufmerksamkeit für ihr Verhalten zu bekommen.” Auch die Eltern einiger der Gründerinnen haben starke Vorbehalte gegenüber der Karriere ihrer Töchter. Eine wurde von ihrem Vater sogar als Hure beschimpft, sagt Lu. Sie selbst schenkte ihrer 47-jährigen Mutter einen Vibrator als eine Art Olivenzweig. “Viele verheiratete Frauen über 40 verlieren ihr Sexualleben, wenn ihre Ehemänner mit Problemen wie Erektionsstörungen zu kämpfen haben.” Lus Mutter konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, den Vibrator selbst zu benutzen. “Am Ende fuhr sie 10 Kilometer weit weg von zu Hause, um ihn mir von dort zurückzuschicken, damit ja niemand, den sie kennt, herausfindet, dass sie im Besitz eines Sexspielzeugs war.”
Zweieinhalb Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine bleibt die im Jahr 2016 auf chinesische Initiative gegründete Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) bei ihrem Nein zu Russland. “Die Zusammenarbeit mit der russischen Seite bleibt eingefroren. Es gibt zurzeit keinen Anlass, daran etwas zu ändern“, sagte der deutsche AIIB-Vizepräsident Ludger Schuknecht im Gespräch mit Table.Briefings.
Russland ist eines der Gründungsmitglieder der AIIB, die von Peking als Alternative zu den etablierten Entwicklungsbanken wie Weltbank oder Asia Development Bank (ADB) ins Leben gerufen wurde. Russland hält mit rund sechs Prozent den drittgrößten Stimmenanteil der AIIB nach China und Indien und zudem einen Sitz im Verwaltungsrat. China genießt mit 27 Prozent das mit Abstand größte Stimmrecht. Das Nein der Bank zu Russland bedeutet, dass die AIIB vorerst keine Projekte mit russischen Partnern finanziert.
Betroffen davon sind insgesamt drei Infrastruktur-Projekte, die von der AIIB mit insgesamt 1,1 Milliarden US-Dollar hätten finanziert werden sollen. Zwei davon, die dem russischen Schienenverkehr zugutekommen sollen, sind vorerst gestoppt, während die Finanzierung eines drittes Projekts zum Ausbau des Kola Highways zwischen St. Petersburg und Murmansk vorläufig beendet worden ist.
Für die AIIB ist die Distanz zu Russland ein wichtiges Element ihrer Außendarstellung. Weil China den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mittelbar unterstützt, wird die Position der AIIB gegenüber Moskau genau beobachtet. Zumindest personell ist Russland in der Führungsebene der Bank allerdings weiterhin vertreten. Konstantin Limitowski ist einer von fünf Vize-Präsidenten, zu denen auch Schuknecht gehört. Limitowski arbeitete bis 2018 für die Europäische Entwicklungsbank. Davor war er mehrere Jahre bei der russischen VTB Group verantwortlich für internationale Projekte.
Seit ihrer Gründung vor knapp neun Jahren halten Kritiker der Bank vor, ein Instrument nationaler chinesischer Interessen zu sein – vornehmlich, um mit der Unterstützung internationaler Partner Projekte der Neue-Seidenstraße-Initiative zu unterstützen. “Es gehört zu unseren Herausforderungen, dass wir immer erklären, dass die AIIB zwar ihren Sitz in Peking hat, aber China trotz der größten Anteile nicht der dominierende Akteur ist”, sagt Schuknecht. Tatsächlich ist Chinas geopolitischer Rivale Indien mit Abstand der größte Rezipient von AIIB-Krediten. Indien, das bislang wenig Interesse gezeigt hat, die Neue Seidenstraße zu unterstützen, bezog 20 Prozent von mehr als 48 Milliarden US-Dollar, die bislang von der Bank geflossen sind.
Rund zehn Prozent der Summe floss nach China. “Wir brauchen aus Sicht des Risikomanagements solche Projekte in Ländern mit guter Kreditwürdigkeit, wie China sie hat, damit wir auch Projekte mit armen Ländern machen können, die ein niedriges Rating haben”, sagt Schuknecht. Die AIIB arbeitet zudem eng mit der chinesischen Export- und Importbank (Exim) zusammen. Die Bank ist direkt dem Staatsrat unterstellt und verfolgt offiziell das Ziel, Chinas Außenhandel, Investitionen und internationale Wirtschaftskooperationen zu fördern.
Gemeinsam mit der Exim-Bank finanziert die AIIB Projekte innerhalb und außerhalb Chinas. Ziel sei es, dass die Exim ihre Standards zur Kreditvergabe verbessert. Die AIIB setze in der Zusammenarbeit entsprechende Maßstäbe. Dabei ist der AIIB in der Vergangenheit selbst vorgeworfen worden, ihren eigenen Standards bei der Kreditvergabe nicht gerecht zu werden. Schuknecht diagnostiziert “Kinderkrankheiten”. Man sei nicht perfekt, aber “inzwischen sind wir recht gut geworden”, sagt er. Und man versuche, aus seinen Fehlern zu lernen.
Zwar hat die AIIB inzwischen stattliche 109 Mitglieder, doch ihre Bedeutung im Vergleich zu den großen Entwicklungsbanken ist bislang gering. Auch, weil die USA ihr den Rücken zuwenden und Japan eine Mitgliedschaft noch immer ablehnt. Die USA halten die AIIB für ein Werkzeug Pekings und hatten versucht, ihre Verbündeten von einer Mitgliedschaft abzuhalten. Japan sieht dagegen direkte Konkurrenz für die Asian Development Bank (ADB) mit Sitz in Tokio. “Die Position Japans ist bedauernswert, weil es im operativen Geschäft unserer Bank immer wieder zu Überschneidungen und auch intensivem Austausch mit der japanischen Regierung kommt”, sagt Schuknecht. Japan sei “eine der Perlen”, die der AIIB fehlten, gerade weil sie als regionale Entwicklungsbank eine derart große Volkswirtschaft in Asien gerne integrieren würde.
Zudem ist die AIIB ein noch vergleichsweise kleiner Apparat mit knapp 600 Mitarbeitern. Die Bank unterhält keine Länderbüros, sondern ist auf örtliche Partner angewiesen. Dadurch sei die globale Bedeutung der Bank eingeschränkt und man sei nicht so nah am Kunden, sagt Schuknecht. Andererseits ist der schlanke Verwaltungsapparat auch ein Vorteil. Mitarbeiter könnten unmittelbar an Projekten arbeiten, was bei der Weltbank von den Länderbüros übernommen wird.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die Finanzierung von Chinas Konjunkturhilfen nimmt Gestalt an. Nationale Medien berichteten am Dienstag über die Ausgabe spezieller Staatsanleihen in Höhe von sechs Billionen Yuan (774 Milliarden Euro). Damit können über einen Zeitraum von drei Jahren zusätzliche Schulden aufgenommen werden. Mit den Mitteln sollen Menschen mit geringem Einkommen unterstützt, der kriselnde Immobilienmarkt wieder in Schwung gebracht und das Kapital der staatlichen Banken aufgestockt werden. Zudem soll den Regionalregierungen bei der Lösung ihrer Schuldenprobleme geholfen werden.
Die Berichte folgen auf die Ankündigung von Finanzminister Lan Fo’an vom Wochenende, wonach Peking die Verschuldung “deutlich erhöhen” werde. Der substanzielle Umfang des Stimulus ist Anzeichen dafür, dass die chinesische Regierung ihr diesjähriges Wachstumsziel von fünf Prozent ernsthaft bedroht sieht. Ende September hatten bereits geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank größere Zuversicht ausgelöst. Allerdings äußern sich Analysten skeptisch, weil Strukturreformen, beispielsweise im Sozialsystem, ausbleiben.
Gero Kunath vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vermisst gegenüber Table.Briefings zudem eine klare Linie. “Einerseits stellt die chinesische Regierung den Lokalregierungen finanzielle Mittel zur Reduzierung der Schulden zur Verfügung, was ein wichtiges Anliegen ist. Andererseits ermutigt sie die Lokalregierungen aber auch, mit neuen Schulden unbebautes Land von den zuletzt unter Druck geratenen Immobilienentwicklern zurückzukaufen, um deren Schuldenlast zu mindern.”
Die engen Verflechtungen zwischen den Lokalregierungen und dem Immobiliensektor stellen eine große Herausforderung in China dar. Einnahmen aus Landverkäufen an Immobilienentwickler waren lange Zeit eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Lokalregierungen, brachen zuletzt jedoch ein und dürften sich so schnell nicht erholen. Viele Immobilienentwickler kauften in den letzten Jahren mehr Land, als aufgrund der zuletzt gesunkenen Immobiliennachfrage benötigt wurde und sind nun hoch verschuldet.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Verschuldung der Zentralregierung auf 24 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand, einschließlich derjenigen der regionalen Regierungen, beziffert der IWF allerdings auf rund 16 Billionen Dollar oder 116 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. grz/rtr
Russland und China demonstrieren geostrategische Geschlossenheit bezüglich Taiwan. Nur einen Tag nach dem umfangreichen chinesischen Militärmanöver vor den Küsten des demokratischen Inselstaates empfingen hohe chinesische Militärs den russischen Verteidigungsminister Andrei Beloussow in Peking. “Die Militärabteilungen Russlands und Chinas sind sich in ihrer Einschätzung globaler Prozesse einig und haben ein gemeinsames Verständnis darüber, was in der aktuellen Situation getan werden muss“, zitierte das russische Verteidigungsministerium Beloussow.
Das chinesische Verteidigungsministerium teilte seinerseits nach dem Treffen mit, dass beide Seiten darauf hoffen, die militärischen Beziehungen zu vertiefen und auszubauen und den Austausch auf hoher Ebene aufrechtzuerhalten. Beloussow war mit Zhang Youxia, dem stellvertretenden Vorsitzenden der zentralen Militärkommission Chinas, zusammengekommen. Man wolle die “grenzenlose Partnerschaft” miteinander festigen und die gemeinsame kritische Haltung gegenüber den USA verstärken.
China und Russland hatten im Februar 2022 ihre “grenzenlose Partnerschaft” ausgerufen, weniger als drei Wochen vor der russischen Invasion in der Ukraine. Russland erklärte in der vergangenen Woche, es stehe in asiatischen Fragen an der Seite Chinas, einschließlich der Kritik an den USA – das Land sei für Eskalationen in der Straße von Taiwan verantwortlich.
Die USA werfen ihrerseits Peking vor, es unterstütze Russlands Kriegsanstrengungen in der Ukraine durch die Lieferung sogenannter Dual-Use-Güter, darunter Mikroelektronik, die dem Land beim Waffenbau helfen könnte. China bestreitet das. rtr/grz
Die Internetzensur im einst liberalen Hongkong hat deutlich zugenommen. Das Beispiel Facebook zeigt, dass sich die Zahl zensierter Äußerungen oder Posts seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes mehr als verfünffacht hat. Basis sind offizielle Zahlen von Facebooks Mutterkonzern Meta, der vor wenigen Tagen die statistische Entwicklung veröffentlichte. Von 402 Fällen im Jahr 2019 stieg das Volumen auf 2181 Fälle im Jahr 2023.
Die meisten Einschränkungen betrafen demnach persönliche Facebook-Konten, -Seiten und -Gruppen. Meta bestätigte der kantonesischen Redaktion von Radio Free Asia, dass das Unternehmen “auf behördliche Datenanfragen im Einklang mit den geltenden Gesetzen und unseren Nutzungsbedingungen reagiert”. Jede Anfrage werde “sorgfältig auf ihre rechtliche Angemessenheit geprüft”, während jede Anfrage, die “zu weit gefasst oder vage” erscheine, ebenfalls sorgfältig geprüft werde.
Die Meinungsfreiheit in Hongkong ist mit der Einführung eines Nationalen Sicherheitsgesetzes faktisch eingeschränkt worden. Zwar befindet sich die Stadt noch diesseits der Great Firewall der Volksrepublik China. Doch die Gesetzgebung ermöglicht der Polizei, vermeintliche Verstöße sehr weitgehend und vage zu formulieren und damit eine Selbstzensur der Bürger zu provozieren. Eine erste Version des Sicherheitsgesetzes war 2020 implementiert worden. Seit März gilt die noch einmal verschärfte Version namens Artikel 23. grz
Mehrere EU-Länder haben vor möglichem Betrug bei Biodiesel-Einfuhren gewarnt. Beim Treffen der Energieminister am Dienstag wies Irland gemeinsam mit Deutschland, Belgien und den Niederlanden darauf hin, dass Biodiesel-Importe aus angeblichen Reststoffen der Palmölproduktion in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen seien. Zu beobachten sei dies, seit die EU Anreize für die Produktion von Biodiesel aus Rest- und Abfallstoffen gesetzt habe.
Unter anderem gegen China gibt es bereits seit Längerem Betrugsvorwürfe. Europäische Hersteller werfen chinesischen Firmen vor, aus Palmöl gewonnenen Biodiesel aus anderen asiatischen Staaten umzuetikettieren und nach Europa weiterzuverkaufen. Seit Mitte August erhebt die EU-Kommission Strafzölle auf Biodiesel aus China, allerdings wegen Dumping, nicht wegen Betrugsvorwürfen. Branchenvertreter fordern seither von der EU, auch den Betrugsvorwürfen stärker nachzugehen.
In Deutschland etwa habe sich der Einsatz von Biokraftstoffen aus leeren Palmfruchtbündeln oder Abwasser aus Palmölmühlen zwischen 2021 und 2022 fast verfünffacht, erklärte die stellvertretende Ständige Vertreterin bei der EU, Helen Winter. Der Anstieg erscheine “unverhältnismäßig groß im Vergleich zur geschätzten, weltweit verfügbaren Menge“, argumentierte der irische Umweltminister Eamon Ryan. Die EU-Kommission müsse untersuchen, ob Betrug vorliege, und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen – auch, um europäische Biodiesel-Hersteller vor unlauterer Konkurrenz zu schützen.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson dämpfte jedoch die Hoffnung auf Gegenmaßnahmen aus Brüssel. Der Handlungsspielraum der Kommission sei begrenzt, weil man in Ländern außerhalb der EU keine Vollzugsgewalt habe. Gleichzeitig habe man die Kontrollen bereits durch die Schaffung einer Unionsdatenbank für Biokraftstoffe (UDB) verbessert, die seit Anfang des Jahres aktiv sei. Simson kündigte an, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema vorzuschlagen.
Anders als die anderen an dem Vorstoß beteiligten Länder sprach sich Winter derweil auch dafür aus, Biodiesel aus den betroffenen Palmölabfällen aus der Liste sogenannter “fortschrittlicher” Biokraftstoffe zu streichen. Für deren Nutzung setzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU besondere Anreize, weil ihre Produktion nicht in Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrungsmitteln steht. jd
Chi Yin Kaldewey Jen ist neue Sales Managerin bei China Airlines in Frankfurt. Sie ist bereits seit über 20 Jahren für den taiwanischen Carrier tätig, zuletzt als Deputy Sales Managerin Europe. China Airlines bedient über das Drehkreuz in Taipeh derzeit 192 Ziele in 29 Ländern.
Ma Yunpeng ist neuer Vorsitzender bei Hongkong Air Cargo. Ma verfügt über mehr als 21 Jahre Managementerfahrung in der Luftfahrtbranche, unter anderem als Vorsitzender von Grand China Air. Derzeit fliegt Hongkong Air Cargo mit fünf Großraumfrachtern verschiedene Charter- und Liniendestinationen an, darunter Bangkok, Istanbul, London, Shanghai und Taipeh.
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Der Ende September eröffnete südliche Teil des Shanghai Expo Culture Park hat sich bereits zum Publikumsmagneten entwickelt. Der Park soll mit einem riesigen Gewächshaus und zwei künstlichen Hügeln die Natur in die hochglänzende Geschäftsstadt zurückbringen. Besonders die Zwillingsberge (双子山 Shuāngzǐ Shān) sorgen für Begeisterung und Kopfschütteln. In ihren hohlen Strukturen befinden sich Ausstellungshallen, Parkplätze und sogar ein Umspannwerk. Ein kleiner Wasserfall an ihren Hängen wird auf chinesischen Reisebewertungsportalen bereits ironisch als “Chinas Niagarafälle” angepriesen.
mit der sexuellen Aufklärung verhält es sich in China in etwa so wie mit der Meinungsfreiheit: Die Menschen haben davon gehört, lassen aber lieber die Finger davon. Dass sich in einer konservativen Gesellschaft wie der chinesischen nun ein wachsender Markt für Sexspielzeug entwickelt, ist eine interessante Entwicklung, die Fabian Peltsch heute für uns nachzeichnet.
Es ist wenig wunderlich, dass es vornehmlich junge Menschen aus den urbanen Ballungsräumen sind, die ihre Scheu gegenüber neuen Trends ablegen. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun: In der Zeit der Lockdowns war die explizite Industrie eine der wenigen Branchen, die in China boomten. Der Effekt davon ist unter anderem eine langsame Enttabuisierung der persönlichen Verlangen unterhalb der Gürtellinie. Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit verbrennt man sich an Sexspielzeugen eben nicht die Finger.
Geopolitisch wird es in unserer zweiten Analyse. Die von China gegründete Entwicklungsbank AIIB verzichtet weiterhin auf eine Unterstützung von russischen Infrastrukturprojekten. Das verriet uns deren deutscher Vizepräsident Ludger Schuknecht exklusiv.
Für die AIIB ist die Distanz zu Russland ein wichtiges Element ihrer Außendarstellung. Weil China den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mittelbar unterstützt, wird die Position der AIIB gegenüber Moskau genau beobachtet, zumal sie unter anderem auch von Deutschland finanziert wird. Seit ihrer Gründung vor knapp neun Jahren sieht sich die AIIB dem Vorwurf ausgesetzt, nationalstaatliche chinesische Interessen zu vertreten. Und dass sich Russland und China sehr nahe sind, bestätigte erst gestern wieder der russische Verteidigungsminister.
China ist auch bei Sextoys die Werkstatt der Welt: Rund 70 Prozent der weltweit produzierten Erwachsenenspielzeuge werden in der Volksrepublik hergestellt. Mittlerweile liefern chinesische Shopping-Plattformen wie Temu ohne Zwischenhändler weltweit – zu Preisen, bei denen westliche Hersteller oft nicht mithalten können.
Doch Chinas Sextoy-Industrie setzt nicht mehr nur auf den Export, sondern versucht zunehmend die wachsende Inlandsnachfrage zu befriedigen. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun: In der Zeit der Lockdowns war die Sexspielzeugindustrie eine der wenigen Branchen, die in China Wachstum verzeichnen konnten. Auch wenn die Konsumraten noch weit hinter denen Japans liegen, dem größten Markt in Ostasien, ist der chinesische Markt vielversprechend. Bis zum Jahr 2030 könnte er ein Volumen von 12,3 Milliarden US-Dollar erreicht haben. Zum Vergleich: der US-amerikanische Markt wurde im Jahr 2022 auf 1,3 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bei der letzten China Adult Care Expo, der größten chinesischen Branchenmesse in Shanghai, wurden folgende Trends deutlich:
Schätzungen zufolge gibt es in China 900 Millionen sexuell aktive Menschen, wobei 93 Prozent des Umsatzes mit Sexspielzeug auf junge Erwachsene unter 35 Jahren entfällt. “Immer mehr junge Chinesen stehen zu ihren sexuellen Wünschen und werfen die sexuelle Scham ab”, sagt Lu Wang von der Shanghaier Firma Master4Fancy四趣 im Interview mit Table.Briefings. Die 35-Jährige gründete das Sextoy-Startup 2019 zusammen mit zwei Freundinnen. Ihre Zielgruppe sind Frauen und Personen aus der LGBTQ-Community, “deren Fantasien im traditionellen Sextoy-Markt bisher wenig berücksichtigt wurden”.
Master4Fancy hat heute zehn Mitarbeiterinnen. Das Team hat sich auf Toys spezialisiert, die die Fantasie anregen sollen und mal an Tentakel und mal an Orchideen erinnern. Einige seien auch direkt von chinesischer Mythologie inspiriert, sagt Lu, etwa das Drachenmodell “Gem The Keeper“. “Viel zu lange wurden Spielzeuge als bloßer ‘Männerersatz’ konzipiert“, sagt Lu. “Die meisten Designs auf dem Markt sind ziemlich einfach – fleischfarbene Teile in Penisform. Wir wollen das ändern.” Eine Analyse der Follower auf ihren verschiedenen Kanälen zeigt, dass etwa 64 Prozent der potenziellen Kunden Frauen und 36 Prozent Männer sind.
Früher wurde Sexspielzeug in China hauptsächlich in kleinen Geschäften verschämt als “Gesundheitsartikel” verkauft. Mit dem Erfolg von E-Commerce sind diese Läden, die auch Potenzmittel und Unterwäsche anboten, so gut wie ausgestorben. E-Commerce-Plattformen haben den Vorteil, dass sie einen einigermaßen anonymen Einkauf ermöglichen, sagt Lu. Für Nischen-Unternehmen, wie Master4Fancy, sind sie überlebenswichtig. Dabei sind die Produkte ihres Start-ups auf Plattformen wie Taobao und JD.com nicht ohne weiteres zu finden – sie können zwar verkauft, aber nicht beworben werden. “Die Kunden benötigen einen speziellen Link, um unseren Laden zu finden, da wir nicht in den Suchergebnissen auftauchen dürfen.” Eine Art von Shadowbanning. Auch käme es immer wieder vor, dass ihre Waren ohne Grund entfernt werden, was bei anderen Produkten nicht der Fall ist.
Neben dem einfacheren Zugang hat E-Commerce auch dazu beigetragen, das Thema massiv zu enttabuisieren. “Viele Kunden wenden sich an uns auf Taobao mit Fragen, zum Beispiel, ob es in Ordnung ist, ein Spielzeug für ihre ersten sexuellen Erfahrungen zu benutzen, oder was zu tun ist, wenn ihre Eltern von dem Spielzeug erfahren und sie deswegen zur Rede stellen.” Sie haben ihre Toys bewusst als Collectibles – Sammlerstücke- angelegt, die nicht in erster Linie pornografisch sein sollen, sagt Lu, die, wie die drei anderen Gründerinnen, schon vorher in der Sexualerziehung tätig war. “Das Zeigen von Sexspielzeug in den eigenen vier Wänden ist immer weniger ein Tabu. Es ist auch ein kleiner Akt der Rebellion in einer repressiven Umgebung.“
Die gesellschaftliche Einstellung zu Sexualität ist in China nach wie vor überwiegend konservativ. Sexualerziehung für Jugendliche findet in der Schule nur als schambehafteter Teil des Biologie-Unterrichts statt. So wird dort beispielsweise der Begriff “Pubertätserziehung” (青春期教育) häufiger verwendet als “Sexualerziehung”. In einem 2019 veröffentlichten Bericht von Unesco und & Unfpa, der Agentur der Vereinten Nationen für sexuelle und reproduktive Gesundheit, gaben einige Lehrer an, dass sie “sensible Teile” des Sexualkundeunterrichts einfach auslassen würden, weil ihnen das Thema “extrem unangenehm” sei. Auch Eltern schweigen lieber als aktiv die Aufklärungsarbeit zu übernehmen. Neben Pornografie bleiben Online-Foren deshalb die wichtigste Informationsquelle.
Das Thema Sexualerziehung polarisiert in China, sagt Lu. Die einen befürworten sie, die anderen sind strikt dagegen und fürchten den Verfall der Sitten. “Insgesamt aber wird die Sexualerziehung besser!” In der Vergangenheit habe sie sich vor allem auf die Gesundheitsrisiken fokussiert, etwa Aids oder ungewollte Schwangerschaften. Heute ginge es in Chinas Online-Selbsthilfe-Foren auch um ein offenes Gespräch über sexuelle Lust. “Der Selbstbefriedigung von Frauen, früher ein Tabuthema, wird viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, was eine große Veränderung ist“, sagt Lu. Als Anbieter von Sexspielzeug sieht sie sich auch dahingehend als Aufklärerin. Andere Start-ups wie Sistalk aus Peking folgen dieser Selbstdefinition. So wurde auf der eingangs erwähnten Shanghaier Messe etwa ein Vibrator beworben, der durch Messung der Innentemperatur den Eisprung vorhersagen kann oder für die jeweilige Benutzerin personalisierte, mit KI optimierte Pulsmuster erstellt.
Lu gibt zu bedenken, dass sich die neue Offenheit bislang vor allem bei der jungen Bevölkerung größerer Städte bemerkbar macht. In ländlichen Gebieten hätten die Menschen immer noch Probleme mit einer vielfältigen Sexualerziehung. “Ich habe eine 18-jährige Freundin aus einer ländlichen Gegend, die sich nicht traute, ihren Freund zu bitten, ein Kondom zu benutzen, weil sie fürchtete, er würde sie für promiskuitiv halten. Dabei ist sie schließlich schwanger geworden. Solche Geschichten zu hören, macht mich wütend und traurig”, sagt Lu. Für einen befreiten Umgang mit Sexualität und eine breite Akzeptanz von Sextoys müsse noch viel getan werden.
“Es gibt zum Beispiel viele Männer, die nur auf unsere Seiten kommen, um uns zu beleidigen oder uns zu belästigen. Wir reagieren selten auf sie – wir wollen nicht, dass sie das Gefühl haben, Aufmerksamkeit für ihr Verhalten zu bekommen.” Auch die Eltern einiger der Gründerinnen haben starke Vorbehalte gegenüber der Karriere ihrer Töchter. Eine wurde von ihrem Vater sogar als Hure beschimpft, sagt Lu. Sie selbst schenkte ihrer 47-jährigen Mutter einen Vibrator als eine Art Olivenzweig. “Viele verheiratete Frauen über 40 verlieren ihr Sexualleben, wenn ihre Ehemänner mit Problemen wie Erektionsstörungen zu kämpfen haben.” Lus Mutter konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, den Vibrator selbst zu benutzen. “Am Ende fuhr sie 10 Kilometer weit weg von zu Hause, um ihn mir von dort zurückzuschicken, damit ja niemand, den sie kennt, herausfindet, dass sie im Besitz eines Sexspielzeugs war.”
Zweieinhalb Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine bleibt die im Jahr 2016 auf chinesische Initiative gegründete Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) bei ihrem Nein zu Russland. “Die Zusammenarbeit mit der russischen Seite bleibt eingefroren. Es gibt zurzeit keinen Anlass, daran etwas zu ändern“, sagte der deutsche AIIB-Vizepräsident Ludger Schuknecht im Gespräch mit Table.Briefings.
Russland ist eines der Gründungsmitglieder der AIIB, die von Peking als Alternative zu den etablierten Entwicklungsbanken wie Weltbank oder Asia Development Bank (ADB) ins Leben gerufen wurde. Russland hält mit rund sechs Prozent den drittgrößten Stimmenanteil der AIIB nach China und Indien und zudem einen Sitz im Verwaltungsrat. China genießt mit 27 Prozent das mit Abstand größte Stimmrecht. Das Nein der Bank zu Russland bedeutet, dass die AIIB vorerst keine Projekte mit russischen Partnern finanziert.
Betroffen davon sind insgesamt drei Infrastruktur-Projekte, die von der AIIB mit insgesamt 1,1 Milliarden US-Dollar hätten finanziert werden sollen. Zwei davon, die dem russischen Schienenverkehr zugutekommen sollen, sind vorerst gestoppt, während die Finanzierung eines drittes Projekts zum Ausbau des Kola Highways zwischen St. Petersburg und Murmansk vorläufig beendet worden ist.
Für die AIIB ist die Distanz zu Russland ein wichtiges Element ihrer Außendarstellung. Weil China den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mittelbar unterstützt, wird die Position der AIIB gegenüber Moskau genau beobachtet. Zumindest personell ist Russland in der Führungsebene der Bank allerdings weiterhin vertreten. Konstantin Limitowski ist einer von fünf Vize-Präsidenten, zu denen auch Schuknecht gehört. Limitowski arbeitete bis 2018 für die Europäische Entwicklungsbank. Davor war er mehrere Jahre bei der russischen VTB Group verantwortlich für internationale Projekte.
Seit ihrer Gründung vor knapp neun Jahren halten Kritiker der Bank vor, ein Instrument nationaler chinesischer Interessen zu sein – vornehmlich, um mit der Unterstützung internationaler Partner Projekte der Neue-Seidenstraße-Initiative zu unterstützen. “Es gehört zu unseren Herausforderungen, dass wir immer erklären, dass die AIIB zwar ihren Sitz in Peking hat, aber China trotz der größten Anteile nicht der dominierende Akteur ist”, sagt Schuknecht. Tatsächlich ist Chinas geopolitischer Rivale Indien mit Abstand der größte Rezipient von AIIB-Krediten. Indien, das bislang wenig Interesse gezeigt hat, die Neue Seidenstraße zu unterstützen, bezog 20 Prozent von mehr als 48 Milliarden US-Dollar, die bislang von der Bank geflossen sind.
Rund zehn Prozent der Summe floss nach China. “Wir brauchen aus Sicht des Risikomanagements solche Projekte in Ländern mit guter Kreditwürdigkeit, wie China sie hat, damit wir auch Projekte mit armen Ländern machen können, die ein niedriges Rating haben”, sagt Schuknecht. Die AIIB arbeitet zudem eng mit der chinesischen Export- und Importbank (Exim) zusammen. Die Bank ist direkt dem Staatsrat unterstellt und verfolgt offiziell das Ziel, Chinas Außenhandel, Investitionen und internationale Wirtschaftskooperationen zu fördern.
Gemeinsam mit der Exim-Bank finanziert die AIIB Projekte innerhalb und außerhalb Chinas. Ziel sei es, dass die Exim ihre Standards zur Kreditvergabe verbessert. Die AIIB setze in der Zusammenarbeit entsprechende Maßstäbe. Dabei ist der AIIB in der Vergangenheit selbst vorgeworfen worden, ihren eigenen Standards bei der Kreditvergabe nicht gerecht zu werden. Schuknecht diagnostiziert “Kinderkrankheiten”. Man sei nicht perfekt, aber “inzwischen sind wir recht gut geworden”, sagt er. Und man versuche, aus seinen Fehlern zu lernen.
Zwar hat die AIIB inzwischen stattliche 109 Mitglieder, doch ihre Bedeutung im Vergleich zu den großen Entwicklungsbanken ist bislang gering. Auch, weil die USA ihr den Rücken zuwenden und Japan eine Mitgliedschaft noch immer ablehnt. Die USA halten die AIIB für ein Werkzeug Pekings und hatten versucht, ihre Verbündeten von einer Mitgliedschaft abzuhalten. Japan sieht dagegen direkte Konkurrenz für die Asian Development Bank (ADB) mit Sitz in Tokio. “Die Position Japans ist bedauernswert, weil es im operativen Geschäft unserer Bank immer wieder zu Überschneidungen und auch intensivem Austausch mit der japanischen Regierung kommt”, sagt Schuknecht. Japan sei “eine der Perlen”, die der AIIB fehlten, gerade weil sie als regionale Entwicklungsbank eine derart große Volkswirtschaft in Asien gerne integrieren würde.
Zudem ist die AIIB ein noch vergleichsweise kleiner Apparat mit knapp 600 Mitarbeitern. Die Bank unterhält keine Länderbüros, sondern ist auf örtliche Partner angewiesen. Dadurch sei die globale Bedeutung der Bank eingeschränkt und man sei nicht so nah am Kunden, sagt Schuknecht. Andererseits ist der schlanke Verwaltungsapparat auch ein Vorteil. Mitarbeiter könnten unmittelbar an Projekten arbeiten, was bei der Weltbank von den Länderbüros übernommen wird.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Die Finanzierung von Chinas Konjunkturhilfen nimmt Gestalt an. Nationale Medien berichteten am Dienstag über die Ausgabe spezieller Staatsanleihen in Höhe von sechs Billionen Yuan (774 Milliarden Euro). Damit können über einen Zeitraum von drei Jahren zusätzliche Schulden aufgenommen werden. Mit den Mitteln sollen Menschen mit geringem Einkommen unterstützt, der kriselnde Immobilienmarkt wieder in Schwung gebracht und das Kapital der staatlichen Banken aufgestockt werden. Zudem soll den Regionalregierungen bei der Lösung ihrer Schuldenprobleme geholfen werden.
Die Berichte folgen auf die Ankündigung von Finanzminister Lan Fo’an vom Wochenende, wonach Peking die Verschuldung “deutlich erhöhen” werde. Der substanzielle Umfang des Stimulus ist Anzeichen dafür, dass die chinesische Regierung ihr diesjähriges Wachstumsziel von fünf Prozent ernsthaft bedroht sieht. Ende September hatten bereits geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank größere Zuversicht ausgelöst. Allerdings äußern sich Analysten skeptisch, weil Strukturreformen, beispielsweise im Sozialsystem, ausbleiben.
Gero Kunath vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vermisst gegenüber Table.Briefings zudem eine klare Linie. “Einerseits stellt die chinesische Regierung den Lokalregierungen finanzielle Mittel zur Reduzierung der Schulden zur Verfügung, was ein wichtiges Anliegen ist. Andererseits ermutigt sie die Lokalregierungen aber auch, mit neuen Schulden unbebautes Land von den zuletzt unter Druck geratenen Immobilienentwicklern zurückzukaufen, um deren Schuldenlast zu mindern.”
Die engen Verflechtungen zwischen den Lokalregierungen und dem Immobiliensektor stellen eine große Herausforderung in China dar. Einnahmen aus Landverkäufen an Immobilienentwickler waren lange Zeit eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Lokalregierungen, brachen zuletzt jedoch ein und dürften sich so schnell nicht erholen. Viele Immobilienentwickler kauften in den letzten Jahren mehr Land, als aufgrund der zuletzt gesunkenen Immobiliennachfrage benötigt wurde und sind nun hoch verschuldet.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Verschuldung der Zentralregierung auf 24 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand, einschließlich derjenigen der regionalen Regierungen, beziffert der IWF allerdings auf rund 16 Billionen Dollar oder 116 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. grz/rtr
Russland und China demonstrieren geostrategische Geschlossenheit bezüglich Taiwan. Nur einen Tag nach dem umfangreichen chinesischen Militärmanöver vor den Küsten des demokratischen Inselstaates empfingen hohe chinesische Militärs den russischen Verteidigungsminister Andrei Beloussow in Peking. “Die Militärabteilungen Russlands und Chinas sind sich in ihrer Einschätzung globaler Prozesse einig und haben ein gemeinsames Verständnis darüber, was in der aktuellen Situation getan werden muss“, zitierte das russische Verteidigungsministerium Beloussow.
Das chinesische Verteidigungsministerium teilte seinerseits nach dem Treffen mit, dass beide Seiten darauf hoffen, die militärischen Beziehungen zu vertiefen und auszubauen und den Austausch auf hoher Ebene aufrechtzuerhalten. Beloussow war mit Zhang Youxia, dem stellvertretenden Vorsitzenden der zentralen Militärkommission Chinas, zusammengekommen. Man wolle die “grenzenlose Partnerschaft” miteinander festigen und die gemeinsame kritische Haltung gegenüber den USA verstärken.
China und Russland hatten im Februar 2022 ihre “grenzenlose Partnerschaft” ausgerufen, weniger als drei Wochen vor der russischen Invasion in der Ukraine. Russland erklärte in der vergangenen Woche, es stehe in asiatischen Fragen an der Seite Chinas, einschließlich der Kritik an den USA – das Land sei für Eskalationen in der Straße von Taiwan verantwortlich.
Die USA werfen ihrerseits Peking vor, es unterstütze Russlands Kriegsanstrengungen in der Ukraine durch die Lieferung sogenannter Dual-Use-Güter, darunter Mikroelektronik, die dem Land beim Waffenbau helfen könnte. China bestreitet das. rtr/grz
Die Internetzensur im einst liberalen Hongkong hat deutlich zugenommen. Das Beispiel Facebook zeigt, dass sich die Zahl zensierter Äußerungen oder Posts seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes mehr als verfünffacht hat. Basis sind offizielle Zahlen von Facebooks Mutterkonzern Meta, der vor wenigen Tagen die statistische Entwicklung veröffentlichte. Von 402 Fällen im Jahr 2019 stieg das Volumen auf 2181 Fälle im Jahr 2023.
Die meisten Einschränkungen betrafen demnach persönliche Facebook-Konten, -Seiten und -Gruppen. Meta bestätigte der kantonesischen Redaktion von Radio Free Asia, dass das Unternehmen “auf behördliche Datenanfragen im Einklang mit den geltenden Gesetzen und unseren Nutzungsbedingungen reagiert”. Jede Anfrage werde “sorgfältig auf ihre rechtliche Angemessenheit geprüft”, während jede Anfrage, die “zu weit gefasst oder vage” erscheine, ebenfalls sorgfältig geprüft werde.
Die Meinungsfreiheit in Hongkong ist mit der Einführung eines Nationalen Sicherheitsgesetzes faktisch eingeschränkt worden. Zwar befindet sich die Stadt noch diesseits der Great Firewall der Volksrepublik China. Doch die Gesetzgebung ermöglicht der Polizei, vermeintliche Verstöße sehr weitgehend und vage zu formulieren und damit eine Selbstzensur der Bürger zu provozieren. Eine erste Version des Sicherheitsgesetzes war 2020 implementiert worden. Seit März gilt die noch einmal verschärfte Version namens Artikel 23. grz
Mehrere EU-Länder haben vor möglichem Betrug bei Biodiesel-Einfuhren gewarnt. Beim Treffen der Energieminister am Dienstag wies Irland gemeinsam mit Deutschland, Belgien und den Niederlanden darauf hin, dass Biodiesel-Importe aus angeblichen Reststoffen der Palmölproduktion in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen seien. Zu beobachten sei dies, seit die EU Anreize für die Produktion von Biodiesel aus Rest- und Abfallstoffen gesetzt habe.
Unter anderem gegen China gibt es bereits seit Längerem Betrugsvorwürfe. Europäische Hersteller werfen chinesischen Firmen vor, aus Palmöl gewonnenen Biodiesel aus anderen asiatischen Staaten umzuetikettieren und nach Europa weiterzuverkaufen. Seit Mitte August erhebt die EU-Kommission Strafzölle auf Biodiesel aus China, allerdings wegen Dumping, nicht wegen Betrugsvorwürfen. Branchenvertreter fordern seither von der EU, auch den Betrugsvorwürfen stärker nachzugehen.
In Deutschland etwa habe sich der Einsatz von Biokraftstoffen aus leeren Palmfruchtbündeln oder Abwasser aus Palmölmühlen zwischen 2021 und 2022 fast verfünffacht, erklärte die stellvertretende Ständige Vertreterin bei der EU, Helen Winter. Der Anstieg erscheine “unverhältnismäßig groß im Vergleich zur geschätzten, weltweit verfügbaren Menge“, argumentierte der irische Umweltminister Eamon Ryan. Die EU-Kommission müsse untersuchen, ob Betrug vorliege, und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen – auch, um europäische Biodiesel-Hersteller vor unlauterer Konkurrenz zu schützen.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson dämpfte jedoch die Hoffnung auf Gegenmaßnahmen aus Brüssel. Der Handlungsspielraum der Kommission sei begrenzt, weil man in Ländern außerhalb der EU keine Vollzugsgewalt habe. Gleichzeitig habe man die Kontrollen bereits durch die Schaffung einer Unionsdatenbank für Biokraftstoffe (UDB) verbessert, die seit Anfang des Jahres aktiv sei. Simson kündigte an, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema vorzuschlagen.
Anders als die anderen an dem Vorstoß beteiligten Länder sprach sich Winter derweil auch dafür aus, Biodiesel aus den betroffenen Palmölabfällen aus der Liste sogenannter “fortschrittlicher” Biokraftstoffe zu streichen. Für deren Nutzung setzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU besondere Anreize, weil ihre Produktion nicht in Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrungsmitteln steht. jd
Chi Yin Kaldewey Jen ist neue Sales Managerin bei China Airlines in Frankfurt. Sie ist bereits seit über 20 Jahren für den taiwanischen Carrier tätig, zuletzt als Deputy Sales Managerin Europe. China Airlines bedient über das Drehkreuz in Taipeh derzeit 192 Ziele in 29 Ländern.
Ma Yunpeng ist neuer Vorsitzender bei Hongkong Air Cargo. Ma verfügt über mehr als 21 Jahre Managementerfahrung in der Luftfahrtbranche, unter anderem als Vorsitzender von Grand China Air. Derzeit fliegt Hongkong Air Cargo mit fünf Großraumfrachtern verschiedene Charter- und Liniendestinationen an, darunter Bangkok, Istanbul, London, Shanghai und Taipeh.
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Der Ende September eröffnete südliche Teil des Shanghai Expo Culture Park hat sich bereits zum Publikumsmagneten entwickelt. Der Park soll mit einem riesigen Gewächshaus und zwei künstlichen Hügeln die Natur in die hochglänzende Geschäftsstadt zurückbringen. Besonders die Zwillingsberge (双子山 Shuāngzǐ Shān) sorgen für Begeisterung und Kopfschütteln. In ihren hohlen Strukturen befinden sich Ausstellungshallen, Parkplätze und sogar ein Umspannwerk. Ein kleiner Wasserfall an ihren Hängen wird auf chinesischen Reisebewertungsportalen bereits ironisch als “Chinas Niagarafälle” angepriesen.