die mit fast 80.000 Angestellten größte Forschungseinrichtung der Welt, die chinesische Akademie der Wissenschaften, hat einen aktualisierten Verhaltenscodex. In diesem müssen die Forschenden unter anderem “die Liebe zur Partei vorleben”, “der nationalen Sicherheit dienen” und “im Einklang mit der Politik des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas stehen”, wie Fabian Kretschmer berichtet. Deutsche Forschungseinrichtungen und der DAAD wollen die Zusammenarbeit vorerst aber beibehalten – sie sehen in dem Kodex lediglich eine explizite Ausformulierung von Vorgaben, die es zuvor ohnehin schon gab.
China hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres schon mehr Solarkapazität installiert als im Rekordjahr 2022. Damit sind Pekings ambitionierte Klimaziele aber noch lange nicht in trockenen Tüchern. Eine Herausforderung, die die Energiewende massiv ausbremst, ist nach wie vor der Ausbau der Stromnetze, der nicht nur in China, sondern auch den USA hinter den Entwicklungen im Bereich der Erneuerbaren hinterherhinkt. Vor allem fehlt es an Fernleitungen, um den Strom in die Ballungsräume und die Industriezentren an den Küsten zu bringen, schreibt Nico Beckert. Mehr Finanzspritzen für die Ausweitung und Anpassung an neueste Technologien zur Energiegewinnung werden nötig. Chinas Strommarkt ist derzeit jedoch immer noch sehr unflexibel.
Der Übergang von einer autoritären zur totalitären Herrschaft ist fließend. Doch ein zentrales Kriterium stellt die umfassende Gesinnungstreue dar, welche der Einparteienstaat seinen Bürgerinnen und Bürgern abverlangt: Eine passive Beobachterrolle wird ihnen aberkannt, stattdessen müssen sie sich proaktiv zur ideologischen Loyalität verpflichten.
Seit Anfang September bekennt sich nun die chinesische Akademie der Wissenschaften (CAS) aktiv zur Parteilinie. Die größte Forschungsorganisation der Welt hat dazu ihren Verhaltenskodex erneuert. Er gilt für alle 38.000 Mitarbeitende und 33.300 Professoren. Künftig müssen die Wissenschaftler unter anderem “die Liebe zur Partei vorleben“, “der nationalen Sicherheit dienen” und auch “im Einklang mit der Politik des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas stehen”.
Seit einigen Jahren bereits wird in Deutschland die wissenschaftliche Kooperation mit der Volksrepublik China hinterfragt. Denn einerseits ist das Reich der Mitte in vielen Bereichen zur führenden Wissenschaftsnation aufgestiegen, doch gleichzeitig ist unabhängige Forschung im repressiven Klima unter Staatschef Xi Jinping nahezu unmöglich geworden.
Die Zeichen des Wandels sind unübersehbar: Die letzten verbliebenen Professoren, die ausländischen Medien kritische Interviews gegeben haben, wurden längst gefeuert, inhaftiert oder haben sich freiwillig in die innere Emigration zurückgezogen.
Und spätestens seit der Pandemie ist die Isolation chinesischer Universitäten durchaus wörtlich zu nehmen: In der Hauptstadt Peking sind sämtliche Campus-Eingänge der Spitzenunis mit Überwachungskameras und elektronischen Türen ausgestattet. Nur mehr Studierende und Lehrende dürfen nach einem Gesichts-Scan das Gelände betreten, für Außenstehende ist der Zugang ohne Extra-Genehmigung verboten. Offiziell wird die Maßnahme mit dem Schutz vor der Pandemie begründet.
Tatsächlich jedoch steht dahinter die Kontrollwut einer paranoiden Parteiführung, die in den Universitäten stets einen Ausgangspunkt für politischen Widerstand wittert. Es ist kein Zufall, dass die historischen Proteste gegen die Null-Covid-Politik im vergangenen November ausgerechnet von chinesischen Studierenden ausgingen.
Nun also schränkt die CAS mit ihren politischen Vorgaben die akademische Freiheit noch weiter ein. Neben eingangs erwähnter Gesinnungstreue wird den Wissenschaftlern zudem verboten, ihre akademischen Ansichten zu Themen zu äußern, die außerhalb ihres Fachgebiets liegen.
Das Ausmaß der Neuformulierungen ist erstaunlich. Noch der ursprüngliche, vor neun Jahren eingeführte Verhaltenscodex der CAS enthielt die Worte “Partei”, “nationale Sicherheit” oder “Vaterlandsliebe” nicht. Damals ging es noch vor allem um wissenschaftliche Integrität.
Die chinesische Akademie der Wissenschaften unterhält ausgiebige Kooperationen mit Deutschland. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) bezeichnet die CAS etwa als “wichtigste Partnerinstitution”. Seit fünf Jahren arbeite man in “strategisch ausgewählten wissenschaftlichen Schwerpunktbereichen” zusammen, etwa der Radioastronomie und den Verhaltenswissenschaften. Die MPG erhalte dabei “privilegierten Zugang zu teils weltweit einzigartigen und exzellenten Infrastrukturen der CAS”, wie es laut Eigenaussage heißt. Und: Beide Seiten würden gleichermaßen von der Kooperation profitieren.
Wie jedoch lässt sich mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten, die von vorneherein dazu verpflichtet sind, strikt auf Parteilinie zu sein? “Chinesische Universitäten und Forschungseinrichtungen waren noch nie völlig autonom und im Prinzip schon immer in die politischen Strukturen und Programme des chinesischen Einparteienstaates eingebunden“, sagt Christina Beck, die die Kommunikationsabteilung der Max-Planck-Gesellschaft leitet. “Aber wir nehmen natürlich mit großer Sorge wahr, dass das nun immer deutlicher öffentlich formuliert und die chinesische Forschung immer stärker politischen Zielen untergeordnet wird”.
Zu dem konkreten Verhaltenskodex könne man keine abschließende Beurteilung geben, da bislang zu wenig Hintergrundinformationen vorliegen, so die MPG. Doch man solle diese auch unter dem Aspekt der innerchinesischen Korruptionsbekämpfung verstehen, heißt es.
Und tatsächlich zielen einige der Neuerungen genau darauf ab: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es etwa künftig untersagt, an Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen sie Kontakte knüpfen könnten, um geschäftliche Gefälligkeiten zu erhalten. Die Vorgaben lassen sich ambivalent deuten: Einerseits möchte die Parteiführung Korruption erschweren – und gleichzeitig die Netzwerke der führenden Wissenschaftler kontrollieren. Die Parallelen zu Xi Jinpings Korruptionsbekämpfung sind offensichtlich. So hat Xi seine Kampagnen stets auch dafür genutzt, politische Gegner auszuschalten.
Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterhält mit der CAS seit 2007 ein Kooperationsabkommen. Dies umfasst unter anderem ein bilateral finanziertes Stipendienprogramm für chinesische NachwuchswissenschaftlerInnen, die im Rahmen ihrer Promotion für bis zu zwei Jahre nach Deutschland kommen. Der Umfang des Programms ist allerdings gering: 2023 wurden nur mehr sieben Stipendien vergeben.
Die verschärften politischen Vorgaben des CAS werden die Existenz des Stipendienprogramms nicht bedrohen. “Die Vorgabe zur Treue zum Vaterland und der Einhaltung der Parteilinie bei öffentlichen Statements ist in China bereits seit längerem Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere”, sagt ein DAAD-Sprecher. Der Verhaltenskodex würde also nur explizit ausformulieren, was ohnehin schon zuvor galt. Und mögliche Sicherheitsrisiken im Umgang mit chinesischen Kooperationspartnern würde der DAAD bereits seit längerem diskutieren.
Auch die Max-Planck-Gesellschaft überprüft derzeit “alle Aspekte ihrer wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China” und wird noch im November ein Papier mit Handlungsempfehlungen publizieren. Damit folgt sie unter anderem dem MIT in Cambridge, das bereits im November letzten Jahres Richtlinien zur Kooperation mit chinesischen Forschungsinstitutionen veröffentlicht hat.
Doch trotz der immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen möchte die MPG unbedingt im Austausch mit ihren chinesischen Partnern bleiben, sagt Christina Beck: “Über Wissenschaftskontakte kann man Türen offenhalten, die eventuell in anderen Bereichen verschlossen sind”. Fabian Kretschmer
China hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres fast 100 Gigawatt an neuer Solarkapazität installiert und damit schon jetzt das Rekordjahr 2022 übertroffen. Experten befürchten jedoch, dass ein zu langsamer Ausbau der Stromnetze das Tempo der Energiewende verlangsamen könnte: Laut dem Think-Tank Bloomberg NEF müssen die Stromnetze bis 2050 weltweit auf 152 Millionen Kilometer ausgebaut werden, um die Klimaziele erreichen zu können – eine Verdopplung der aktuellen Länge. Weltweit müssen demnach bis 2050 21 Billionen US-Dollar investiert werden. Auf China und die USA kommen demnach mehr als ein Drittel dieser Investitionen zu. Bauen die beiden Staaten ihre Stromnetze nicht schneller aus als bisher, könnte die Energiewende ernsthaft in Gefahr geraten, warnen die Experten.
In China hat das Stromnetz schon in der Vergangenheit die Energiewende ausgebremst. Anfang und Mitte der 2010-er Jahre lagen viele neue Wind- und Solarparks brach, weil die Netzanbindung zwischen den chinesischen Provinzen nicht ausreichend und der Stromhandel zwischen den Provinzen künstlichen Hürden unterworfen war. Damals kam es teils zu Abregelungsraten (“Curtailment Rates”) von 40 bis 50 Prozent. Das heißt: Wind- und Solarkraftwerke waren zwar fertig gebaut, wurden aber nicht betrieben, weil das Netz den zusätzlichen Strom nicht verkraften konnte. Die Folge: Der Bau mancher neuen Solar- und Windkraftwerke wurde für Jahre gestoppt.
Die Situation hat sich seitdem sehr verbessert. Doch aufgrund des neuerlichen Booms bei der Solar- und Windenergie steht China vor neuen Herausforderungen, die die Energiewende erneut ausbremsen könnten:
Insgesamt wird China in diesem Jahr Schätzungen zufolge etwas mehr als 80 Milliarden Euro in den Ausbau seines Stromnetzes investieren. Das ist viel Geld, aber es reicht nicht. Die Investitionen “sollten, angepasst an die erneuerbaren Energien, so erhöht werden, dass sie den rekordhohen Investitionen in die Stromerzeugung aus Erneuerbaren entsprechen”, sagt Run Zhang, Projektleiterin China bei Agora Energiewende.
Die neuen Rekorde beim Ausbau der Erneuerbaren “werden die Grenzen des chinesischen Stromsystems testen”, schreiben die Trivium-Experten. “Eine Rückkehr zu anhaltend hohen Abregelungsraten könnte die politischen Entscheidungsträger erneut dazu zwingen, den Ausbau neuer Anlagen zu bremsen”. Und selbst wenn die Entscheidungsträger die Engpässe im Stromnetz beseitigen können, drohen weitere Herausforderungen: Chinas Strommarkt ist noch immer sehr unflexibel. Der Stromhandel über Provinzgrenzen hinweg wird durch politische Interessen und bürokratische Hürden behindert – auch das bremst die Energiewende.
Die Lage des insolventen Immobilienkonzerns Evergrande wirkt immer desaströser. Der Chairman der Gruppe, Xu Jiayin (Kantonesisch: Hui Ka-yan), befindet sich offenbar schon seit Wochen in Hausarrest, wie am Mittwoch bekannt wurde. Die Behörden unterstellen offenbar Fluchtgefahr – und das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden sich inzwischen in den Fall einschalten.
Die Aktien aller Immobilienfirmen rutschten noch weiter ab, seit die Justiz sich für Vorgänge interessiert. Sie befinden sich nun auf Tiefständen, wie sie seit über zehn Jahren nicht gesehen wurden. Der ebenfalls insolvente Konkurrent Country Garden steuert derweil auf eine Umschuldung seiner Auslandsverbindlichkeiten zu. Er kann seine Schulden nicht zurückzahlen. fin
Mitsubishi Motors hat beschlossen, sich aus der Automobilproduktion in China zurückzuziehen, wie die japanische Zeitung Nikkei berichtet. Das Unternehmen hat darüber bereits Gespräche mit der chinesischen Guangzhou Automobile Group (GAC) aufgenommen, mit der Mitsubishi ein Joint Venture betreibt. GAC Mitsubishi Motors betreibt ein Werk in der Provinz Hunan. Das Unternehmen hat die Produktion schon im März eingestellt und wird den Betrieb demnach nicht wieder aufnehmen. Das Werk in Hunan ist die einzige Fabrik von Mitsubishi in China. GAC wird die Fabrik wahrscheinlich in eine Produktionsstätte für Elektrofahrzeuge umwandeln, heißt es in der Zeitung.
Die Verkäufe von Mitsubishi hatten in China zuletzt aufgrund des Aufstiegs der Elektromobilität und der Konkurrenz durch lokale Marken gelitten. Das Unternehmen kündigte im Juli an, die Personalkosten zu senken, um sein Geschäft wieder anzukurbeln. Der Autohersteller verkaufte im vergangenen Jahr knapp 32.000 Fahrzeuge in China, was einem Rückgang von etwa 50 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Auch andere japanische Automobilhersteller haben in China mit Schwierigkeiten zu kämpfen und überarbeiten derzeit ihre Strategien für den wichtigen Absatzmarkt. rtr/fpe
China will der Wirtschaftsflaute mit verstärkten Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung in Staatsunternehmen und im Finanzsektor begegnen. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch unter Berufung auf eine Politbüro-Sitzung unter dem Vorsitz von Präsident Xi Jinping. Es sollten diejenigen Firmen gefördert werden, die sich nicht an Korruption beteiligen, zitierte Xinhua aus der Sitzung. Die Wettbewerbsfähigkeit staatseigener Unternehmen müsse kontinuierlich verbessert werden und Finanzunternehmen verstärkt “der Realwirtschaft und der nationalen Strategie dienen.”
Fernsehaufnahmen des Treffens legten nahe, dass der ehemalige Außenminister Qin Gang und der offenbar auch in Ungnade gefallene Verteidigungsministers Li Shangfu nicht an der Sitzung teilnahmen. Gegen beide sollen Ermittlungen laufen: Im Falle Lis soll es dabei um die Beschaffung von Militärausrüstung gehen, bei Qin um eine Affäre mit einer Korrespondentin in Washington. Zu beiden Fällen hat sich Peking bisher offiziell nicht erklärt. rtr/ari
Peking macht offenbar bereits Druck auf Ungarn, um auf die EU-Untersuchung zu mutmaßlichen Subventionen auf chinesische E-Autos einzuwirken. Die Überprüfung der Europäischen Union zu Chinas Elektrofahrzeugprodukten verstoße gegen die Grundregeln des internationalen Handels und werde wahrscheinlich die globalen Automobilindustrie- und Lieferketten stören, warnte der chinesische Spitzendiplomat Wang Yi am Mittwoch. China hoffe indes, dass Ungarn die EU dazu drängen werde, eine aktivere und offenere Politik der Zusammenarbeit mit dem Land zu verfolgen, sagte Wang laut einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums in einem Telefonat mit Ungarns Außenminister Péter Szijjártó.
Die Botschaft an Budapest ist deutlich: Peking setzt auf das ihm noch am wohlgesonnenste EU-Mitglied, um in der Causa Einfluss zu nehmen. Ungarn hatte in der Vergangenheit beispielsweise aktiv Resolutionen mit Bezug auf Hongkong im EU-Rat der Mitgliedsstaaten blockiert. Ungarns Premier Viktor Orbán wird für Oktober in Peking erwartet. Er soll im Rahmen seines Besuchs auch am Forum zur Neuen Seidenstraße teilnehmen. rtr/ari
Es waren chinesische Hacker, die Anfang des Jahres in die E-Mail-Plattform von Microsoft eingedrungen sind. Diese hätten Zehntausende von E-Mails von Konten des US-Außenministeriums gestohlen. Das behauptete ein Mitarbeiter eines US-Senators am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Mitarbeiter, der am Mittwoch an einem Briefing von IT-Beamten des Außenministeriums teilnahm, sagte, die Beamten hätten den Gesetzgebern mitgeteilt, dass 60.000 E-Mails von zehn verschiedenen Konten des Außenministeriums gestohlen worden seien. Obwohl die Opfer nicht namentlich genannt wurden, arbeiteten alle außer einem von ihnen im Bereich Asien-Pazifik, sagte er. rtr
In den 1990er-Jahren war die Rechtswissenschaft in Deutschland konservativ. Der Jurastudent Björn Ahl fühlte sich in dieser Welt manchmal wie ein Exot: Er interessierte sich für China und chinesisches Recht, stand damit aber ziemlich alleine da. “Wenn ich damals mit den Professoren an meiner Uni in Heidelberg versucht habe, über chinesisches Recht zu sprechen, haben sie das überhaupt nicht ernst genommen”, erinnert er sich. “Für die war Recht in erster Linie nur deutsches Recht.” Ahl sah das anders. Für ihn ist die Kenntnis des chinesischen Rechts ein wichtiger Baustein für unser Verständnis von China.
Heute ist er selbst Professor und unterrichtet chinesische Rechtskultur am Ostasiatischen Seminar der Universität zu Köln, an dem auch Chinesisch und chinesische Geschichte, Politik und Kultur unterrichtet werden. Die Verbindung der Disziplinen hat einen bestimmten Grund: Das chinesische Recht kann nur verstanden werden, wenn auch sein Kontext berücksichtigt wird.
Ahl erlebte seinen ersten eigenen Deep Dive in diesen Kontext nach dem Abitur. Mit der Transsibirischen Eisenbahn fuhr er nach China und lernte auf der Reise zufällig die Familie von Li Lisan kennen. Li Lisan war ein Mitbegründer der Kommunistischen Partei und zeitweise Kontrahent Mao Zedongs. In der Kulturrevolution wurde er getötet, erst Jahre nach seinem Tod rehabilitiert. Ein Besuch bei der Familie führte Ahl in eines mehrerer Häuser, in denen rehabilitierte Personen der früheren Elite zusammenleben. Dort begegnete er im Fahrstuhl Persönlichkeiten, deren Geschichten er so spannend fand, dass er neben dem Jurastudium begann, die Sprache zu lernen und ein Auslandsjahr in China verbrachte.
Nach dem zweiten Staatsexamen arbeitete Ahl insgesamt zehn Jahre in China, unter anderem als stellvertretender Leiter des deutsch-chinesischen Rechtsinstituts der Universität in Nanjing, einer Kooperation mit der Universität Göttingen. Und an Chinas größter juristischer Universität, der Chinesischen Universität für Politik und Recht. Dort unterrichtete er unter anderem im Rahmen eines EU-Projekts, der China-EU Law School, an der Chinesen eine europäische Juristenausbildung erhalten. Während dieser Zeit beriet er auch das Oberste Volksgericht in Peking.
Wenn man China gut kennt und originalsprachliche Quellen lesen kann, erlaubt die Analyse des chinesischen Rechts Rückschlüsse auf Entwicklungen in Gesellschaft und Politik, auf Machtstrukturen und Freiräume. “Es gibt sehr widersprüchliche Dynamiken – einerseits von Repression und Kontrolle und gleichzeitig hat man die Leute in vielen Bereichen wirklich befreit oder sie ermächtigt, ihre eigenen Rechte wahrzunehmen.” Damit meint Ahl zum Beispiel das Verbraucherschutzrecht.
Die Studierenden in Köln lernen zuerst über die historischen Entwicklungen von Chinas Rechtssystem, immer in Referenz zu politischen und gesellschaftlichen Themen der Zeit. Was viele dabei überrascht: Auch Konzepte aus Deutschland flossen in chinesisches Recht ein. “China hat sich am deutschen BGB orientiert. Am Ende des Kaiserreichs und zu Beginn der Republikzeit in den 1920er-Jahren gab es eine sehr starke Rezeption des deutschen Rechts. Man hat sich da an Japan orientiert, das auch diesen Weg gegangen ist und wo es gut funktioniert hat. Japan hatte sich erfolgreich aus der kolonialen Abhängigkeit befreit.” Heutzutage schauen sich die Chinesen alle Rechtsordnungen an, erzählt Ahl. Das, was für sie interessant ist, übernehmen sie. “Wenn man vergleicht, welche Kenntnisse zum deutschen Recht es in China gibt und welche Kenntnisse zum chinesischen Recht es in Deutschland gibt, das sind riesige Welten. In Deutschland weiß man fast nichts und in China weiß man fast alles.”
Dabei gibt es in China einige moderne Konzepte, die auch für uns einmal relevant werden könnten. Aktuell forscht Ahl am European-Chinese Law Research Hub in Köln zu sogenannten “Smart Courts“, die in China dabei helfen sollen, die überlasteten Gerichte stärker zu automatisieren. Digitale Systeme sollen die Justiz effizienter und transparenter machen. Dazu gehören Chatbots, die juristisch beraten und Online-Gerichte, die einfache Verbraucherschutz-Streitigkeiten verhandeln. Außerdem Systeme, die Richtern basierend auf ähnlichen Fällen Korridore vorgeben, innerhalb derer ihre Entscheidung liegen muss, oder sie zumindest darauf hinweisen, wenn ihre Entscheidung von der Norm abweicht. “Es wäre gut, diese Entwicklungen wirklich zu verstehen und sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Und das sollte man eben auch tun aus der Perspektive, was das eigentlich für traditionelle Rechtssysteme bedeutet.”
Ahl forscht auch zum viel diskutierten und umstrittenen Sozialkredit-System. Dabei wird Verhalten mit einem Punktesystem belohnt oder sanktioniert, eine Form der alternativen Regulierung. Die Folge negativen Verhaltens sind Einschränkungen im alltäglichen Leben, etwa beim Zugang zu sozialen Diensten oder der Arbeitsplatz- und Ausbildungssuche. Das Grundprinzip, das der Sanktionierung zugrunde liegt, beruht auf einer Idee von Xi Jinping: Wer eine einzige Übertretung begeht, wird in allen Lebensbereichen dafür sanktioniert.
Zum Sozialkredit-System soll ein Gesetz erlassen werden, zu dem aktuell ein Entwurf vorliegt. Wie viel Kritik an dem Entwurf von der Regierung hingenommen wird, und ob diese womöglich in den Gesetzesentwurf einfließt, erlaubt Einblicke in Machtstrukturen und politische Freiräume. Ahl hat den Diskurs über den Gesetzentwurf in China analysiert. Freiräume gibt es, wo es gewünscht ist, kann man daran sehen. Manche Rechtswissenschaftler haben sogar das Grundprinzip des Sozialkredit-Systems als verfehlt bezeichnet. Manche Kritikpunkte wurden bei dem Gesetzentwurf und in der lokalen Gesetzgebung berücksichtigt.
Es kann aber auch anders laufen. Ein Beispiel ist die Verfassungsänderung 2018, als Xi Jinping die Amtszeitbeschränkung aufheben ließ. “Es hängt davon ab, wie sensibel die Situation ist und um welche Sachbereiche es geht. Es geht um die Position derjenigen, die sich äußern. Und es gibt eben generell Tabubereiche. Selbst Professoren, die keine Juristen waren und sich damals im Unterricht zur Verfassungsänderung geäußert haben, haben ihre Jobs verloren.”
Auch einige von Ahls Forschungsinteressen reichen in den politischen Bereich hinein, er beschäftigt sich unter anderem mit verfassungsrechtlichen Fragen und Rechtsreformfragen. Sein Gefühl ist diesbezüglich eher negativ. “Es ist kaum eine Entwicklung sichtbar, wo man sagen kann: Jetzt habe ich ein interessantes Projekt, das möchte ich vor einem breiteren Publikum dort darstellen und wie noch vor zehn Jahren offen diskutieren. Heutzutage muss das alles im Verborgenen stattfinden, wenn es überhaupt stattfinden kann.”
Dennoch gewinnt die Motivation: Ahl will mehr Bewusstsein über chinesisches Recht in Deutschland schaffen, indem er Studierende für das Fach begeistert. Er hofft, dass das Verständnis für China in Deutschland dadurch größer wird. Julia Fiedler
Lin Qinghua wurde zum politischen Generalkommissar der Macau-Garnison der Chinesischen Volksbefreiungsarmee (VBA) ernannt.
Julian So wird zum 1. Oktober Head of the Board of Advisers bei China Information Technology Development Limited (CITD). Das Tech-Unternehmen mit Hauptsitz in Hongkong hat sich auf KI, Blockchain und digitale Eigentumstoken spezialisiert.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Bei den Asia Games in Hangzhou treten Athleten auch mit dem traditionellen chinesischen Schwert (jiàn shù 劍 術) an. Das ist Teil des Wushu-Wettkampfes. Auf dem Foto ist Sandy Oo aus Myanmar zu sehen.
die mit fast 80.000 Angestellten größte Forschungseinrichtung der Welt, die chinesische Akademie der Wissenschaften, hat einen aktualisierten Verhaltenscodex. In diesem müssen die Forschenden unter anderem “die Liebe zur Partei vorleben”, “der nationalen Sicherheit dienen” und “im Einklang mit der Politik des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas stehen”, wie Fabian Kretschmer berichtet. Deutsche Forschungseinrichtungen und der DAAD wollen die Zusammenarbeit vorerst aber beibehalten – sie sehen in dem Kodex lediglich eine explizite Ausformulierung von Vorgaben, die es zuvor ohnehin schon gab.
China hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres schon mehr Solarkapazität installiert als im Rekordjahr 2022. Damit sind Pekings ambitionierte Klimaziele aber noch lange nicht in trockenen Tüchern. Eine Herausforderung, die die Energiewende massiv ausbremst, ist nach wie vor der Ausbau der Stromnetze, der nicht nur in China, sondern auch den USA hinter den Entwicklungen im Bereich der Erneuerbaren hinterherhinkt. Vor allem fehlt es an Fernleitungen, um den Strom in die Ballungsräume und die Industriezentren an den Küsten zu bringen, schreibt Nico Beckert. Mehr Finanzspritzen für die Ausweitung und Anpassung an neueste Technologien zur Energiegewinnung werden nötig. Chinas Strommarkt ist derzeit jedoch immer noch sehr unflexibel.
Der Übergang von einer autoritären zur totalitären Herrschaft ist fließend. Doch ein zentrales Kriterium stellt die umfassende Gesinnungstreue dar, welche der Einparteienstaat seinen Bürgerinnen und Bürgern abverlangt: Eine passive Beobachterrolle wird ihnen aberkannt, stattdessen müssen sie sich proaktiv zur ideologischen Loyalität verpflichten.
Seit Anfang September bekennt sich nun die chinesische Akademie der Wissenschaften (CAS) aktiv zur Parteilinie. Die größte Forschungsorganisation der Welt hat dazu ihren Verhaltenskodex erneuert. Er gilt für alle 38.000 Mitarbeitende und 33.300 Professoren. Künftig müssen die Wissenschaftler unter anderem “die Liebe zur Partei vorleben“, “der nationalen Sicherheit dienen” und auch “im Einklang mit der Politik des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas stehen”.
Seit einigen Jahren bereits wird in Deutschland die wissenschaftliche Kooperation mit der Volksrepublik China hinterfragt. Denn einerseits ist das Reich der Mitte in vielen Bereichen zur führenden Wissenschaftsnation aufgestiegen, doch gleichzeitig ist unabhängige Forschung im repressiven Klima unter Staatschef Xi Jinping nahezu unmöglich geworden.
Die Zeichen des Wandels sind unübersehbar: Die letzten verbliebenen Professoren, die ausländischen Medien kritische Interviews gegeben haben, wurden längst gefeuert, inhaftiert oder haben sich freiwillig in die innere Emigration zurückgezogen.
Und spätestens seit der Pandemie ist die Isolation chinesischer Universitäten durchaus wörtlich zu nehmen: In der Hauptstadt Peking sind sämtliche Campus-Eingänge der Spitzenunis mit Überwachungskameras und elektronischen Türen ausgestattet. Nur mehr Studierende und Lehrende dürfen nach einem Gesichts-Scan das Gelände betreten, für Außenstehende ist der Zugang ohne Extra-Genehmigung verboten. Offiziell wird die Maßnahme mit dem Schutz vor der Pandemie begründet.
Tatsächlich jedoch steht dahinter die Kontrollwut einer paranoiden Parteiführung, die in den Universitäten stets einen Ausgangspunkt für politischen Widerstand wittert. Es ist kein Zufall, dass die historischen Proteste gegen die Null-Covid-Politik im vergangenen November ausgerechnet von chinesischen Studierenden ausgingen.
Nun also schränkt die CAS mit ihren politischen Vorgaben die akademische Freiheit noch weiter ein. Neben eingangs erwähnter Gesinnungstreue wird den Wissenschaftlern zudem verboten, ihre akademischen Ansichten zu Themen zu äußern, die außerhalb ihres Fachgebiets liegen.
Das Ausmaß der Neuformulierungen ist erstaunlich. Noch der ursprüngliche, vor neun Jahren eingeführte Verhaltenscodex der CAS enthielt die Worte “Partei”, “nationale Sicherheit” oder “Vaterlandsliebe” nicht. Damals ging es noch vor allem um wissenschaftliche Integrität.
Die chinesische Akademie der Wissenschaften unterhält ausgiebige Kooperationen mit Deutschland. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) bezeichnet die CAS etwa als “wichtigste Partnerinstitution”. Seit fünf Jahren arbeite man in “strategisch ausgewählten wissenschaftlichen Schwerpunktbereichen” zusammen, etwa der Radioastronomie und den Verhaltenswissenschaften. Die MPG erhalte dabei “privilegierten Zugang zu teils weltweit einzigartigen und exzellenten Infrastrukturen der CAS”, wie es laut Eigenaussage heißt. Und: Beide Seiten würden gleichermaßen von der Kooperation profitieren.
Wie jedoch lässt sich mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten, die von vorneherein dazu verpflichtet sind, strikt auf Parteilinie zu sein? “Chinesische Universitäten und Forschungseinrichtungen waren noch nie völlig autonom und im Prinzip schon immer in die politischen Strukturen und Programme des chinesischen Einparteienstaates eingebunden“, sagt Christina Beck, die die Kommunikationsabteilung der Max-Planck-Gesellschaft leitet. “Aber wir nehmen natürlich mit großer Sorge wahr, dass das nun immer deutlicher öffentlich formuliert und die chinesische Forschung immer stärker politischen Zielen untergeordnet wird”.
Zu dem konkreten Verhaltenskodex könne man keine abschließende Beurteilung geben, da bislang zu wenig Hintergrundinformationen vorliegen, so die MPG. Doch man solle diese auch unter dem Aspekt der innerchinesischen Korruptionsbekämpfung verstehen, heißt es.
Und tatsächlich zielen einige der Neuerungen genau darauf ab: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es etwa künftig untersagt, an Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen sie Kontakte knüpfen könnten, um geschäftliche Gefälligkeiten zu erhalten. Die Vorgaben lassen sich ambivalent deuten: Einerseits möchte die Parteiführung Korruption erschweren – und gleichzeitig die Netzwerke der führenden Wissenschaftler kontrollieren. Die Parallelen zu Xi Jinpings Korruptionsbekämpfung sind offensichtlich. So hat Xi seine Kampagnen stets auch dafür genutzt, politische Gegner auszuschalten.
Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterhält mit der CAS seit 2007 ein Kooperationsabkommen. Dies umfasst unter anderem ein bilateral finanziertes Stipendienprogramm für chinesische NachwuchswissenschaftlerInnen, die im Rahmen ihrer Promotion für bis zu zwei Jahre nach Deutschland kommen. Der Umfang des Programms ist allerdings gering: 2023 wurden nur mehr sieben Stipendien vergeben.
Die verschärften politischen Vorgaben des CAS werden die Existenz des Stipendienprogramms nicht bedrohen. “Die Vorgabe zur Treue zum Vaterland und der Einhaltung der Parteilinie bei öffentlichen Statements ist in China bereits seit längerem Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere”, sagt ein DAAD-Sprecher. Der Verhaltenskodex würde also nur explizit ausformulieren, was ohnehin schon zuvor galt. Und mögliche Sicherheitsrisiken im Umgang mit chinesischen Kooperationspartnern würde der DAAD bereits seit längerem diskutieren.
Auch die Max-Planck-Gesellschaft überprüft derzeit “alle Aspekte ihrer wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China” und wird noch im November ein Papier mit Handlungsempfehlungen publizieren. Damit folgt sie unter anderem dem MIT in Cambridge, das bereits im November letzten Jahres Richtlinien zur Kooperation mit chinesischen Forschungsinstitutionen veröffentlicht hat.
Doch trotz der immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen möchte die MPG unbedingt im Austausch mit ihren chinesischen Partnern bleiben, sagt Christina Beck: “Über Wissenschaftskontakte kann man Türen offenhalten, die eventuell in anderen Bereichen verschlossen sind”. Fabian Kretschmer
China hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres fast 100 Gigawatt an neuer Solarkapazität installiert und damit schon jetzt das Rekordjahr 2022 übertroffen. Experten befürchten jedoch, dass ein zu langsamer Ausbau der Stromnetze das Tempo der Energiewende verlangsamen könnte: Laut dem Think-Tank Bloomberg NEF müssen die Stromnetze bis 2050 weltweit auf 152 Millionen Kilometer ausgebaut werden, um die Klimaziele erreichen zu können – eine Verdopplung der aktuellen Länge. Weltweit müssen demnach bis 2050 21 Billionen US-Dollar investiert werden. Auf China und die USA kommen demnach mehr als ein Drittel dieser Investitionen zu. Bauen die beiden Staaten ihre Stromnetze nicht schneller aus als bisher, könnte die Energiewende ernsthaft in Gefahr geraten, warnen die Experten.
In China hat das Stromnetz schon in der Vergangenheit die Energiewende ausgebremst. Anfang und Mitte der 2010-er Jahre lagen viele neue Wind- und Solarparks brach, weil die Netzanbindung zwischen den chinesischen Provinzen nicht ausreichend und der Stromhandel zwischen den Provinzen künstlichen Hürden unterworfen war. Damals kam es teils zu Abregelungsraten (“Curtailment Rates”) von 40 bis 50 Prozent. Das heißt: Wind- und Solarkraftwerke waren zwar fertig gebaut, wurden aber nicht betrieben, weil das Netz den zusätzlichen Strom nicht verkraften konnte. Die Folge: Der Bau mancher neuen Solar- und Windkraftwerke wurde für Jahre gestoppt.
Die Situation hat sich seitdem sehr verbessert. Doch aufgrund des neuerlichen Booms bei der Solar- und Windenergie steht China vor neuen Herausforderungen, die die Energiewende erneut ausbremsen könnten:
Insgesamt wird China in diesem Jahr Schätzungen zufolge etwas mehr als 80 Milliarden Euro in den Ausbau seines Stromnetzes investieren. Das ist viel Geld, aber es reicht nicht. Die Investitionen “sollten, angepasst an die erneuerbaren Energien, so erhöht werden, dass sie den rekordhohen Investitionen in die Stromerzeugung aus Erneuerbaren entsprechen”, sagt Run Zhang, Projektleiterin China bei Agora Energiewende.
Die neuen Rekorde beim Ausbau der Erneuerbaren “werden die Grenzen des chinesischen Stromsystems testen”, schreiben die Trivium-Experten. “Eine Rückkehr zu anhaltend hohen Abregelungsraten könnte die politischen Entscheidungsträger erneut dazu zwingen, den Ausbau neuer Anlagen zu bremsen”. Und selbst wenn die Entscheidungsträger die Engpässe im Stromnetz beseitigen können, drohen weitere Herausforderungen: Chinas Strommarkt ist noch immer sehr unflexibel. Der Stromhandel über Provinzgrenzen hinweg wird durch politische Interessen und bürokratische Hürden behindert – auch das bremst die Energiewende.
Die Lage des insolventen Immobilienkonzerns Evergrande wirkt immer desaströser. Der Chairman der Gruppe, Xu Jiayin (Kantonesisch: Hui Ka-yan), befindet sich offenbar schon seit Wochen in Hausarrest, wie am Mittwoch bekannt wurde. Die Behörden unterstellen offenbar Fluchtgefahr – und das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden sich inzwischen in den Fall einschalten.
Die Aktien aller Immobilienfirmen rutschten noch weiter ab, seit die Justiz sich für Vorgänge interessiert. Sie befinden sich nun auf Tiefständen, wie sie seit über zehn Jahren nicht gesehen wurden. Der ebenfalls insolvente Konkurrent Country Garden steuert derweil auf eine Umschuldung seiner Auslandsverbindlichkeiten zu. Er kann seine Schulden nicht zurückzahlen. fin
Mitsubishi Motors hat beschlossen, sich aus der Automobilproduktion in China zurückzuziehen, wie die japanische Zeitung Nikkei berichtet. Das Unternehmen hat darüber bereits Gespräche mit der chinesischen Guangzhou Automobile Group (GAC) aufgenommen, mit der Mitsubishi ein Joint Venture betreibt. GAC Mitsubishi Motors betreibt ein Werk in der Provinz Hunan. Das Unternehmen hat die Produktion schon im März eingestellt und wird den Betrieb demnach nicht wieder aufnehmen. Das Werk in Hunan ist die einzige Fabrik von Mitsubishi in China. GAC wird die Fabrik wahrscheinlich in eine Produktionsstätte für Elektrofahrzeuge umwandeln, heißt es in der Zeitung.
Die Verkäufe von Mitsubishi hatten in China zuletzt aufgrund des Aufstiegs der Elektromobilität und der Konkurrenz durch lokale Marken gelitten. Das Unternehmen kündigte im Juli an, die Personalkosten zu senken, um sein Geschäft wieder anzukurbeln. Der Autohersteller verkaufte im vergangenen Jahr knapp 32.000 Fahrzeuge in China, was einem Rückgang von etwa 50 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Auch andere japanische Automobilhersteller haben in China mit Schwierigkeiten zu kämpfen und überarbeiten derzeit ihre Strategien für den wichtigen Absatzmarkt. rtr/fpe
China will der Wirtschaftsflaute mit verstärkten Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung in Staatsunternehmen und im Finanzsektor begegnen. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch unter Berufung auf eine Politbüro-Sitzung unter dem Vorsitz von Präsident Xi Jinping. Es sollten diejenigen Firmen gefördert werden, die sich nicht an Korruption beteiligen, zitierte Xinhua aus der Sitzung. Die Wettbewerbsfähigkeit staatseigener Unternehmen müsse kontinuierlich verbessert werden und Finanzunternehmen verstärkt “der Realwirtschaft und der nationalen Strategie dienen.”
Fernsehaufnahmen des Treffens legten nahe, dass der ehemalige Außenminister Qin Gang und der offenbar auch in Ungnade gefallene Verteidigungsministers Li Shangfu nicht an der Sitzung teilnahmen. Gegen beide sollen Ermittlungen laufen: Im Falle Lis soll es dabei um die Beschaffung von Militärausrüstung gehen, bei Qin um eine Affäre mit einer Korrespondentin in Washington. Zu beiden Fällen hat sich Peking bisher offiziell nicht erklärt. rtr/ari
Peking macht offenbar bereits Druck auf Ungarn, um auf die EU-Untersuchung zu mutmaßlichen Subventionen auf chinesische E-Autos einzuwirken. Die Überprüfung der Europäischen Union zu Chinas Elektrofahrzeugprodukten verstoße gegen die Grundregeln des internationalen Handels und werde wahrscheinlich die globalen Automobilindustrie- und Lieferketten stören, warnte der chinesische Spitzendiplomat Wang Yi am Mittwoch. China hoffe indes, dass Ungarn die EU dazu drängen werde, eine aktivere und offenere Politik der Zusammenarbeit mit dem Land zu verfolgen, sagte Wang laut einer Erklärung des chinesischen Außenministeriums in einem Telefonat mit Ungarns Außenminister Péter Szijjártó.
Die Botschaft an Budapest ist deutlich: Peking setzt auf das ihm noch am wohlgesonnenste EU-Mitglied, um in der Causa Einfluss zu nehmen. Ungarn hatte in der Vergangenheit beispielsweise aktiv Resolutionen mit Bezug auf Hongkong im EU-Rat der Mitgliedsstaaten blockiert. Ungarns Premier Viktor Orbán wird für Oktober in Peking erwartet. Er soll im Rahmen seines Besuchs auch am Forum zur Neuen Seidenstraße teilnehmen. rtr/ari
Es waren chinesische Hacker, die Anfang des Jahres in die E-Mail-Plattform von Microsoft eingedrungen sind. Diese hätten Zehntausende von E-Mails von Konten des US-Außenministeriums gestohlen. Das behauptete ein Mitarbeiter eines US-Senators am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Mitarbeiter, der am Mittwoch an einem Briefing von IT-Beamten des Außenministeriums teilnahm, sagte, die Beamten hätten den Gesetzgebern mitgeteilt, dass 60.000 E-Mails von zehn verschiedenen Konten des Außenministeriums gestohlen worden seien. Obwohl die Opfer nicht namentlich genannt wurden, arbeiteten alle außer einem von ihnen im Bereich Asien-Pazifik, sagte er. rtr
In den 1990er-Jahren war die Rechtswissenschaft in Deutschland konservativ. Der Jurastudent Björn Ahl fühlte sich in dieser Welt manchmal wie ein Exot: Er interessierte sich für China und chinesisches Recht, stand damit aber ziemlich alleine da. “Wenn ich damals mit den Professoren an meiner Uni in Heidelberg versucht habe, über chinesisches Recht zu sprechen, haben sie das überhaupt nicht ernst genommen”, erinnert er sich. “Für die war Recht in erster Linie nur deutsches Recht.” Ahl sah das anders. Für ihn ist die Kenntnis des chinesischen Rechts ein wichtiger Baustein für unser Verständnis von China.
Heute ist er selbst Professor und unterrichtet chinesische Rechtskultur am Ostasiatischen Seminar der Universität zu Köln, an dem auch Chinesisch und chinesische Geschichte, Politik und Kultur unterrichtet werden. Die Verbindung der Disziplinen hat einen bestimmten Grund: Das chinesische Recht kann nur verstanden werden, wenn auch sein Kontext berücksichtigt wird.
Ahl erlebte seinen ersten eigenen Deep Dive in diesen Kontext nach dem Abitur. Mit der Transsibirischen Eisenbahn fuhr er nach China und lernte auf der Reise zufällig die Familie von Li Lisan kennen. Li Lisan war ein Mitbegründer der Kommunistischen Partei und zeitweise Kontrahent Mao Zedongs. In der Kulturrevolution wurde er getötet, erst Jahre nach seinem Tod rehabilitiert. Ein Besuch bei der Familie führte Ahl in eines mehrerer Häuser, in denen rehabilitierte Personen der früheren Elite zusammenleben. Dort begegnete er im Fahrstuhl Persönlichkeiten, deren Geschichten er so spannend fand, dass er neben dem Jurastudium begann, die Sprache zu lernen und ein Auslandsjahr in China verbrachte.
Nach dem zweiten Staatsexamen arbeitete Ahl insgesamt zehn Jahre in China, unter anderem als stellvertretender Leiter des deutsch-chinesischen Rechtsinstituts der Universität in Nanjing, einer Kooperation mit der Universität Göttingen. Und an Chinas größter juristischer Universität, der Chinesischen Universität für Politik und Recht. Dort unterrichtete er unter anderem im Rahmen eines EU-Projekts, der China-EU Law School, an der Chinesen eine europäische Juristenausbildung erhalten. Während dieser Zeit beriet er auch das Oberste Volksgericht in Peking.
Wenn man China gut kennt und originalsprachliche Quellen lesen kann, erlaubt die Analyse des chinesischen Rechts Rückschlüsse auf Entwicklungen in Gesellschaft und Politik, auf Machtstrukturen und Freiräume. “Es gibt sehr widersprüchliche Dynamiken – einerseits von Repression und Kontrolle und gleichzeitig hat man die Leute in vielen Bereichen wirklich befreit oder sie ermächtigt, ihre eigenen Rechte wahrzunehmen.” Damit meint Ahl zum Beispiel das Verbraucherschutzrecht.
Die Studierenden in Köln lernen zuerst über die historischen Entwicklungen von Chinas Rechtssystem, immer in Referenz zu politischen und gesellschaftlichen Themen der Zeit. Was viele dabei überrascht: Auch Konzepte aus Deutschland flossen in chinesisches Recht ein. “China hat sich am deutschen BGB orientiert. Am Ende des Kaiserreichs und zu Beginn der Republikzeit in den 1920er-Jahren gab es eine sehr starke Rezeption des deutschen Rechts. Man hat sich da an Japan orientiert, das auch diesen Weg gegangen ist und wo es gut funktioniert hat. Japan hatte sich erfolgreich aus der kolonialen Abhängigkeit befreit.” Heutzutage schauen sich die Chinesen alle Rechtsordnungen an, erzählt Ahl. Das, was für sie interessant ist, übernehmen sie. “Wenn man vergleicht, welche Kenntnisse zum deutschen Recht es in China gibt und welche Kenntnisse zum chinesischen Recht es in Deutschland gibt, das sind riesige Welten. In Deutschland weiß man fast nichts und in China weiß man fast alles.”
Dabei gibt es in China einige moderne Konzepte, die auch für uns einmal relevant werden könnten. Aktuell forscht Ahl am European-Chinese Law Research Hub in Köln zu sogenannten “Smart Courts“, die in China dabei helfen sollen, die überlasteten Gerichte stärker zu automatisieren. Digitale Systeme sollen die Justiz effizienter und transparenter machen. Dazu gehören Chatbots, die juristisch beraten und Online-Gerichte, die einfache Verbraucherschutz-Streitigkeiten verhandeln. Außerdem Systeme, die Richtern basierend auf ähnlichen Fällen Korridore vorgeben, innerhalb derer ihre Entscheidung liegen muss, oder sie zumindest darauf hinweisen, wenn ihre Entscheidung von der Norm abweicht. “Es wäre gut, diese Entwicklungen wirklich zu verstehen und sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Und das sollte man eben auch tun aus der Perspektive, was das eigentlich für traditionelle Rechtssysteme bedeutet.”
Ahl forscht auch zum viel diskutierten und umstrittenen Sozialkredit-System. Dabei wird Verhalten mit einem Punktesystem belohnt oder sanktioniert, eine Form der alternativen Regulierung. Die Folge negativen Verhaltens sind Einschränkungen im alltäglichen Leben, etwa beim Zugang zu sozialen Diensten oder der Arbeitsplatz- und Ausbildungssuche. Das Grundprinzip, das der Sanktionierung zugrunde liegt, beruht auf einer Idee von Xi Jinping: Wer eine einzige Übertretung begeht, wird in allen Lebensbereichen dafür sanktioniert.
Zum Sozialkredit-System soll ein Gesetz erlassen werden, zu dem aktuell ein Entwurf vorliegt. Wie viel Kritik an dem Entwurf von der Regierung hingenommen wird, und ob diese womöglich in den Gesetzesentwurf einfließt, erlaubt Einblicke in Machtstrukturen und politische Freiräume. Ahl hat den Diskurs über den Gesetzentwurf in China analysiert. Freiräume gibt es, wo es gewünscht ist, kann man daran sehen. Manche Rechtswissenschaftler haben sogar das Grundprinzip des Sozialkredit-Systems als verfehlt bezeichnet. Manche Kritikpunkte wurden bei dem Gesetzentwurf und in der lokalen Gesetzgebung berücksichtigt.
Es kann aber auch anders laufen. Ein Beispiel ist die Verfassungsänderung 2018, als Xi Jinping die Amtszeitbeschränkung aufheben ließ. “Es hängt davon ab, wie sensibel die Situation ist und um welche Sachbereiche es geht. Es geht um die Position derjenigen, die sich äußern. Und es gibt eben generell Tabubereiche. Selbst Professoren, die keine Juristen waren und sich damals im Unterricht zur Verfassungsänderung geäußert haben, haben ihre Jobs verloren.”
Auch einige von Ahls Forschungsinteressen reichen in den politischen Bereich hinein, er beschäftigt sich unter anderem mit verfassungsrechtlichen Fragen und Rechtsreformfragen. Sein Gefühl ist diesbezüglich eher negativ. “Es ist kaum eine Entwicklung sichtbar, wo man sagen kann: Jetzt habe ich ein interessantes Projekt, das möchte ich vor einem breiteren Publikum dort darstellen und wie noch vor zehn Jahren offen diskutieren. Heutzutage muss das alles im Verborgenen stattfinden, wenn es überhaupt stattfinden kann.”
Dennoch gewinnt die Motivation: Ahl will mehr Bewusstsein über chinesisches Recht in Deutschland schaffen, indem er Studierende für das Fach begeistert. Er hofft, dass das Verständnis für China in Deutschland dadurch größer wird. Julia Fiedler
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Julian So wird zum 1. Oktober Head of the Board of Advisers bei China Information Technology Development Limited (CITD). Das Tech-Unternehmen mit Hauptsitz in Hongkong hat sich auf KI, Blockchain und digitale Eigentumstoken spezialisiert.
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