Table.Briefing: China

Lieferketten + Protest der Muslime

  • Unternehmen mit Lieferketten-Gesetz unzufrieden
  • Abrissbirnen gegen das Vertrauen in die Regierung
  • “Glory to Hongkong” bald verboten
  • Festnahmen bei Tiananmen-Gedenken
  • Botschafter Lu will mehr Meinungsfreiheit
  • Standpunkt: Mehr Autokratie-Kompetenz
Liebe Leserin, lieber Leser,

seit langem schon sorgt sich die Geschäftswelt in Deutschland und China über das Lieferkettengesetz – vor allem, weil es in der Volksrepublik so immens schwierig ist, die Vorgaben zu erfüllen. Ohne unabhängige Audits lässt sich kaum verlässlich nachweisen, ob nicht doch irgendwo in der Lieferkette Zwangsarbeit steckt. Dass dies keine prinzipielle Ablehnung einer Regulierung der Lieferketten bedeutet, zeigt nun eine Umfrage der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik.

Demnach halten Mittelständler den Schutz von Menschenrechten in der Lieferkette durchaus für notwendig, wie Caspar Dohmen analysiert. Weniger zufrieden sind die Firmen hingegen mit der Umsetzung des Gesetzes in Deutschland. Auch von ihren Verbänden fühlen sich nicht alle korrekt vertreten.

Derweil wirft Fabian Kretschmer für uns einen Blick nach Südchina, wo sich Muslime der Hui-Minderheit wohl vergebens gegen den Teilabriss einer Moschee gewehrt haben. Die totale physische und digitale Isolation der Ortschaft lässt diese Vermutung zu. Das Beispiel zeigt, dass Chinas Integrationspolitik keine Kompromisse zulässt, sondern eine totale ideologische Unterordnung aller Ethnien vorantreibt. Als gelungene Methode, den Extremismus zu bekämpfen, dürfte die Abrissbirne jedoch scheitern.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Mittelständler bemäkeln Umsetzung des Lieferketten-Gesetzes

Einen selten detaillierten Einblick zur Einschätzung des Lieferkettengesetzes durch mittelständische Unternehmen (KMU) bietet eine bislang unveröffentlichte Umfrage der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, die Table.Media vorliegt. Die vertraulich befragten Firmen halten Menschenrechtsschutz in Wertschöpfungsnetzen grundsätzlich für “notwendig”. Und sie “vertreten überwiegend die Einschätzung, eine gesetzliche Rahmenordnung bzw. verbindliche Strategie seien notwendig”, schreiben die Studienautorinnen Christiane Hellar, Jesco Kreft und Miriam Putz.

Vor allem die Lieferketten in China sind jüngst ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gerückt. Besonders deutsche Autobauer geraten wegen der großen Gefahr von Zwangsarbeit bei ihren Zulieferern unter Druck. Weil ausländische Firmen die nötigen unabhängigen Prüfungen gegen den Willen der örtlichen Behörden aber nicht durchsetzten können, bleibt große Unsicherheit. Auch andere Branchen sind betroffen: Landwirtschaft, Solar, Bergbau.

Weil unter deutschen Verbrauchern das Bewusstsein für das Problem drastisch zugenommen hat, “herrscht eine hohe Akzeptanz des Lieferkettengesetzes” (LkSG) bei den Unternehmen.

  • Befragt wurden 39 Unternehmen vertraulich nach den Chatham House-Regeln, die festlegen, dass zwar der Gesprächsinhalt weitergegeben, die Identität der Gesprächspartner aber nicht offengelegt werden darf.
  • Diese sind überwiegend kleine und mittlere Firmen mit Umsätzen von 15 bis 600 Millionen Euro, sowie drei Großunternehmen. 
  • Sie haben 25 bis 7000 Mitarbeitende. 
  • Alle hatten Erfahrungen im Bereich menschenrechtlicher Due Diligence
  • Die Gesprächspartner stammten aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Einkauf, Compliance, Recht und anderen für die Umsetzung des LkSG verantwortlichen Bereichen. 

Lieferkettenschutz: Noch immer gibt es auch Kritiker

Seit Jahren dominieren in der öffentlichen Diskussion im Hinblick auf die Lieferkettenregulierung in Deutschland zwei Positionen aus der Wirtschaft: Da sind auf der einen Seite die klaren Befürworter von Lieferkettengesetzen. Dazu zählen Unternehmen wie Vaude und Tchibo sowie meist kleinere progressive Unternehmensverbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft oder B.A.U.M e.V. Und da sind zum anderen große Verbände, die sich lange gegen eine nationale Lieferkettenregulierung in menschenrechtlicher Hinsicht ausgesprochen haben und nun verhindern wollen, dass auch die EU Regelungen verabschiedet, die ihnen zu weit gehen. Wichtige Stimmen sind hier der BDI, BDA und VDMA.  

Die Rede der Kritiker ist von Kompetenzproblemen, Bürokratie, Kosten und Machbarkeit. Kürzlich warnte die Stiftung Familienunternehmen vor einer “inflationsartigen” Regulierung. Aktuell müssten Unternehmen 20 neue Gesetzesvorhaben und Richtlinien mit Prüf-, Berichts- und Offenlegungspflichten umsetzen. Zwölf Vorhaben kämen aus Europa, acht aus Deutschland. “Wir können die ökologische Transformation nicht mit Meldepflichten und Regulatorik bewältigen, sondern vor allem mit unternehmerischer Initiative und Innovation”, sagt Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. 

Umfrage: Kritik an eigenen Verbänden

Die Befragung der Hamburger Stiftung für Unternehmensethik vermittelt eine dritte, andere Position von Unternehmen: KMU, die sich an der Kritik der eigenen Verbände an der Lieferkettengesetzgebung stören – oder Firmen, die prinzipiell Lieferkettenregulierung für richtig erachten, aber sich an der Umsetzung des Gesetzes stören.

Schon jetzt befassen sich viele KMU mit dem Thema, obwohl sie von dem Gesetz nicht direkt erfasst sind, da die Verpflichtung bislang nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gilt. Aber die betroffenen großen Unternehmen reichen die Anforderungen an ihre Kunden – häufig KMU – weiter – das führe, so die Analyse, “zu einer Verbreiterung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten weit über den Geltungsbereich des Gesetzes hinaus”.  

Zusatzausgaben: “sinnvolle unternehmerische Investition” 

Die befragten Unternehmen sprechen von finanziellen Belastungen durch die Lieferkettenregulierung. Diese seien aber nicht genau zu beziffern, weil die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten überwiegend als Querschnittaufgabe organisiert sei.  

  • Drei Viertel der befragten Unternehmen hatten für 2022 ihr Personal um 0,03 bis zwei Prozent aufgestockt, im Schnitt waren es 0,54 Prozent.  
  • Weitere Kosten entstehen durch die Lizenzkosten für Software zur Risikoanalyse und Zuliefermanagement. Abhängig vom Lizenzumfang und der Anzahl der Nutzer seien dies 25.000 bis 200.000 Euro

Den Einsatz zusätzlicher Ressourcen betrachteten die befragten Unternehmen durchaus als “sinnvolle unternehmerische Investition”. Einige Unternehmen sehen hier ein “Vertretungsproblem” durch ihre Verbände. “Ihre politische Interessenvertretung habe die grundsätzlich positive Haltung vieler KMU erst ignoriert, dann zu lange auf Verhinderung gesetzt und sich schließlich zu wenig pragmatisch in die konkrete Ausgestaltung eingebracht”, heißt es. Zweifel daran, dass KMU die Anforderungen des Gesetzes operativ und konzeptionell nicht umzusetzen können, halten sie für unangebracht. Dieses politische Narrativ wiesen selbst “ursprünglich gesetzesskeptische Unternehmen als wirtschafts- bzw. mittelstandsfremd zurück”, heißt es in der Studie.  

“Erhebliche Durchsetzungsprobleme” in China 

Die Unternehmen sehen aber die Gefahr, dass bei der Umsetzung des Gesetzes “mittelfristig eine Compliance-Perspektive dominieren könnte”. Unternehmen könnten sich darauf fokussieren, sich rechtlich unangreifbar zu machen, während die echte Verbesserung der Verhältnisse entlang der Lieferketten unterbleibe. Damit wäre in der Sache – also der Verbesserung der Situation für Mensch und Umwelt in den Lieferketten – wenig gewonnen.

“Erhebliche Durchsetzungsprobleme” erwarten die KMU in China, wo sie sich “angesichts der LkSG-Vorgaben und ihrer Einflussmöglichkeiten vor Ort mit paradoxen Anforderungen konfrontiert” sehen, die eine ganze Reihe Geschäftsmodelle mit großem China-Bezug in der Lieferkette grundsätzlich infrage stellen könnten. Man werde die Einhaltung von Menschenrechten “in einem autoritären, nicht demokratischen Land schlichtweg nicht gewährleisten können”, sagen Unternehmensvertreter. Auf Nachfrage gebe etwa ein Viertel der Befragten an, mittelfristig einen kompletten Rückzug aus bestimmten chinesischen Regionen zu prüfen

KMU wünschen sich konkrete Hilfestellung der Behörden 

Bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nutzten die Unternehmen gewöhnlich Instrumente und Verfahren, mit denen sie bereits im Umweltbereich Erfahrungen haben. 

Unzufrieden sind die KMU mit der Umsetzung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis weit in den Spätsommer 2022 habe es in wichtigen Punkten keine Auslegungshilfen durch die Behörde gegeben. Zudem wünschen sich die Unternehmen spezifischere Hilfen des Helpdesks der Behörde, was Verfahren, Instrumente, Berichte sowie Einschätzungen zu Reichweite und Tiefe es Gesetzes anbelangt. Unzufrieden sind die Unternehmen auch mit den entsprechenden Beratungsangeboten der Kammern. 

  • Handel
  • Lieferkettengesetz
  • Menschenrechte
  • Mittelstand

Kompromisslos chinesisch statt moderat religiös

Der Minarett-Turm der Niu-Jie-Moschee mit chinesischen Charakteristika in Peking.

Nur wenige Stunden nach dem Morgengebet in der Najiaying-Moschee in Nagu rückten die Bulldozer an. Bewacht wurden sie von mehreren hundert Sicherheitskräften, die umgehend den Eingang zum Gebetshaus in der südchinesischen Provinz Yunnan absperrten und ein Gerüst um die Fassade errichteten. Auch eine Einheit der Volksbefreiungsarmee brachte sich in Position. Ihr Auftrag: das muslimische Religionsgebäude in der südchinesischen Provinz Yunnan zu “säubern”. Vier Minarette und die riesige Eingangskuppel sollten entfernt werden.

Doch die Dorfbewohner, Mitglieder der muslimischen Hui-Minorität, wehrten sich. Sie rissen Bauzäune nieder, warfen Gegenstände auf die Polizeibeamten, die sich – offensichtlich überrascht und überfordert – aus dem Innenhof der Moschee zurückzogen. Die Lokalbevölkerung formierte sich schließlich zu einer riesigen Menschenkette. Abgelöst wurden die Männer schon bald von ihren Ehefrauen, die sich ebenfalls lautstark den Sicherheitskräften entgegenstellten und ihre Moschee beschützten.

Hui-Minderheit gilt als assimliert

Der Ausgangspunkt dieser Eskalation liegt im Jahr 2020, als ein Gericht den Teilabriss der Moschee angeordnet. Das Gebäude, das im 13. Jahrhundert errichtet wurde, war in den Jahren zuvor um die Minarette und die Eingangskuppel erweitert worden. Diese Anbauten erklärte das Gericht jedoch als illegal. Der richterliche Beschluss war ein Stich ins Herz der Hui.

Ihre Moschee genießt in der Region einen besonderen Status. Schließlich werden in der ansässigen Gebetsschule eine Vielzahl der Imame in der Provinz Yunnan ausgebildet. Dass ausgerechnet hier ein Hort des Extremismus brüten könnte, wirkt eher widersprüchlich, denn die Muslime der Hui-Minderheit gelten unter den 57 ethnischen Gruppen der Volksrepublik als weitgehend assimiliert mit den dominierenden Han-Chinesen.

Sinisierung der Religionen

Die Zerstörung muslimischer Gebetshäuser ist jedoch nur der sichtbare Teil einer systematischen Umerziehung der Muslime. Sie ist Teil einer Kampagne, die vorgibt, potenziellen Extremismus im Keim zu ersticken und religiöse durch sozialistische Werte ersetzen zu wollen. Bereits im Frühjahr 2016 initiierte Staatschef Xi Jinping eine landesweite Kampagne zur “Sinisierung der Religionen”, die vorrangig auf den Islam abzielte.

In etlichen Provinzen, vornehmlich in Xinjiang, wurden Moscheen entweder vollständig abgerissen oder in Teilen zerstört. Wenn etwas übrig blieb, wurde arabisch anmutende Architektur durch Han-chinesische Bauelemente ersetzt.

Islamische Identität als Fluchtpunkt

Diese zunehmend repressive Politik unter Xi Jinping hat in den vergangenen Jahren zu einem stillen Widerstand geführt. Ein junger Hui-Muslim, dessen Familie aus einem nordchinesischem Dorf stammt, berichtet mit Bitte um Anonymität: “Meine Familie hat sich in den letzten Jahren immer stärker in den Islam zurückgezogen.” Offen würde man innerhalb der Familie zwar nicht über Politik reden, doch für ihn sei es offensichtlich: Je weniger willkommen sich seine Eltern und ihre Nachbarn fühlen, desto stärker besinnen sie sich auf ihre islamische Identität. Hinzu kommen mehr Gängelungen, Vorschriften und Verbote.

In Nagu scheint die Härte der Staatsmacht Radikalsierung eher zu bedingen als zu beseitigen. Schuld daran ist auch die mangelnde Linie der Zentralregierung in Peking. Die erteilte lediglich eine vage Order, Moscheen “chinesischer” zu gestalten. Die Umsetzung überlässt man den Kommunen, die darauf bedacht sind, ihren Vorgesetzten bloß keinen Ärger zu bereiten, um Konsequenzen für sich selbst zu vermeiden.

Isolation der gesamten Ortschaft

Entsprechend kompromisslos gingen die lokalen Behörden auch in Nagu zu Werke. Erst versuchten sie es noch mit ideologischen Argumenten, um die Dorfbewohner von der Dringlichkeit des Abrisses zu “überzeugen”. Doch als nicht alle freiwillig zustimmten, wurden kurzerhand Lohnkürzungen angedroht.

Zudem reagierten die Behörden mit Drohnen-Überwachung aus der Luft. Niemand sollte sein Haus verlassen. Störsender unterbrachen die Internet- und Telefonverbindungen des Ortes. Durch Militär-Checkpoints wurden sämtliche Straßenzugänge kontrolliert. Dutzende Demonstranten sollen verhaftet worden sein. Videoaufnahmen von den Protesten wurden von Anwohnern an Aktivisten im Exil weitergegeben, ehe die Zensoren sie löschen konnten.

Mahnung Xinjiang

Genaue Berichte über den tatsächlichen Stand der Abrissarbeiten lassen noch auf sich warten. Die Hoffnung der Hui aber scheint versiegt zu sein. Ein Anwohner sagte dem US-Radiosender NPR: “Wir kennen unser Schicksal und sind machtlos. Dennoch hoffen wir darauf, dass wir unser letztes bisschen Religionsfreiheit und Würde bewahren können.”

Die Angst der Muslime von Nagu hat wohl auch damit zu tun, dass sie sehr genau um die Repression in der nordwestlichen Region Xinjiang Bescheid wissen. Dort wurden einst ebenfalls unzählige Moscheen dem Erdbeben gleichgemacht, ehe die Regierung in den letzten fünf Jahren Hunderttausende ethnische Uiguren in Umerziehungslager steckte.

News

Hongkong will Protesthymne verbieten

Die Regierung von Hongkong prüft ein Verbot der Protesthymne “Glory to Hong Kong”. Diese hatten Protestierende 2019 während der pro-demokratischen Demonstrationen überall in der Stadt gesungen. Auch bei internationalen Solidaritätsveranstaltungen für die Bewegung war sie beliebt. Wie das Justizministerium am Dienstag mitteilte, wolle man mit einem Aufführungs- und Verbreitungsverbot verhindern, dass Menschen zur Abspaltung aufgestachelt werden. Auch solle das Lied nicht fälschlicherweise als “Nationalhymne von Hongkong” erscheinen. Es ist ein weiterer Schritt beim Aushöhlen der Redefreiheit in der Stadt.

Offiziell hat die Sonderverwaltungszone keine eigene Hymne. Zuletzt wurde “Glory To Hong Kong” jedoch beispielsweise anstelle der chinesischen Nationalhymne gespielt, nachdem die Eishockeymannschaft Hongkongs den Iran bei einem internationalen Wettbewerb besiegt hatte.

Ein anonymer Musiker hatte “Glory to Hong Kong”, eine klassisch anmutende Hymne in vier Sätzen, 2019 komponiert. Der Text wurde dann von Demonstranten gemeinsam in einem Internet-Forum finalisiert. Darin heißt es zum Beispiel “Söhne und Töchter, lasst uns zusammen marschieren, für das, was richtig ist – dies ist die Revolution unserer Zeit!” rtr/fpe

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  • Menschenrechte
  • Proteste

23 Festnahmen in Hongkong

Protest trotz massiver Sicherheitsvorkehrungen: Die junge Dame blättert auf einer Parkbank in Hongkong in einem Heftchen. Darauf steht: 35. Mai. Es ist ihre Art des Erinnerns an den 4. Juni 1989, als die Tiananmen-Proteste in Peking blutig niedergeschlagen wurden.

Die Polizei in Hongkong hat am Tag nach dem 4. Juni Bilanz gezogen. Demnach wurden 23 Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen. Die Menschen hatten öffentlich an die Niederschlagung der pro-demokratischen Proteste vor 34 Jahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking erinnert. Unter anderem hatten sich am Sonntag mehrere Menschen im Victoria-Park versammelt, wo noch vor wenigen Jahren Hunderttausende an den Mahnwachen teigenommen hatten.

Das rigide Vorgehen der Behörden in Hongkong am 34. Jahrestag der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste hat unter anderem die Vereinten Nationen (UN) auf den Plan gerufen. Die Berichte über Festnahmen seien alarmierend, erklärte das Büro von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk auf Twitter. “Wir fordern die Freilassung aller Personen, die wegen der Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert sind.”

Nach Berichten lokaler Medien waren die Sicherheitsvorkehrungen in Hongkong in diesem Jahr verschärft worden. Bis zu 6.000 Polizisten sollen im Einsatz gewesen sein. Im Vorfeld hatten Regierungsvertreter gemahnt, sich an Gesetze zu halten. Sie hatten aber offengelassen, ob Gedenkveranstaltungen illegal seien.

Die chinesische Regierung hatte 2019 als Reaktion auf Massenproteste in Hongkong ein Gesetz zur nationalen Sicherheit erlassen. Es gilt als massivster Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip “Ein Land, zwei Systeme” für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. rtr

  • Gesellschaft
  • Hongkong
  • Nationales Sicherheitsgesetz
  • Tiananmen-Massaker

Lu Shaye beklagt fehlende Meinungsfreiheit

Lu Shaye, hier im Januar bei einem Fußballspiel der ersten französichen Liga.

Chinas Botschafter in Frankreich hat seine Aussagen bezüglich der Eigenständigkeit ehemaliger Sowjetrepubliken verteidigt. Von Reue fehlte dabei jedoch jede Spur. Im Gegenteil. “Ich denke, in dieser Debatte geht es nicht darum, ob ich Recht oder Unrecht hatte, sondern darum, ob es in der öffentlichen Debatte im Fernsehen Redefreiheit gibt“, sagte Lu Shaye in einem Interview mit Régis de Castelnau, einem umstrittenen französischen Anwalt, dem die Blogseite “Vu Du Droit” gehört. Verbreitet wurde das gut einstündige Interview über die Plattform Réseau International, die regelmäßig Falschnachrichten und Desinformation wiedergibt.

Als Beispiel der mangelnden Redefreiheit führte Lu die Debatte um seine Person an. Er beklagt in diesem Zusammenhang, ein französischer Fernsehsender habe gezielt wütende Reaktionen “geschürt”, ein Verhalten, das “sehr unfair” sei.

Im April hatte Lu Shaye hatte in einem Interview mit dem vom französischen Fernsehsender La Chaîne Info (LCI) den Status ehemaliger Sowjetrepubliken als souveräne Staaten infrage gestellt. Es folgte eine heftige Diskussion, selbst die Führung in Peking sah sich zu einer öffentlichen Richtigstellung gezwungen. “China respektiert den Status der ehemaligen Sowjetrepubliken als souveräne Länder nach der Auflösung der Sowjetunion“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums.  

Doch Lu sieht sich selbst als Opfer. Er habe das Recht, seine persönlichen Ansichten zu äußern, die nicht “erfunden” seien und diskutiert werden könnten. Nicht in Ordnung sei hingegen das Verhalten der anderen: LCI, das zum französischen Sender TF1 gehört, habe vielmehr “einen Angriff” gegen ihn gestartet. “Am Tag nach dem Interview luden sie einige sogenannte China-Experten derselben Sendung ein, um mich zu kritisieren und zu verurteilen”, sagte Lu. “Sie haben gegen die journalistische Ethik verstoßen.” rad

  • Geopolitik
  • Lu Shaye

Standpunkt

Wir brauchen mehr Autokratie-Kompetenz

von Andreas Fulda
Andreas Fulda

Derzeit wird leidenschaftlich über die neue Chinastrategie der Bundesregierung gestritten. Das ist auch gut so. An dieser Debatte habe ich mich aktiv beteiligt. In diesem Standpunkt möchte ich jedoch ausnahmsweise nicht für meine Position werben. Vielmehr schlage ich vor, dass wir kurz innehalten und uns ein paar Gedanken zur Debattenkultur machen. Meines Erachtens leidet sie unter einem Mangel an selbstkritischer Reflexivität.

Häufig erklären mir Kollegen, dass sie sich nicht an der Chinadebatte beteiligen wollen, da sie zu polarisiert sei. Mich überzeugt das nicht. Eine echte Polarisierung bestünde, wenn auf der einen Seite dafür geworben würde, dass Deutschland ein wirtschaftlicher Satellit Chinas werden solle und demgegenüber von anderer Seite für eine harte Entkopplung plädiert würde. In Wirklichkeit stellt aber niemand solche extremen Forderungen.

Im Kern der Auseinandersetzung geht es um eine unterschiedliche Einschätzung über die Chancen und Risiken im China-Engagement. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Probleme im Diskurs gäbe. Jüngst hat China-Kenner Kai Strittmatter auf Strohmann-Argumente hingewiesen. Ein Beispiel: Jemand präferiert Dialog und Kooperation mit China, watscht die fiktive Gegenposition der harten Entkopplung ab und erklärt sich daraufhin als Gewinner. Solche Schein-Argumente schaden unserer demokratischen Streitkultur.

KPCh unter Xi hat Vertrauen leichtfertig verspielt

Eine Variante des Strohmann-Arguments sind falsche Dichotomien – wie die von Misstrauen und Vertrauen. Sie erweckt den Eindruck, als hätten wir nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir misstrauen unseren chinesischen Partnern unter parteistaatlicher Kontrolle komplett, oder wir haben volles Vertrauen zu ihnen. Es gibt aber auch erworbenes Vertrauen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) unter Xis Führung hat es in den letzten Jahren leichtfertig verspielt.

Es ist völlig legitim, sich für eine Fortsetzung von Dialog und Kooperation mit China auszusprechen. Doch wer für diese Position wirbt, muss auch erklären, wie wir Risiken minimieren und bestehende Probleme adressieren können. Allein mit dem Prinzip Hoffnung wird man von Peking keine Verhaltensänderung erreichen. Wer eine gesunde Portion Misstrauen mitbringt und Fortschritte in der Zusammenarbeit regelmäßig überprüft, könnte theoretisch auch heute noch das Wagnis der China-Kooperation eingehen. Ich halte Zweifel allerdings für angebracht.

Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen?

Kooperationserfahrungen der letzten zehn Jahre geben wenig Anlass für Optimismus. Welche Art von Dialog und Kooperation mit dem “offiziellen China” sind unter den Bedingungen von Zensur und Partnerzwang im Jahr 2023 überhaupt noch möglich? So wie die KPCh offene Gesellschaften bekämpft, sollten wir ihr keinen Vertrauensvorschuss gewähren. Hier ist mehr Autokratie-Kompetenz vonnöten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Auswirkungen des hochgradig illiberalen chinesischen NGO-Gesetzes von 2017 hinweisen. Dieses Gesetz hat einen ergebnisoffenen deutsch-chinesischen zivilgesellschaftlichen Austausch so gut wie unmöglich gemacht. Über Jahre gewachsene Vertrauensnetzwerke zwischen deutschen und chinesischen Partnerorganisationen wurden von der Partei vorsätzlich zerstört.

Seit 2017 hat das Ministerium für Öffentliche Sicherheit das Sagen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und Rosa-Luxemburg-Stiftung wurden dazu gezwungen, mit der von der KPCh kontrollierten Freundschaftsgesellschaft zu kooperieren. Letztere operiert als ein Teil des Einheitsfront-Systems. Damit stellt sich das Problem der Kooptierung. Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen in China jetzt noch?

Gesteuerte Kooperationspartner können uns verstricken

Die derzeitige Debatte zur geplanten Kooperation zwischen Kiel und Qingdao ist ein weiteres Beispiel einer problematischen öffentlichen Debatte. Prinzipiell wäre es natürlich begrüßenswert, wenn Städtepartnerschaften einen ergebnisoffenen Austausch zum Nutzen der Völkerverständigung und wirtschaftlicher Kooperation ermöglichen würden. Darin besteht keinerlei Dissens. Aber auch hier sind die bisherigen Erfahrungen ernüchternd.

Eine Studie der Berliner Denkfabrik Merics hat gezeigt, dass die KPCh über die subnationale Ebene ihren Einflussbereich ausdehnt. Hier leiden deutsche Kommunen unter Informationsasymmetrie. Wer ist sich auf lokaler Ebene der Gefahr der Kooptierung durch die Einheitsfront-Politik der KPCh schon wirklich bewusst? Von der Partei gesteuerte chinesische Kooperationspartner können uns auch hier leicht verstricken.

Es ist mir klar, dass sich Kommunalpolitiker nur ungerne von Berlin bevormunden lassen. Aber Fragen der nationalen Sicherheit betreffen uns alle. Ein gutes Risikomanagement erfordert auch die Dokumentation von Sorgfaltspflichten. Wer mit dem autokratischen China kooperieren will, sollte sich zudem vom Verfassungsschutz und BND beraten lassen. Es geht jetzt darum, gut informierte Entscheidungen zu treffen und dafür auch Verantwortung zu übernehmen.

Der Politologe Dr. Andreas Fulda ist Dozent an der University of Nottingham. Er hat acht Jahre in der VR China und Taiwan gelebt und gearbeitet. Fulda schreibt derzeit an seinem neuen Buch “Germany and China. How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” (Bloomsbury, 2024).

  • Bundesnachrichtendienst

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Unternehmen mit Lieferketten-Gesetz unzufrieden
    • Abrissbirnen gegen das Vertrauen in die Regierung
    • “Glory to Hongkong” bald verboten
    • Festnahmen bei Tiananmen-Gedenken
    • Botschafter Lu will mehr Meinungsfreiheit
    • Standpunkt: Mehr Autokratie-Kompetenz
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    seit langem schon sorgt sich die Geschäftswelt in Deutschland und China über das Lieferkettengesetz – vor allem, weil es in der Volksrepublik so immens schwierig ist, die Vorgaben zu erfüllen. Ohne unabhängige Audits lässt sich kaum verlässlich nachweisen, ob nicht doch irgendwo in der Lieferkette Zwangsarbeit steckt. Dass dies keine prinzipielle Ablehnung einer Regulierung der Lieferketten bedeutet, zeigt nun eine Umfrage der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik.

    Demnach halten Mittelständler den Schutz von Menschenrechten in der Lieferkette durchaus für notwendig, wie Caspar Dohmen analysiert. Weniger zufrieden sind die Firmen hingegen mit der Umsetzung des Gesetzes in Deutschland. Auch von ihren Verbänden fühlen sich nicht alle korrekt vertreten.

    Derweil wirft Fabian Kretschmer für uns einen Blick nach Südchina, wo sich Muslime der Hui-Minderheit wohl vergebens gegen den Teilabriss einer Moschee gewehrt haben. Die totale physische und digitale Isolation der Ortschaft lässt diese Vermutung zu. Das Beispiel zeigt, dass Chinas Integrationspolitik keine Kompromisse zulässt, sondern eine totale ideologische Unterordnung aller Ethnien vorantreibt. Als gelungene Methode, den Extremismus zu bekämpfen, dürfte die Abrissbirne jedoch scheitern.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Mittelständler bemäkeln Umsetzung des Lieferketten-Gesetzes

    Einen selten detaillierten Einblick zur Einschätzung des Lieferkettengesetzes durch mittelständische Unternehmen (KMU) bietet eine bislang unveröffentlichte Umfrage der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, die Table.Media vorliegt. Die vertraulich befragten Firmen halten Menschenrechtsschutz in Wertschöpfungsnetzen grundsätzlich für “notwendig”. Und sie “vertreten überwiegend die Einschätzung, eine gesetzliche Rahmenordnung bzw. verbindliche Strategie seien notwendig”, schreiben die Studienautorinnen Christiane Hellar, Jesco Kreft und Miriam Putz.

    Vor allem die Lieferketten in China sind jüngst ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gerückt. Besonders deutsche Autobauer geraten wegen der großen Gefahr von Zwangsarbeit bei ihren Zulieferern unter Druck. Weil ausländische Firmen die nötigen unabhängigen Prüfungen gegen den Willen der örtlichen Behörden aber nicht durchsetzten können, bleibt große Unsicherheit. Auch andere Branchen sind betroffen: Landwirtschaft, Solar, Bergbau.

    Weil unter deutschen Verbrauchern das Bewusstsein für das Problem drastisch zugenommen hat, “herrscht eine hohe Akzeptanz des Lieferkettengesetzes” (LkSG) bei den Unternehmen.

    • Befragt wurden 39 Unternehmen vertraulich nach den Chatham House-Regeln, die festlegen, dass zwar der Gesprächsinhalt weitergegeben, die Identität der Gesprächspartner aber nicht offengelegt werden darf.
    • Diese sind überwiegend kleine und mittlere Firmen mit Umsätzen von 15 bis 600 Millionen Euro, sowie drei Großunternehmen. 
    • Sie haben 25 bis 7000 Mitarbeitende. 
    • Alle hatten Erfahrungen im Bereich menschenrechtlicher Due Diligence
    • Die Gesprächspartner stammten aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Einkauf, Compliance, Recht und anderen für die Umsetzung des LkSG verantwortlichen Bereichen. 

    Lieferkettenschutz: Noch immer gibt es auch Kritiker

    Seit Jahren dominieren in der öffentlichen Diskussion im Hinblick auf die Lieferkettenregulierung in Deutschland zwei Positionen aus der Wirtschaft: Da sind auf der einen Seite die klaren Befürworter von Lieferkettengesetzen. Dazu zählen Unternehmen wie Vaude und Tchibo sowie meist kleinere progressive Unternehmensverbände wie der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft oder B.A.U.M e.V. Und da sind zum anderen große Verbände, die sich lange gegen eine nationale Lieferkettenregulierung in menschenrechtlicher Hinsicht ausgesprochen haben und nun verhindern wollen, dass auch die EU Regelungen verabschiedet, die ihnen zu weit gehen. Wichtige Stimmen sind hier der BDI, BDA und VDMA.  

    Die Rede der Kritiker ist von Kompetenzproblemen, Bürokratie, Kosten und Machbarkeit. Kürzlich warnte die Stiftung Familienunternehmen vor einer “inflationsartigen” Regulierung. Aktuell müssten Unternehmen 20 neue Gesetzesvorhaben und Richtlinien mit Prüf-, Berichts- und Offenlegungspflichten umsetzen. Zwölf Vorhaben kämen aus Europa, acht aus Deutschland. “Wir können die ökologische Transformation nicht mit Meldepflichten und Regulatorik bewältigen, sondern vor allem mit unternehmerischer Initiative und Innovation”, sagt Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. 

    Umfrage: Kritik an eigenen Verbänden

    Die Befragung der Hamburger Stiftung für Unternehmensethik vermittelt eine dritte, andere Position von Unternehmen: KMU, die sich an der Kritik der eigenen Verbände an der Lieferkettengesetzgebung stören – oder Firmen, die prinzipiell Lieferkettenregulierung für richtig erachten, aber sich an der Umsetzung des Gesetzes stören.

    Schon jetzt befassen sich viele KMU mit dem Thema, obwohl sie von dem Gesetz nicht direkt erfasst sind, da die Verpflichtung bislang nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gilt. Aber die betroffenen großen Unternehmen reichen die Anforderungen an ihre Kunden – häufig KMU – weiter – das führe, so die Analyse, “zu einer Verbreiterung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten weit über den Geltungsbereich des Gesetzes hinaus”.  

    Zusatzausgaben: “sinnvolle unternehmerische Investition” 

    Die befragten Unternehmen sprechen von finanziellen Belastungen durch die Lieferkettenregulierung. Diese seien aber nicht genau zu beziffern, weil die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten überwiegend als Querschnittaufgabe organisiert sei.  

    • Drei Viertel der befragten Unternehmen hatten für 2022 ihr Personal um 0,03 bis zwei Prozent aufgestockt, im Schnitt waren es 0,54 Prozent.  
    • Weitere Kosten entstehen durch die Lizenzkosten für Software zur Risikoanalyse und Zuliefermanagement. Abhängig vom Lizenzumfang und der Anzahl der Nutzer seien dies 25.000 bis 200.000 Euro

    Den Einsatz zusätzlicher Ressourcen betrachteten die befragten Unternehmen durchaus als “sinnvolle unternehmerische Investition”. Einige Unternehmen sehen hier ein “Vertretungsproblem” durch ihre Verbände. “Ihre politische Interessenvertretung habe die grundsätzlich positive Haltung vieler KMU erst ignoriert, dann zu lange auf Verhinderung gesetzt und sich schließlich zu wenig pragmatisch in die konkrete Ausgestaltung eingebracht”, heißt es. Zweifel daran, dass KMU die Anforderungen des Gesetzes operativ und konzeptionell nicht umzusetzen können, halten sie für unangebracht. Dieses politische Narrativ wiesen selbst “ursprünglich gesetzesskeptische Unternehmen als wirtschafts- bzw. mittelstandsfremd zurück”, heißt es in der Studie.  

    “Erhebliche Durchsetzungsprobleme” in China 

    Die Unternehmen sehen aber die Gefahr, dass bei der Umsetzung des Gesetzes “mittelfristig eine Compliance-Perspektive dominieren könnte”. Unternehmen könnten sich darauf fokussieren, sich rechtlich unangreifbar zu machen, während die echte Verbesserung der Verhältnisse entlang der Lieferketten unterbleibe. Damit wäre in der Sache – also der Verbesserung der Situation für Mensch und Umwelt in den Lieferketten – wenig gewonnen.

    “Erhebliche Durchsetzungsprobleme” erwarten die KMU in China, wo sie sich “angesichts der LkSG-Vorgaben und ihrer Einflussmöglichkeiten vor Ort mit paradoxen Anforderungen konfrontiert” sehen, die eine ganze Reihe Geschäftsmodelle mit großem China-Bezug in der Lieferkette grundsätzlich infrage stellen könnten. Man werde die Einhaltung von Menschenrechten “in einem autoritären, nicht demokratischen Land schlichtweg nicht gewährleisten können”, sagen Unternehmensvertreter. Auf Nachfrage gebe etwa ein Viertel der Befragten an, mittelfristig einen kompletten Rückzug aus bestimmten chinesischen Regionen zu prüfen

    KMU wünschen sich konkrete Hilfestellung der Behörden 

    Bei der Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nutzten die Unternehmen gewöhnlich Instrumente und Verfahren, mit denen sie bereits im Umweltbereich Erfahrungen haben. 

    Unzufrieden sind die KMU mit der Umsetzung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis weit in den Spätsommer 2022 habe es in wichtigen Punkten keine Auslegungshilfen durch die Behörde gegeben. Zudem wünschen sich die Unternehmen spezifischere Hilfen des Helpdesks der Behörde, was Verfahren, Instrumente, Berichte sowie Einschätzungen zu Reichweite und Tiefe es Gesetzes anbelangt. Unzufrieden sind die Unternehmen auch mit den entsprechenden Beratungsangeboten der Kammern. 

    • Handel
    • Lieferkettengesetz
    • Menschenrechte
    • Mittelstand

    Kompromisslos chinesisch statt moderat religiös

    Der Minarett-Turm der Niu-Jie-Moschee mit chinesischen Charakteristika in Peking.

    Nur wenige Stunden nach dem Morgengebet in der Najiaying-Moschee in Nagu rückten die Bulldozer an. Bewacht wurden sie von mehreren hundert Sicherheitskräften, die umgehend den Eingang zum Gebetshaus in der südchinesischen Provinz Yunnan absperrten und ein Gerüst um die Fassade errichteten. Auch eine Einheit der Volksbefreiungsarmee brachte sich in Position. Ihr Auftrag: das muslimische Religionsgebäude in der südchinesischen Provinz Yunnan zu “säubern”. Vier Minarette und die riesige Eingangskuppel sollten entfernt werden.

    Doch die Dorfbewohner, Mitglieder der muslimischen Hui-Minorität, wehrten sich. Sie rissen Bauzäune nieder, warfen Gegenstände auf die Polizeibeamten, die sich – offensichtlich überrascht und überfordert – aus dem Innenhof der Moschee zurückzogen. Die Lokalbevölkerung formierte sich schließlich zu einer riesigen Menschenkette. Abgelöst wurden die Männer schon bald von ihren Ehefrauen, die sich ebenfalls lautstark den Sicherheitskräften entgegenstellten und ihre Moschee beschützten.

    Hui-Minderheit gilt als assimliert

    Der Ausgangspunkt dieser Eskalation liegt im Jahr 2020, als ein Gericht den Teilabriss der Moschee angeordnet. Das Gebäude, das im 13. Jahrhundert errichtet wurde, war in den Jahren zuvor um die Minarette und die Eingangskuppel erweitert worden. Diese Anbauten erklärte das Gericht jedoch als illegal. Der richterliche Beschluss war ein Stich ins Herz der Hui.

    Ihre Moschee genießt in der Region einen besonderen Status. Schließlich werden in der ansässigen Gebetsschule eine Vielzahl der Imame in der Provinz Yunnan ausgebildet. Dass ausgerechnet hier ein Hort des Extremismus brüten könnte, wirkt eher widersprüchlich, denn die Muslime der Hui-Minderheit gelten unter den 57 ethnischen Gruppen der Volksrepublik als weitgehend assimiliert mit den dominierenden Han-Chinesen.

    Sinisierung der Religionen

    Die Zerstörung muslimischer Gebetshäuser ist jedoch nur der sichtbare Teil einer systematischen Umerziehung der Muslime. Sie ist Teil einer Kampagne, die vorgibt, potenziellen Extremismus im Keim zu ersticken und religiöse durch sozialistische Werte ersetzen zu wollen. Bereits im Frühjahr 2016 initiierte Staatschef Xi Jinping eine landesweite Kampagne zur “Sinisierung der Religionen”, die vorrangig auf den Islam abzielte.

    In etlichen Provinzen, vornehmlich in Xinjiang, wurden Moscheen entweder vollständig abgerissen oder in Teilen zerstört. Wenn etwas übrig blieb, wurde arabisch anmutende Architektur durch Han-chinesische Bauelemente ersetzt.

    Islamische Identität als Fluchtpunkt

    Diese zunehmend repressive Politik unter Xi Jinping hat in den vergangenen Jahren zu einem stillen Widerstand geführt. Ein junger Hui-Muslim, dessen Familie aus einem nordchinesischem Dorf stammt, berichtet mit Bitte um Anonymität: “Meine Familie hat sich in den letzten Jahren immer stärker in den Islam zurückgezogen.” Offen würde man innerhalb der Familie zwar nicht über Politik reden, doch für ihn sei es offensichtlich: Je weniger willkommen sich seine Eltern und ihre Nachbarn fühlen, desto stärker besinnen sie sich auf ihre islamische Identität. Hinzu kommen mehr Gängelungen, Vorschriften und Verbote.

    In Nagu scheint die Härte der Staatsmacht Radikalsierung eher zu bedingen als zu beseitigen. Schuld daran ist auch die mangelnde Linie der Zentralregierung in Peking. Die erteilte lediglich eine vage Order, Moscheen “chinesischer” zu gestalten. Die Umsetzung überlässt man den Kommunen, die darauf bedacht sind, ihren Vorgesetzten bloß keinen Ärger zu bereiten, um Konsequenzen für sich selbst zu vermeiden.

    Isolation der gesamten Ortschaft

    Entsprechend kompromisslos gingen die lokalen Behörden auch in Nagu zu Werke. Erst versuchten sie es noch mit ideologischen Argumenten, um die Dorfbewohner von der Dringlichkeit des Abrisses zu “überzeugen”. Doch als nicht alle freiwillig zustimmten, wurden kurzerhand Lohnkürzungen angedroht.

    Zudem reagierten die Behörden mit Drohnen-Überwachung aus der Luft. Niemand sollte sein Haus verlassen. Störsender unterbrachen die Internet- und Telefonverbindungen des Ortes. Durch Militär-Checkpoints wurden sämtliche Straßenzugänge kontrolliert. Dutzende Demonstranten sollen verhaftet worden sein. Videoaufnahmen von den Protesten wurden von Anwohnern an Aktivisten im Exil weitergegeben, ehe die Zensoren sie löschen konnten.

    Mahnung Xinjiang

    Genaue Berichte über den tatsächlichen Stand der Abrissarbeiten lassen noch auf sich warten. Die Hoffnung der Hui aber scheint versiegt zu sein. Ein Anwohner sagte dem US-Radiosender NPR: “Wir kennen unser Schicksal und sind machtlos. Dennoch hoffen wir darauf, dass wir unser letztes bisschen Religionsfreiheit und Würde bewahren können.”

    Die Angst der Muslime von Nagu hat wohl auch damit zu tun, dass sie sehr genau um die Repression in der nordwestlichen Region Xinjiang Bescheid wissen. Dort wurden einst ebenfalls unzählige Moscheen dem Erdbeben gleichgemacht, ehe die Regierung in den letzten fünf Jahren Hunderttausende ethnische Uiguren in Umerziehungslager steckte.

    News

    Hongkong will Protesthymne verbieten

    Die Regierung von Hongkong prüft ein Verbot der Protesthymne “Glory to Hong Kong”. Diese hatten Protestierende 2019 während der pro-demokratischen Demonstrationen überall in der Stadt gesungen. Auch bei internationalen Solidaritätsveranstaltungen für die Bewegung war sie beliebt. Wie das Justizministerium am Dienstag mitteilte, wolle man mit einem Aufführungs- und Verbreitungsverbot verhindern, dass Menschen zur Abspaltung aufgestachelt werden. Auch solle das Lied nicht fälschlicherweise als “Nationalhymne von Hongkong” erscheinen. Es ist ein weiterer Schritt beim Aushöhlen der Redefreiheit in der Stadt.

    Offiziell hat die Sonderverwaltungszone keine eigene Hymne. Zuletzt wurde “Glory To Hong Kong” jedoch beispielsweise anstelle der chinesischen Nationalhymne gespielt, nachdem die Eishockeymannschaft Hongkongs den Iran bei einem internationalen Wettbewerb besiegt hatte.

    Ein anonymer Musiker hatte “Glory to Hong Kong”, eine klassisch anmutende Hymne in vier Sätzen, 2019 komponiert. Der Text wurde dann von Demonstranten gemeinsam in einem Internet-Forum finalisiert. Darin heißt es zum Beispiel “Söhne und Töchter, lasst uns zusammen marschieren, für das, was richtig ist – dies ist die Revolution unserer Zeit!” rtr/fpe

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    23 Festnahmen in Hongkong

    Protest trotz massiver Sicherheitsvorkehrungen: Die junge Dame blättert auf einer Parkbank in Hongkong in einem Heftchen. Darauf steht: 35. Mai. Es ist ihre Art des Erinnerns an den 4. Juni 1989, als die Tiananmen-Proteste in Peking blutig niedergeschlagen wurden.

    Die Polizei in Hongkong hat am Tag nach dem 4. Juni Bilanz gezogen. Demnach wurden 23 Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen. Die Menschen hatten öffentlich an die Niederschlagung der pro-demokratischen Proteste vor 34 Jahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking erinnert. Unter anderem hatten sich am Sonntag mehrere Menschen im Victoria-Park versammelt, wo noch vor wenigen Jahren Hunderttausende an den Mahnwachen teigenommen hatten.

    Das rigide Vorgehen der Behörden in Hongkong am 34. Jahrestag der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste hat unter anderem die Vereinten Nationen (UN) auf den Plan gerufen. Die Berichte über Festnahmen seien alarmierend, erklärte das Büro von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk auf Twitter. “Wir fordern die Freilassung aller Personen, die wegen der Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert sind.”

    Nach Berichten lokaler Medien waren die Sicherheitsvorkehrungen in Hongkong in diesem Jahr verschärft worden. Bis zu 6.000 Polizisten sollen im Einsatz gewesen sein. Im Vorfeld hatten Regierungsvertreter gemahnt, sich an Gesetze zu halten. Sie hatten aber offengelassen, ob Gedenkveranstaltungen illegal seien.

    Die chinesische Regierung hatte 2019 als Reaktion auf Massenproteste in Hongkong ein Gesetz zur nationalen Sicherheit erlassen. Es gilt als massivster Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip “Ein Land, zwei Systeme” für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. rtr

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    Lu Shaye beklagt fehlende Meinungsfreiheit

    Lu Shaye, hier im Januar bei einem Fußballspiel der ersten französichen Liga.

    Chinas Botschafter in Frankreich hat seine Aussagen bezüglich der Eigenständigkeit ehemaliger Sowjetrepubliken verteidigt. Von Reue fehlte dabei jedoch jede Spur. Im Gegenteil. “Ich denke, in dieser Debatte geht es nicht darum, ob ich Recht oder Unrecht hatte, sondern darum, ob es in der öffentlichen Debatte im Fernsehen Redefreiheit gibt“, sagte Lu Shaye in einem Interview mit Régis de Castelnau, einem umstrittenen französischen Anwalt, dem die Blogseite “Vu Du Droit” gehört. Verbreitet wurde das gut einstündige Interview über die Plattform Réseau International, die regelmäßig Falschnachrichten und Desinformation wiedergibt.

    Als Beispiel der mangelnden Redefreiheit führte Lu die Debatte um seine Person an. Er beklagt in diesem Zusammenhang, ein französischer Fernsehsender habe gezielt wütende Reaktionen “geschürt”, ein Verhalten, das “sehr unfair” sei.

    Im April hatte Lu Shaye hatte in einem Interview mit dem vom französischen Fernsehsender La Chaîne Info (LCI) den Status ehemaliger Sowjetrepubliken als souveräne Staaten infrage gestellt. Es folgte eine heftige Diskussion, selbst die Führung in Peking sah sich zu einer öffentlichen Richtigstellung gezwungen. “China respektiert den Status der ehemaligen Sowjetrepubliken als souveräne Länder nach der Auflösung der Sowjetunion“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums.  

    Doch Lu sieht sich selbst als Opfer. Er habe das Recht, seine persönlichen Ansichten zu äußern, die nicht “erfunden” seien und diskutiert werden könnten. Nicht in Ordnung sei hingegen das Verhalten der anderen: LCI, das zum französischen Sender TF1 gehört, habe vielmehr “einen Angriff” gegen ihn gestartet. “Am Tag nach dem Interview luden sie einige sogenannte China-Experten derselben Sendung ein, um mich zu kritisieren und zu verurteilen”, sagte Lu. “Sie haben gegen die journalistische Ethik verstoßen.” rad

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    Standpunkt

    Wir brauchen mehr Autokratie-Kompetenz

    von Andreas Fulda
    Andreas Fulda

    Derzeit wird leidenschaftlich über die neue Chinastrategie der Bundesregierung gestritten. Das ist auch gut so. An dieser Debatte habe ich mich aktiv beteiligt. In diesem Standpunkt möchte ich jedoch ausnahmsweise nicht für meine Position werben. Vielmehr schlage ich vor, dass wir kurz innehalten und uns ein paar Gedanken zur Debattenkultur machen. Meines Erachtens leidet sie unter einem Mangel an selbstkritischer Reflexivität.

    Häufig erklären mir Kollegen, dass sie sich nicht an der Chinadebatte beteiligen wollen, da sie zu polarisiert sei. Mich überzeugt das nicht. Eine echte Polarisierung bestünde, wenn auf der einen Seite dafür geworben würde, dass Deutschland ein wirtschaftlicher Satellit Chinas werden solle und demgegenüber von anderer Seite für eine harte Entkopplung plädiert würde. In Wirklichkeit stellt aber niemand solche extremen Forderungen.

    Im Kern der Auseinandersetzung geht es um eine unterschiedliche Einschätzung über die Chancen und Risiken im China-Engagement. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine Probleme im Diskurs gäbe. Jüngst hat China-Kenner Kai Strittmatter auf Strohmann-Argumente hingewiesen. Ein Beispiel: Jemand präferiert Dialog und Kooperation mit China, watscht die fiktive Gegenposition der harten Entkopplung ab und erklärt sich daraufhin als Gewinner. Solche Schein-Argumente schaden unserer demokratischen Streitkultur.

    KPCh unter Xi hat Vertrauen leichtfertig verspielt

    Eine Variante des Strohmann-Arguments sind falsche Dichotomien – wie die von Misstrauen und Vertrauen. Sie erweckt den Eindruck, als hätten wir nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir misstrauen unseren chinesischen Partnern unter parteistaatlicher Kontrolle komplett, oder wir haben volles Vertrauen zu ihnen. Es gibt aber auch erworbenes Vertrauen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) unter Xis Führung hat es in den letzten Jahren leichtfertig verspielt.

    Es ist völlig legitim, sich für eine Fortsetzung von Dialog und Kooperation mit China auszusprechen. Doch wer für diese Position wirbt, muss auch erklären, wie wir Risiken minimieren und bestehende Probleme adressieren können. Allein mit dem Prinzip Hoffnung wird man von Peking keine Verhaltensänderung erreichen. Wer eine gesunde Portion Misstrauen mitbringt und Fortschritte in der Zusammenarbeit regelmäßig überprüft, könnte theoretisch auch heute noch das Wagnis der China-Kooperation eingehen. Ich halte Zweifel allerdings für angebracht.

    Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen?

    Kooperationserfahrungen der letzten zehn Jahre geben wenig Anlass für Optimismus. Welche Art von Dialog und Kooperation mit dem “offiziellen China” sind unter den Bedingungen von Zensur und Partnerzwang im Jahr 2023 überhaupt noch möglich? So wie die KPCh offene Gesellschaften bekämpft, sollten wir ihr keinen Vertrauensvorschuss gewähren. Hier ist mehr Autokratie-Kompetenz vonnöten.

    Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Auswirkungen des hochgradig illiberalen chinesischen NGO-Gesetzes von 2017 hinweisen. Dieses Gesetz hat einen ergebnisoffenen deutsch-chinesischen zivilgesellschaftlichen Austausch so gut wie unmöglich gemacht. Über Jahre gewachsene Vertrauensnetzwerke zwischen deutschen und chinesischen Partnerorganisationen wurden von der Partei vorsätzlich zerstört.

    Seit 2017 hat das Ministerium für Öffentliche Sicherheit das Sagen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und Rosa-Luxemburg-Stiftung wurden dazu gezwungen, mit der von der KPCh kontrollierten Freundschaftsgesellschaft zu kooperieren. Letztere operiert als ein Teil des Einheitsfront-Systems. Damit stellt sich das Problem der Kooptierung. Wie viel Handlungsautonomie bleibt den Stiftungen in China jetzt noch?

    Gesteuerte Kooperationspartner können uns verstricken

    Die derzeitige Debatte zur geplanten Kooperation zwischen Kiel und Qingdao ist ein weiteres Beispiel einer problematischen öffentlichen Debatte. Prinzipiell wäre es natürlich begrüßenswert, wenn Städtepartnerschaften einen ergebnisoffenen Austausch zum Nutzen der Völkerverständigung und wirtschaftlicher Kooperation ermöglichen würden. Darin besteht keinerlei Dissens. Aber auch hier sind die bisherigen Erfahrungen ernüchternd.

    Eine Studie der Berliner Denkfabrik Merics hat gezeigt, dass die KPCh über die subnationale Ebene ihren Einflussbereich ausdehnt. Hier leiden deutsche Kommunen unter Informationsasymmetrie. Wer ist sich auf lokaler Ebene der Gefahr der Kooptierung durch die Einheitsfront-Politik der KPCh schon wirklich bewusst? Von der Partei gesteuerte chinesische Kooperationspartner können uns auch hier leicht verstricken.

    Es ist mir klar, dass sich Kommunalpolitiker nur ungerne von Berlin bevormunden lassen. Aber Fragen der nationalen Sicherheit betreffen uns alle. Ein gutes Risikomanagement erfordert auch die Dokumentation von Sorgfaltspflichten. Wer mit dem autokratischen China kooperieren will, sollte sich zudem vom Verfassungsschutz und BND beraten lassen. Es geht jetzt darum, gut informierte Entscheidungen zu treffen und dafür auch Verantwortung zu übernehmen.

    Der Politologe Dr. Andreas Fulda ist Dozent an der University of Nottingham. Er hat acht Jahre in der VR China und Taiwan gelebt und gearbeitet. Fulda schreibt derzeit an seinem neuen Buch “Germany and China. How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” (Bloomsbury, 2024).

    • Bundesnachrichtendienst

    China.Table Redaktion

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