auf dem gut einwöchigen Nationalen Volkskongress rücken nacheinander die verschiedenen Politikfelder in den Mittelpunkt. Nach der Wirtschaftspolitik am Wochenende kam am Dienstag die Außenpolitik an die Reihe. Minister Qin Gang erhielt reichlich Raum, die chinesische Sicht der Dinge darzustellen.
Premier Li klang am Sonntag noch milde. Qin zeigte sich gestern umso wölfischer. Die viel erhoffte Rolle als neutraler Vermittler zwischen den beiden Seiten des Ukraine-Kriegs nahm er dabei nicht an. Russland ist für ihn ein Opfer der Ränke des Westens. Der Stabilität in der Welt sei am besten durch engere Beziehungen zwischen Moskau und Peking gedient.
Hier zeigen sich wieder die Widersprüche in Chinas Zielen. Zu gern würde sich das Land als selbstgewisser Makler profilieren. Im Gesamtbild seiner Interessen will es jedoch ein starkes Russland als Gegengewicht gegen USA und EU erhalten. Immer, wenn China einen Schritt auf die Ukraine zugemacht hat, geht es deshalb einen Schritt in Richtung Russland zurück. Peking verharrt in Nähe zu Moskau.
Wir haben anlässlich des Volkskongresses zwei der profiliertesten Expertinnen für das Innenleben der KP Chinas nach dem Zustand der Partei befragt. Sophie Reiß von Merics und Marina Rudyak von der Universität Göttingen decken im Gespräch mit Michael Radunski die verborgenen Schwächen des Systems auf.
Huawei reagiert heute auf das offenbar bevorstehende Verbot chinesischer Ausrüstung in deutschen Kommunikationsnetzen. Das Unternehmen mahnt die Politik zur Besonnenheit. Die Netzbetreiber wie Telekom und Telefónica wiederum warnen, dass die Umstellung weg vom wichtigsten Lieferanten nicht über Nacht geschehen kann.
Die große Pressekonferenz des chinesischen Außenministers ist alljährlich ein fester Termin im Kalender des Volkskongresses. Für Qin Gang wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, zu erklären, wie sich China seine Friedensinitiative für die Ukraine genau vorstellt. Seit Peking vor gut zwei Wochen sein sehr allgemein gehaltenes Zwölf-Punkte-Papier zum Konflikt vorgelegt hat, war nicht mehr viel zu hören.
Doch Qin ließ die Chance verstreichen. Schnell wurde klar, dass er andere Akzente setzen will. Die Schuldigen an der Situation, die er weiterhin nicht einen Krieg nennt, sieht er in EU, USA und Nato. Wie jedes Jahr war die Veranstaltung minutiös orchestriert. Die Anwesenden trugen Fragen vor, die sie im Vorfeld einreichen und abstimmen mussten. Zunächst erkundigte sich daher eine willfährige Journalistin, wie es China gelungen sei, in so kurzer Zeit ein so modernes Land zu werden.
Die zweite Frage eines ausländischen Medienvertreters kam dann auch schon von der russischen Nachrichtenagentur Tass. Ob China sich vorstellen könne, im Handel mit Russland auf US-Dollar und Euro zu verzichten? China werde jede Währung nutzen, die “effizient, sicher und glaubwürdig” sei, antwortete der Außenminister vielsagend. Gleich darauf betonte er, dass die Beziehungen zwischen den beiden Staaten unerschütterlich seien. “Je instabiler die Welt wird, desto wichtiger ist es für China und Russland, ihre Beziehungen kontinuierlich auszubauen”, so Qin.
Zwar rief er anschließend erneut zu Friedensgesprächen auf. In seinem Appell forderte er jedoch, dass die “legitimen Sicherheitsinteressen aller Parteien respektiert” werden müssten – eine Formulierung, mit der China in der Regel seine Unterstützung für die russische Position zum Ausdruck bringt. Der Konflikt gehe im Wesentlichen auf Probleme in der europäischen Sicherheitsarchitektur zurück. Von einer russischen Invasion war erneut nicht die Rede.
Einen großen Teil seiner weiteren Ausführungen widmete Qin dann dem aus seiner Sicht eigentlichen Verursacher der Krise: Es sei bedauerlich, dass die Bemühungen um Friedensgespräche immer wieder untergraben würden. Es scheine “eine unsichtbare Hand zu geben, die auf ein Hinziehen und eine Eskalation des Konflikts dringt und die Ukraine-Krise benutzt, um eine bestimmte geopolitische Agenda voranzutreiben”. Gemeint waren damit die USA.
Der scheidende Premier Li Keqiang hatte sich zum Auftakt des Volkskongresses am Sonntag außenpolitisch noch zurückhaltend geäußert. Dafür teilte Qin jetzt umso härter aus: Wenn die USA “nicht auf die Bremse treten, sondern weiterhin den falschen Weg verfolgen”, nützen auch Leitplanken nichts mehr, sagte er. Dann drohten mit Sicherheit “Konflikte und Konfrontationen”, warnte der Diplomat vor “katastrophalen Folgen”.
Washington spreche zwar von Wettbewerb, wolle China aber in Wirklichkeit in allen Bereichen unterdrücken. Qin verglich die Beziehungen mit einem unfairen olympischen Rennen: “Wenn ein Athlet, anstatt sich darauf zu konzentrieren, sein Bestes zu geben, immer versucht, den anderen zu überlisten oder sogar zu verletzen, dann ist das kein fairer Wettbewerb, sondern eine böswillige Konfrontation und ein Foulspiel”, so der chinesische Außenminister.
Auch in der Taiwan-Frage sollten sich die USA nicht mehr einmischen, forderte Qin und zog einen bizarren Vergleich: “Warum sprechen die USA ausführlich über die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine, während sie die Souveränität Chinas missachten? Warum fordern die USA China auf, Russland keine Waffen zu liefern, während sie weiterhin Waffen an Taiwan verkaufen?”, fragte er. Eine weitere Äußerung, die es schwer vorstellbar macht, dass China ein geeigneter Vermittler im Ukraine-Krieg sein könnte.
Qin wies im gleichen Zug die Unterstellung seitens der USA zurück, dass sein Land “tödliche Hilfe” an Russland leiste. “China hat keiner Konfliktpartei Waffen zur Verfügung gestellt”, sagte er. “Warum wird China verdächtigt und mit Sanktionen bedroht? Das ist inakzeptabel!” betonte der Außenminister.
Auf der großen Bühne des Nationalen Volkskongress (NVK) in Peking wählte Xi Jinping am Dienstag die Offensive: Westliche Länder, angeführt von den USA, wollten China einkreisen, eindämmen und unterdrücken, polterte Chinas Präsident.
Der NVK in China ist vor allem eine innenpolitische Veranstaltung. Selbst wenn sich Xi zu den USA äußert, zielen seine Äußerungen auf die eigene Bevölkerung. Unter diesem Gesichtspunkt diskutierten am Dienstag Marina Rudyak von der Universität Göttingen und Sophie Reiß von China-Thinktank Merics auf dem aktuellen Table.Live-Briefing über die innere Verfassung der KP China und stellten sich den spannenden Fragen von knapp 300 China-Table-Leserinnen und -Lesern.
Rudyak warnte vor einer gefährlichen Situation für China. “Was sich derzeit in China zusammenbraut, ist vergleichbar mit der Zeit um 1989. Die Parallelen zu den Ereignissen 1919 oder 1989, Momenten in der chinesischen Geschichte, in denen es zu größeren Eskalationen kam, sind unübersehbar.”
Auch Sophie Reiß stellte fest, dass Chinas Führung um Xi derzeit vor erheblichen Problemen stehe. “Drei Jahre harter Zero-Covid-Politik haben tiefe Spuren in China hinterlassen, wirtschaftlich und gesellschaftlich.”
“Insgesamt hat die Kommunistische Partei an Vertrauen verloren”, konstatierte die Merics-Forscherin.
Aus Sicht von Sinologin Rudyak ist die aktuelle Situation für Chinas Führung nicht nur schwierig, sondern gefährlich. Die Vertretungsprofessorin der Universität Göttingen verweist neben den bereits genannten Problemen auf ein weiteres Phänomen: “In China gibt es eine riesige Jugendbewegung, die sich ganz bewusst aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben rauszieht.” Unter dem Motto “Lying flat” verweigere sich eine ganze Generation. Sie wollen nicht mehr arbeiten, nicht mehr am gesellschaftlichen Zusammenleben teilnehmen.
Auch in China gäbe es eine “Letzte Generation”-Bewegung. Sie trägt den gleichen Namen wie die Bewegung in Deutschland, bezieht sich allerdings nicht auf Umweltaspekte, sondern auf die gesamtgesellschaftliche Situation.
Diese Jugend fragt sich: Warum soll ich in diesem System noch Kinder bekommen? In einem System, dass uns immer mehr einschränkt und in dem es uns deutlich schlechter gehen wird als unseren Eltern? Zusammen mit dem ohnehin schon hohen demografischen Druck stellt diese Bewegung die Staatsführung um Xi Jinping vor massive Probleme.
Rudyak, die in Heidelberg und Göttingen zu China forscht, glaubt, in der chinesischen Gesellschaft sei etwas verrutscht: “Die Momente, in denen Revolten stattgefunden haben, waren allesamt Wirtschaftskrisen, in denen sich die Jugend abgehängt gefühlt hat.” Als mahnende Beispiele für die Führung in Peking dienen die 4.-Mai-Bewegung von 1919 oder auch die Demonstrationen im Jahr 1989. Es waren massive Wirtschaftskrisen, in denen die urbane intellektuelle Jugend keine Zukunft mehr für sich gesehen hat.
Derzeit erlebe China wieder einen solchen Moment, warnt Rudyak. “Was sich in China gerade zusammenbraut, ist nicht unähnlich der Zeit um 1989. Die Parallelen zu Momenten in der chinesischen Geschichte, in denen es zu größeren Brüchen kam, sind unübersehbar.”
Merics-Forscherin Reiß sieht darin auch ein Problem für die Legitimität der KP. “Weil die Regierung eben nicht direkt von der Bevölkerung gewählt ist, ist ihre Legitimität vor allem darauf aufgebaut, dass es wirtschaftlich und gesellschaftlich vorangeht.” Das ist der Führung in Peking zuletzt allerdings nicht mehr gelungen.
Die inoffizielle Abmachung zwischen Volk und KP – Wir sorgen dafür, dass ihr reich werdet, dafür haltet ihr euch aus der Politik raus – scheint nicht mehr zu funktionieren. “Vor allem auf lokaler Ebene ist der Vertrauensverlust gegenüber der Partei schon jetzt sehr groß”, urteilt Reiß.
Die promovierte China-Expertin Rudyak fürchtet, dass die innenpolitischen Probleme zu einer aggressiveren Außenpolitik führen könnten. “Schon jetzt wird die Rhetorik gegenüber den USA immer schärfer. Peking behauptet, das internationale Umfeld und vor allem die USA sind daran schuld, dass es China wirtschaftlich schlechter geht.”
In diesem Zusammenhang müsse man auch das ausgegebene Wachstumsziel von fünf Prozent sehen. “Diese Zahl ist ein klares Signal an die eigene Bevölkerung. Die Corona-Krise ist vorbei. Die innenpolitischen Ursachen der Wirtschaftskrise sind beseitigt worden. Wir sind bereit.”
Auf dem Table.Live-Briefing wurde denn auch deutlich, in welchem Zusammenhang man den Nationalen Volkskongress sehen sollte. Mit dem NVK wendet sich Chinas Führung an das eigene Volk. Dieses Jahr lautet die Botschaft: Trotz der Corona-Krise, trotz des Handelskrieges und trotz der Einkreisung durch die USA, sei es der China bislang gelungen, nie dagewesene Erfolge zu erreichen. Und in Peking lässt man keine Zweifel daran aufkommen, wer Chinas Erfolgsgarant ist: die Führung der Kommunistischen Partei um Xi Jinping.
Die geplante Prüfung von Schlüsselkomponenten chinesischer Hersteller im deutschen Mobilfunknetz stößt auf ein geteiltes Echo. Der Huawei-Konzern, der im Zentrum der Debatte steht, wies gegenüber Table.Media auf eine einwandfreie Sicherheitsbilanz hin. “Huawei hat in den vergangenen 20 Jahren äußert verlässlich Technologie nach Deutschland und in die ganze Welt geliefert”, sagte ein Sprecher. Es habe nie nennenswerte Vorfälle gegeben.
Am Montag war bekannt geworden, dass Innenministerin Nancy Faeser Komponenten chinesischer Hersteller aus den Handynetzen verbannen will. In einem Brief an die Netzbetreiber hat sie eine Ausweitung der schon laufenden Prüfungen auf das bestehende Netz angekündigt. Am Dienstag bestätigte das Ministerium den Vorgang, betonte aber, die Prüfung richte sich nicht gegen einzelne Firmen.
Die Begründung des Ministeriums: Von den chinesischen Gerätschaften gehe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Die Firmen müssen nach der Prüfung eventuell bereits bezahlte und verbaute Elektronik aus den Antennenstationen und Netzknoten herausreißen.
Die Mobilfunkfirmen selbst halten das für gar nicht so einfach. Telefónica Deutschland, die das O2-Netz betreibt, sprach bereits von möglichen Schadensersatzforderungen. Das Unternehmen brauche zudem im Fall eines Verbots chinesischer Teile genug Zeit, um neue Komponenten zu beschaffen und einzubauen. Sonst drohen Einbußen bei der Netzqualität. Das Unternehmen habe bereits eine Liste kritischer Komponenten an das Ministerium geliefert.
Die Firmen zeigen sich insgesamt unzufrieden damit, dass es laufend neue Signale von der Bundesregierung gibt. “Wichtig für uns Netzbetreiber ist, klare und erfüllbare Maßgaben der zuständigen Behörden und des Gesetzgebers zu bekommen”, schrieb ein Telefónica-Sprecher Table.Media.
Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte sich 2019 noch für Kooperation mit Huawei ausgesprochen. Dann kam die Entscheidung, Huawei nicht auszuschließen. Nur wenige Monate später wurden dann dennoch hohe Hürden für den Einsatz chinesischer Teile beschlossen.
Die neue Bundesregierung machte dann im vergangenen Jahr eine Sicherheitsprüfung verpflichtend. Seit Mitte 2022 läuft zudem in der Regierung eine Diskussion über den nachträglichen Ausbau von bereits laufenden Huawei-Teilen. Die Stimmung war also seit der Ära Altmaier vollständig gekippt.
Jetzt kommt das Leak zur neuen Prüfvorschrift zusammen mit der weit gestreuten Interpretation, dass Huawei bei der Sicherheitsprüfung durchfallen werde. Immerhin ist ein Trend klar zu erkennen. Die Zeiten werden für die chinesischen Anbieter immer ungemütlicher.
Die Handlungen von Innenministerin Faeser von der SPD stoßen auch auf viel Zustimmung. Ihr Kabinettskollege Christian Lindner von der FDP sagte gegenüber Welt TV: “Wir können nicht abhängig sein von Komponenten einzelner Hersteller und erst recht nicht darf kritische Infrastruktur kompromittierbar sein.” Noch habe die Koalition aber keine abschließende Entscheidung getroffen.
Ähnlich äußerte sich der profilierte Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Es sei “leichtsinnig oder naiv”, Komponenten chinesischer Herkunft unbesehen in Handynetze zu verbauen. Die Ampel-Koalition hat offenbar ein Thema gefunden, bei dem sie einer Meinung ist.
Das deutsche Vorgehen entspricht auch eindeutig der Politik der EU. “Wir ermutigen die Mitgliedsstaaten, die noch keine Beschränkungen für Hochrisikozulieferer eingeführt haben, dies ohne Verzögerung nachzuholen”, schreibt eine Kommissionssprecherin an Table.Media.
Die Sicherheitsprüfung schaut sich nicht nur die Komponenten selbst und den Softwarecode darauf an. Wichtiges Element ist auch eine Garantieerklärung des Lieferanten. Zudem spielt auch die politische Gesamtlage eine Rolle. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine mit ihren weitreichenden Folgen hat diese Sicht viele Anhänger.
Die Aufmerksamkeit gilt derzeit dem Punkt der Mobilfunkgefüge zwischen Handy und Verteilernetzen (RAN). Die heute verbreiteten Standards im Rahmen von “Open RAN” sollten eigentlich mehr Transparenz schaffen. Die Funktionsweise der Teile ist bei Open RAN eigentlich klar einsehbar sein. Auf den zweiten Blick stellte sich heraus: Open RAN ist von China geprägt. Und der Softwarecode einer Mobilfunkstation ist so kompliziert, dass ihn nachträglich kaum jemand durchschaut.
Eine Überprüfung von Komponenten für die deutschen Handynetze ist andererseits längst angeordnet. Sie bezieht sich aber bisher auf das Kernnetz am Boden, ohne das kein Datenverkehr funktionieren würde. Hier sind keine chinesischen Teile mehr nachweisbar.
Auch das Handynetz befindet sich bereits im Blick der Regulatoren. Bisher bezogen sich die Prüfungen aber nur auf neue Teile. Der Brief mit dem Fokus auf bereits verbaute Gerätschaften markiert eine Steigerung des Misstrauens der Bundesregierung gegenüber Huawei und seinem Wettbewerber ZTE.
Ein Grund für die härtere Gangart: Die endlosen Diskussionen über Huawei hatten kaum einen Effekt auf die Realität. Die Regierung kann bis heute nicht genau sagen, wie viele Teile aus China stammen. Einer Berater-Studie zufolge wurden die Huawei-Teile im deutschen Netz in den vergangenen Jahren nicht weniger, sondern mehr.
Huawei selbst verweist darauf, bisher alle nötigen Genehmigungen und Zertifizierungen in Deutschland erhalten zu haben, wenn es an einem offenen Verfahren teilgenommen hat. Die Infrastruktur werde vor allem dann sicherer, wenn viele verschiedene Anbieter einen Zugang zum Markt erhalten.
Aus EU-Sicht haben einheimische Anbieter von Nokia und Ericsson jedoch einen weiteren großen Vorteil. Wenn sie stark sind, verringert das in einem entscheidenden Bereich die Abhängigkeit von China. Mitarbeit: Corinna Visser
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Dem Nationalen Volkskongress liegt ein Antrag auf Neuorganisation der Ministerien vor. Dieser wird fast sicher so angenommen. Die neue Struktur sieht vor:
Nach Abschluss des Umbaus wird es 26 Behörden auf Ministerialebene geben. fin
Der Sozialausschuss der Vereinten Nationen (CESCR) fordert China zur sofortigen Einstellung ihres Internatssystems in Tibet auf. Das “Zwangsschulsystem”, das den tibetischen Kindern auferlegt worden sei, müsse unverzüglich abgeschafft werden. Zudem solle die Einrichtung privater tibetischer Schulen erlaubt sein, heißt es in den abschließenden Feststellungen des Ausschusses zum Ende seiner Sitzung in Genf.
Das UN-Gremium, das zweimal pro Jahr zusammentritt, griff mit seinen Feststellungen die Vorwürfe durch Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen auf. Diese hatten die systematische Schließung von lokalen Schulen im gesamten tibetischen Siedlungsgebiet kritisiert. Durch die Schließung sind tibetische Kinder gezwungen, weit entfernte Internate zu besuchen, wo sie ausschließlich Mandarin sprechen dürfen. Betroffen davon sind bis zu 900.000 Kinder. Der UN-Sozialausschuss fürchtet eine kulturelle Assimilierung der Tibeter.
“Die Empfehlungen sind eine Anklageschrift gegen die Politik Chinas in Tibet“, erklärte Kai Müller, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation International Campaign for Tibet. Das tibetische Volk sehe sich einer Politik gegenüber, die das Überleben seiner Kultur und Identität systematisch bedrohe. Müller fordert die internationale Gemeinschaft auf, dem Beispiel des Ausschusses zu folgen und ein Ende dieser “dramatischen Rechtsverletzungen” zu fordern.
Der Ausschuss formulierte zudem seine Besorgnis darüber, dass neben tibetischen auch uigurische und kasachische Bildungseinrichtungen in der autonomen Region Xinjiang von Schließungen betroffen seien. Er empfahl “den Völkern und Minderheiten, die volle und uneingeschränkte Ausübung ihres Rechts auf die volle Entfaltung ihrer eigenen kulturellen Identität und die Teilnahme am kulturellen Leben zu gewährleisten und den Gebrauch und die Ausübung ihrer Sprache und Kultur sicherzustellen”.
Der UN-Sozialausschuss hatte seit Mitte Februar drei Wochen lang getagt und sowohl ausführlich die Vertreter der chinesischen Regierung als auch von Nichtregierungsorganisationen angehört. China hatte zu seiner Verteidigung Dutzende Delegierte in den Ausschuss geschickt.
Insgesamt nahm der Ausschuss in 159 Paragrafen zur Situation in China Stellung und sprach jeweils entsprechende Empfehlungen aus. Dabei geht es neben der chinesischen Minderheitenpolitik unter anderem auch um Defizite bei der Bildung, Gleichstellung von Frauen, der Unabhängigkeit von Gerichten und Anwälten. Die Regierung in Peking ist nun aufgefordert, für Verbesserungen in allen kritisierten Feldern zu sorgen und dem Sozialausschuss die Ergebnisse in einem künftigen Bericht vorzulegen. grz
Im Rahmen eines möglichen Treffens zwischen Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen und dem Präsidenten des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, will Taiwan keinerlei “Provokationen” seitens Chinas dulden. “Wenn die chinesischen Kommunisten erneut zuschlagen, ist es die Aufgabe der Streitkräfte zu kämpfen”, kündigte der taiwanische Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng am Dienstag an.
“Wir werden keine wiederholten Provokationen gegen uns zulassen. Das können wir nicht akzeptieren.” Ob er damit auch die Anwendung militärischer Mittel einschließt, ließ er offen. “Aber wir werden nicht einfach sagen: ‘Macht schon. Wir werden einen friedlichen und rationalen Ansatz wählen.”
McCarthy will sich Berichten zufolge in den kommenden Wochen mit Tsai in Kalifornien treffen. Dieser Schritt könnte die erwartete, aber politisch heikle Reise des Republikaners nach Taiwan zunächst ersetzen. Offiziell bestätigt ist dieses Treffen aber noch nicht. Das taiwanische Außenministerium erklärte, es werde zu gegebener Zeit eine Ankündigung über etwaige Auslandsreisen der Präsidentin machen, habe aber vorerst nichts anzukündigen. Auch McCarthy hat ein Treffen mit Tsai nicht bestätigt.
China hatte im vergangenen August rund um den Besuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verstärkt Militärmanöver um die Insel abgehalten. rtr/flee
Tao Haiyue bezeichnet sich selbst als neugierige Beobachterin. Seit 2014 lebt sie in Berlin, davor studierte sie an der Bauhaus-Universität in Weimar. Geboren ist Tao in Hangzhou in China. “Ich bin in einer Künstlerfamilie aufgewachsen, mein Vater ist Maler, Kunstredakteur und Verleger”, erzählt sie. “Und meine Mutter hegt eine Leidenschaft für Kalligrafien.” Es lag also nicht fern, dass Tao sich nach der Schule für Bildhauerei an der Shanghai Normal University einschrieb.
Fünf Jahre später zog sie fürs Master-Studium nach Weimar. “Mein Studium in Deutschland war ein herausfordernder Prozess”, sagt sie rückblickend. “Am Anfang fand ich es schwierig, mich zu integrieren, und ich blieb eine Zeit lang relativ introvertiert.” Aber missen möchte sie diese Erfahrung nicht – denn sie habe dabei geholfen, eine neue Perspektive auf die Welt zu entwickeln und neue kreative Prozesse anzustoßen. Dieser kreative Prozess folgt bei Tao keinem festen Muster; sie experimentiert und spielt mit ihren Beobachtungen – doch ein Thema kehrt immer wieder: das kollektive Gedächtnis. “Ich untersuche, wie Gruppen Erinnerungen teilen, vererben und konstruieren”, berichtet Tao.
In Städten sucht die Künstlerin nach Elementen, die eine kollektive Bedeutung haben, wie beispielsweise Denkmäler von Mao Zedong, die einst in ganz China zu finden waren. “Nach der Kulturrevolution wurden die meisten Statuen entfernt, doch in einigen Ecken der Stadt stehen diese Überbleibsel der Vergangenheit noch immer an öffentlichen Plätzen.”
Die vergessenen Statuen inspirierten Tao zu ihrer künstlerischen Intervention “How to be a Monument”: Am Eingang der Pekinger Landwirtschaftsuniversität lud sie Menschen ein, sich auf einen leeren Marmorsockel zu stellen und die Pose der dortigen Mao-Statue nachzuahmen. “Auf den fertigen Aufnahmen wirkten sie selbst wie lebende Denkmäler und warfen Fragen zu den Machtstrukturen im öffentlichen Raum und zum Wert einzelner Denkmäler auf.”
In ihrer Arbeit folgt Tao der Idee des deutschen Aktionskünstlers Joseph Beuys, der die Gesellschaft als ein kollektives Ganzes betrachtet. “Als Mitglieder der Gesellschaft können unsere Handlungen in unterschiedlichem Maße Auswirkungen auf das Ganze haben.” Ihre künstlerischen Aktionen sollen Menschen auf einer tieferen Ebene ansprechen und gleichzeitig gesellschaftliche Normen infrage stellen. “Ich möchte immer auch positive Veränderung bewirken”, betont Tao.
Deshalb ist ihr Online-Store “Normal Normal”, den sie 2021 gegründet hat, auch nicht einfach nur ein Shop. Sie betrachtet ihn als Experiment für kulturellen Austausch und sozialen Fortschritt. In dem Shop finden sich formschöne Alltagsgegenstände und Designs aus Asien, die den asiatischen Lebensstil und die asiatische Kultur im Mainstream verankern sollen. Und warum der Name? “Wir wollen das Konzept des ‘Normalen’ erweitern und die Exotik kultureller Artefakte infrage stellen, indem wir die Schönheit und den Wert von Alltagsgegenständen aus verschiedenen Kulturen hervorheben.” Die Idee kam ihr, als sie ihre Katze im Park spazieren führte – auch etwas, das ein neues “Normal” sein könnte. Svenja Napp
Li Liu ist seit Beginn des Jahres neue Senior Managerin QMT Powertrain bei BMW Brilliance Automotive in Shenyang. Sie war zuvor Project Quality Engineer bei BMW Group.
Laura Rosenberger ist ab Ende März neue Vorstandsvorsitzende des American Institute in Taiwan (AIT). Sie folgt James Moriarty nach.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Alles überragender NVK-Abgeordneter: Der Vorsitzende des chinesischen Basketballverbandes und ehemaliger Profi-Spieler Yao Ming auf dem Weg zum Nationalen Volkskongress in Peking. Mit seinen 2,29 Meter ist Yao Ming definitiv ein Hingucker, auch für die anderen Teilnehmer.
auf dem gut einwöchigen Nationalen Volkskongress rücken nacheinander die verschiedenen Politikfelder in den Mittelpunkt. Nach der Wirtschaftspolitik am Wochenende kam am Dienstag die Außenpolitik an die Reihe. Minister Qin Gang erhielt reichlich Raum, die chinesische Sicht der Dinge darzustellen.
Premier Li klang am Sonntag noch milde. Qin zeigte sich gestern umso wölfischer. Die viel erhoffte Rolle als neutraler Vermittler zwischen den beiden Seiten des Ukraine-Kriegs nahm er dabei nicht an. Russland ist für ihn ein Opfer der Ränke des Westens. Der Stabilität in der Welt sei am besten durch engere Beziehungen zwischen Moskau und Peking gedient.
Hier zeigen sich wieder die Widersprüche in Chinas Zielen. Zu gern würde sich das Land als selbstgewisser Makler profilieren. Im Gesamtbild seiner Interessen will es jedoch ein starkes Russland als Gegengewicht gegen USA und EU erhalten. Immer, wenn China einen Schritt auf die Ukraine zugemacht hat, geht es deshalb einen Schritt in Richtung Russland zurück. Peking verharrt in Nähe zu Moskau.
Wir haben anlässlich des Volkskongresses zwei der profiliertesten Expertinnen für das Innenleben der KP Chinas nach dem Zustand der Partei befragt. Sophie Reiß von Merics und Marina Rudyak von der Universität Göttingen decken im Gespräch mit Michael Radunski die verborgenen Schwächen des Systems auf.
Huawei reagiert heute auf das offenbar bevorstehende Verbot chinesischer Ausrüstung in deutschen Kommunikationsnetzen. Das Unternehmen mahnt die Politik zur Besonnenheit. Die Netzbetreiber wie Telekom und Telefónica wiederum warnen, dass die Umstellung weg vom wichtigsten Lieferanten nicht über Nacht geschehen kann.
Die große Pressekonferenz des chinesischen Außenministers ist alljährlich ein fester Termin im Kalender des Volkskongresses. Für Qin Gang wäre es eine gute Gelegenheit gewesen, zu erklären, wie sich China seine Friedensinitiative für die Ukraine genau vorstellt. Seit Peking vor gut zwei Wochen sein sehr allgemein gehaltenes Zwölf-Punkte-Papier zum Konflikt vorgelegt hat, war nicht mehr viel zu hören.
Doch Qin ließ die Chance verstreichen. Schnell wurde klar, dass er andere Akzente setzen will. Die Schuldigen an der Situation, die er weiterhin nicht einen Krieg nennt, sieht er in EU, USA und Nato. Wie jedes Jahr war die Veranstaltung minutiös orchestriert. Die Anwesenden trugen Fragen vor, die sie im Vorfeld einreichen und abstimmen mussten. Zunächst erkundigte sich daher eine willfährige Journalistin, wie es China gelungen sei, in so kurzer Zeit ein so modernes Land zu werden.
Die zweite Frage eines ausländischen Medienvertreters kam dann auch schon von der russischen Nachrichtenagentur Tass. Ob China sich vorstellen könne, im Handel mit Russland auf US-Dollar und Euro zu verzichten? China werde jede Währung nutzen, die “effizient, sicher und glaubwürdig” sei, antwortete der Außenminister vielsagend. Gleich darauf betonte er, dass die Beziehungen zwischen den beiden Staaten unerschütterlich seien. “Je instabiler die Welt wird, desto wichtiger ist es für China und Russland, ihre Beziehungen kontinuierlich auszubauen”, so Qin.
Zwar rief er anschließend erneut zu Friedensgesprächen auf. In seinem Appell forderte er jedoch, dass die “legitimen Sicherheitsinteressen aller Parteien respektiert” werden müssten – eine Formulierung, mit der China in der Regel seine Unterstützung für die russische Position zum Ausdruck bringt. Der Konflikt gehe im Wesentlichen auf Probleme in der europäischen Sicherheitsarchitektur zurück. Von einer russischen Invasion war erneut nicht die Rede.
Einen großen Teil seiner weiteren Ausführungen widmete Qin dann dem aus seiner Sicht eigentlichen Verursacher der Krise: Es sei bedauerlich, dass die Bemühungen um Friedensgespräche immer wieder untergraben würden. Es scheine “eine unsichtbare Hand zu geben, die auf ein Hinziehen und eine Eskalation des Konflikts dringt und die Ukraine-Krise benutzt, um eine bestimmte geopolitische Agenda voranzutreiben”. Gemeint waren damit die USA.
Der scheidende Premier Li Keqiang hatte sich zum Auftakt des Volkskongresses am Sonntag außenpolitisch noch zurückhaltend geäußert. Dafür teilte Qin jetzt umso härter aus: Wenn die USA “nicht auf die Bremse treten, sondern weiterhin den falschen Weg verfolgen”, nützen auch Leitplanken nichts mehr, sagte er. Dann drohten mit Sicherheit “Konflikte und Konfrontationen”, warnte der Diplomat vor “katastrophalen Folgen”.
Washington spreche zwar von Wettbewerb, wolle China aber in Wirklichkeit in allen Bereichen unterdrücken. Qin verglich die Beziehungen mit einem unfairen olympischen Rennen: “Wenn ein Athlet, anstatt sich darauf zu konzentrieren, sein Bestes zu geben, immer versucht, den anderen zu überlisten oder sogar zu verletzen, dann ist das kein fairer Wettbewerb, sondern eine böswillige Konfrontation und ein Foulspiel”, so der chinesische Außenminister.
Auch in der Taiwan-Frage sollten sich die USA nicht mehr einmischen, forderte Qin und zog einen bizarren Vergleich: “Warum sprechen die USA ausführlich über die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine, während sie die Souveränität Chinas missachten? Warum fordern die USA China auf, Russland keine Waffen zu liefern, während sie weiterhin Waffen an Taiwan verkaufen?”, fragte er. Eine weitere Äußerung, die es schwer vorstellbar macht, dass China ein geeigneter Vermittler im Ukraine-Krieg sein könnte.
Qin wies im gleichen Zug die Unterstellung seitens der USA zurück, dass sein Land “tödliche Hilfe” an Russland leiste. “China hat keiner Konfliktpartei Waffen zur Verfügung gestellt”, sagte er. “Warum wird China verdächtigt und mit Sanktionen bedroht? Das ist inakzeptabel!” betonte der Außenminister.
Auf der großen Bühne des Nationalen Volkskongress (NVK) in Peking wählte Xi Jinping am Dienstag die Offensive: Westliche Länder, angeführt von den USA, wollten China einkreisen, eindämmen und unterdrücken, polterte Chinas Präsident.
Der NVK in China ist vor allem eine innenpolitische Veranstaltung. Selbst wenn sich Xi zu den USA äußert, zielen seine Äußerungen auf die eigene Bevölkerung. Unter diesem Gesichtspunkt diskutierten am Dienstag Marina Rudyak von der Universität Göttingen und Sophie Reiß von China-Thinktank Merics auf dem aktuellen Table.Live-Briefing über die innere Verfassung der KP China und stellten sich den spannenden Fragen von knapp 300 China-Table-Leserinnen und -Lesern.
Rudyak warnte vor einer gefährlichen Situation für China. “Was sich derzeit in China zusammenbraut, ist vergleichbar mit der Zeit um 1989. Die Parallelen zu den Ereignissen 1919 oder 1989, Momenten in der chinesischen Geschichte, in denen es zu größeren Eskalationen kam, sind unübersehbar.”
Auch Sophie Reiß stellte fest, dass Chinas Führung um Xi derzeit vor erheblichen Problemen stehe. “Drei Jahre harter Zero-Covid-Politik haben tiefe Spuren in China hinterlassen, wirtschaftlich und gesellschaftlich.”
“Insgesamt hat die Kommunistische Partei an Vertrauen verloren”, konstatierte die Merics-Forscherin.
Aus Sicht von Sinologin Rudyak ist die aktuelle Situation für Chinas Führung nicht nur schwierig, sondern gefährlich. Die Vertretungsprofessorin der Universität Göttingen verweist neben den bereits genannten Problemen auf ein weiteres Phänomen: “In China gibt es eine riesige Jugendbewegung, die sich ganz bewusst aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben rauszieht.” Unter dem Motto “Lying flat” verweigere sich eine ganze Generation. Sie wollen nicht mehr arbeiten, nicht mehr am gesellschaftlichen Zusammenleben teilnehmen.
Auch in China gäbe es eine “Letzte Generation”-Bewegung. Sie trägt den gleichen Namen wie die Bewegung in Deutschland, bezieht sich allerdings nicht auf Umweltaspekte, sondern auf die gesamtgesellschaftliche Situation.
Diese Jugend fragt sich: Warum soll ich in diesem System noch Kinder bekommen? In einem System, dass uns immer mehr einschränkt und in dem es uns deutlich schlechter gehen wird als unseren Eltern? Zusammen mit dem ohnehin schon hohen demografischen Druck stellt diese Bewegung die Staatsführung um Xi Jinping vor massive Probleme.
Rudyak, die in Heidelberg und Göttingen zu China forscht, glaubt, in der chinesischen Gesellschaft sei etwas verrutscht: “Die Momente, in denen Revolten stattgefunden haben, waren allesamt Wirtschaftskrisen, in denen sich die Jugend abgehängt gefühlt hat.” Als mahnende Beispiele für die Führung in Peking dienen die 4.-Mai-Bewegung von 1919 oder auch die Demonstrationen im Jahr 1989. Es waren massive Wirtschaftskrisen, in denen die urbane intellektuelle Jugend keine Zukunft mehr für sich gesehen hat.
Derzeit erlebe China wieder einen solchen Moment, warnt Rudyak. “Was sich in China gerade zusammenbraut, ist nicht unähnlich der Zeit um 1989. Die Parallelen zu Momenten in der chinesischen Geschichte, in denen es zu größeren Brüchen kam, sind unübersehbar.”
Merics-Forscherin Reiß sieht darin auch ein Problem für die Legitimität der KP. “Weil die Regierung eben nicht direkt von der Bevölkerung gewählt ist, ist ihre Legitimität vor allem darauf aufgebaut, dass es wirtschaftlich und gesellschaftlich vorangeht.” Das ist der Führung in Peking zuletzt allerdings nicht mehr gelungen.
Die inoffizielle Abmachung zwischen Volk und KP – Wir sorgen dafür, dass ihr reich werdet, dafür haltet ihr euch aus der Politik raus – scheint nicht mehr zu funktionieren. “Vor allem auf lokaler Ebene ist der Vertrauensverlust gegenüber der Partei schon jetzt sehr groß”, urteilt Reiß.
Die promovierte China-Expertin Rudyak fürchtet, dass die innenpolitischen Probleme zu einer aggressiveren Außenpolitik führen könnten. “Schon jetzt wird die Rhetorik gegenüber den USA immer schärfer. Peking behauptet, das internationale Umfeld und vor allem die USA sind daran schuld, dass es China wirtschaftlich schlechter geht.”
In diesem Zusammenhang müsse man auch das ausgegebene Wachstumsziel von fünf Prozent sehen. “Diese Zahl ist ein klares Signal an die eigene Bevölkerung. Die Corona-Krise ist vorbei. Die innenpolitischen Ursachen der Wirtschaftskrise sind beseitigt worden. Wir sind bereit.”
Auf dem Table.Live-Briefing wurde denn auch deutlich, in welchem Zusammenhang man den Nationalen Volkskongress sehen sollte. Mit dem NVK wendet sich Chinas Führung an das eigene Volk. Dieses Jahr lautet die Botschaft: Trotz der Corona-Krise, trotz des Handelskrieges und trotz der Einkreisung durch die USA, sei es der China bislang gelungen, nie dagewesene Erfolge zu erreichen. Und in Peking lässt man keine Zweifel daran aufkommen, wer Chinas Erfolgsgarant ist: die Führung der Kommunistischen Partei um Xi Jinping.
Die geplante Prüfung von Schlüsselkomponenten chinesischer Hersteller im deutschen Mobilfunknetz stößt auf ein geteiltes Echo. Der Huawei-Konzern, der im Zentrum der Debatte steht, wies gegenüber Table.Media auf eine einwandfreie Sicherheitsbilanz hin. “Huawei hat in den vergangenen 20 Jahren äußert verlässlich Technologie nach Deutschland und in die ganze Welt geliefert”, sagte ein Sprecher. Es habe nie nennenswerte Vorfälle gegeben.
Am Montag war bekannt geworden, dass Innenministerin Nancy Faeser Komponenten chinesischer Hersteller aus den Handynetzen verbannen will. In einem Brief an die Netzbetreiber hat sie eine Ausweitung der schon laufenden Prüfungen auf das bestehende Netz angekündigt. Am Dienstag bestätigte das Ministerium den Vorgang, betonte aber, die Prüfung richte sich nicht gegen einzelne Firmen.
Die Begründung des Ministeriums: Von den chinesischen Gerätschaften gehe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Die Firmen müssen nach der Prüfung eventuell bereits bezahlte und verbaute Elektronik aus den Antennenstationen und Netzknoten herausreißen.
Die Mobilfunkfirmen selbst halten das für gar nicht so einfach. Telefónica Deutschland, die das O2-Netz betreibt, sprach bereits von möglichen Schadensersatzforderungen. Das Unternehmen brauche zudem im Fall eines Verbots chinesischer Teile genug Zeit, um neue Komponenten zu beschaffen und einzubauen. Sonst drohen Einbußen bei der Netzqualität. Das Unternehmen habe bereits eine Liste kritischer Komponenten an das Ministerium geliefert.
Die Firmen zeigen sich insgesamt unzufrieden damit, dass es laufend neue Signale von der Bundesregierung gibt. “Wichtig für uns Netzbetreiber ist, klare und erfüllbare Maßgaben der zuständigen Behörden und des Gesetzgebers zu bekommen”, schrieb ein Telefónica-Sprecher Table.Media.
Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte sich 2019 noch für Kooperation mit Huawei ausgesprochen. Dann kam die Entscheidung, Huawei nicht auszuschließen. Nur wenige Monate später wurden dann dennoch hohe Hürden für den Einsatz chinesischer Teile beschlossen.
Die neue Bundesregierung machte dann im vergangenen Jahr eine Sicherheitsprüfung verpflichtend. Seit Mitte 2022 läuft zudem in der Regierung eine Diskussion über den nachträglichen Ausbau von bereits laufenden Huawei-Teilen. Die Stimmung war also seit der Ära Altmaier vollständig gekippt.
Jetzt kommt das Leak zur neuen Prüfvorschrift zusammen mit der weit gestreuten Interpretation, dass Huawei bei der Sicherheitsprüfung durchfallen werde. Immerhin ist ein Trend klar zu erkennen. Die Zeiten werden für die chinesischen Anbieter immer ungemütlicher.
Die Handlungen von Innenministerin Faeser von der SPD stoßen auch auf viel Zustimmung. Ihr Kabinettskollege Christian Lindner von der FDP sagte gegenüber Welt TV: “Wir können nicht abhängig sein von Komponenten einzelner Hersteller und erst recht nicht darf kritische Infrastruktur kompromittierbar sein.” Noch habe die Koalition aber keine abschließende Entscheidung getroffen.
Ähnlich äußerte sich der profilierte Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz. Es sei “leichtsinnig oder naiv”, Komponenten chinesischer Herkunft unbesehen in Handynetze zu verbauen. Die Ampel-Koalition hat offenbar ein Thema gefunden, bei dem sie einer Meinung ist.
Das deutsche Vorgehen entspricht auch eindeutig der Politik der EU. “Wir ermutigen die Mitgliedsstaaten, die noch keine Beschränkungen für Hochrisikozulieferer eingeführt haben, dies ohne Verzögerung nachzuholen”, schreibt eine Kommissionssprecherin an Table.Media.
Die Sicherheitsprüfung schaut sich nicht nur die Komponenten selbst und den Softwarecode darauf an. Wichtiges Element ist auch eine Garantieerklärung des Lieferanten. Zudem spielt auch die politische Gesamtlage eine Rolle. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine mit ihren weitreichenden Folgen hat diese Sicht viele Anhänger.
Die Aufmerksamkeit gilt derzeit dem Punkt der Mobilfunkgefüge zwischen Handy und Verteilernetzen (RAN). Die heute verbreiteten Standards im Rahmen von “Open RAN” sollten eigentlich mehr Transparenz schaffen. Die Funktionsweise der Teile ist bei Open RAN eigentlich klar einsehbar sein. Auf den zweiten Blick stellte sich heraus: Open RAN ist von China geprägt. Und der Softwarecode einer Mobilfunkstation ist so kompliziert, dass ihn nachträglich kaum jemand durchschaut.
Eine Überprüfung von Komponenten für die deutschen Handynetze ist andererseits längst angeordnet. Sie bezieht sich aber bisher auf das Kernnetz am Boden, ohne das kein Datenverkehr funktionieren würde. Hier sind keine chinesischen Teile mehr nachweisbar.
Auch das Handynetz befindet sich bereits im Blick der Regulatoren. Bisher bezogen sich die Prüfungen aber nur auf neue Teile. Der Brief mit dem Fokus auf bereits verbaute Gerätschaften markiert eine Steigerung des Misstrauens der Bundesregierung gegenüber Huawei und seinem Wettbewerber ZTE.
Ein Grund für die härtere Gangart: Die endlosen Diskussionen über Huawei hatten kaum einen Effekt auf die Realität. Die Regierung kann bis heute nicht genau sagen, wie viele Teile aus China stammen. Einer Berater-Studie zufolge wurden die Huawei-Teile im deutschen Netz in den vergangenen Jahren nicht weniger, sondern mehr.
Huawei selbst verweist darauf, bisher alle nötigen Genehmigungen und Zertifizierungen in Deutschland erhalten zu haben, wenn es an einem offenen Verfahren teilgenommen hat. Die Infrastruktur werde vor allem dann sicherer, wenn viele verschiedene Anbieter einen Zugang zum Markt erhalten.
Aus EU-Sicht haben einheimische Anbieter von Nokia und Ericsson jedoch einen weiteren großen Vorteil. Wenn sie stark sind, verringert das in einem entscheidenden Bereich die Abhängigkeit von China. Mitarbeit: Corinna Visser
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
Dem Nationalen Volkskongress liegt ein Antrag auf Neuorganisation der Ministerien vor. Dieser wird fast sicher so angenommen. Die neue Struktur sieht vor:
Nach Abschluss des Umbaus wird es 26 Behörden auf Ministerialebene geben. fin
Der Sozialausschuss der Vereinten Nationen (CESCR) fordert China zur sofortigen Einstellung ihres Internatssystems in Tibet auf. Das “Zwangsschulsystem”, das den tibetischen Kindern auferlegt worden sei, müsse unverzüglich abgeschafft werden. Zudem solle die Einrichtung privater tibetischer Schulen erlaubt sein, heißt es in den abschließenden Feststellungen des Ausschusses zum Ende seiner Sitzung in Genf.
Das UN-Gremium, das zweimal pro Jahr zusammentritt, griff mit seinen Feststellungen die Vorwürfe durch Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen auf. Diese hatten die systematische Schließung von lokalen Schulen im gesamten tibetischen Siedlungsgebiet kritisiert. Durch die Schließung sind tibetische Kinder gezwungen, weit entfernte Internate zu besuchen, wo sie ausschließlich Mandarin sprechen dürfen. Betroffen davon sind bis zu 900.000 Kinder. Der UN-Sozialausschuss fürchtet eine kulturelle Assimilierung der Tibeter.
“Die Empfehlungen sind eine Anklageschrift gegen die Politik Chinas in Tibet“, erklärte Kai Müller, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation International Campaign for Tibet. Das tibetische Volk sehe sich einer Politik gegenüber, die das Überleben seiner Kultur und Identität systematisch bedrohe. Müller fordert die internationale Gemeinschaft auf, dem Beispiel des Ausschusses zu folgen und ein Ende dieser “dramatischen Rechtsverletzungen” zu fordern.
Der Ausschuss formulierte zudem seine Besorgnis darüber, dass neben tibetischen auch uigurische und kasachische Bildungseinrichtungen in der autonomen Region Xinjiang von Schließungen betroffen seien. Er empfahl “den Völkern und Minderheiten, die volle und uneingeschränkte Ausübung ihres Rechts auf die volle Entfaltung ihrer eigenen kulturellen Identität und die Teilnahme am kulturellen Leben zu gewährleisten und den Gebrauch und die Ausübung ihrer Sprache und Kultur sicherzustellen”.
Der UN-Sozialausschuss hatte seit Mitte Februar drei Wochen lang getagt und sowohl ausführlich die Vertreter der chinesischen Regierung als auch von Nichtregierungsorganisationen angehört. China hatte zu seiner Verteidigung Dutzende Delegierte in den Ausschuss geschickt.
Insgesamt nahm der Ausschuss in 159 Paragrafen zur Situation in China Stellung und sprach jeweils entsprechende Empfehlungen aus. Dabei geht es neben der chinesischen Minderheitenpolitik unter anderem auch um Defizite bei der Bildung, Gleichstellung von Frauen, der Unabhängigkeit von Gerichten und Anwälten. Die Regierung in Peking ist nun aufgefordert, für Verbesserungen in allen kritisierten Feldern zu sorgen und dem Sozialausschuss die Ergebnisse in einem künftigen Bericht vorzulegen. grz
Im Rahmen eines möglichen Treffens zwischen Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen und dem Präsidenten des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, will Taiwan keinerlei “Provokationen” seitens Chinas dulden. “Wenn die chinesischen Kommunisten erneut zuschlagen, ist es die Aufgabe der Streitkräfte zu kämpfen”, kündigte der taiwanische Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng am Dienstag an.
“Wir werden keine wiederholten Provokationen gegen uns zulassen. Das können wir nicht akzeptieren.” Ob er damit auch die Anwendung militärischer Mittel einschließt, ließ er offen. “Aber wir werden nicht einfach sagen: ‘Macht schon. Wir werden einen friedlichen und rationalen Ansatz wählen.”
McCarthy will sich Berichten zufolge in den kommenden Wochen mit Tsai in Kalifornien treffen. Dieser Schritt könnte die erwartete, aber politisch heikle Reise des Republikaners nach Taiwan zunächst ersetzen. Offiziell bestätigt ist dieses Treffen aber noch nicht. Das taiwanische Außenministerium erklärte, es werde zu gegebener Zeit eine Ankündigung über etwaige Auslandsreisen der Präsidentin machen, habe aber vorerst nichts anzukündigen. Auch McCarthy hat ein Treffen mit Tsai nicht bestätigt.
China hatte im vergangenen August rund um den Besuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verstärkt Militärmanöver um die Insel abgehalten. rtr/flee
Tao Haiyue bezeichnet sich selbst als neugierige Beobachterin. Seit 2014 lebt sie in Berlin, davor studierte sie an der Bauhaus-Universität in Weimar. Geboren ist Tao in Hangzhou in China. “Ich bin in einer Künstlerfamilie aufgewachsen, mein Vater ist Maler, Kunstredakteur und Verleger”, erzählt sie. “Und meine Mutter hegt eine Leidenschaft für Kalligrafien.” Es lag also nicht fern, dass Tao sich nach der Schule für Bildhauerei an der Shanghai Normal University einschrieb.
Fünf Jahre später zog sie fürs Master-Studium nach Weimar. “Mein Studium in Deutschland war ein herausfordernder Prozess”, sagt sie rückblickend. “Am Anfang fand ich es schwierig, mich zu integrieren, und ich blieb eine Zeit lang relativ introvertiert.” Aber missen möchte sie diese Erfahrung nicht – denn sie habe dabei geholfen, eine neue Perspektive auf die Welt zu entwickeln und neue kreative Prozesse anzustoßen. Dieser kreative Prozess folgt bei Tao keinem festen Muster; sie experimentiert und spielt mit ihren Beobachtungen – doch ein Thema kehrt immer wieder: das kollektive Gedächtnis. “Ich untersuche, wie Gruppen Erinnerungen teilen, vererben und konstruieren”, berichtet Tao.
In Städten sucht die Künstlerin nach Elementen, die eine kollektive Bedeutung haben, wie beispielsweise Denkmäler von Mao Zedong, die einst in ganz China zu finden waren. “Nach der Kulturrevolution wurden die meisten Statuen entfernt, doch in einigen Ecken der Stadt stehen diese Überbleibsel der Vergangenheit noch immer an öffentlichen Plätzen.”
Die vergessenen Statuen inspirierten Tao zu ihrer künstlerischen Intervention “How to be a Monument”: Am Eingang der Pekinger Landwirtschaftsuniversität lud sie Menschen ein, sich auf einen leeren Marmorsockel zu stellen und die Pose der dortigen Mao-Statue nachzuahmen. “Auf den fertigen Aufnahmen wirkten sie selbst wie lebende Denkmäler und warfen Fragen zu den Machtstrukturen im öffentlichen Raum und zum Wert einzelner Denkmäler auf.”
In ihrer Arbeit folgt Tao der Idee des deutschen Aktionskünstlers Joseph Beuys, der die Gesellschaft als ein kollektives Ganzes betrachtet. “Als Mitglieder der Gesellschaft können unsere Handlungen in unterschiedlichem Maße Auswirkungen auf das Ganze haben.” Ihre künstlerischen Aktionen sollen Menschen auf einer tieferen Ebene ansprechen und gleichzeitig gesellschaftliche Normen infrage stellen. “Ich möchte immer auch positive Veränderung bewirken”, betont Tao.
Deshalb ist ihr Online-Store “Normal Normal”, den sie 2021 gegründet hat, auch nicht einfach nur ein Shop. Sie betrachtet ihn als Experiment für kulturellen Austausch und sozialen Fortschritt. In dem Shop finden sich formschöne Alltagsgegenstände und Designs aus Asien, die den asiatischen Lebensstil und die asiatische Kultur im Mainstream verankern sollen. Und warum der Name? “Wir wollen das Konzept des ‘Normalen’ erweitern und die Exotik kultureller Artefakte infrage stellen, indem wir die Schönheit und den Wert von Alltagsgegenständen aus verschiedenen Kulturen hervorheben.” Die Idee kam ihr, als sie ihre Katze im Park spazieren führte – auch etwas, das ein neues “Normal” sein könnte. Svenja Napp
Li Liu ist seit Beginn des Jahres neue Senior Managerin QMT Powertrain bei BMW Brilliance Automotive in Shenyang. Sie war zuvor Project Quality Engineer bei BMW Group.
Laura Rosenberger ist ab Ende März neue Vorstandsvorsitzende des American Institute in Taiwan (AIT). Sie folgt James Moriarty nach.
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Alles überragender NVK-Abgeordneter: Der Vorsitzende des chinesischen Basketballverbandes und ehemaliger Profi-Spieler Yao Ming auf dem Weg zum Nationalen Volkskongress in Peking. Mit seinen 2,29 Meter ist Yao Ming definitiv ein Hingucker, auch für die anderen Teilnehmer.