entspannt werden die 20er Jahre wohl nicht: Während China auf dem 20. Parteitag seine künftige Außenpolitik festlegt, präsentiert Washington die Nationale Sicherheitsstrategie der USA. Die rückt China unmissverständlich als gefährlichsten Konkurrenten in den Fokus. “Wenn wir nicht mit Dringlichkeit und Kreativität handeln, wird sich unser Zeitfenster zur Gestaltung der Zukunft der internationalen Ordnung schließen”, mahnt Jack Sullivan, Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden.
Amerikanische Maßnahmen wie die Exportkontrollen für Mikrochips sind derweil mehr als Nadelstiche für Peking. Und die Rhetorik spiegelt das auch wider, etwa in Aussagen des Vizeaußenministers Ma Zhaoxu am Rande des 20 Parteitags. Mit patriotischem Kampfgeist beschwört er da die eigene Kampffähigkeit, die man stetig verbessere – man werde immer an vorderster Front bereitstehen, um Chinas nationale Interessen und Würde zu schützen. Michael Radunski zeichnet die heikle Situation nach und geht auch darauf ein, was die wachsenden Spannungen für die Europäer bedeuten.
Fern der Heimat leben in afrikanischen Städten und Dörfern zahlreiche Chinesen. Sie sind mancherorts so präsent, dass sie für die einheimische Bevölkerung zum stereotypischen Bild eines Ausländers geworden sind. Wenn Deutschlands bekanntester Afrika-Korrespondent Bartholomäus Grill früher in afrikanischen Dörfern ankam, riefen die Kinder Mzungu oder Mlungu – “weißer Mann”. Heute tönt ihm mitunter ein “China, China” entgegen. Fabian Peltsch sprach mit dem Afrika-Kenner über Chinas Rolle auf dem Kontinent. Ist Neo-Kolonialismus der passende Begriff für das Vorgehen der Chinesen? Hat Europa den “Wettlauf um Afrika” schon verloren? Und mit welchen Soft Tools sichert China seinen Einfluss?
Ich wünsche Ihnen eine abwechslungsreiche Lektüre und ein erholsames Wochenende.
Am Rande des 20. Parteitags in Peking ging es am Donnerstag um Chinas Außenpolitik. Mag die Überschrift der Veranstaltung in Peking auch etwas sperrig gewesen sein (“Unter der Führung von Xi Jinpings Ideen zur Diplomatie vorankommen und danach streben, neue Wege für Großmachtdiplomatie chinesischer Prägung beschreiten”), die Botschaft war dafür umso klarer: China wird seine zunehmend aggressive Außenpolitik unter Präsident Xi Jinping fortsetzen. Oder um es in den Worten von Vize-Außenminister Ma Zhaoxu zu formulieren: Es sei der spirituelle Charakter der chinesischen Diplomatie, den Kampf zu wagen.
“Die chinesische Diplomatie wird weiterhin Kampfgeist zeigen, wir werden unsere Kampffähigkeit verbessern und immer an vorderster Front bereitstehen, um unsere nationalen Interessen und unsere Würde zu schützen“, fügte Ma hinzu. “Wir können nicht durch Täuschungen ins Schwanken gebracht, durch Einschüchterung abgeschreckt oder durch Druck eingeschüchtert werden.”
Derweil versicherte Shen Beili, stellvertretende Leiterin der Internationalen Abteilung beim Zentralkomitee der KP, dass Peking sich auch in Zukunft entschieden gegen “jede Form von Vorherrschaft und Machtpolitik” stellen werde. “Wir wehren uns gegen eine Mentalität des Kalten Krieges, der Einmischung in innere Angelegenheiten anderer und zweierlei Maßstäbe”, sagte Shen.
Shens Worte spiegeln die Belagerungen-Mentalität wider, wie sie in Chinas Außenpolitikzirkeln nur allzu gerne heraufbeschworen wird. Das zugrundeliegende Narrativ lautet: Böse Kräfte im Ausland versuchen mit aller Macht den friedlichen Aufstieg Chinas zu verhindern. Wo diese bösen Kräfte zu finden sind, muss längst nicht mehr erwähnt werden. Und so beließen es auch Shen und Ma am Donnerstag auch bei Andeutungen. Jeder in China weiß, derartige Aussagen richten sich vor allem an einen Adressaten: die USA.
Ähnliches lässt sich auch in Washington beobachten. Dort hat man vor wenigen Tagen die Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt – und in ihr wird gar klar ausbuchstabiert, wen man seinerseits als den gefährlichsten Konkurrenten betrachtet: die Volksrepublik China.
So heißt es in dem mit Spannung erwarteten Dokument unmissverständlich: “Die Volksrepublik China ist der einzige Konkurrent, der nicht nur die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, sondern auch über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, dies zu tun.“
In dem 48 Seiten langen Dokument wird neben China nur noch Russland ein separates Kapitel gewidmet – wobei dies wohl vor allem dem aktuellen Krieg gegen die Ukraine geschuldet ist. Trotz der amerikanischen Unterstützung für Kiew will US-Präsident Joe Biden den Fokus seiner Administration nicht verlieren: Zwar gelte es aktuell, Russland zu bändigen, aber vor allem werde es darum gehen, China im Wettbewerb zu schlagen.
Als “Front” des schwelenden Konflikts mit der Volksrepublik wird der Indopazifik ausgemacht. Auch der Erhalt eines freien Taiwan wird als strategisches Ziel genannt.
In seiner Rede auf dem Parteitag in Peking hatte Chinas Präsident Xi Jinping mit Blick auf Taiwan nochmals unmissverständlich erklärt: “Die Wiedervereinigung Chinas muss zu Ende gebracht werden.” Und: “Wir haben nie versprochen, auf Gewalt zu verzichten.” (China.Table berichtete)
Kurz darauf warnte denn auch US-Außenminister Anthony Blinken, dass China eine grundlegende Entscheidung getroffen habe: Demnach sei der Status quo für Peking nicht mehr akzeptabel, weshalb die chinesische Führung die Wiedervereinigung mit Taiwan in einem viel schnelleren Zeitplan vorantreiben werde. Am Donnerstag legte Michael Gilday, Chef der US-Marine, in einem Gespräch mit der US-Denkfabrik Atlantic Council nach und sprach gar von einem “Zeitfenster 2022 oder möglicherweise 2023“, in dem China Taiwan angreifen werde.
Bisher wurden auf US-Seite gemeinhin die Jahre 2027 oder 2035 als Möglichkeiten genannt. In den zurückliegenden Wochen verbreitete sich allerdings zunehmend die Befürchtung, China könnte womöglich deutlich früher in die Offensive gehen – obwohl es keine maßgeblichen öffentlichen Dokumente oder Erklärungen aus China gibt, die auf einen beschleunigten Zeitplan hindeuten würden.
Klar ist: Xi Jinping hat sich mit seinen offensiven Äußerungen selbst in eine Drucksituation hineinmanövriert. Auch wenn er selbst eine “friedliche” Eroberung bevorzugen mag, könnten Chinas Militärs irgendwann zum Handeln drängen, ehe Taiwan sein Militär modernisiert und die USA weitere Waffen an die Insel liefern.
Ähnliches lässt sich auch aus der amerikanischen Sicherheitsstrategie herauslesen. “Wenn wir nicht mit Dringlichkeit und Kreativität handeln, wird sich unser Zeitfenster zur Gestaltung der Zukunft der internationalen Ordnung und zur Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen schließen.” Jack Sullivan, Sicherheitsberater von Präsident Biden, mahnt jedenfalls: “Wir befinden uns in den frühen Jahren des entscheidenden Jahrzehnts. Die Bedingungen unseres Wettbewerbs mit der Volksrepublik China werden festgelegt.”
Einem Wandel durch Handel, wie er lange Zeit vor allem in Deutschland und Europa für möglich gehalten wurde, erteilt Washington in seiner Strategie eine klare Absage: “Märkte allein können nicht auf das schnelle Tempo des technologischen Wandels, globale Versorgungsunterbrechungen, nicht marktbezogene Missbräuche durch China und andere Akteure reagieren.”
Entsprechend haben sich die USA entschlossen, in jene Märkte einzugreifen – zuletzt in einen Bereich, der den Wettstreit zwischen den beiden Weltmächten maßgeblich entscheiden wird: die Produktion von Halbleitern. Denn derjenige, der die besten Chips der Welt herstellt, wird auch über die besten Präzisionswaffen verfügen, über die effizientesten Fabriken und die intelligentesten Quantencomputer.
Noch sind die USA und ihre Partner in diesem Bereich führend. Doch China ist wild entschlossen, aufzuholen – und Amerika offensichtlich genauso entschlossen, dies zu verhindern: Mit neuen Regeln zur Exportkontrolle hat man es US-Bürgern untersagt, in der Entwicklung oder Herstellung von Mikrochips in China tätig zu sein, ohne zuvor eine Sondergenehmigung zu beantragen (China.Table berichtete).
Es ist ein Schritt, der China hart treffen wird. Wie hart, wurde ebenfalls am Donnerstag bekannt. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge hat Chinas Regierung ein Krisentreffen mit den betroffenen Firmen einberufen. An den Gesprächen sollen unter anderem der Speicherchip-Anbieter YMTC und der Supercomputer-Spezialist Dawning beteiligt gewesen sein. Gegenüber den Machthabern in Peking hätten die Manager klargestellt, dass der US-Bann den Untergang der heimischen Branche bedeute, heißt es in dem Bloomberg-Bericht. Auch werde es so fast unmöglich, die chinesische Wirtschaft wie geplant technologisch von den USA abzukoppeln.
Es sind wegweisende Tage im Konflikt zwischen den USA und China. Die Volksrepublik legt auf dem KP-Parteitag die zukünftige Ausrichtung ihrer Politik fest, während die USA mit der Nationalen Sicherheitsstrategie ihren Fokus unmissverständlich auf China gelegt haben. Und fast scheint es, als würden derzeit die Zeichen mehr auf Konfrontation denn auch Wettbewerb liegen: Allzu düster waren die Zwischentöne in Xis Parteitagsrede, während Joe Biden sowohl von den Republikanern als auch seiner eigenen Partei zu einem harten Kurs gegenüber China gedrängt wird.
Das hat auch Konsequenzen für Europa und Deutschland. Denn jener Joe Biden hat unlängst klargestellt, dass die USA in dieser Auseinandersetzung wieder vermehrt auf ihre Verbündeten setzen werden. Es ist ein Schritt, den man vor allem in den europäischen Hauptstädten eingefordert hatte. Ob in Paris, Berlin oder London – die Alleingänge eines Donald Trumps sorgten allerorts für Verstimmung.
Doch sollte den Entscheidern in Berlin klar sein: Mit mehr Mitsprache geht auch mehr Verantwortung einher. Aber ist Europa überhaupt dazu beschlussfähig? Geschweige denn in Deutschland. Noch immer hat das wirtschaftsstärkste Land Europas keine eigene China-Strategie. Sich über die eigenen Ziele und Interessen klar zu sein, wäre ein erster Schritt. In Peking und Washington ist man da weiter.
Sie haben 40 Jahre als Korrespondent für Magazine wie ZEIT und SPIEGEL aus Afrika berichtet. Wie haben Sie persönlich die Expansion der Chinesen auf dem Kontinent erlebt?
Zunächst hatte mich gewundert, dass ich in abgelegenen Dörfern von den Kindern plötzlich nicht mehr als Mzungu oder Mlungu bezeichnet wurde, also als “weißer Mann”, sondern mir ein “China, China” entgegen tönte. Seit der Jahrtausendwende tauchten immer mehr Chinesen auf. Chinesische Unternehmer, Händler, Migranten. Und ich hatte das Gefühl, dass der weiße Mann nun seine Schuldigkeit getan hat und abgelöst wird durch die Chinesen.
Enge Kooperationen afrikanischer Länder mit der Volksrepublik gab es schon in den 50er- und 60er-Jahren. Während des Kalten Krieges unterstützte China auch afrikanische Freiheitsbewegungen, etwa in Eritrea. Könnte man statt von Expansion auch von Kontinuität sprechen, wenn es um China und Afrika geht?
Der Genosse Mao hatte den Genossen Nyerere in Tansania unterstützt. Auch Jonas Savimbi, Widerstandsführer in Angola, war in chinesischer Schule gewesen. Das war die alte Solidarität: Brüdervölker müssen zusammenarbeiten, ähnlich wie das auch Moskau in afrikanischen Ländern propagiert hat. Heute spricht man von Süd-Süd-Kooperation und von Win-Win-Situationen. Die ideologischen Vorgaben der Kalten-Kriegs-Zeit passen so gesehen ganz gut zur neuen Strategie der Chinesen.
Im Westen fällt in diesem Zusammenhang noch immer gerne das Wort Neo-Kolonialismus. Wie bewerten Sie diese Terminologie als Journalist, der sich ausgiebig mit afrikanischer Geschichte während der Kolonialzeit auseinandergesetzt hat? Betreibt China in Afrika eine Art von Kolonialismus?
Das Wort Kolonialismus im Zusammenhang mit Chinas Expansion halte ich für unzutreffend, der Begriff und die Geschichte des Kolonialismus werden falsch verstanden. Die Kolonialmächte haben die Kolonien erobert, unterworfen und enteignet, sie haben die politische Macht an sich gerissen. Die Menschen hatten überhaupt nichts zu sagen, sie waren einfach nur Ausbeutungsobjekte. China mischt sich hingegen nicht in die inneren Angelegenheiten der Partnerländer ein. Man kann Peking keine koloniale Strategie unterstellen, sehr wohl aber eine imperiale: Eine imperialistische Macht strebt Weltgeltung und Weltherrschaft an. Das kann eine Kolonialmacht sein, das kann aber auch eine wirtschaftlich aggressiv expandierende Macht wie China sein.
Wollen ehemalige Kolonialmächte mit diesem Vorwurf möglicherweise die eigenen kolonialen Verbrechen relativieren?
Nein, das glaube ich nicht. Es sind eben die Ähnlichkeiten, die auffallen: Wenn Außenmächte heute nach Rohstoffen jagen, dann läßt sich das durchaus mit dem “Wettlauf um Afrika” im 19. Jahrhundert vergleichen. Damals ging es auch um Bodenschätze, um Agrarerzeugnisse, um Plantagenprodukte. Auch China plündert die Ressourcen Afrikas. Und es setzt seine Billigwaren auf dem Kontinent ab. China sieht Afrika aber nicht als Risiko, wie viele westliche Staaten und Unternehmen, sondern als große Chance. Die Chinesen haben in Afrika weniger Berührungsängste als wir.
Sehen Sie durch Chinas massives Engagement auf dem Kontinent einen neuen “Wettlauf um Afrika” heraufdämmern, oder befinden wir uns sogar schon mitten drin?
Es findet definitiv ein Wettlauf um die Rohstoffe statt. Die Ressourcen werden knapper, der Konkurrenzkampf wird schärfer. Das gilt aber nicht nur für Afrika, sondern für den gesamten globalen Süden. Überall sehen wir einen räuberischen Kapitalismus, der in China auch noch von einer kommunistischen Partei angetrieben wird.
Ist Europa in Afrika dabei bereits ins Hintertreffen geraten?
China hat die europäischen und nordamerikanischen Handelspartner längst überholt. Wie gesagt, Europäer haben im Gegensatz zu den Chinesen Vorbehalte gegenüber dem Kontinent, man sieht Investitionen noch immer als hohes Risiko. Aber man weiß auch, dass Afrika einiges zu bieten hat, zum Beispiel strategische Rohstoffe und Seltene Erden, die wir vor allem in den neuen Technologien brauchen: Kupfer, Aluminium, Columbit, Tantalit, Coltan und so weiter.
Laut Umfragen heißen viele Afrikaner die chinesischen Investitionen willkommen. Die Chinesen haben demnach in Afrika ein besseres Image als die Europäer.
Das chinesische Engagement hat in 20 Jahren wirtschaftlich mehr bewirkt als die westliche Entwicklungshilfe in 60 Jahren. Wir sprechen von Mega-Projekten, von Staudämmen, Flug- und Seehäfen, Mobilfunknetzen, Pipelines, Krankenhäusern und so weiter. Das wird von der Bevölkerung gesehen und auch honoriert. Umgekehrt gibt es aber auch wachsende Vorbehalte, weil die Chinesen oft weniger Arbeitsplätze als erhofft schaffen und viele eigene Leute aus China mitbringen. Der zweite Einwand, den ich immer häufiger höre, betrifft den Rassismus der Chinesen gegenüber schwarzen Menschen. Manche betrachten sie als Abart von Affen. Mir hat einmal ein Afrikaner gesagt: Euren weißen Rassismus, den sind wir gewohnt, mit dem können wir umgehen. Der chinesische Rassismus ist etwas neues. Aber letztendlich unterscheidet sich der Rassismus nicht.
Was halten Sie von dem Narrativ, dass China wirtschaftlich schwache Länder in eine Schuldenfalle lockt?
Ich war zuletzt in Sambia, ein Land, das mittlerweile ein massives Verschuldungsproblem gegenüber den Chinesen hat. Die Regierung hat sich übernommen, sie hat sich von den Chinesen jede Menge Großprojekte aufschwatzen lassen, die sich als “weiße Elefanten” erwiesen. Große Sportstadien zum Beispiel, die nutzlos in der Landschaft herumstehen. Dadurch ist der Schuldenberg gewachsen. Mittlerweile sind die Chinesen vorsichtiger geworden. Die durch den Ukraine-Krieg heraufbeschworene globale Krise bremst auch ihren Expansionsdrang. Chinas Seidenstraßen-Initiative läuft nicht mehr mit der gleichen Wucht und Geschwindigkeit.
Werden solche Probleme und Gefahren vor Ort offen diskutiert?
In manchen Ländern mobilisiert sich die Zivilgesellschaft immer stärker gegen die Expansion der Chinesen. Die Auswirkungen sind auch in der Politik zu spüren: Der letzte Präsident von Sambia wurde unter dem Vorwurf abgewählt, er würde das Land an die Chinesen ausverkaufen. Man hat dort einen Regierungswechsel hinbekommen. Aber das Schuldenproblem bleibt.
Ist diese Kritik auch in anderen afrikanischen Ländern zu spüren?
Kritik hört man vor allem aus der Zivilgesellschaft, Politiker hingegen loben die Kooperation mit China, denn sie stabilisiert ihre Macht. Überdies ist das Modell der chinesischen Entwicklungsdiktatur in Ländern wie Ruanda und Äthiopien sehr attraktiv geworden. Denn das westliche Modell hat nicht den Wohlstand gebracht, den man sich versprochen hatte. West is best – das war einmal. Jetzt heißt die Devise vielerorts: Look East!
Wie schätzen Sie die militärische Präsenz der Chinesen in Afrika ein, etwa die Errichtung einer Marine-Basis in Dschibuti?
China ist auf dem Weg, die Weltmacht des 21. Jahrhunderts zu werden. Dazu gehört die wirtschaftliche Expansion, aber auch die Absicherung des Imperiums durch militärische Präsenz. Hinzu kommen die Instrumente von Soft Power.
An was denken Sie dabei?
China betreibt eine rasante Ausweitung seiner Medien in Afrika. CCTV hat eine Basis in Nairobi aufgebaut, wo um die 100 Mitarbeiter tätig sind. Sie kooperiert mit afrikanischen Medienanstalten, indem sie etwa kostenlose Programme zur Verfügung stellt, zumeist Propaganda. Über China soll nichts Negatives berichtet werden, und auch auf die afrikanischen Partner blickt man im Nachrichtengeschäft durch die rosarote Brille. Auch Konfuzius-Institute werden in ganz Afrika ausgeweitet. Das Tempo, mit dem die Chinesen vorgehen, ist atemberaubend. Mehr und mehr Afrikaner studieren in China. Der Austausch wächst wesentlich schneller als der mit Europa.
Was war die interessanteste Geschichte, die Sie über die chinesische Präsenz während Ihrer Zeit in Afrika schreiben konnten?
Die erschien im Spiegel und handelte von einem chinesischen Privatunternehmer in Sambia, der eine Technologie entwickelt hat, um Kupferrückstände aus alten Abraumhalden zu extrahieren. Zhang Mengtao hat auf diese Weise 1000 Arbeitsplätze geschaffen. Er war als chinesischer Gesprächspartner sehr offen, was ja auch nicht alltäglich ist. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er etwas verbergen will oder die westlichen Medien ablehnt. Zhang hat vor Ort etwa den Ausbau einer Schule gefördert und Computer gespendet. Dieser Mann war in meinen Augen einer jener Chinesen, die nicht nur nach Afrika gekommen sind, um zu nehmen, sondern auch, um zu geben. Er lieferte das Beispiel eines chinesischen Unternehmers in Afrika, der alle Klischees und Vorurteile widerlegt.
Bartholomäus Grill, 1954 in Oberaudorf am Inn geboren, ist Deutschlands bekanntester Afrika-Korrespondent. Vier Jahrzehnte lang arbeitete er als Journalist auf dem Kontinent. Seine Berichte erschienen in der Zeit und im Spiegel. Grill ist Autor des Bestsellers »Ach, Afrika« (2003). Zuletzt erschienen »Wir Herrenmenschen«, eine Abrechnung mit der deutschen Kolonialgeschichtsschreibung und »Afrika!« , ein Fazit seiner Korrespondententätigkeit der vergangenen 20 Jahre. Grill lebt in Kapstadt.
24.10.2022, 18:15 Uhr (0:15 Uhr Beijing time)
Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Webinar: Neue Herausforderungen im Umgang mit China Hochschulkooperation und eigenes Interesse Mehr
25.10.2022, 14:30 Uhr (20:30 Uhr Beijing time)
Center for Strategic & International Studies, Webinar: Unpacking the 20th Party Congress Mehr
26.10.2022, 8:30 Uhr (14:30 Uhr Beijing time)
Chinaforum Bayern e.V., Webinar: Xi forever? Ergebnisse des 20. Parteitags der KP China Mehr
26.10.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Burkardt & Partner Rechtsanwälte, Webinar: Rechtliche Stolpersteine im Chinageschäft vermeiden: Hinweisgeberschutz & Lieferketten-Compliance Mehr
26.10.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
The EU SME Centre / European Union Chamber of Commerce in China, Hybrid workshop: Cybersecurity, Data and Personal Information Protection Compliance for EU SMEs in China Mehr
27.10.2022, 15:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Debt and Financial Risk from China’s Real Estate Sector: Michael Pettis and Hui Shan Mehr
27.10.2022, 18:00 Uhr bis 28.10.2022, 17:00 Uhr
Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke, Fachtagung: Trauma und Kultur – eine deutsch-chinesische Perspektive auf Geschichte, Gesellschaft und Individuum Mehr
27.10.2022, 11:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
IfW Kiel, Webinar: Global China Conversations #14: Compliance in China zwischen Sozialpunkten und wachsender Regulierung Mehr
27.10.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Joint Venture Success in China: Deadlock Prevention and Countermeasures Mehr
27.10.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
EU SME Centre, Webinar: Impacts of China’s 20th National Party Congress on SMEs Mehr
28.10.2022, 18:00 Uhr (0:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Ching Kwan Lee – Hong Kong: Global China’s Restive Frontier Mehr
30.10.2022, 18:30 Uhr
Tempodrom Berlin, Performance: China Girl – Chinesischer Nationalcircus Mehr
Das Kanzleramt will möglicherweise den Verkauf von 35 Prozent eines Terminals des Hamburger Hafens an das chinesische Staatsunternehmen Cosco durchsetzen – obwohl alle sechs an der Investitionsprüfung beteiligten Fachministerien dies ablehnen. Das haben Recherchen von NDR und WDR für das Politmagazin Panorama ergeben.
Die mögliche Übernahme muss ein Investitionsprüfverfahren durchlaufen, da ein Hafenterminal als kritische Infrastruktur gilt. Federführend bei diesem Prozess ist das Wirtschaftsministerium, das laut dem Bericht bereits die endgültige Ablehnung des Vorhabens im Bundeskabinett beantragt hat. Es befürchtet eine zu große Einflussnahme Chinas. Allerdings verzögert das Kanzleramt das Verfahren offenbar, indem es das Thema bisher wochenlang nicht auf die Tagesordnung setzte. Ohne rechtzeitigen Kabinettsbeschluss kommt das Gesetz automatisch zustande. Den Recherchen zufolge hat das Kanzleramt zudem die beteiligten Fachressorts beauftragt, einen Kompromiss zu finden, um das Geschäft genehmigen zu können. Auf Anfrage der Journalisten wollten weder Wirtschaftsministerium noch Kanzleramt Stellung nehmen.
Cosco ist eine der größten Reedereien der Welt. Der chinesische Staatsbetrieb hat bereits den Großteil des Hafens von Piräus gekauft. Der griechische Containerumschlagplatz hat sich dadurch sehr positiv entwickelt. Dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA will das Unternehmen 65 Millionen Euro für den Anteil von 35 Prozent bezahlen. Dem Hamburger Hafen könnte die Beteiligung zu einer Stärkung im Konkurrenzkampf mit anderen Häfen verhelfen, wie zum Beispiel Antwerpen und Rotterdam.
China-Experten sehen eine Beteiligung von Cosco allerdings äußerst kritisch, da sich der Konzern systematisch in europäische Häfen einkauft und unter direkter Kontrolle des chinesischen Staates steht. So warnt etwa die China-Wissenschaftlerin Mareike Ohlberg in einem Buch zum Thema, dass China ökonomische Abhängigkeiten dazu nutzen könne, um politische Loyalitäten einzufordern. “Peking versichert, mit der Übernahme von Häfen lediglich den Handel fördern zu wollen, aber die Volksrepublik verfolgt einen langfristigen Plan, um strategischen Druck aufzubauen”, so Ohlberg. Dies sei eine Strategie, die auch in Europa bereits angewendet werde. (China.Table berichtete) jul
Berichte über ein 16-jähriges Mädchen, das in der Quarantäne verstorben sein soll, sorgen in China für Aufsehen. Aufnahmen, die bislang nicht unabhängig verifiziert werden konnten, zeigen den Teenager nach Luft ringend in einem Etagenbett. Dieses soll sich demnach in einem Quarantänezentrum in der Stadt Ruzhou in der Provinz Henan befinden. Auch Bilder des leblosen Körpers gingen auf Chinas Social-Media-Kanälen viral.
In einem weiteren Video erklärt die angebliche Tante des Mädchens, dass ihre Nichte gestorben sei, nachdem sie tagelang an Fieber, Krämpfen und Erbrechen gelitten habe. Die Familie habe um medizinische Hilfe gebeten, sei aber nicht dran gekommen. Auch Anrufe bei offiziellen Stellen seien unbeantwortet geblieben. “Ich möchte, dass meine Familie und meine Freunde dieses Video sehen und es verbreiten, damit ich eine Stelle finden kann, die mir hilft, und damit ich Gerechtigkeit erfahre.”
In der Stadt Ruzhou wurden in den vergangenen Tagen Gebäude und Stadtviertel abgeriegelt. Tausende Menschen sollen sich in Quarantäne befinden. In Henan, einer Region mit fast 100 Millionen Einwohnern, wurden am Montag 13 und am Dienstag 26 Covid-19-Fälle gemeldet. fpe
China könnte die Quarantäne-Zeit für einreisende Besucher bald von 10 auf sieben Tage verkürzen. Das berichtet Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Momentan müssen sich China-Besucher nach der Einreise zehn Tage lang isolieren, davon sieben Tage in einem Hotelzimmer, gefolgt von drei Tagen Überwachung zu Hause. Laut Bloomberg beinhaltet die geplante Neuregelung eine Verkürzung der Hotel-Quarantäne auf zwei Tage und fünf Tage zu Hause.
Die Nationale Gesundheitskommission hat bislang nicht zu dem Bericht Stellung genommen. Eine Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters blieb unbeantwortet. rtr/fpe
Chinas Generalkonsul in Manchester hat seine direkte Beteiligung an einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit Hongkonger Demonstranten eingestanden. Zheng Xiyuan gab zu, einen Protestler an den Haaren gezogen zu haben, um ihn gemeinsam mit einer Handvoll Mitarbeiter des Konsulats auf das Gelände zu zerren. Die Handgreiflichkeit ist auf einem Video des Vorfalls deutlich zu erkennen (China.Table berichtete).
Zheng war bislang jedoch nur verdächtigt worden, in den Vorfall vom vergangenen Sonntag verwickelt gewesen zu sein, weil er mit einem Mund-Nasenschutz im Gesicht und einer Mütze auf dem Kopf nicht einwandfrei zu identifizieren war. Nach massiven Forderungen aus der Politik nach Aufklärung brachte der Diplomat in einem Schreiben an die Polizei in Manchester nun aber Licht ins Dunkel.
Später verteidigte Zheng sein Verhalten in einem Interview mit dem TV-Sender Sky News. Er habe niemanden angegriffen, er sei der Friedliche gewesen, behauptete der Diplomat zunächst, ehe ihn der Fragesteller auf das Haareziehen hinwies. Daraufhin erklärte Zheng: “Der Mann hat mein Land und meinen Vorsitzenden (Xi Jinping) beleidigt. Ich denke, es ist meine Pflicht gewesen. Ich denke, es ist die Pflicht eines jeden Diplomaten.”
Kurz zuvor hatte Zheng außerhalb des Konsulats zwei Protestplakate heruntergerissen. Darauf war der Wunsch nach dem Ende der KP-Diktatur zu lesen sowie eine Floskel, die im übertragenen Sinne als derbe Beleidigung aufgefasst werden kann. Zhengs Mitarbeiter entwendeten außerdem ein Plakat, das Xi Jinping zeigte. Darauf ist der chinesische Staatspräsident in einem unter anderem mit Blut befleckten Anzug zu sehen, während die Kleidung seines Spiegelbildes makellos ist. grz
Der Börsenbetreiber Hongkong Exchanges & Clearing (HKEX) will die Zahl der Börsengänge mit neuen Regeln ankurbeln, die vor allem die Hürden für Technologieunternehmen drastisch senken sollen. Sie sind speziell darauf ausgerichtet, die Art von Technologieunternehmen – insbesondere Halbleiter-Hersteller – anzuziehen, die in den Mittelpunkt des Handelskriegs zwischen China und den USA geraten sind.
Möglich soll demnach der Börsengang für Unternehmen sein, die mindestens 31 Millionen Dollar Jahresumsatz vorweisen, etwa die Hälfte dessen, was die aktuellen Regeln vorsehen. Zudem Firmen, die keinerlei Umsatzanforderungen erfüllen müssen, solange sie eine Marktkapitalisierung von mehr als 1,9 Milliarden Dollar und einen klaren Weg zum Erreichen von 31 Millionen Dollar Jahresumsatz haben.
Die Regeln werden frühestens im Dezember in Kraft treten, bis die Börse öffentliches Feedback zu dem Vorschlag eingeholt hat. HKEX steht derzeit finanziell unter Druck. Am Mittwoch meldete der Betreiber einen Gewinnrückgang von 28 Prozent für die ersten neun Monate des Jahres. Der Handel mit Aktien ist in dieser Zeit eingebrochen und die Zahl der Börsengänge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 74 Prozent zurückgegangen. mw
Die Rede von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei offenbarte nichts Neues. Die aufschlussreichsten Äußerungen, die seine Wertvorstellungen und Gedanken offenbaren, stammen noch aus der Zeit seines Aufstiegs zum Partei-Generalsekretär. Eine chronologische Analyse seiner Äußerungen hilft nicht nur dabei, Xi selbst zu verstehen, sondern zeigt auch, wie sich seine Denkweise allmählich der chinesischsprachigen Welt offenbarte.
“Einige wohlgenährte Ausländer sind derart gelangweilt, dass sie ungefragt Belehrungen und Kritik über unsere Angelegenheiten abgeben. China exportiert weder Revolution noch Hunger oder Armut. Wir belästigen Sie (den Westen) nicht und machen Ihnen keine Schwierigkeiten. Warum also machen sie so einen Aufstand?” Diese Worte stammen aus dem Jahr 2009, als Xi sich während seines offiziellen Besuchs in Mexiko in seiner Funktion als Chinas Vizepräsident mit im Ausland lebenden Chinesen traf.
Xi wurde auf dem Parteikongress 2007 zum Nachfolger des damaligen Generalsekretärs Hu Jintao ernannt und sollte fünf Jahre später die Macht übernehmen. Nach diesem Kongress wurde es still um ihn, was durchaus normal war. Die Machtübernahme durch Xi war noch nicht in trockenen Tüchern. Daher wurde von ihm erwartet, dass er sich zurückhält und mit Bedacht äußert, um zu vermeiden, dass die Meinung über ihn innerhalb der Partei umschwenkt.
Chinesische Politiker pflegen in der Regel einen sehr förmlichen Sprachstil. Wenn es um internationale Beziehungen geht, greifen sie fast immer auf ein großes Repertoire an diplomatischen und trockenen Formulierungen zurück.
Damals war das Verhältnis zwischen China und dem Westen vergleichsweise harmonisch. Chinesische Diplomaten wehrten sich zwar gegen westliche Kritik zu Themen wie Menschenrechten. Aber generell nahmen sie eine defensive Haltung ein und bedienten sich einer deutlich milderen Wortwahl als heute.
Xis Äußerungen im Jahr 2009 wirkten daher wie ein Schlag aus heiterem Himmel. Bis zu diesem Zeitpunkt waren seine Werte und Perspektiven auf die Welt nahezu unbekannt. Man nahm an, dass er mindestens so aufgeschlossen sein würde wie sein Vater, ebenfalls ein hoher Parteifunktionär und ein liberaler Verbündeter Deng Xiaopings. Die Annahme rührte auch daher, dass Xi den größten Teil seiner politischen Karriere in den wirtschaftsfreundlichen Küstenprovinzen Fujian und Zhejiang verbracht hatte.
Als also Xis spöttische, unverblümte Äußerung über westliche Kritik an die Öffentlichkeit gelangte, glaubte man noch, er wolle damit den Konservativen in der Partei gefallen. Erst Jahre später wurde klar, dass sie seine antiwestliche Mentalität tatsächlich widerspiegelten. Sie läuteten auch das Zeitalter von Chinas Wolfskrieger-Diplomatie und der wachsenden Feindseligkeit zwischen dem Land und dem Westen ein.
Sein Einwand, dass China keine Revolution exportiere, war auch ein Hinweis darauf, dass er in der Mao-Ära verharrt, als das Land noch versuchte, kommunistische Revolten in Entwicklungsländern anzuzetteln oder die dortigen Kommunisten zu unterstützen.
“Es gab nicht einmal einen einzigen echten Mann.” Damit bezog er sich auf den Zusammenbruch der Sowjetunion und beklagte, dass niemand in der Sowjetunion “aufstand, um für ihr Überleben zu kämpfen.” Dies sagte er im Dezember 2012, zwei Monate nachdem er offiziell als Parteichef an die Macht kam. In einer Rede an die Beamten in der wohlhabenden Provinz Guangdong kam seine wahre Gesinnung zum Vorschein: die Überzeugung eines wahren Kommunisten.
Obwohl der Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Europa um 1990 seit jeher ein Alptraum für die chinesische Führung ist, thematisiert sie ihn nur selten. Aber nicht so Xi.
“Es brauchte nur einen leisen Satz von Gorbatschow, dass die kommunistische Partei der Sowjetunion aufgelöst wird, und schon war diese große Partei fort”, sagte er mit tiefem Bedauern. “Es gab keinen einzigen echten Mann” bezieht sich auf eine Zeile aus einem Gedicht aus dem chaotischen 10. Jahrhundert in China, das den Untergang eines kleinen Königreichs beklagt. (Interessanterweise wurde dieses patriotisch anmutende Gedicht von einer Konkubine eines berüchtigten Kaisers verfasst).
Es ist offensichtlich, dass Xi in der grausamen kommunistischen Herrschaft in der damaligen Sowjetunion kein Problem sieht. Und er ist darauf bedacht, die KP China vor einem ähnlichen Fiasko zu bewahren.
Zu diesem Zeitpunkt war die Hoffnung auf einen positiven Wandel in China bereits Geschichte.
“Sich von der kommunistischen Partei füttern zu lassen und dann den Wok der kommunistischen Partei zu zerschlagen, so etwas darf es nicht geben.” Dies äußerte er im Jahr 2014 auf einer Arbeitskonferenz über Dissens und Kritik an der Parteiführung. Er bediente sich dabei einer Volksweisheit über eine undankbare Person, die von etwas profitiert und es gleichzeitig angreift.
Etwa zur gleichen Zeit wurden mehrere Partei- und Regierungsbeamte wegen “unangemessener Äußerungen über die zentrale Führung” bestraft. Bei dem Begriff “zentrale Führung” handelt es sich im Grunde um Xi Jinping selbst.
Xis Analogie über den zerschlagenen Wok verbreitete sich schnell auch außerhalb der Partei und wird seitdem benutzt, um Kritiker der Partei oder der Regierung anzugreifen. Damit wurde ein totalitäres Regime noch totalitärer. Seine Analogie war deshalb für viele so empörend, weil sie die Partei als Schutzpatron des Volkes versteht und nicht als politische Organisation, die vom Geld der Steuerzahler lebt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Xis Ruf als Machthaber (oder “echter Mann”) innerhalb Chinas vollständig etabliert, und eine neue Welle der Auswanderung und Kapitalflucht losgetreten. Es dauerte einige Zeit, bis das Ausland den wahren Xi erkannte. Seine gutmütigen Vorträge auf Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos, auf der er für die Globalisierung warb, gaukelten den Zuhörern vor, dass China auch in Zukunft ein sicherer und lukrativer Markt bleiben würde.
Doch dann ließ Xi die Verfassung ändern und schuf damit die Grundlage für seine lebenslange Herrschaft. Nun erkannte die ganze Welt, wer er wirklich war.
“Wir sollten keine seltsamen Gebäude mehr haben.” Xi machte diese Bemerkung auf einer Konferenz für Schriftsteller und Künstler im Jahr 2014. Er forderte sie auf, sich in ihren Werken für die “sozialistischen Grundwerte” einzusetzen, ein Ausdruck für Parteitreue. Damit spielte er offensichtlich auf eine Rede Maos aus dem Jahr 1942 an, mit der er den Ton für Literatur und künstlerische Werke im kommunistischen China vorgab.
Xis willkürliche Randbemerkung über Architektur löste in der Baubranche ein Rätselraten über die Definition von “seltsamen Gebäuden” aus. Es wird angenommen, dass Xi sich auf eine Reihe von Bauwerken im postmodernen Stil bezog, die in Peking und anderen Großstädten zu Beginn des neuen Jahrtausends errichtet wurden. Einige von ihnen stammten von renommierten internationalen Architekten wie Zaha Hadid.
Xis Worte gewähren hin und wieder einen Einblick in seinen Sinn für Ästhetik, welcher, um es vorsichtig auszudrücken, sehr konservativ ist. Dies spiegelt sich auch in seinem Sprachstil wider. Selbst in offiziellen Reden äußert er sich bevorzugt umgangssprachlich und lässt oft Analogien und Anekdoten einfließen.
Xuan Changneng ist zum stellvertretenden Gouverneur der People’s Bank of China (PBOC) ernannt worden, wie die Website der chinesischen Zentralbank am Donnerstag bekannt gab. Der 1967 geborene Xuan war zuvor stellvertretender Leiter der staatlichen Devisenverwaltung (State Administration of Foreign Exchange).
Peter Gierl ist seit September Technology Manager bei BASF China. Von Shanghai aus wird er den deutschen Chemiekonzern beim Ausbau seiner neuen Produktionsstandorte unterstützen. Gierl war bereits zwischen 2018 und 2020 für BASF in China im Einsatz.
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Blütenmeer trifft Blätterpracht. Der Herbst lässt mit ganzer Kraft noch einmal alles leuchten – und diese Dame strahlt mit. Das Foto ist im Olympischen Wald in Peking entstanden, nur wenige Kilometer entfernt von einer etwas weniger blumigen politischen Veranstaltung.
entspannt werden die 20er Jahre wohl nicht: Während China auf dem 20. Parteitag seine künftige Außenpolitik festlegt, präsentiert Washington die Nationale Sicherheitsstrategie der USA. Die rückt China unmissverständlich als gefährlichsten Konkurrenten in den Fokus. “Wenn wir nicht mit Dringlichkeit und Kreativität handeln, wird sich unser Zeitfenster zur Gestaltung der Zukunft der internationalen Ordnung schließen”, mahnt Jack Sullivan, Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden.
Amerikanische Maßnahmen wie die Exportkontrollen für Mikrochips sind derweil mehr als Nadelstiche für Peking. Und die Rhetorik spiegelt das auch wider, etwa in Aussagen des Vizeaußenministers Ma Zhaoxu am Rande des 20 Parteitags. Mit patriotischem Kampfgeist beschwört er da die eigene Kampffähigkeit, die man stetig verbessere – man werde immer an vorderster Front bereitstehen, um Chinas nationale Interessen und Würde zu schützen. Michael Radunski zeichnet die heikle Situation nach und geht auch darauf ein, was die wachsenden Spannungen für die Europäer bedeuten.
Fern der Heimat leben in afrikanischen Städten und Dörfern zahlreiche Chinesen. Sie sind mancherorts so präsent, dass sie für die einheimische Bevölkerung zum stereotypischen Bild eines Ausländers geworden sind. Wenn Deutschlands bekanntester Afrika-Korrespondent Bartholomäus Grill früher in afrikanischen Dörfern ankam, riefen die Kinder Mzungu oder Mlungu – “weißer Mann”. Heute tönt ihm mitunter ein “China, China” entgegen. Fabian Peltsch sprach mit dem Afrika-Kenner über Chinas Rolle auf dem Kontinent. Ist Neo-Kolonialismus der passende Begriff für das Vorgehen der Chinesen? Hat Europa den “Wettlauf um Afrika” schon verloren? Und mit welchen Soft Tools sichert China seinen Einfluss?
Ich wünsche Ihnen eine abwechslungsreiche Lektüre und ein erholsames Wochenende.
Am Rande des 20. Parteitags in Peking ging es am Donnerstag um Chinas Außenpolitik. Mag die Überschrift der Veranstaltung in Peking auch etwas sperrig gewesen sein (“Unter der Führung von Xi Jinpings Ideen zur Diplomatie vorankommen und danach streben, neue Wege für Großmachtdiplomatie chinesischer Prägung beschreiten”), die Botschaft war dafür umso klarer: China wird seine zunehmend aggressive Außenpolitik unter Präsident Xi Jinping fortsetzen. Oder um es in den Worten von Vize-Außenminister Ma Zhaoxu zu formulieren: Es sei der spirituelle Charakter der chinesischen Diplomatie, den Kampf zu wagen.
“Die chinesische Diplomatie wird weiterhin Kampfgeist zeigen, wir werden unsere Kampffähigkeit verbessern und immer an vorderster Front bereitstehen, um unsere nationalen Interessen und unsere Würde zu schützen“, fügte Ma hinzu. “Wir können nicht durch Täuschungen ins Schwanken gebracht, durch Einschüchterung abgeschreckt oder durch Druck eingeschüchtert werden.”
Derweil versicherte Shen Beili, stellvertretende Leiterin der Internationalen Abteilung beim Zentralkomitee der KP, dass Peking sich auch in Zukunft entschieden gegen “jede Form von Vorherrschaft und Machtpolitik” stellen werde. “Wir wehren uns gegen eine Mentalität des Kalten Krieges, der Einmischung in innere Angelegenheiten anderer und zweierlei Maßstäbe”, sagte Shen.
Shens Worte spiegeln die Belagerungen-Mentalität wider, wie sie in Chinas Außenpolitikzirkeln nur allzu gerne heraufbeschworen wird. Das zugrundeliegende Narrativ lautet: Böse Kräfte im Ausland versuchen mit aller Macht den friedlichen Aufstieg Chinas zu verhindern. Wo diese bösen Kräfte zu finden sind, muss längst nicht mehr erwähnt werden. Und so beließen es auch Shen und Ma am Donnerstag auch bei Andeutungen. Jeder in China weiß, derartige Aussagen richten sich vor allem an einen Adressaten: die USA.
Ähnliches lässt sich auch in Washington beobachten. Dort hat man vor wenigen Tagen die Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt – und in ihr wird gar klar ausbuchstabiert, wen man seinerseits als den gefährlichsten Konkurrenten betrachtet: die Volksrepublik China.
So heißt es in dem mit Spannung erwarteten Dokument unmissverständlich: “Die Volksrepublik China ist der einzige Konkurrent, der nicht nur die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, sondern auch über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, dies zu tun.“
In dem 48 Seiten langen Dokument wird neben China nur noch Russland ein separates Kapitel gewidmet – wobei dies wohl vor allem dem aktuellen Krieg gegen die Ukraine geschuldet ist. Trotz der amerikanischen Unterstützung für Kiew will US-Präsident Joe Biden den Fokus seiner Administration nicht verlieren: Zwar gelte es aktuell, Russland zu bändigen, aber vor allem werde es darum gehen, China im Wettbewerb zu schlagen.
Als “Front” des schwelenden Konflikts mit der Volksrepublik wird der Indopazifik ausgemacht. Auch der Erhalt eines freien Taiwan wird als strategisches Ziel genannt.
In seiner Rede auf dem Parteitag in Peking hatte Chinas Präsident Xi Jinping mit Blick auf Taiwan nochmals unmissverständlich erklärt: “Die Wiedervereinigung Chinas muss zu Ende gebracht werden.” Und: “Wir haben nie versprochen, auf Gewalt zu verzichten.” (China.Table berichtete)
Kurz darauf warnte denn auch US-Außenminister Anthony Blinken, dass China eine grundlegende Entscheidung getroffen habe: Demnach sei der Status quo für Peking nicht mehr akzeptabel, weshalb die chinesische Führung die Wiedervereinigung mit Taiwan in einem viel schnelleren Zeitplan vorantreiben werde. Am Donnerstag legte Michael Gilday, Chef der US-Marine, in einem Gespräch mit der US-Denkfabrik Atlantic Council nach und sprach gar von einem “Zeitfenster 2022 oder möglicherweise 2023“, in dem China Taiwan angreifen werde.
Bisher wurden auf US-Seite gemeinhin die Jahre 2027 oder 2035 als Möglichkeiten genannt. In den zurückliegenden Wochen verbreitete sich allerdings zunehmend die Befürchtung, China könnte womöglich deutlich früher in die Offensive gehen – obwohl es keine maßgeblichen öffentlichen Dokumente oder Erklärungen aus China gibt, die auf einen beschleunigten Zeitplan hindeuten würden.
Klar ist: Xi Jinping hat sich mit seinen offensiven Äußerungen selbst in eine Drucksituation hineinmanövriert. Auch wenn er selbst eine “friedliche” Eroberung bevorzugen mag, könnten Chinas Militärs irgendwann zum Handeln drängen, ehe Taiwan sein Militär modernisiert und die USA weitere Waffen an die Insel liefern.
Ähnliches lässt sich auch aus der amerikanischen Sicherheitsstrategie herauslesen. “Wenn wir nicht mit Dringlichkeit und Kreativität handeln, wird sich unser Zeitfenster zur Gestaltung der Zukunft der internationalen Ordnung und zur Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen schließen.” Jack Sullivan, Sicherheitsberater von Präsident Biden, mahnt jedenfalls: “Wir befinden uns in den frühen Jahren des entscheidenden Jahrzehnts. Die Bedingungen unseres Wettbewerbs mit der Volksrepublik China werden festgelegt.”
Einem Wandel durch Handel, wie er lange Zeit vor allem in Deutschland und Europa für möglich gehalten wurde, erteilt Washington in seiner Strategie eine klare Absage: “Märkte allein können nicht auf das schnelle Tempo des technologischen Wandels, globale Versorgungsunterbrechungen, nicht marktbezogene Missbräuche durch China und andere Akteure reagieren.”
Entsprechend haben sich die USA entschlossen, in jene Märkte einzugreifen – zuletzt in einen Bereich, der den Wettstreit zwischen den beiden Weltmächten maßgeblich entscheiden wird: die Produktion von Halbleitern. Denn derjenige, der die besten Chips der Welt herstellt, wird auch über die besten Präzisionswaffen verfügen, über die effizientesten Fabriken und die intelligentesten Quantencomputer.
Noch sind die USA und ihre Partner in diesem Bereich führend. Doch China ist wild entschlossen, aufzuholen – und Amerika offensichtlich genauso entschlossen, dies zu verhindern: Mit neuen Regeln zur Exportkontrolle hat man es US-Bürgern untersagt, in der Entwicklung oder Herstellung von Mikrochips in China tätig zu sein, ohne zuvor eine Sondergenehmigung zu beantragen (China.Table berichtete).
Es ist ein Schritt, der China hart treffen wird. Wie hart, wurde ebenfalls am Donnerstag bekannt. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge hat Chinas Regierung ein Krisentreffen mit den betroffenen Firmen einberufen. An den Gesprächen sollen unter anderem der Speicherchip-Anbieter YMTC und der Supercomputer-Spezialist Dawning beteiligt gewesen sein. Gegenüber den Machthabern in Peking hätten die Manager klargestellt, dass der US-Bann den Untergang der heimischen Branche bedeute, heißt es in dem Bloomberg-Bericht. Auch werde es so fast unmöglich, die chinesische Wirtschaft wie geplant technologisch von den USA abzukoppeln.
Es sind wegweisende Tage im Konflikt zwischen den USA und China. Die Volksrepublik legt auf dem KP-Parteitag die zukünftige Ausrichtung ihrer Politik fest, während die USA mit der Nationalen Sicherheitsstrategie ihren Fokus unmissverständlich auf China gelegt haben. Und fast scheint es, als würden derzeit die Zeichen mehr auf Konfrontation denn auch Wettbewerb liegen: Allzu düster waren die Zwischentöne in Xis Parteitagsrede, während Joe Biden sowohl von den Republikanern als auch seiner eigenen Partei zu einem harten Kurs gegenüber China gedrängt wird.
Das hat auch Konsequenzen für Europa und Deutschland. Denn jener Joe Biden hat unlängst klargestellt, dass die USA in dieser Auseinandersetzung wieder vermehrt auf ihre Verbündeten setzen werden. Es ist ein Schritt, den man vor allem in den europäischen Hauptstädten eingefordert hatte. Ob in Paris, Berlin oder London – die Alleingänge eines Donald Trumps sorgten allerorts für Verstimmung.
Doch sollte den Entscheidern in Berlin klar sein: Mit mehr Mitsprache geht auch mehr Verantwortung einher. Aber ist Europa überhaupt dazu beschlussfähig? Geschweige denn in Deutschland. Noch immer hat das wirtschaftsstärkste Land Europas keine eigene China-Strategie. Sich über die eigenen Ziele und Interessen klar zu sein, wäre ein erster Schritt. In Peking und Washington ist man da weiter.
Sie haben 40 Jahre als Korrespondent für Magazine wie ZEIT und SPIEGEL aus Afrika berichtet. Wie haben Sie persönlich die Expansion der Chinesen auf dem Kontinent erlebt?
Zunächst hatte mich gewundert, dass ich in abgelegenen Dörfern von den Kindern plötzlich nicht mehr als Mzungu oder Mlungu bezeichnet wurde, also als “weißer Mann”, sondern mir ein “China, China” entgegen tönte. Seit der Jahrtausendwende tauchten immer mehr Chinesen auf. Chinesische Unternehmer, Händler, Migranten. Und ich hatte das Gefühl, dass der weiße Mann nun seine Schuldigkeit getan hat und abgelöst wird durch die Chinesen.
Enge Kooperationen afrikanischer Länder mit der Volksrepublik gab es schon in den 50er- und 60er-Jahren. Während des Kalten Krieges unterstützte China auch afrikanische Freiheitsbewegungen, etwa in Eritrea. Könnte man statt von Expansion auch von Kontinuität sprechen, wenn es um China und Afrika geht?
Der Genosse Mao hatte den Genossen Nyerere in Tansania unterstützt. Auch Jonas Savimbi, Widerstandsführer in Angola, war in chinesischer Schule gewesen. Das war die alte Solidarität: Brüdervölker müssen zusammenarbeiten, ähnlich wie das auch Moskau in afrikanischen Ländern propagiert hat. Heute spricht man von Süd-Süd-Kooperation und von Win-Win-Situationen. Die ideologischen Vorgaben der Kalten-Kriegs-Zeit passen so gesehen ganz gut zur neuen Strategie der Chinesen.
Im Westen fällt in diesem Zusammenhang noch immer gerne das Wort Neo-Kolonialismus. Wie bewerten Sie diese Terminologie als Journalist, der sich ausgiebig mit afrikanischer Geschichte während der Kolonialzeit auseinandergesetzt hat? Betreibt China in Afrika eine Art von Kolonialismus?
Das Wort Kolonialismus im Zusammenhang mit Chinas Expansion halte ich für unzutreffend, der Begriff und die Geschichte des Kolonialismus werden falsch verstanden. Die Kolonialmächte haben die Kolonien erobert, unterworfen und enteignet, sie haben die politische Macht an sich gerissen. Die Menschen hatten überhaupt nichts zu sagen, sie waren einfach nur Ausbeutungsobjekte. China mischt sich hingegen nicht in die inneren Angelegenheiten der Partnerländer ein. Man kann Peking keine koloniale Strategie unterstellen, sehr wohl aber eine imperiale: Eine imperialistische Macht strebt Weltgeltung und Weltherrschaft an. Das kann eine Kolonialmacht sein, das kann aber auch eine wirtschaftlich aggressiv expandierende Macht wie China sein.
Wollen ehemalige Kolonialmächte mit diesem Vorwurf möglicherweise die eigenen kolonialen Verbrechen relativieren?
Nein, das glaube ich nicht. Es sind eben die Ähnlichkeiten, die auffallen: Wenn Außenmächte heute nach Rohstoffen jagen, dann läßt sich das durchaus mit dem “Wettlauf um Afrika” im 19. Jahrhundert vergleichen. Damals ging es auch um Bodenschätze, um Agrarerzeugnisse, um Plantagenprodukte. Auch China plündert die Ressourcen Afrikas. Und es setzt seine Billigwaren auf dem Kontinent ab. China sieht Afrika aber nicht als Risiko, wie viele westliche Staaten und Unternehmen, sondern als große Chance. Die Chinesen haben in Afrika weniger Berührungsängste als wir.
Sehen Sie durch Chinas massives Engagement auf dem Kontinent einen neuen “Wettlauf um Afrika” heraufdämmern, oder befinden wir uns sogar schon mitten drin?
Es findet definitiv ein Wettlauf um die Rohstoffe statt. Die Ressourcen werden knapper, der Konkurrenzkampf wird schärfer. Das gilt aber nicht nur für Afrika, sondern für den gesamten globalen Süden. Überall sehen wir einen räuberischen Kapitalismus, der in China auch noch von einer kommunistischen Partei angetrieben wird.
Ist Europa in Afrika dabei bereits ins Hintertreffen geraten?
China hat die europäischen und nordamerikanischen Handelspartner längst überholt. Wie gesagt, Europäer haben im Gegensatz zu den Chinesen Vorbehalte gegenüber dem Kontinent, man sieht Investitionen noch immer als hohes Risiko. Aber man weiß auch, dass Afrika einiges zu bieten hat, zum Beispiel strategische Rohstoffe und Seltene Erden, die wir vor allem in den neuen Technologien brauchen: Kupfer, Aluminium, Columbit, Tantalit, Coltan und so weiter.
Laut Umfragen heißen viele Afrikaner die chinesischen Investitionen willkommen. Die Chinesen haben demnach in Afrika ein besseres Image als die Europäer.
Das chinesische Engagement hat in 20 Jahren wirtschaftlich mehr bewirkt als die westliche Entwicklungshilfe in 60 Jahren. Wir sprechen von Mega-Projekten, von Staudämmen, Flug- und Seehäfen, Mobilfunknetzen, Pipelines, Krankenhäusern und so weiter. Das wird von der Bevölkerung gesehen und auch honoriert. Umgekehrt gibt es aber auch wachsende Vorbehalte, weil die Chinesen oft weniger Arbeitsplätze als erhofft schaffen und viele eigene Leute aus China mitbringen. Der zweite Einwand, den ich immer häufiger höre, betrifft den Rassismus der Chinesen gegenüber schwarzen Menschen. Manche betrachten sie als Abart von Affen. Mir hat einmal ein Afrikaner gesagt: Euren weißen Rassismus, den sind wir gewohnt, mit dem können wir umgehen. Der chinesische Rassismus ist etwas neues. Aber letztendlich unterscheidet sich der Rassismus nicht.
Was halten Sie von dem Narrativ, dass China wirtschaftlich schwache Länder in eine Schuldenfalle lockt?
Ich war zuletzt in Sambia, ein Land, das mittlerweile ein massives Verschuldungsproblem gegenüber den Chinesen hat. Die Regierung hat sich übernommen, sie hat sich von den Chinesen jede Menge Großprojekte aufschwatzen lassen, die sich als “weiße Elefanten” erwiesen. Große Sportstadien zum Beispiel, die nutzlos in der Landschaft herumstehen. Dadurch ist der Schuldenberg gewachsen. Mittlerweile sind die Chinesen vorsichtiger geworden. Die durch den Ukraine-Krieg heraufbeschworene globale Krise bremst auch ihren Expansionsdrang. Chinas Seidenstraßen-Initiative läuft nicht mehr mit der gleichen Wucht und Geschwindigkeit.
Werden solche Probleme und Gefahren vor Ort offen diskutiert?
In manchen Ländern mobilisiert sich die Zivilgesellschaft immer stärker gegen die Expansion der Chinesen. Die Auswirkungen sind auch in der Politik zu spüren: Der letzte Präsident von Sambia wurde unter dem Vorwurf abgewählt, er würde das Land an die Chinesen ausverkaufen. Man hat dort einen Regierungswechsel hinbekommen. Aber das Schuldenproblem bleibt.
Ist diese Kritik auch in anderen afrikanischen Ländern zu spüren?
Kritik hört man vor allem aus der Zivilgesellschaft, Politiker hingegen loben die Kooperation mit China, denn sie stabilisiert ihre Macht. Überdies ist das Modell der chinesischen Entwicklungsdiktatur in Ländern wie Ruanda und Äthiopien sehr attraktiv geworden. Denn das westliche Modell hat nicht den Wohlstand gebracht, den man sich versprochen hatte. West is best – das war einmal. Jetzt heißt die Devise vielerorts: Look East!
Wie schätzen Sie die militärische Präsenz der Chinesen in Afrika ein, etwa die Errichtung einer Marine-Basis in Dschibuti?
China ist auf dem Weg, die Weltmacht des 21. Jahrhunderts zu werden. Dazu gehört die wirtschaftliche Expansion, aber auch die Absicherung des Imperiums durch militärische Präsenz. Hinzu kommen die Instrumente von Soft Power.
An was denken Sie dabei?
China betreibt eine rasante Ausweitung seiner Medien in Afrika. CCTV hat eine Basis in Nairobi aufgebaut, wo um die 100 Mitarbeiter tätig sind. Sie kooperiert mit afrikanischen Medienanstalten, indem sie etwa kostenlose Programme zur Verfügung stellt, zumeist Propaganda. Über China soll nichts Negatives berichtet werden, und auch auf die afrikanischen Partner blickt man im Nachrichtengeschäft durch die rosarote Brille. Auch Konfuzius-Institute werden in ganz Afrika ausgeweitet. Das Tempo, mit dem die Chinesen vorgehen, ist atemberaubend. Mehr und mehr Afrikaner studieren in China. Der Austausch wächst wesentlich schneller als der mit Europa.
Was war die interessanteste Geschichte, die Sie über die chinesische Präsenz während Ihrer Zeit in Afrika schreiben konnten?
Die erschien im Spiegel und handelte von einem chinesischen Privatunternehmer in Sambia, der eine Technologie entwickelt hat, um Kupferrückstände aus alten Abraumhalden zu extrahieren. Zhang Mengtao hat auf diese Weise 1000 Arbeitsplätze geschaffen. Er war als chinesischer Gesprächspartner sehr offen, was ja auch nicht alltäglich ist. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er etwas verbergen will oder die westlichen Medien ablehnt. Zhang hat vor Ort etwa den Ausbau einer Schule gefördert und Computer gespendet. Dieser Mann war in meinen Augen einer jener Chinesen, die nicht nur nach Afrika gekommen sind, um zu nehmen, sondern auch, um zu geben. Er lieferte das Beispiel eines chinesischen Unternehmers in Afrika, der alle Klischees und Vorurteile widerlegt.
Bartholomäus Grill, 1954 in Oberaudorf am Inn geboren, ist Deutschlands bekanntester Afrika-Korrespondent. Vier Jahrzehnte lang arbeitete er als Journalist auf dem Kontinent. Seine Berichte erschienen in der Zeit und im Spiegel. Grill ist Autor des Bestsellers »Ach, Afrika« (2003). Zuletzt erschienen »Wir Herrenmenschen«, eine Abrechnung mit der deutschen Kolonialgeschichtsschreibung und »Afrika!« , ein Fazit seiner Korrespondententätigkeit der vergangenen 20 Jahre. Grill lebt in Kapstadt.
24.10.2022, 18:15 Uhr (0:15 Uhr Beijing time)
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25.10.2022, 14:30 Uhr (20:30 Uhr Beijing time)
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26.10.2022, 8:30 Uhr (14:30 Uhr Beijing time)
Chinaforum Bayern e.V., Webinar: Xi forever? Ergebnisse des 20. Parteitags der KP China Mehr
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Burkardt & Partner Rechtsanwälte, Webinar: Rechtliche Stolpersteine im Chinageschäft vermeiden: Hinweisgeberschutz & Lieferketten-Compliance Mehr
26.10.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
The EU SME Centre / European Union Chamber of Commerce in China, Hybrid workshop: Cybersecurity, Data and Personal Information Protection Compliance for EU SMEs in China Mehr
27.10.2022, 15:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
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27.10.2022, 18:00 Uhr bis 28.10.2022, 17:00 Uhr
Deutsch-Chinesische Alumnifachnetzwerke, Fachtagung: Trauma und Kultur – eine deutsch-chinesische Perspektive auf Geschichte, Gesellschaft und Individuum Mehr
27.10.2022, 11:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
IfW Kiel, Webinar: Global China Conversations #14: Compliance in China zwischen Sozialpunkten und wachsender Regulierung Mehr
27.10.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: Joint Venture Success in China: Deadlock Prevention and Countermeasures Mehr
27.10.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
EU SME Centre, Webinar: Impacts of China’s 20th National Party Congress on SMEs Mehr
28.10.2022, 18:00 Uhr (0:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Ching Kwan Lee – Hong Kong: Global China’s Restive Frontier Mehr
30.10.2022, 18:30 Uhr
Tempodrom Berlin, Performance: China Girl – Chinesischer Nationalcircus Mehr
Das Kanzleramt will möglicherweise den Verkauf von 35 Prozent eines Terminals des Hamburger Hafens an das chinesische Staatsunternehmen Cosco durchsetzen – obwohl alle sechs an der Investitionsprüfung beteiligten Fachministerien dies ablehnen. Das haben Recherchen von NDR und WDR für das Politmagazin Panorama ergeben.
Die mögliche Übernahme muss ein Investitionsprüfverfahren durchlaufen, da ein Hafenterminal als kritische Infrastruktur gilt. Federführend bei diesem Prozess ist das Wirtschaftsministerium, das laut dem Bericht bereits die endgültige Ablehnung des Vorhabens im Bundeskabinett beantragt hat. Es befürchtet eine zu große Einflussnahme Chinas. Allerdings verzögert das Kanzleramt das Verfahren offenbar, indem es das Thema bisher wochenlang nicht auf die Tagesordnung setzte. Ohne rechtzeitigen Kabinettsbeschluss kommt das Gesetz automatisch zustande. Den Recherchen zufolge hat das Kanzleramt zudem die beteiligten Fachressorts beauftragt, einen Kompromiss zu finden, um das Geschäft genehmigen zu können. Auf Anfrage der Journalisten wollten weder Wirtschaftsministerium noch Kanzleramt Stellung nehmen.
Cosco ist eine der größten Reedereien der Welt. Der chinesische Staatsbetrieb hat bereits den Großteil des Hafens von Piräus gekauft. Der griechische Containerumschlagplatz hat sich dadurch sehr positiv entwickelt. Dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA will das Unternehmen 65 Millionen Euro für den Anteil von 35 Prozent bezahlen. Dem Hamburger Hafen könnte die Beteiligung zu einer Stärkung im Konkurrenzkampf mit anderen Häfen verhelfen, wie zum Beispiel Antwerpen und Rotterdam.
China-Experten sehen eine Beteiligung von Cosco allerdings äußerst kritisch, da sich der Konzern systematisch in europäische Häfen einkauft und unter direkter Kontrolle des chinesischen Staates steht. So warnt etwa die China-Wissenschaftlerin Mareike Ohlberg in einem Buch zum Thema, dass China ökonomische Abhängigkeiten dazu nutzen könne, um politische Loyalitäten einzufordern. “Peking versichert, mit der Übernahme von Häfen lediglich den Handel fördern zu wollen, aber die Volksrepublik verfolgt einen langfristigen Plan, um strategischen Druck aufzubauen”, so Ohlberg. Dies sei eine Strategie, die auch in Europa bereits angewendet werde. (China.Table berichtete) jul
Berichte über ein 16-jähriges Mädchen, das in der Quarantäne verstorben sein soll, sorgen in China für Aufsehen. Aufnahmen, die bislang nicht unabhängig verifiziert werden konnten, zeigen den Teenager nach Luft ringend in einem Etagenbett. Dieses soll sich demnach in einem Quarantänezentrum in der Stadt Ruzhou in der Provinz Henan befinden. Auch Bilder des leblosen Körpers gingen auf Chinas Social-Media-Kanälen viral.
In einem weiteren Video erklärt die angebliche Tante des Mädchens, dass ihre Nichte gestorben sei, nachdem sie tagelang an Fieber, Krämpfen und Erbrechen gelitten habe. Die Familie habe um medizinische Hilfe gebeten, sei aber nicht dran gekommen. Auch Anrufe bei offiziellen Stellen seien unbeantwortet geblieben. “Ich möchte, dass meine Familie und meine Freunde dieses Video sehen und es verbreiten, damit ich eine Stelle finden kann, die mir hilft, und damit ich Gerechtigkeit erfahre.”
In der Stadt Ruzhou wurden in den vergangenen Tagen Gebäude und Stadtviertel abgeriegelt. Tausende Menschen sollen sich in Quarantäne befinden. In Henan, einer Region mit fast 100 Millionen Einwohnern, wurden am Montag 13 und am Dienstag 26 Covid-19-Fälle gemeldet. fpe
China könnte die Quarantäne-Zeit für einreisende Besucher bald von 10 auf sieben Tage verkürzen. Das berichtet Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Momentan müssen sich China-Besucher nach der Einreise zehn Tage lang isolieren, davon sieben Tage in einem Hotelzimmer, gefolgt von drei Tagen Überwachung zu Hause. Laut Bloomberg beinhaltet die geplante Neuregelung eine Verkürzung der Hotel-Quarantäne auf zwei Tage und fünf Tage zu Hause.
Die Nationale Gesundheitskommission hat bislang nicht zu dem Bericht Stellung genommen. Eine Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters blieb unbeantwortet. rtr/fpe
Chinas Generalkonsul in Manchester hat seine direkte Beteiligung an einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit Hongkonger Demonstranten eingestanden. Zheng Xiyuan gab zu, einen Protestler an den Haaren gezogen zu haben, um ihn gemeinsam mit einer Handvoll Mitarbeiter des Konsulats auf das Gelände zu zerren. Die Handgreiflichkeit ist auf einem Video des Vorfalls deutlich zu erkennen (China.Table berichtete).
Zheng war bislang jedoch nur verdächtigt worden, in den Vorfall vom vergangenen Sonntag verwickelt gewesen zu sein, weil er mit einem Mund-Nasenschutz im Gesicht und einer Mütze auf dem Kopf nicht einwandfrei zu identifizieren war. Nach massiven Forderungen aus der Politik nach Aufklärung brachte der Diplomat in einem Schreiben an die Polizei in Manchester nun aber Licht ins Dunkel.
Später verteidigte Zheng sein Verhalten in einem Interview mit dem TV-Sender Sky News. Er habe niemanden angegriffen, er sei der Friedliche gewesen, behauptete der Diplomat zunächst, ehe ihn der Fragesteller auf das Haareziehen hinwies. Daraufhin erklärte Zheng: “Der Mann hat mein Land und meinen Vorsitzenden (Xi Jinping) beleidigt. Ich denke, es ist meine Pflicht gewesen. Ich denke, es ist die Pflicht eines jeden Diplomaten.”
Kurz zuvor hatte Zheng außerhalb des Konsulats zwei Protestplakate heruntergerissen. Darauf war der Wunsch nach dem Ende der KP-Diktatur zu lesen sowie eine Floskel, die im übertragenen Sinne als derbe Beleidigung aufgefasst werden kann. Zhengs Mitarbeiter entwendeten außerdem ein Plakat, das Xi Jinping zeigte. Darauf ist der chinesische Staatspräsident in einem unter anderem mit Blut befleckten Anzug zu sehen, während die Kleidung seines Spiegelbildes makellos ist. grz
Der Börsenbetreiber Hongkong Exchanges & Clearing (HKEX) will die Zahl der Börsengänge mit neuen Regeln ankurbeln, die vor allem die Hürden für Technologieunternehmen drastisch senken sollen. Sie sind speziell darauf ausgerichtet, die Art von Technologieunternehmen – insbesondere Halbleiter-Hersteller – anzuziehen, die in den Mittelpunkt des Handelskriegs zwischen China und den USA geraten sind.
Möglich soll demnach der Börsengang für Unternehmen sein, die mindestens 31 Millionen Dollar Jahresumsatz vorweisen, etwa die Hälfte dessen, was die aktuellen Regeln vorsehen. Zudem Firmen, die keinerlei Umsatzanforderungen erfüllen müssen, solange sie eine Marktkapitalisierung von mehr als 1,9 Milliarden Dollar und einen klaren Weg zum Erreichen von 31 Millionen Dollar Jahresumsatz haben.
Die Regeln werden frühestens im Dezember in Kraft treten, bis die Börse öffentliches Feedback zu dem Vorschlag eingeholt hat. HKEX steht derzeit finanziell unter Druck. Am Mittwoch meldete der Betreiber einen Gewinnrückgang von 28 Prozent für die ersten neun Monate des Jahres. Der Handel mit Aktien ist in dieser Zeit eingebrochen und die Zahl der Börsengänge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 74 Prozent zurückgegangen. mw
Die Rede von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei offenbarte nichts Neues. Die aufschlussreichsten Äußerungen, die seine Wertvorstellungen und Gedanken offenbaren, stammen noch aus der Zeit seines Aufstiegs zum Partei-Generalsekretär. Eine chronologische Analyse seiner Äußerungen hilft nicht nur dabei, Xi selbst zu verstehen, sondern zeigt auch, wie sich seine Denkweise allmählich der chinesischsprachigen Welt offenbarte.
“Einige wohlgenährte Ausländer sind derart gelangweilt, dass sie ungefragt Belehrungen und Kritik über unsere Angelegenheiten abgeben. China exportiert weder Revolution noch Hunger oder Armut. Wir belästigen Sie (den Westen) nicht und machen Ihnen keine Schwierigkeiten. Warum also machen sie so einen Aufstand?” Diese Worte stammen aus dem Jahr 2009, als Xi sich während seines offiziellen Besuchs in Mexiko in seiner Funktion als Chinas Vizepräsident mit im Ausland lebenden Chinesen traf.
Xi wurde auf dem Parteikongress 2007 zum Nachfolger des damaligen Generalsekretärs Hu Jintao ernannt und sollte fünf Jahre später die Macht übernehmen. Nach diesem Kongress wurde es still um ihn, was durchaus normal war. Die Machtübernahme durch Xi war noch nicht in trockenen Tüchern. Daher wurde von ihm erwartet, dass er sich zurückhält und mit Bedacht äußert, um zu vermeiden, dass die Meinung über ihn innerhalb der Partei umschwenkt.
Chinesische Politiker pflegen in der Regel einen sehr förmlichen Sprachstil. Wenn es um internationale Beziehungen geht, greifen sie fast immer auf ein großes Repertoire an diplomatischen und trockenen Formulierungen zurück.
Damals war das Verhältnis zwischen China und dem Westen vergleichsweise harmonisch. Chinesische Diplomaten wehrten sich zwar gegen westliche Kritik zu Themen wie Menschenrechten. Aber generell nahmen sie eine defensive Haltung ein und bedienten sich einer deutlich milderen Wortwahl als heute.
Xis Äußerungen im Jahr 2009 wirkten daher wie ein Schlag aus heiterem Himmel. Bis zu diesem Zeitpunkt waren seine Werte und Perspektiven auf die Welt nahezu unbekannt. Man nahm an, dass er mindestens so aufgeschlossen sein würde wie sein Vater, ebenfalls ein hoher Parteifunktionär und ein liberaler Verbündeter Deng Xiaopings. Die Annahme rührte auch daher, dass Xi den größten Teil seiner politischen Karriere in den wirtschaftsfreundlichen Küstenprovinzen Fujian und Zhejiang verbracht hatte.
Als also Xis spöttische, unverblümte Äußerung über westliche Kritik an die Öffentlichkeit gelangte, glaubte man noch, er wolle damit den Konservativen in der Partei gefallen. Erst Jahre später wurde klar, dass sie seine antiwestliche Mentalität tatsächlich widerspiegelten. Sie läuteten auch das Zeitalter von Chinas Wolfskrieger-Diplomatie und der wachsenden Feindseligkeit zwischen dem Land und dem Westen ein.
Sein Einwand, dass China keine Revolution exportiere, war auch ein Hinweis darauf, dass er in der Mao-Ära verharrt, als das Land noch versuchte, kommunistische Revolten in Entwicklungsländern anzuzetteln oder die dortigen Kommunisten zu unterstützen.
“Es gab nicht einmal einen einzigen echten Mann.” Damit bezog er sich auf den Zusammenbruch der Sowjetunion und beklagte, dass niemand in der Sowjetunion “aufstand, um für ihr Überleben zu kämpfen.” Dies sagte er im Dezember 2012, zwei Monate nachdem er offiziell als Parteichef an die Macht kam. In einer Rede an die Beamten in der wohlhabenden Provinz Guangdong kam seine wahre Gesinnung zum Vorschein: die Überzeugung eines wahren Kommunisten.
Obwohl der Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Europa um 1990 seit jeher ein Alptraum für die chinesische Führung ist, thematisiert sie ihn nur selten. Aber nicht so Xi.
“Es brauchte nur einen leisen Satz von Gorbatschow, dass die kommunistische Partei der Sowjetunion aufgelöst wird, und schon war diese große Partei fort”, sagte er mit tiefem Bedauern. “Es gab keinen einzigen echten Mann” bezieht sich auf eine Zeile aus einem Gedicht aus dem chaotischen 10. Jahrhundert in China, das den Untergang eines kleinen Königreichs beklagt. (Interessanterweise wurde dieses patriotisch anmutende Gedicht von einer Konkubine eines berüchtigten Kaisers verfasst).
Es ist offensichtlich, dass Xi in der grausamen kommunistischen Herrschaft in der damaligen Sowjetunion kein Problem sieht. Und er ist darauf bedacht, die KP China vor einem ähnlichen Fiasko zu bewahren.
Zu diesem Zeitpunkt war die Hoffnung auf einen positiven Wandel in China bereits Geschichte.
“Sich von der kommunistischen Partei füttern zu lassen und dann den Wok der kommunistischen Partei zu zerschlagen, so etwas darf es nicht geben.” Dies äußerte er im Jahr 2014 auf einer Arbeitskonferenz über Dissens und Kritik an der Parteiführung. Er bediente sich dabei einer Volksweisheit über eine undankbare Person, die von etwas profitiert und es gleichzeitig angreift.
Etwa zur gleichen Zeit wurden mehrere Partei- und Regierungsbeamte wegen “unangemessener Äußerungen über die zentrale Führung” bestraft. Bei dem Begriff “zentrale Führung” handelt es sich im Grunde um Xi Jinping selbst.
Xis Analogie über den zerschlagenen Wok verbreitete sich schnell auch außerhalb der Partei und wird seitdem benutzt, um Kritiker der Partei oder der Regierung anzugreifen. Damit wurde ein totalitäres Regime noch totalitärer. Seine Analogie war deshalb für viele so empörend, weil sie die Partei als Schutzpatron des Volkes versteht und nicht als politische Organisation, die vom Geld der Steuerzahler lebt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Xis Ruf als Machthaber (oder “echter Mann”) innerhalb Chinas vollständig etabliert, und eine neue Welle der Auswanderung und Kapitalflucht losgetreten. Es dauerte einige Zeit, bis das Ausland den wahren Xi erkannte. Seine gutmütigen Vorträge auf Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos, auf der er für die Globalisierung warb, gaukelten den Zuhörern vor, dass China auch in Zukunft ein sicherer und lukrativer Markt bleiben würde.
Doch dann ließ Xi die Verfassung ändern und schuf damit die Grundlage für seine lebenslange Herrschaft. Nun erkannte die ganze Welt, wer er wirklich war.
“Wir sollten keine seltsamen Gebäude mehr haben.” Xi machte diese Bemerkung auf einer Konferenz für Schriftsteller und Künstler im Jahr 2014. Er forderte sie auf, sich in ihren Werken für die “sozialistischen Grundwerte” einzusetzen, ein Ausdruck für Parteitreue. Damit spielte er offensichtlich auf eine Rede Maos aus dem Jahr 1942 an, mit der er den Ton für Literatur und künstlerische Werke im kommunistischen China vorgab.
Xis willkürliche Randbemerkung über Architektur löste in der Baubranche ein Rätselraten über die Definition von “seltsamen Gebäuden” aus. Es wird angenommen, dass Xi sich auf eine Reihe von Bauwerken im postmodernen Stil bezog, die in Peking und anderen Großstädten zu Beginn des neuen Jahrtausends errichtet wurden. Einige von ihnen stammten von renommierten internationalen Architekten wie Zaha Hadid.
Xis Worte gewähren hin und wieder einen Einblick in seinen Sinn für Ästhetik, welcher, um es vorsichtig auszudrücken, sehr konservativ ist. Dies spiegelt sich auch in seinem Sprachstil wider. Selbst in offiziellen Reden äußert er sich bevorzugt umgangssprachlich und lässt oft Analogien und Anekdoten einfließen.
Xuan Changneng ist zum stellvertretenden Gouverneur der People’s Bank of China (PBOC) ernannt worden, wie die Website der chinesischen Zentralbank am Donnerstag bekannt gab. Der 1967 geborene Xuan war zuvor stellvertretender Leiter der staatlichen Devisenverwaltung (State Administration of Foreign Exchange).
Peter Gierl ist seit September Technology Manager bei BASF China. Von Shanghai aus wird er den deutschen Chemiekonzern beim Ausbau seiner neuen Produktionsstandorte unterstützen. Gierl war bereits zwischen 2018 und 2020 für BASF in China im Einsatz.
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Blütenmeer trifft Blätterpracht. Der Herbst lässt mit ganzer Kraft noch einmal alles leuchten – und diese Dame strahlt mit. Das Foto ist im Olympischen Wald in Peking entstanden, nur wenige Kilometer entfernt von einer etwas weniger blumigen politischen Veranstaltung.