die Weltöffentlichkeit achtete in den vergangenen Tagen sehr genau darauf, was Xi Jinping und Wladimir Putin zu sagen hatten. Im Kern war das Treffen der beiden Chef-Autokraten des 21. Jahrhunderts eine Kampfansage an das Wertesystem des Westens: Eure Freiheit kann uns gestohlen bleiben! Das klang jedenfalls alles wenig versöhnlich. Selbst wenn vordergründig der Frieden propagiert wurde.
Es bot auch einen Vorgeschmack auf das, was die Welt erwartet, wenn sich Xis Idee einer “chinesischen Weltordnung” durchsetzt. Die Frage, wie diese aussehen könnte, beschäftigt nicht nur den Westen, sondern auch chinesische Intellektuelle.
Fabian Peltsch hat sich mit dem kanadischen Geschichtsprofessor David Ownby unterhalten, der sich intensiv mit den gesellschaftspolitischen Debatten unter Chinas Intellektuellen beschäftigt. Diese sind überraschend lebhaft.
Und es ist kaum auzumalen, wie die Kommunistische Partei Chinas vom Input dieser vielen klugen Köpfe im Land profitieren könnte. Stattdessen unterzieht sie ihre Mitglieder einer Gehirnwäsche und verdonnert sie zum Ja-Sagen, schreiben unsere anonymen Autoren in unserer Kolumne “Blick aus China”. Wem das nicht passt, der steht vor einem Dilemma.
Die Möglichkeit, aus der Partei auszutreten, ist zwar in der Satzung der Partei verankert, aber praktisch existiert sie nicht. Der einzige Weg, die Partei zu verlassen, ist der Ausschluss. Und wenn es einmal so weit ist, hat man ein großes Problem.
Das Ausland nimmt gesellschaftliche Debatten in China vor allem durch die gleichgeschaltete Propaganda der Staatsmedien wahr. Daher mag es viele überraschen, dass es auch in China eine lebhafte Diskurskultur gibt. Sie entzieht sich staatlichen Zwängen und versucht, jenseits von Marx und Mao philosophische Lösungen für chinesische Fragen zu finden.
David Ownby, Geschichtsprofessor an der Universität von Montreal, hat sich vorgenommen, das intellektuelle Leben Chinas auch außerhalb der Volksrepublik publik zu machen. Zu diesem Zweck hat er das Online-Projekt “Reading The China Dream” ins Leben gerufen, das regelmäßig ausgewählte Texte zeitgenössischer chinesischer Denker ins Englische übersetzt.
“China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und der Hauptkonkurrent der USA. Dennoch weiß kaum jemand, dass es aktive, relativ unabhängige Intellektuelle gibt, die interessante Dinge über China und die Welt zu sagen haben”, erklärt Ownby im Interview mit China.Table. Die Intellektuellen Chinas seien auf der Höhe der Zeit.
Ihre Ansätze und Theorien seien denen westlicher Philosophen ähnlicher, als wir denken. “Selbst Intellektuelle, die die amerikanische Hegemonie hassen, argumentieren mit weitgehend westlichen Begriffen dagegen”, sagt Ownby. Weil viele von ihnen nicht als Dissidenten verstanden werden können, würden ihre Werke außerhalb Chinas kaum rezipiert, bedauert er. “Ich denke, dass dies eine große Lücke in unserem Wissen darstellt” – einen blinden Fleck in unserem Weltbild.
Obwohl Themen wie die Souveränität Taiwans oder eine Kritik am Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei Tabu sind, können die Denker Chinas doch viele Themen öffentlich verhandeln. “Viele von ihnen suchen nach neuen Wegen, Chinas Geschichte zu erzählen”, sagt Ownby.
Ein beliebtes philosophisches Konzept ist etwa Tianxia 天下, die Ordnung “unter einem Himmel”, die schon während der Zhou-Dynastie vor 3.000 Jahren als bestimmend für das Schicksal der Welt beschrieben wurde. Zeitgenössische Denker wie Zhao Tingyang, Liang Zhiping und Xu Jilin versuchen die Idee auf die Gegenwart anzuwenden. Sie sehen Tianxia nicht auf China bezogen nationalistisch, sondern im Sinne einer globalpolitischen Ordnung. Ihrer Deutung zufolge enthält Tianxia das friedliche Zusammenleben aller Völker mit großem gegenseitigen Nutzen.
In Abgrenzung zur “imperialistischen Ausbeutung” der zuletzt westlich geprägten Weltgeschichte passt das Konzept hervorragend zu Xi Jinpings Seidenstraßen-Initiative. Diese salbadert aber stattdessen von “Win-Win” und einer “Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“. Im engsten Machtzirkel der Partei sei das neu gedachte Tianxia-Konzept aber längst angekommen, glaubt Ownby.
Die meisten chinesischen Intellektuellen lassen sich nicht leicht instrumentalisieren. Der Parteisprech der Herrschenden erscheine vielen veraltet, ja geradezu peinlich, meint Onwby. Innerhalb der chinesischen Ideengeschichte beziehen sie sich lieber auf Denker wie Kang Youwei als auf Mao Zedong. Kang war ein Vordenker für Reformen zur Modernisierung Chinas Ende des 19. Jahrhunderts. Er sprach sich dafür aus, mehr Traditionen in die moderne Welt zu retten – wie Japan es gemacht hatte.
Xi Jinping dagegen, dessen “Gedanken” mittlerweile an chinesischen Universitäten Pflichtprogramm sind, sieht sich zwar selbst als wichtiger Denker. Ein Großteil der modernen chinesischen Philosophen betrachtet den Staatschef aber nicht als ebenbürtig.
Doch die Intellektuellen nutzen Xis Ambitionen für ihre Zwecke aus, sagt Ownby. Sie diskutieren daher auch über Aufsätze von Xi oder Mitgliedern des Zentralkomitees. Wenn es sein muss, wechseln sie dafür schon mal in den Parteisprech. Bestes beispiel ist Cai Xia 蔡霞, eine pensionierte Professorin der Zentralen Parteischule in Peking. Cai hat eine solide Verteidigung liberaler demokratischer Werte abgeliefert – allerdings in der Sprache der Kommunistischen Partei Chinas.
Auch die aggressiv belehrende Wolf-Warrior-Attitüde chinesischer Diplomaten und Journalisten finden viele Intellektuelle “abstoßend”, glaubt Ownby. “Ich sehe nicht viel offenkundigen Pazifismus, aber es gibt viele Liberale, die über Populismus und Nationalismus in China zutiefst beunruhigt sind.” Gemeinsam ist allen, dass sie mit ihren Gedanken chinesische Lösungen für chinesische Probleme liefern wollen und vielleicht sogar eine Ideologie etablieren, die für das Volk überzeugender ist als der altbackene Unterbau vom “Sozialismus chinesischer Prägung”.
Yao Yang, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Peking, arbeitet beispielsweise seit mehreren Jahren an einem Konzept, das er “konfuzianischen Liberalismus” nennt – eine modernisierte Version der konfuzianischen Texte, die seiner Meinung nach eine Verbesserung des im Westen praktizierten Liberalismus darstellt.
Erneut gibt es Aufregung um Huawei: Die Telekom und der chinesische Netzausrüster sollen 2019 vereinbart haben, dass Huawei den Deutschen vorsorglich Netzkomponenten zuliefert, die amerikanische Teile enthalten – bevor US-Sanktionen gegen das Unternehmen wirksam werden. Die Telekom soll die Teile dann für eine spätere Verwendung eingelagert haben. Das berichtet das Handelsblatt, dem der Vertrag von damals vorliegt.
Dieser Vertrag widerspricht zumindest dem Geist der US-Sanktionen, die Huawei international das Geschäft schwermachen sollten. Für ein teilstaatliches Unternehmen ist das in der derzeitigen handelspolitischen Stimmung ein heikler Vorgang.
Seinerzeit aber war die Vereinbarung vermutlich völlig legal. Ziel war es, die Versorgung der Telekom mit wichtigen Teilen des langjährigen Partners Huawei sicherzustellen, den das Unternehmen für seine Zuverlässigkeit schätzt. Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier war den Geschäften mit Huawei nicht abgeneigt. Die US-Sanktionen wiederum hatte der damalige US-Präsident Donald Trump beschlossen, dessen Politik stets unter Verdacht stand, nicht ganz rational zu sein.
Vier Jahre später ist die Lage eine ganz andere. Die Sanktionspolitik der Trump-Ära setzt heute mit Joe Biden ein glaubwürdigerer Präsident fort. Das autoritär regierte, mit China verbündete Russland hat sich als aggressiv erwiesen und will Westeuropa mit Gaslieferungen erpressen. In Deutschland sitzen seit dem Regierungswechsel zwei dezidiert China-kritische Koalitionspartner am Kabinettstisch.
Die EU hat ihren Mitgliedern zudem inzwischen empfohlen, beim Netzausbau auf europäische statt auf chinesische Zulieferer zu setzen. Die Vereinbarung über die Lagerung von Elektronik mit potenziell sanktionierten US-Komponenten wirkt aus dieser Warte verdächtig. Huawei selbst stellt die Vereinbarungen mit seinen Kunden als Routinevorgänge dar. Es sei für das Unternehmen wichtig, versprochene Teile auch liefern zu können. Zu konkreten Absprachen mit Kunden in diesem Bereich könne sich Huawei aber aus vertraglichen Gründen nicht äußern. fin
Tiktok-CEO Chew Shou Zi hat bei einer Anhörung im US-Kongress Spionagevorwürfe gegen die chinesische App vehement zurückgewiesen. Alle Daten US-amerikanischer Nutzer würden auf US-Servern gelagert und der Zugang dazu strikt überwacht, betonte der Tiktok-Chef am Donnerstag bei der Anhörung im Handelsausschuss des Repräsentantenhauses. Auch laufe der Empfehlungs-Algorithmus von Tiktok, der die Videos für Nutzer auswählt, beim US-Softwareriesen Oracle, erklärte Chew.
“Wir fördern oder entfernen Inhalte nicht auf Ersuchen der chinesischen Regierung”, sagte Chew. Er sehe Tiktok gegenüber den Nutzern dazu verpflichtet, die App “frei von jeglicher Manipulation durch irgendeine Regierung” zu halten. Die Vorsitzende des Ausschusses, Cathy Rogers, gab bei der Anhörung einen scharfen Ton vor. “Tiktok überwacht uns alle”, sagte die Republikanerin in ihrer Stellungnahme. Auch nannte sie Tiktok ein “Portal für Drogenhändler”. Der demokratische Vize-Vorsitzende Frank Pallone sagte, die Datenschutz-Zusicherungen in den USA seien nicht ausreichend.
In Deutschland ist laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser kein Tiktok-Verbot geplant. Man müsse jedoch verstärkt darüber aufklären, dass es sich bei Tiktok um einen Konzern handle, bei dem “die Daten natürlich abfließen können”, betonte Faeser bei einem Besuch in Washington. Man achte sehr darauf, dass man staatliche Einflussnahme durch China möglichst frühzeitig erkenne. “Wir kommen gerade aus einer starken Abhängigkeit von Russland in der Energieversorgung. Wir wollen nicht weitere Abhängigkeiten schaffen”, sagte Faeser.
Wegen der Nähe von Tiktok und dem Mutterkonzern Bytedance zur chinesischen Regierung befürchten Sicherheitsbehörden unter anderem in den USA und Europa, dass die Volksrepublik persönliche Nutzerdaten abgreift oder zur Manipulation der öffentlichen Meinung missbraucht.
Mehrere Länder haben Regierungsmitarbeitern die Nutzung von Tiktok auf ihren Diensthandys verboten, unter anderem die USA, Kanada und Großbritannien. Das Verbot gilt auch für Mitarbeiter der EU-Kommission. Die USA möchten die App verbieten, dies ist aber rechtlich schwierig – der ehemalige US-Präsident Donald Trump scheiterte während seiner Amtszeit bereits mit einem Versuch. Ein Entwurf für ein Gesetz, das ein Verbot ermöglichen könnte, liegt aber bereits vor. Wann der Kongress darüber abstimmt, ist noch unklar. jul
Die Bundestagsabgeordnete Katja Leikert (CDU) fordert eine Aufarbeitung der Mythen, die jahrelang die deutsche Chinapolitik bestimmt haben. Vorstellungen wie “Wandel durch Handel” hätten das China-Geschäft “moralisch aufgeladen”, haben sich rückblickend jedoch als untaugliche Konzepte für eine Strategie gegenüber China erwiesen. Das sagte Leikert am Donnerstag auf einer Veranstaltung aus der Reihe Global China Conversations des Kiel Institute für Weltwirtschaft. China.Table ist Medienpartner der Gesprächsreihe.
Leikert ist Abgeordnete für den Wahlkreis Hanau in Hessen, in dem sich zahlreiche Industriebetriebe mit starkem Chinageschäft befinden; sie ist zudem von Haus aus Sicherheitsexpertin. Eigentlich befürwortet sie es, der Wirtschaft in geschäftlichen Dingen freie Hand zu lassen. Doch der geopolitische Druck im Umgang mit China habe so stark zugenommen, dass sie hier durchaus staatliche Eingriffe befürwortet, sagt Leikert. “Deutschland braucht jetzt eine China-Strategie.” Die Abhängigkeiten seien zu groß geworden, um sie einfach laufen zu lassen. Dazu komme eine Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen auch für die Energiewende.
Diese gegenseitige Abhängigkeit Chinas und Europas habe nicht die erhoffte Steigerung der Sicherheit gebracht, so Leikert. Das habe das Verhalten Russlands im vergangenen Jahr gezeigt. Ein “Ende der Naivität” sei daher auch gegen China angebracht. Die Debatte sei nicht neu: Schon die CDU-geführten Bundesregierungen hätten sich mit Abhängigkeiten auseinandergesetzt. Inzwischen sei es aber Zeit, im Rahmen einer China-Strategie konkretere Schlussfolgerungen zu ziehen. Dazu gehöre es, die Abhängigkeiten zu benennen und zu verringern – und China den Zugriff auf kritische Infrastruktur zu verwehren. fin
Nun auch die Niederlande: Nachdem die USA, Großbritannien, Belgien und die EU ihre Regierungsbeamte angewiesen hat, Tiktok von ihren Diensthandys zu verbannen, schließt sich auch die niederländische Regierung diesem Schritt an. Beamte müssten die umstrittene Kurzvideo-App der Online-Plattform auf allen mobilen Apparaten sofort löschen.
Es gebe ein erhöhtes Spionagerisiko, begründete die zuständige Staatssekretärin Alexandra van Huffelen die Anordnung. Über Tiktok könnten Daten der Nutzer in die Hände des chinesischen Staates gelangen. flee
Der deutsche Energieversorger RWE hat davor gewarnt, dass ein US-Importverbot für die chinesische Region Xinjiang die europäischen Pläne zum Aufbau einer grünen Energieinfrastruktur “erheblich behindern” könnte. Der Import von Solarmodulen aus Asien unterliege nun “strengen Kontrollen”, seit Washington 2022 ein Verbot aller Importe aus Xinjiang (Uyghur Forced Labour Prevention Act, kurz UFLPA) erlassen habe, schreibt der Konzern in seinem Jahresbericht. “Wenn die USA die Beschaffung von Solarmodulen weiter behindern, ist es möglich, dass unsere Fotovoltaik-Ausbauinitiativen in Verzug geraten.”
Das Unternehmen will sich aber dennoch nicht als Gegner des US-Importverbots verstanden wissen. RWE trete nicht dafür ein, dass UFLPA aufgeweicht werde, betonte der Vorstandsvorsitzende Markus Krebber nach einem Bericht der Financial Times. Mark Noyes, Leiter der in den USA ansässigen Clean Energy Division von RWE, fügte demnach hinzu: “Diese Kontrollen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das, was in die USA oder an irgendein anderes Land gelangt, unter ethischen Bedingungen hergestellt und bezogen wird.” Die Lösung besteht laut Vorstandschef Krebber vielmehr darin, die Solar-Lieferketten in den USA und Europa zu stärken. ari
Ein wesentlicher Aspekt der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Chinas ist: Wer einmal dabei ist, kann nicht mehr austreten.
Die Möglichkeit, aus der Partei auszutreten, ist zwar in der Satzung der Partei verankert, aber praktisch existiert sie nicht. Der einzige Weg, die Partei zu verlassen, ist der Ausschluss. Und wenn es einmal so weit ist, hat man ein großes Problem. Das ist einer der Gründe, warum die Zahl der Parteimitglieder stetig ansteigt. Ein anderer Grund ist natürlich die wachsende Bevölkerungszahl in China.
Als weltweit größte politische Vereinigung rühmt sich die KPCh mit 97 Millionen Mitgliedern, was ungefähr der gesamten Bevölkerung von Deutschland, Österreich und der Schweiz entspricht. Wie viele davon tatsächlich an den Kommunismus glauben, lässt sich dagegen unmöglich sagen. Aber diese Zahl dürfte nahezu bei null liegen.
In China – wie auch in anderen Teilen der Welt – ist der Kommunismus als Ideologie bankrott. Obwohl die Partei immer noch den Stempel des Kommunismus trägt, entfernt sie sich nicht nur von der klassischen kommunistischen Zukunftsvision, sondern auch von den grundlegenden Doktrinen des Marxismus, wie etwa der Analyse der Beziehungen zwischen Kapital und Arbeitern.
Vielmehr entwickeln die Spitzenpolitiker und hochrangigen Apparatschiks laufend neue Konzepte und Theorien, wie zuletzt den “Chinesischen Traum” und “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter”. Im Mittelpunkt des stetig wachsenden Flickenteppichs von Jargons stehen folgende Aspekte: Die Aufgabe der KP China ist es,
Jedes Parteimitglied vermag Slogans zu diesen Zielen oder Abwandlungen davon zu skandieren. Einige sind sogar in der Lage, lange Vorträge darüber zu halten. Aber die Zahl derjenigen, die der Partei aufrichtig aus diesen Gründen beitreten, ist äußerst gering.
Infolge der zügellosen Korruption und der chronischen sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeit herrscht nahezu im gesamten Land blanker Zynismus. Die Menschen verfolgen ausschließlich ihre Eigeninteressen.
Obwohl es der KPCh an überzeugenden, inspirierenden politischen Ideen mangelt, hat sie sich dennoch unangefochten an der Macht gehalten. Und es ist eine ungeschriebene Regel, dass die oberste Führungsriege jeder staatlichen Organisation auf allen Ebenen Mitglied der Partei sein muss. Dies gilt auch für die Armee, staatliche Unternehmen und sonstige öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Universitäten.
Die Partei, die Staatsunternehmen und der öffentliche Sektor stehen im kommunistischen China immer an oberster Stelle. Unter Xi Jinping ist ihre Position noch stärker geworden. Wer berufliche oder persönliche Ambitionen hegt, weiß also, wohin er sich wenden muss. Eine Mitgliedschaft mag zwar keine Garantie für Macht und Geld sein, aber schaden kann sie auf jeden Fall nicht.
Wer Mitglied werden möchte, muss fachliche Kompetenz vorweisen. Am wichtigsten ist jedoch, der Parteilinie zu folgen, das heißt, sich dem Parteisprech zu bedienen und der Parteipolitik stets die Treue zu halten. Freies Denken oder das Äußern von abweichenden Gedanken ist ein absolutes Tabu. Das wahre Ich muss stets verborgen bleiben, egal, wie es auch aussehen mag.
Doch mit einem Beitritt ist es noch lange nicht getan. Die Parteikomitees aller Organisationen auf den verschiedenen Ebenen schulen ihre Mitglieder im Rahmen von Versammlungen und Studiensitzungen laufend in den neuesten Konzepten und Richtlinien. Dabei bedienen sie sich zum Beispiel Abschriften von Parteiführern und Büchern über deren Gedanken und Theorien.
Von Zeit zu Zeit werden besonders vorbildliche Parteimitglieder präsentiert, die angeblich ihre Freizeit dem Parteistudium widmen. Das interessanteste Beispiel war ein junges Paar, das 2016 in seiner Hochzeitsnacht die Parteisatzung abschrieb.
Die Partei betreibt zudem Parteischulen auf Zentral-, Provinz- und Kreisebene. Parteifunktionäre der oberen und mittleren Ränge müssen alle paar Jahre abwechselnd eine Vollzeitschulung über Parteipolitik absolvieren. Die Kurse können dabei bis zu 4 Monate dauern (und sind übrigens eine großartige Gelegenheit zum Knüpfen von Kontakten).
Im Zeitalter der Neuen Medien hat die Partei mit dem technischen Fortschritt bestens Schritt gehalten. Sie hat eine eigene Internetseite und eine ausgefeilte App zur Bildung ihrer Mitglieder entwickelt. Sie heißen auf Chinesisch “Xuexi Qiangguo”, was wörtlich übersetzt “studiere und stärke die Nation” bedeutet. Dort haben Mitglieder auch die Möglichkeit, sich anhand von Quizfragen selbst zu testen. Typische Fragen lauten etwa: “Was sind die wichtigsten Punkte von Xi Jinpings Gedanken zur Diplomatie?” Oder: “Welche Strafe erhält ein Mitglied, wenn es unbegründete Kritik an der zentralen Führung der Partei übt?”
In einer Bildungskampagne haben zahlreiche Parteigremien festgelegt, wie viel Zeit ihre Mitglieder auf der Website oder in der App verbringen müssen. Ausschussvorsitzende oder Mandatsträger haben die Möglichkeit, dies zu überprüfen.
Sämtliche Bildungsmaßnahmen dienen in gewisser Weise der Gehirnwäsche. Es handelt sich um Rituale, die die Treue zur Partei fördern sollen. Das größte aller Rituale ist der große Parteikongress, der einmal alle fünf Jahre stattfindet.
Hin und wieder gehen einige Bildungsinitiativen nach hinten los. Auf dem letzten Parteitag 2017 rief Xi die Mitglieder dazu auf, “das ursprüngliche Herz nicht zu vergessen und die Mission fest im Gedächtnis zu behalten”. Kurz darauf wurde eine Bildungsinitiative mit diesem Zitat als Thema gestartet. Als Lernmaterial diente der im selben Jahr erschienene deutsche Film “Der junge Karl Marx”, der das Leben von Marx zwischen 1843 und 1848 zeigt. Parteimitglieder und Regierungsangestellte wurden aufgerufen, sich den Film während der Arbeitszeit in Kinos anzuschauen.
Es scheint keine schlechte Idee zu sein, dass eine kommunistische Partei Marx als ihr “ursprüngliches Herz” aufgreift.
Unglücklicherweise wurde dabei übersehen, dass ein zentrales Thema, mit dem sich Marx befasste, das durch kapitalistische Ausbeutung verursachte Elend der Arbeiter war. Etwas, das zufälligerweise im heutigen China lautstark Anklang fand.
Selbstverständlich hatten die Studenten der renommierten Peking-Universität eine unabhängige Gesellschaft für Marxismus gegründet. Einige von ihnen schlossen sich den Arbeitern in Peking und Shenzhen an, um für die Rechte der Arbeiter zu demonstrieren, was wiederum zu einem harten Durchgreifen der Regierung in Peking führte.
Damit wurde den Partei- und Regierungsfunktionären klar, dass ein grundlegender Bestandteil des Marxismus sehr gefährlich ist. So ist das Lied “Die Internationale”, die Hymne der sozialistischen Arbeiterbewegung, die die Unterdrückten auffordert, sich zum Kampf zu erheben, in China inzwischen praktisch verboten. Wer das Lied laut und öffentlich singt, sei es als Einzelner oder in einer Gruppe, riskiert die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu ziehen und verhaftet zu werden.
Die marxistischen Lehren, auf die sich die Partei nach wie vor bequem berufen kann, sind das Volkseigentum und die Diktatur des Proletariats, mit denen die Partei ihr Macht- und Wirtschaftsmonopol begründet.
die Weltöffentlichkeit achtete in den vergangenen Tagen sehr genau darauf, was Xi Jinping und Wladimir Putin zu sagen hatten. Im Kern war das Treffen der beiden Chef-Autokraten des 21. Jahrhunderts eine Kampfansage an das Wertesystem des Westens: Eure Freiheit kann uns gestohlen bleiben! Das klang jedenfalls alles wenig versöhnlich. Selbst wenn vordergründig der Frieden propagiert wurde.
Es bot auch einen Vorgeschmack auf das, was die Welt erwartet, wenn sich Xis Idee einer “chinesischen Weltordnung” durchsetzt. Die Frage, wie diese aussehen könnte, beschäftigt nicht nur den Westen, sondern auch chinesische Intellektuelle.
Fabian Peltsch hat sich mit dem kanadischen Geschichtsprofessor David Ownby unterhalten, der sich intensiv mit den gesellschaftspolitischen Debatten unter Chinas Intellektuellen beschäftigt. Diese sind überraschend lebhaft.
Und es ist kaum auzumalen, wie die Kommunistische Partei Chinas vom Input dieser vielen klugen Köpfe im Land profitieren könnte. Stattdessen unterzieht sie ihre Mitglieder einer Gehirnwäsche und verdonnert sie zum Ja-Sagen, schreiben unsere anonymen Autoren in unserer Kolumne “Blick aus China”. Wem das nicht passt, der steht vor einem Dilemma.
Die Möglichkeit, aus der Partei auszutreten, ist zwar in der Satzung der Partei verankert, aber praktisch existiert sie nicht. Der einzige Weg, die Partei zu verlassen, ist der Ausschluss. Und wenn es einmal so weit ist, hat man ein großes Problem.
Das Ausland nimmt gesellschaftliche Debatten in China vor allem durch die gleichgeschaltete Propaganda der Staatsmedien wahr. Daher mag es viele überraschen, dass es auch in China eine lebhafte Diskurskultur gibt. Sie entzieht sich staatlichen Zwängen und versucht, jenseits von Marx und Mao philosophische Lösungen für chinesische Fragen zu finden.
David Ownby, Geschichtsprofessor an der Universität von Montreal, hat sich vorgenommen, das intellektuelle Leben Chinas auch außerhalb der Volksrepublik publik zu machen. Zu diesem Zweck hat er das Online-Projekt “Reading The China Dream” ins Leben gerufen, das regelmäßig ausgewählte Texte zeitgenössischer chinesischer Denker ins Englische übersetzt.
“China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und der Hauptkonkurrent der USA. Dennoch weiß kaum jemand, dass es aktive, relativ unabhängige Intellektuelle gibt, die interessante Dinge über China und die Welt zu sagen haben”, erklärt Ownby im Interview mit China.Table. Die Intellektuellen Chinas seien auf der Höhe der Zeit.
Ihre Ansätze und Theorien seien denen westlicher Philosophen ähnlicher, als wir denken. “Selbst Intellektuelle, die die amerikanische Hegemonie hassen, argumentieren mit weitgehend westlichen Begriffen dagegen”, sagt Ownby. Weil viele von ihnen nicht als Dissidenten verstanden werden können, würden ihre Werke außerhalb Chinas kaum rezipiert, bedauert er. “Ich denke, dass dies eine große Lücke in unserem Wissen darstellt” – einen blinden Fleck in unserem Weltbild.
Obwohl Themen wie die Souveränität Taiwans oder eine Kritik am Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei Tabu sind, können die Denker Chinas doch viele Themen öffentlich verhandeln. “Viele von ihnen suchen nach neuen Wegen, Chinas Geschichte zu erzählen”, sagt Ownby.
Ein beliebtes philosophisches Konzept ist etwa Tianxia 天下, die Ordnung “unter einem Himmel”, die schon während der Zhou-Dynastie vor 3.000 Jahren als bestimmend für das Schicksal der Welt beschrieben wurde. Zeitgenössische Denker wie Zhao Tingyang, Liang Zhiping und Xu Jilin versuchen die Idee auf die Gegenwart anzuwenden. Sie sehen Tianxia nicht auf China bezogen nationalistisch, sondern im Sinne einer globalpolitischen Ordnung. Ihrer Deutung zufolge enthält Tianxia das friedliche Zusammenleben aller Völker mit großem gegenseitigen Nutzen.
In Abgrenzung zur “imperialistischen Ausbeutung” der zuletzt westlich geprägten Weltgeschichte passt das Konzept hervorragend zu Xi Jinpings Seidenstraßen-Initiative. Diese salbadert aber stattdessen von “Win-Win” und einer “Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“. Im engsten Machtzirkel der Partei sei das neu gedachte Tianxia-Konzept aber längst angekommen, glaubt Ownby.
Die meisten chinesischen Intellektuellen lassen sich nicht leicht instrumentalisieren. Der Parteisprech der Herrschenden erscheine vielen veraltet, ja geradezu peinlich, meint Onwby. Innerhalb der chinesischen Ideengeschichte beziehen sie sich lieber auf Denker wie Kang Youwei als auf Mao Zedong. Kang war ein Vordenker für Reformen zur Modernisierung Chinas Ende des 19. Jahrhunderts. Er sprach sich dafür aus, mehr Traditionen in die moderne Welt zu retten – wie Japan es gemacht hatte.
Xi Jinping dagegen, dessen “Gedanken” mittlerweile an chinesischen Universitäten Pflichtprogramm sind, sieht sich zwar selbst als wichtiger Denker. Ein Großteil der modernen chinesischen Philosophen betrachtet den Staatschef aber nicht als ebenbürtig.
Doch die Intellektuellen nutzen Xis Ambitionen für ihre Zwecke aus, sagt Ownby. Sie diskutieren daher auch über Aufsätze von Xi oder Mitgliedern des Zentralkomitees. Wenn es sein muss, wechseln sie dafür schon mal in den Parteisprech. Bestes beispiel ist Cai Xia 蔡霞, eine pensionierte Professorin der Zentralen Parteischule in Peking. Cai hat eine solide Verteidigung liberaler demokratischer Werte abgeliefert – allerdings in der Sprache der Kommunistischen Partei Chinas.
Auch die aggressiv belehrende Wolf-Warrior-Attitüde chinesischer Diplomaten und Journalisten finden viele Intellektuelle “abstoßend”, glaubt Ownby. “Ich sehe nicht viel offenkundigen Pazifismus, aber es gibt viele Liberale, die über Populismus und Nationalismus in China zutiefst beunruhigt sind.” Gemeinsam ist allen, dass sie mit ihren Gedanken chinesische Lösungen für chinesische Probleme liefern wollen und vielleicht sogar eine Ideologie etablieren, die für das Volk überzeugender ist als der altbackene Unterbau vom “Sozialismus chinesischer Prägung”.
Yao Yang, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Peking, arbeitet beispielsweise seit mehreren Jahren an einem Konzept, das er “konfuzianischen Liberalismus” nennt – eine modernisierte Version der konfuzianischen Texte, die seiner Meinung nach eine Verbesserung des im Westen praktizierten Liberalismus darstellt.
Erneut gibt es Aufregung um Huawei: Die Telekom und der chinesische Netzausrüster sollen 2019 vereinbart haben, dass Huawei den Deutschen vorsorglich Netzkomponenten zuliefert, die amerikanische Teile enthalten – bevor US-Sanktionen gegen das Unternehmen wirksam werden. Die Telekom soll die Teile dann für eine spätere Verwendung eingelagert haben. Das berichtet das Handelsblatt, dem der Vertrag von damals vorliegt.
Dieser Vertrag widerspricht zumindest dem Geist der US-Sanktionen, die Huawei international das Geschäft schwermachen sollten. Für ein teilstaatliches Unternehmen ist das in der derzeitigen handelspolitischen Stimmung ein heikler Vorgang.
Seinerzeit aber war die Vereinbarung vermutlich völlig legal. Ziel war es, die Versorgung der Telekom mit wichtigen Teilen des langjährigen Partners Huawei sicherzustellen, den das Unternehmen für seine Zuverlässigkeit schätzt. Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier war den Geschäften mit Huawei nicht abgeneigt. Die US-Sanktionen wiederum hatte der damalige US-Präsident Donald Trump beschlossen, dessen Politik stets unter Verdacht stand, nicht ganz rational zu sein.
Vier Jahre später ist die Lage eine ganz andere. Die Sanktionspolitik der Trump-Ära setzt heute mit Joe Biden ein glaubwürdigerer Präsident fort. Das autoritär regierte, mit China verbündete Russland hat sich als aggressiv erwiesen und will Westeuropa mit Gaslieferungen erpressen. In Deutschland sitzen seit dem Regierungswechsel zwei dezidiert China-kritische Koalitionspartner am Kabinettstisch.
Die EU hat ihren Mitgliedern zudem inzwischen empfohlen, beim Netzausbau auf europäische statt auf chinesische Zulieferer zu setzen. Die Vereinbarung über die Lagerung von Elektronik mit potenziell sanktionierten US-Komponenten wirkt aus dieser Warte verdächtig. Huawei selbst stellt die Vereinbarungen mit seinen Kunden als Routinevorgänge dar. Es sei für das Unternehmen wichtig, versprochene Teile auch liefern zu können. Zu konkreten Absprachen mit Kunden in diesem Bereich könne sich Huawei aber aus vertraglichen Gründen nicht äußern. fin
Tiktok-CEO Chew Shou Zi hat bei einer Anhörung im US-Kongress Spionagevorwürfe gegen die chinesische App vehement zurückgewiesen. Alle Daten US-amerikanischer Nutzer würden auf US-Servern gelagert und der Zugang dazu strikt überwacht, betonte der Tiktok-Chef am Donnerstag bei der Anhörung im Handelsausschuss des Repräsentantenhauses. Auch laufe der Empfehlungs-Algorithmus von Tiktok, der die Videos für Nutzer auswählt, beim US-Softwareriesen Oracle, erklärte Chew.
“Wir fördern oder entfernen Inhalte nicht auf Ersuchen der chinesischen Regierung”, sagte Chew. Er sehe Tiktok gegenüber den Nutzern dazu verpflichtet, die App “frei von jeglicher Manipulation durch irgendeine Regierung” zu halten. Die Vorsitzende des Ausschusses, Cathy Rogers, gab bei der Anhörung einen scharfen Ton vor. “Tiktok überwacht uns alle”, sagte die Republikanerin in ihrer Stellungnahme. Auch nannte sie Tiktok ein “Portal für Drogenhändler”. Der demokratische Vize-Vorsitzende Frank Pallone sagte, die Datenschutz-Zusicherungen in den USA seien nicht ausreichend.
In Deutschland ist laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser kein Tiktok-Verbot geplant. Man müsse jedoch verstärkt darüber aufklären, dass es sich bei Tiktok um einen Konzern handle, bei dem “die Daten natürlich abfließen können”, betonte Faeser bei einem Besuch in Washington. Man achte sehr darauf, dass man staatliche Einflussnahme durch China möglichst frühzeitig erkenne. “Wir kommen gerade aus einer starken Abhängigkeit von Russland in der Energieversorgung. Wir wollen nicht weitere Abhängigkeiten schaffen”, sagte Faeser.
Wegen der Nähe von Tiktok und dem Mutterkonzern Bytedance zur chinesischen Regierung befürchten Sicherheitsbehörden unter anderem in den USA und Europa, dass die Volksrepublik persönliche Nutzerdaten abgreift oder zur Manipulation der öffentlichen Meinung missbraucht.
Mehrere Länder haben Regierungsmitarbeitern die Nutzung von Tiktok auf ihren Diensthandys verboten, unter anderem die USA, Kanada und Großbritannien. Das Verbot gilt auch für Mitarbeiter der EU-Kommission. Die USA möchten die App verbieten, dies ist aber rechtlich schwierig – der ehemalige US-Präsident Donald Trump scheiterte während seiner Amtszeit bereits mit einem Versuch. Ein Entwurf für ein Gesetz, das ein Verbot ermöglichen könnte, liegt aber bereits vor. Wann der Kongress darüber abstimmt, ist noch unklar. jul
Die Bundestagsabgeordnete Katja Leikert (CDU) fordert eine Aufarbeitung der Mythen, die jahrelang die deutsche Chinapolitik bestimmt haben. Vorstellungen wie “Wandel durch Handel” hätten das China-Geschäft “moralisch aufgeladen”, haben sich rückblickend jedoch als untaugliche Konzepte für eine Strategie gegenüber China erwiesen. Das sagte Leikert am Donnerstag auf einer Veranstaltung aus der Reihe Global China Conversations des Kiel Institute für Weltwirtschaft. China.Table ist Medienpartner der Gesprächsreihe.
Leikert ist Abgeordnete für den Wahlkreis Hanau in Hessen, in dem sich zahlreiche Industriebetriebe mit starkem Chinageschäft befinden; sie ist zudem von Haus aus Sicherheitsexpertin. Eigentlich befürwortet sie es, der Wirtschaft in geschäftlichen Dingen freie Hand zu lassen. Doch der geopolitische Druck im Umgang mit China habe so stark zugenommen, dass sie hier durchaus staatliche Eingriffe befürwortet, sagt Leikert. “Deutschland braucht jetzt eine China-Strategie.” Die Abhängigkeiten seien zu groß geworden, um sie einfach laufen zu lassen. Dazu komme eine Abhängigkeit bei kritischen Rohstoffen auch für die Energiewende.
Diese gegenseitige Abhängigkeit Chinas und Europas habe nicht die erhoffte Steigerung der Sicherheit gebracht, so Leikert. Das habe das Verhalten Russlands im vergangenen Jahr gezeigt. Ein “Ende der Naivität” sei daher auch gegen China angebracht. Die Debatte sei nicht neu: Schon die CDU-geführten Bundesregierungen hätten sich mit Abhängigkeiten auseinandergesetzt. Inzwischen sei es aber Zeit, im Rahmen einer China-Strategie konkretere Schlussfolgerungen zu ziehen. Dazu gehöre es, die Abhängigkeiten zu benennen und zu verringern – und China den Zugriff auf kritische Infrastruktur zu verwehren. fin
Nun auch die Niederlande: Nachdem die USA, Großbritannien, Belgien und die EU ihre Regierungsbeamte angewiesen hat, Tiktok von ihren Diensthandys zu verbannen, schließt sich auch die niederländische Regierung diesem Schritt an. Beamte müssten die umstrittene Kurzvideo-App der Online-Plattform auf allen mobilen Apparaten sofort löschen.
Es gebe ein erhöhtes Spionagerisiko, begründete die zuständige Staatssekretärin Alexandra van Huffelen die Anordnung. Über Tiktok könnten Daten der Nutzer in die Hände des chinesischen Staates gelangen. flee
Der deutsche Energieversorger RWE hat davor gewarnt, dass ein US-Importverbot für die chinesische Region Xinjiang die europäischen Pläne zum Aufbau einer grünen Energieinfrastruktur “erheblich behindern” könnte. Der Import von Solarmodulen aus Asien unterliege nun “strengen Kontrollen”, seit Washington 2022 ein Verbot aller Importe aus Xinjiang (Uyghur Forced Labour Prevention Act, kurz UFLPA) erlassen habe, schreibt der Konzern in seinem Jahresbericht. “Wenn die USA die Beschaffung von Solarmodulen weiter behindern, ist es möglich, dass unsere Fotovoltaik-Ausbauinitiativen in Verzug geraten.”
Das Unternehmen will sich aber dennoch nicht als Gegner des US-Importverbots verstanden wissen. RWE trete nicht dafür ein, dass UFLPA aufgeweicht werde, betonte der Vorstandsvorsitzende Markus Krebber nach einem Bericht der Financial Times. Mark Noyes, Leiter der in den USA ansässigen Clean Energy Division von RWE, fügte demnach hinzu: “Diese Kontrollen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das, was in die USA oder an irgendein anderes Land gelangt, unter ethischen Bedingungen hergestellt und bezogen wird.” Die Lösung besteht laut Vorstandschef Krebber vielmehr darin, die Solar-Lieferketten in den USA und Europa zu stärken. ari
Ein wesentlicher Aspekt der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Chinas ist: Wer einmal dabei ist, kann nicht mehr austreten.
Die Möglichkeit, aus der Partei auszutreten, ist zwar in der Satzung der Partei verankert, aber praktisch existiert sie nicht. Der einzige Weg, die Partei zu verlassen, ist der Ausschluss. Und wenn es einmal so weit ist, hat man ein großes Problem. Das ist einer der Gründe, warum die Zahl der Parteimitglieder stetig ansteigt. Ein anderer Grund ist natürlich die wachsende Bevölkerungszahl in China.
Als weltweit größte politische Vereinigung rühmt sich die KPCh mit 97 Millionen Mitgliedern, was ungefähr der gesamten Bevölkerung von Deutschland, Österreich und der Schweiz entspricht. Wie viele davon tatsächlich an den Kommunismus glauben, lässt sich dagegen unmöglich sagen. Aber diese Zahl dürfte nahezu bei null liegen.
In China – wie auch in anderen Teilen der Welt – ist der Kommunismus als Ideologie bankrott. Obwohl die Partei immer noch den Stempel des Kommunismus trägt, entfernt sie sich nicht nur von der klassischen kommunistischen Zukunftsvision, sondern auch von den grundlegenden Doktrinen des Marxismus, wie etwa der Analyse der Beziehungen zwischen Kapital und Arbeitern.
Vielmehr entwickeln die Spitzenpolitiker und hochrangigen Apparatschiks laufend neue Konzepte und Theorien, wie zuletzt den “Chinesischen Traum” und “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter”. Im Mittelpunkt des stetig wachsenden Flickenteppichs von Jargons stehen folgende Aspekte: Die Aufgabe der KP China ist es,
Jedes Parteimitglied vermag Slogans zu diesen Zielen oder Abwandlungen davon zu skandieren. Einige sind sogar in der Lage, lange Vorträge darüber zu halten. Aber die Zahl derjenigen, die der Partei aufrichtig aus diesen Gründen beitreten, ist äußerst gering.
Infolge der zügellosen Korruption und der chronischen sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeit herrscht nahezu im gesamten Land blanker Zynismus. Die Menschen verfolgen ausschließlich ihre Eigeninteressen.
Obwohl es der KPCh an überzeugenden, inspirierenden politischen Ideen mangelt, hat sie sich dennoch unangefochten an der Macht gehalten. Und es ist eine ungeschriebene Regel, dass die oberste Führungsriege jeder staatlichen Organisation auf allen Ebenen Mitglied der Partei sein muss. Dies gilt auch für die Armee, staatliche Unternehmen und sonstige öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Universitäten.
Die Partei, die Staatsunternehmen und der öffentliche Sektor stehen im kommunistischen China immer an oberster Stelle. Unter Xi Jinping ist ihre Position noch stärker geworden. Wer berufliche oder persönliche Ambitionen hegt, weiß also, wohin er sich wenden muss. Eine Mitgliedschaft mag zwar keine Garantie für Macht und Geld sein, aber schaden kann sie auf jeden Fall nicht.
Wer Mitglied werden möchte, muss fachliche Kompetenz vorweisen. Am wichtigsten ist jedoch, der Parteilinie zu folgen, das heißt, sich dem Parteisprech zu bedienen und der Parteipolitik stets die Treue zu halten. Freies Denken oder das Äußern von abweichenden Gedanken ist ein absolutes Tabu. Das wahre Ich muss stets verborgen bleiben, egal, wie es auch aussehen mag.
Doch mit einem Beitritt ist es noch lange nicht getan. Die Parteikomitees aller Organisationen auf den verschiedenen Ebenen schulen ihre Mitglieder im Rahmen von Versammlungen und Studiensitzungen laufend in den neuesten Konzepten und Richtlinien. Dabei bedienen sie sich zum Beispiel Abschriften von Parteiführern und Büchern über deren Gedanken und Theorien.
Von Zeit zu Zeit werden besonders vorbildliche Parteimitglieder präsentiert, die angeblich ihre Freizeit dem Parteistudium widmen. Das interessanteste Beispiel war ein junges Paar, das 2016 in seiner Hochzeitsnacht die Parteisatzung abschrieb.
Die Partei betreibt zudem Parteischulen auf Zentral-, Provinz- und Kreisebene. Parteifunktionäre der oberen und mittleren Ränge müssen alle paar Jahre abwechselnd eine Vollzeitschulung über Parteipolitik absolvieren. Die Kurse können dabei bis zu 4 Monate dauern (und sind übrigens eine großartige Gelegenheit zum Knüpfen von Kontakten).
Im Zeitalter der Neuen Medien hat die Partei mit dem technischen Fortschritt bestens Schritt gehalten. Sie hat eine eigene Internetseite und eine ausgefeilte App zur Bildung ihrer Mitglieder entwickelt. Sie heißen auf Chinesisch “Xuexi Qiangguo”, was wörtlich übersetzt “studiere und stärke die Nation” bedeutet. Dort haben Mitglieder auch die Möglichkeit, sich anhand von Quizfragen selbst zu testen. Typische Fragen lauten etwa: “Was sind die wichtigsten Punkte von Xi Jinpings Gedanken zur Diplomatie?” Oder: “Welche Strafe erhält ein Mitglied, wenn es unbegründete Kritik an der zentralen Führung der Partei übt?”
In einer Bildungskampagne haben zahlreiche Parteigremien festgelegt, wie viel Zeit ihre Mitglieder auf der Website oder in der App verbringen müssen. Ausschussvorsitzende oder Mandatsträger haben die Möglichkeit, dies zu überprüfen.
Sämtliche Bildungsmaßnahmen dienen in gewisser Weise der Gehirnwäsche. Es handelt sich um Rituale, die die Treue zur Partei fördern sollen. Das größte aller Rituale ist der große Parteikongress, der einmal alle fünf Jahre stattfindet.
Hin und wieder gehen einige Bildungsinitiativen nach hinten los. Auf dem letzten Parteitag 2017 rief Xi die Mitglieder dazu auf, “das ursprüngliche Herz nicht zu vergessen und die Mission fest im Gedächtnis zu behalten”. Kurz darauf wurde eine Bildungsinitiative mit diesem Zitat als Thema gestartet. Als Lernmaterial diente der im selben Jahr erschienene deutsche Film “Der junge Karl Marx”, der das Leben von Marx zwischen 1843 und 1848 zeigt. Parteimitglieder und Regierungsangestellte wurden aufgerufen, sich den Film während der Arbeitszeit in Kinos anzuschauen.
Es scheint keine schlechte Idee zu sein, dass eine kommunistische Partei Marx als ihr “ursprüngliches Herz” aufgreift.
Unglücklicherweise wurde dabei übersehen, dass ein zentrales Thema, mit dem sich Marx befasste, das durch kapitalistische Ausbeutung verursachte Elend der Arbeiter war. Etwas, das zufälligerweise im heutigen China lautstark Anklang fand.
Selbstverständlich hatten die Studenten der renommierten Peking-Universität eine unabhängige Gesellschaft für Marxismus gegründet. Einige von ihnen schlossen sich den Arbeitern in Peking und Shenzhen an, um für die Rechte der Arbeiter zu demonstrieren, was wiederum zu einem harten Durchgreifen der Regierung in Peking führte.
Damit wurde den Partei- und Regierungsfunktionären klar, dass ein grundlegender Bestandteil des Marxismus sehr gefährlich ist. So ist das Lied “Die Internationale”, die Hymne der sozialistischen Arbeiterbewegung, die die Unterdrückten auffordert, sich zum Kampf zu erheben, in China inzwischen praktisch verboten. Wer das Lied laut und öffentlich singt, sei es als Einzelner oder in einer Gruppe, riskiert die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu ziehen und verhaftet zu werden.
Die marxistischen Lehren, auf die sich die Partei nach wie vor bequem berufen kann, sind das Volkseigentum und die Diktatur des Proletariats, mit denen die Partei ihr Macht- und Wirtschaftsmonopol begründet.