Table.Briefing: China

“Lex China” + Digital-Monopole + Westbalkan + Bosch + Jia Yueting + Weltbankgruppe + Rheinmetall + Minxin Pei

  • US-Senatoren planen “Lex China”
  • Druck aus Peking: Alibaba platziert Dienste auf Plattform von Tencent
  • EU als Retter in der Not?
  • Bosch baut mit Qingling Brennstoffzellen
  • Lebenslanges Börsenverbot für Jia Yueting
  • Bundestagsausschuss: Chinas Kreditlinie beibehalten
  • Rheinmetall eröffnet Tech-Center in Nanjing
  • Minxin Pei: Wie China seiner eigenen Wirtschaft schadet

Liebe Leserin, lieber Leser,

dass China eine Bedrohung ist, darüber sind sich Demokraten wie auch Republikaner in den USA einig. Gemeinsam haben US-Senatoren, wie Felix Lee analysiert, die “Lex China” vorgestellt. Sie hat zum Ziel, den globalen Einfluss der Volksrepublik einzudämmen. Dafür plant Washington, viel Geld in die Hand zu nehmen, betont vor allem seine Unterstützung für Taiwan und fordert Aufklärung der geschlechtsspezifischen Gewalt gegenüber der uigurischen Minderheit in Xinjiang.

Wenn die Marktregulierungsbehörde ruft, dann ist es vorbei mit dem Laisser-faire. Christiane Kühl untersucht, wie die beiden größten Technologieplattformen Alibaba und Tencent ihre bisherigen Grabenkämpfe beilegen, um innerhalb der Gnadenfrist der Kartellbehörde zumindest reumütig zu wirken.

Montenegro kann seine Schulden an China nicht zurückzahlen. Die Hilferufe des kleinen Staates im Westbalkan stoßen bei der EU-Kommission jedoch auf taube Ohren. Marcel Grzanna hat sich umgehört, warum Peking die Kosten für eine Autobahn von der Adriaküste bis nach Serbien finanziert hat und wie sie damit die EU noch mehr spalten könnte.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre
Ning Wang
Bild von Ning  Wang

Presseschau

US pushes Japan to back Taiwan at Biden-Suga summit FT PAY
Commons to vote on declaration of genocide in Xinjiang province THE GUARDIAN
Women’s rights in China: closure of feminist Douban channels sparks anger SCMP
China’s digital currency is a threat to dollar dominance FT
Whitsun Reef: Philippines files new diplomatic protest against China SCMP
Als Gegengewicht zu China: Europaparlament fordert enge Partnerschaft mit Indien HANDELSBLATT
Kerry in China – Letzte Hoffnung Klimaschutz TAGESSCHAU
Wie Biden China auf die Probe stellt FAZ
China bringt die Welt in Gefahr T-ONLINE
Konfrontation China gegen USA: “Wir müssen verhindern, dass wir in einen großen Krieg hineinschlittern”, meint US-Admiral James Stavridis SPIEGEL PAY
Bosch will China jetzt mit der Brennstoffzelle aufrollen FAZ

Analyse

US-Senatoren planen “Lex China”

Noch ist es ein Entwurf. Aber er schlägt schon jetzt hohe Wellen. Die jüngsten Militärmanöver der chinesischen Volksbefreiungsarmee im Luftraum von Taiwan sind womöglich eine erste Antwort darauf. Es geht um das sogenannte “Strategic Competition Act”, ein Gesetzentwurf den der einflussreiche Vorsitzende des Senatsausschusses für Außenpolitik, Bob Menendez (Demokraten) zusammen mit Senator Jim Risch (Republikaner) parteiübergreifend vergangene Woche auf den Weg gebracht haben. Das Gesetz soll kommende Woche zunächst im Ausschuss selbst verabschiedet werden, anschließend im Senat debattiert werden. 

Das Vorhaben hat es in sich. Sollte es tatsächlich in naher Zukunft durch beide Kammern im Kongress gehen – es wäre ein Gesetz, das explizit dem globalen Einfluss Chinas entgegenwirken soll. Und zwar gleich auf mehreren Ebenen. 

Ganz konkret geht es um mehrere Milliarden US-Dollar, die die US-Regierung für eine Reihe von Initiativen bereitstellen soll. Davon sollen 655 Millionen Dollar an das US-Militär zur Aufrüstung im Indopazifik gehen. Rund 450 Millionen Dollar sind in dem Entwurf vorgesehen, um die freie Schifffahrt insbesondere im Südchinesischen Meer zu gewährleisten.

Amerikanisches Gegengewicht zur Seidenstraße

Zudem sollen rund 75 Millionen Dollar in ein Infrastruktur-Programm im Indopazifik fließen – quasi als Gegengewicht zur chinesischen Belt and Road Initiative. Weitere rund 100 Millionen Dollar können einem Programm zugute kommen, das vor allem die digitale Infrastruktur in der Region fördert – garantiert datensicher vor China, so zumindest ist es in dem Entwurf formuliert. 

Das Gesetz will auch den Druck auf Peking wegen des mutmaßlichen Diebstahls von geistigem Eigentum erhöhen. Unter anderem soll der US-Außenminister dazu verpflichtet werden, künftig jedes Jahr eine Liste aller chinesischen Staatsunternehmen zu veröffentlichen, die vom Diebstahl geistigen Eigentums profitieren und damit den USA schaden.

All diese Punkte klingen zunächst einmal wenig spektakulär – zumal China für den Ausbau seiner weltweit geplanten Infrastruktur in den kommenden Jahren das Hundert-, wenn nicht gar das Tausendfache ausgibt. Doch das, so die Verfasser, soll nur ein Anfang sein.

Langfristige Strategie zur Einhegung des Rivalen

Was der Vorstoß der beiden einflussreichen Senatoren so brisant macht: Der Entwurf enthält einige klare politische Komponenten. So soll die US-Regierung dazu verpflichtet werden, Berichten über geschlechtsspezifische Gewalt gegen die Uiguren in der Provinz Xinjiang nachzugehen. Bislang gilt dies nur für Inhaftierungen und andere Misshandlungen der muslimischen Minderheit.

Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in Xinjiang mindestens eine Million Angehörige der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten in Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. Der Gesetzesentwurf sieht auch eine stärkere Unterstützung Taiwans durch die USA vor – was der chinesischen Führung besonders ein Dorn im Auge ist (China.Table berichtete).

Zudem sollen rund 300 Millionen Dollar in einen speziellen Fonds fließen, der sich explizit gegen die Bemühungen der Kommunistischen Partei zur Förderung ihres autoritären Modells im Ausland wendet. Und 15 Millionen Dollar sollen dazu beitragen, US-Unternehmen die Abkehr vom chinesischen Markt zu vereinfachen. Sie können mit den Subventionen Lieferanten in anderen Ländern anwerben und auf alternative Märkte ausweichen. Unverhohlen formuliert Senator Menendez auch sein Motiv: “Die US-Regierung muss die Absichten und Handlungen Pekings klar und nüchtern betrachten und unsere Politik und Strategie entsprechend anpassen.” 

Konsens in der Chinapolitik verdichtet sich

Ob der insgesamt 280-seitige Gesetzentwurf der beiden Senatoren exakt in dieser Form durchkommt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig beantworten. 

Präsident Joe Biden hat zwar in vielen Bereichen eine Abkehr von der Politik seines Vorgängers Donald Trump eingeleitet. In der China-Politik hält aber auch er an einem harten Kurs fest. Im Politikbetrieb von Washington selbst gibt es überparteilich den Konsens, dass China unter seiner derzeitigen Führung eine ernsthafte Bedrohung für die Werte und Interessen der USA darstellt.

Die Parteibasis von Bidens Demokraten scheint in der Frage allerdings stärker gespalten zu sein als die Republikaner. Einer kürzlich vom Pew Research Center durchgeführten Umfrage zufolge betrachten 54 Prozent der Republikaner China als “Feind”. Bei den Demokraten sind es lediglich 20 Prozent.

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Druck aus Peking: Alibaba platziert Dienste auf Plattform von Tencent

Alibaba war nur der Anfang. Am Dienstag riefen die drei wichtigsten Aufsichtsbehörden für den Technologie-Sektor 34 der größten chinesischen Internetfirmen zu einer Standpauke zusammen – Warnungen inbegriffen. Man werde bei Fehlverhalten keine Gnade zeigen, teilten die Beamten Marktgrößen wie Tencent, Meituan oder Bytedance mit. Die Firmen wurden aufgefordert, ihr Geschäftsgebaren zu prüfen und anzupassen. Seit November 2020 hatte Peking schrittweise die einst lockeren Monopolregeln angepasst. Nun steigt der direkte Druck auf die Firmen.

Alibaba muss wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Position eine Strafe in Höhe von vier Prozent seines inländischen Umsatzes von 2019 zahlen: Rund 2,3 Milliarden Euro. Anfang der Woche beantragte die Finanztochter Ant Group gezwungenermaßen die Umwandlung in eine Finanzholding. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet unter Berufung auf anonyme Quellen, dass Alibabas Erzrivale Tencent als nächstes dran sei.

Alibaba und Tencent drängen auf gegnerisches Territorium

Zwölf Firmen – darunter JD.com, Meituan and Bytedance – gelobten gestern öffentlich, sich an die neuen Regeln zu halten. Tencent und Alibaba schweigen noch. Doch sie leiten offenbar Schritte ein, mit denen sie auf den Druck aus Peking reagieren. So planen sie erstmals eine Öffnung für die gegenseitigen Dienste. Damit würden sie eine der Forderungen erfüllen – nämlich dass Händler und Dienste nicht zu Exklusivität gezwungen werden dürfen.

Tencent und Alibaba betreiben seit jeher voneinander abgeschottete Ökosysteme. Direkte Verlinkungen von Angeboten zwischen beiden sind unmöglich – ein auf Tencent-Apps erschienener Link muss mithilfe von Copy-Paste bei Alibaba eingesetzt werden -, ebenso wie die Nutzung der Online-Bezahlsysteme des jeweils anderen. Alibaba kommt aus dem Online-Handel, Tencent wurde mit Videospielen und Sozialen Medien groß.

Doch beide drängen seit Jahren auf das gegnerische Territorium. So stieg 2017 Tencents Super-App Wechat in den E-Commerce ein, als sie ihre Mini-Programme für Läden und Cafés einführte. WeChat hat mehr als eine Milliarde Nutzer:innen, die damit chatten, bezahlen, Bahntickets kaufen, Strom zahlen und eben auch über die Mini-Programme in E-Shops einkaufen.

Alibaba muss WeChat Pay akzeptieren

Nun hat Alibaba zwei seiner Shopping-Plattformen, Taobao Deals und Xinyu, für exakt diese Mini-Programme bei Tencents Wechat angemeldet – und diese auch bereits getestet. Alibaba habe dafür bereits Online-Händler eingeladen, berichtet Bloomberg.

Der eigentliche Durchbruch dabei ist: Alibaba muss akzeptieren, dass eine Bezahlung mit Wechat Pay möglich ist. Auf Alibabas webbasierten Online-Kaufhäusern Tmall und Taobao funktioniert nur das von Alibaba-Tochter Ant Financial gemanagte Alipay. Genau das wollen die Behörden aufbrechen. Wechat Pay und Alipay dominieren weit über 90 Prozent des chinesischen Marktes für Online-Bezahlsysteme. Tencent muss nun die Anträge von Alibaba genehmigen. Beide Firmen äußerten sich dazu zunächst nicht.

“Die Aufsichtsbehörden gaben chinesischen Online-Plattformen ein einmonatiges Zeitfenster, um ihre unfairen Praktiken zu korrigieren und die Compliance zu verbessern. Ich denke, das ist eine Form von Nachsicht”, schrieb die Hongkonger Juraprofessorin Angela Zhang auf Twitter. Sie hat gerade ein Buch zu dem Thema mit dem Titel “Chinese Antitrust Exceptionalism” (Chinesischer Kartell-Ausnahmefall) geschrieben. Es ist eine Gnadenfrist.

“Wähl einen von zwei”-Verträge

Gemäß den Anfang Februar veröffentlichten, endgültigen Kartell-Richtlinien für die Plattformwirtschaft verstoßen dominante Firmen gegen Kartellvorschriften, wenn sie technische Barrieren, Algorithmen, Traffic-Beschränkungen oder andere Strafmaßnahmen einsetzen, um Transaktionen mit Wettbewerbern zu begrenzen. Dazu gehören – wie die Marktregulierungsbehörde am Dienstag nach dem Treffen mit den 34 Firmen mitteilte – die “Wähl einen von zwei” genannten Knebelverträge. Zu diesen gehören etwa die Bindung von Online-Shops an nur eine Plattform, der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, feindliche Übernahmen von Top-Playern in Marktnischen, die Weitergabe von Kundendaten, Steuerhinterziehung sowie der Missbrauch von Big Data mit dem Zweck, bestimmten Kunden unfaire Preise in Rechnung zu stellen. Es klingt wie die Vorwürfe gegen US-Techgiganten.

Alibaba und Tencent haben über die Jahre haufenweise vielversprechende Startups aufgekauft oder in sie investiert, um ihre Reichweite zu vergrößern. Nur wenige Unternehmen – darunter Tiktok-Eigentümer Bytedance – sind auch ohne Allianz mit einem der beiden Riesen groß geworden. Bytedance verklagte Tencent im Februar wegen Verstoßes gegen das Kartellgesetz – mit dem Vorwurf, Tencent habe auf Wechat und der Chat-App QQ den Zugang zu Inhalten von Douyin – Tiktoks chinesischem Pendant – blockiert.

Diese Käufe und Investments fachten derweil die Rivalität zwischen Tencent und Alibaba weiter an. So hat Tencent in JD.com und Pinduoduo investiert, deren E-Commerce-Marktplätze direkt mit Alibaba konkurrieren. Auch unterstützt das Unternehmen die Alleskönner-App Meituan, die von Restaurantbuchungen, Kinokarten und Leihfahrrädern so ziemlich alles anbietet – und mit Alibabas Restaurant-Lieferservice Ele.me konkurriert.

Ein Benutzer verklagte 2020 Meituan mit dem Vorwurf, es hindere Kunden daran, auf der Plattform mit Alipay zu zahlen. Die Klage läuft laut Bloomberg noch. Die – nun möglicherweise bald auf Wechat verfügbare – Taobao Deals-App von Alibaba erfüllt mit ihren günstigeren Angeboten die wachsenden Konsumbedürfnisse in den kleineren Städten Chinas – und zielt zugleich darauf ab, auf diesen Märkten den von Tencent unterstützten Rivalen Pinduoduo abzuwehren.

Aus für die private Plattform-Ökonomie?

Tencent war am Freitag gemeinsam mit anderen Techfirmen, darunter etwa die Ride-Hailing-Firma Didi, zu 500.000 Yuan Strafe verdonnert worden, weil sie Übernahmedeals von 2018 nicht ordnungsgemäß angezeigt hatten. “Wir werden weiter daran arbeiten, uns an Änderungen im regulatorischen Umfeld anzupassen, die wir als vorteilhaft für die Branche betrachten – und versuchen, die vollständige Einhaltung sicherzustellen“, versprach Tencent in einer Reaktion auf die Geldbuße. Da wird Tencent ebenso wie Alibaba einiges zu tun haben.

Das Aus für die private Plattform-Ökonomie soll all das nach Ansicht von Experten aber nicht bedeuten. “Die chinesische Regierung nutzt das Kartellrecht, um Einfluss auf die Tech-Giganten auszuüben – nicht, um sie zu sabotieren”, twitterte Angela Zhang. Ministerpräsident Li Keqiang betonte auf dem Nationalen Volkskongress im März, dass Peking “Innovation und Entwicklung der Plattformfirmen” weiter unterstütze – solange sie sich an die Gesetze halten.

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EU als Retter in der Not? China will sein Geld zurück

Milo Djukanovic ist seit Jahrzehnten die wohl einflussreichste Persönlichkeit seines Heimatlandes Montenegro. Er war mehrfach Premierminister und ist derzeit zum zweiten Mal Staatspräsident. Sein großer Traum ist es offenbar, dem kleinen Land im Westbalkan eine Autobahn zu hinterlassen, die von der Adriaküste quer durchs Land bis an die serbische Grenze führt, rund 170 Kilometer lang.

Der Plan geht möglicherweise nach hinten los. Statt freier Fahrt in Richtung Wohlstand droht Montenegro der Verlust eines Teils seiner wirtschaftlichen Souveränität. Nutznießer könnte die Volksrepublik China werden, die einen Teil des kontroversen Baus finanziert und jetzt ihre Schulden eintreiben will. Ab Juli muss Montenegro zurückzahlen. Das Problem: Die Autobahn ist längst noch nicht fertig. Einnahmen durch Maut und eine höhere Wirtschaftsleistung durch die Beschleunigung der Logistik liegen noch in weiter Ferne. Auch die Tourismusbranche an der Küste kann noch lange nicht von der Autobahn profitieren, zumal Corona das Reisen zurzeit ohnehin extrem einschränkt.

Montenegro fürchtet deshalb, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen zu können und den Chinesen als Vertragsstrafe schmerzhafte Zugeständnisse machen zu müssen. So wie beispielsweise Sri Lanka, das der Volksrepublik große Teile seines Hafens Hambantota für 99 Jahre gegen eine Leasing-Gebühr überlassen muss, weil es seine Schulden nicht ausreichend bedienen konnte. Montenegros neue Regierung, die seit Dezember vergangenen Jahres im Amt ist, wendete sich deshalb mit einem Hilfegesuch an die EU-Kommission in Brüssel. Doch dort sieht man offenbar keinen Anlass, diesem stattzugeben – am Montag erteilte Brüssel eine Absage. Man stehe Montenegro und der Region hilfreich zur Seite, aber man werde nicht die Schulden übernehmen, die gegenüber Drittstaaten auflaufen.

Hilfsgesuch von der pro-europäischen Fraktion

Viola von Cramon, Balkan-Expertin der Grünen im Auswärtigen-Ausschuss des Europaparlaments, hält die Entscheidung für falsch. Sie fürchtet, die EU-Kommission spielt den Chinesen in die Karten. Im Gespräch mit China.Table sagt von Cramon: “Die Bitte wurde aus der pro-europäischen Fraktion innerhalb der neuen montenegrinischen Regierung an Brüssel herangetragen. Es wäre wichtig, einen Weg zu finden, diesen pro-europäischen Kräften zu helfen. Zumal diese Hilfe an Bedingungen geknüpft werden könnte, die im Interesse der EU liegen.”

Montenegro ist einer der aussichtsreichsten EU-Beitrittskandidaten der Region, der schon in wenigen Jahren Teil der Union werden könnte. Das Land wird von der EU durch die sogenannten IPA-Mittel unterstützt. Das sind Vorbeitrittshilfen, die zur Förderung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen eingesetzt werden sollen. Insgesamt fließen neun Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027 in den Westbalkan, die allerdings nicht zur Schuldentilgung eingesetzt werden dürfen.

Zurzeit gilt Montenegro als Hybridstaat, der sowohl demokratische, als auch autoritäre Elemente aufweist. Von Cramon sieht die Chance, die Entwicklung Montenegros zu einer vollen Demokratie zu beschleunigen, wenn zusätzliche Hilfen an strenge Bedingungen geknüpft würden: “Aber mit so einer drastischen Absage aus Brüssel hat Montenegro intern ein Problem und wir damit langfristig auch.”

Für China ist politischer Einfluss in Montenegro nicht nur wegen des Zugangs zum Mittelmeer von großem Interesse. Mit einer möglichen Aufnahme des Landes in die EU würde Peking einen weiteren Mitgliedstaat viel enger an sich binden, als es Brüssel recht sein kann. Der griechische Hafen Piräus steht bereits seit der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren zunehmend unter chinesischer Kontrolle. “Damals hat die EU die Unterstützung für Griechenland völlig verschlafen und zahlt dafür einen hohen Preis, indem dort nun vornehmlich chinesische statt europäische Handelsinteressen verfolgt werden. Einen ähnlichen Fehler könnte die EU jetzt erneut begehen”, warnt von Cramon.

China will Einfluss gewinnen, “teilweise mit fragwürdigen Mitteln”

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister (CDU), teilt grundsätzlich die Sorge. China.Table teilte er mit: “Unbestritten versuchen andere Länder, wie China und Russland, ihren geopolitischen Einfluss in der Region zu erhöhen, teilweise mit fragwürdigen Mitteln.” Dennoch hält McAllister den eingeschlagenen Weg der EU für den richtigen. “Die EU setzt darauf, Investitionen mit Reformbemühungen zu begleiten, um eine nachhaltige Stabilität zu fördern.”

Vielleicht mag in Brüssel auch der Trotz eine gewisse Rolle spielen. Die EU hatte dem umstrittenen Autobahn-Projekt einst die Finanzierung verweigert. Gleich zwei Machbarkeitsstudien waren in den Jahren 2006 und 2012 zu dem Resultat gekommen, dass der Bau der Autobahn nicht nur zu teuer, sondern auch wirtschaftlich unrentabel sein würde. Montenegros ehemaliger Regierungschef Djukanovic blieb stur und wendete sich 2014 an die Volksrepublik China. Dort stieß er auf offene Ohren. 944 Millionen Euro stellte die staatliche Export-Import-Bank als Kredit zur Verfügung, etwa ein Viertel der montenegrinischen Staatsschulden. Den Bau übernahm die China Road and Bridge Corporation, ein ebenfalls staatliches Unternehmen. Die Opposition beklagte, dass Details der Abmachung verschwiegen worden seien und witterte Korruption.

In dieser Woche sah sich sogar die chinesische Botschaft in Montenegros Hauptstadt Podgorica dazu genötigt, in einer Stellungnahme alle Schuld von der Volksrepublik abzuweisen. Die geologische Beschaffenheit der Route liefe einer schnellen Konstruktion zuwider und sei der Grund für die hohen Kosten des Baus. Zudem seien die Bedingungen des Kredits mit nur zwei Prozent Zinsen sehr günstig gewesen. Mehr als die Hälfte des von China finanzierten Autobahnabschnitts benötigt den Bau von Tunneln und Brücken.

“Konkretes Beispiel” für misslungene Finanzhilfe aus China

“Auf den ersten Blick hat die EU die Wahl zwischen zwei schlechten Entscheidungen”, sagt Matej Šimalčík, Direktor des Central European Institute of Asian Studies in Bratislava. “Wenn sie eingreift, könnten andere Staaten der Region auf die Idee kommen, Teile ihrer Schulden von Europa finanzieren zu lassen. Tut sie es nicht, hat sie bald vielleicht schon einen bankrotten Staat an ihrer Außengrenze.” Doch Šimalčík hält auch ein positives Szenario im Bereich des Möglichen. “Wenn die EU es dagegen richtig spielt, kann sie ein Image als Retter in der Not in einer Region aufbauen, in der sie auf viel Skepsis trifft. Und sie hat jetzt ein konkretes Beispiel, auf das sie verweisen kann, dass chinesische Finanzhilfe nicht unbedingt eine gute Lösung sein muss. Bislang war das eher ein abstraktes Szenario.”

Schon im September vergangenen Jahres waren Forscher aus Nordmazedonien, einem weiteren EU-Beitrittskandidaten des Westbalkans, in einer Studie für das Institut für Demokratie “Societas Civilis” (IDSCS) in Skopje zu einem kritischen Urteil gekommen, was die Finanzierung durch chinesisches Kapital im Land angeht. Das “korrosive Kapital” aus China bedrohe demokratisch etablierte Institutionen und die Marktwirtschaft, heißt es dort. “Es scheint, dass Chinas Arbeitsweise dem politischen und wirtschaftlichen Modell und den liberalen Werten, die Nordmazedonien durch seine Allianzen (NATO) und die voraussichtliche Mitgliedschaft in der EU erreichen will, entgegengesetzt ist.”

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News

Bosch baut mit Qingling Brennstoffzellen

Automobilzulieferer Bosch baut künftig mit dem Nutzfahrzeughersteller Qingling Motors Brennstoffzellen für den chinesischen Markt. Mit dem Gemeinschaftsunternehmen Bosch Hydrogen Powertrain Systems in Chongqing sollen Brennstoffzellen-Systeme für den Markt in China entwickelt, montiert und vermarktet werden, gab das Unternehmen gestern bekannt. Damit sollen künftig laut Mitteilung “möglichst alle” chinesischen Fahrzeughersteller mit Brennstoffzellen-Systemen beliefert werden.

“Das Ziel ist, die Technologie- und Marktexpertise beider Partner zu bündeln und zur Entwicklung des Brennstoffzellen-Marktes im Land sowie zur Transformation der dortigen Automobilindustrie beizutragen”, teilte Bosch mit. Dafür benötigte Komponenten wie Brennstoffzellen-Stack, Luftkompressoren sowie Steuergeräte mit Sensoren kommen demnach überwiegend aus dem Werk in Wuxi in Jiangsu. Dort soll der Mitteilung zufolge in diesem Jahr noch die Kleinserienfertigung beginnen. Der Marktstart des Brennstoffzellen-Systems ist für 2022/2023 geplant.

China sei der wichtigste Wachstumsmarkt für die Elektromobilität (mehr dazu im China.Table), so das Unternehmen. Für 2021 kündigte der Automobilzulieferer zudem eine Testflotte von 70 Qingling-Lastwagen mit der eigenen Brennstoffzellen-Technologie an. “Innovative Technologien und strategische Partnerschaften sind der ideale Treibstoff, um zügig das Ziel eines möglichst klimaneutralen Straßenverkehrs zu erreichen”, sagte Stefan Hartung, Bosch-Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions. “Gerade bei großen, schweren Fahrzeugen, die lange Strecken zurücklegen, bietet die Brennstoffzelle klare Vorteile gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb”, so Hartung.

Bis 2035 möchte der chinesische Staat eine Million Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auf den Straßen haben, wobei der Fokus zunächst auf Nutzfahrzeugen, Lastwagen und Bussen liegen soll (wie China.Table berichtete). Die Olympischen Winterspiele 2022 sind dabei das erste große Vorzeigeprojekt. An den Spielstätten sollen bereits 1800 Busse mit Brennstoffzellen unterwegs sein. ari

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Jia Yueting: Lebenslanges Börsenverbot für flüchtigen Unternehmer

Chinas Wertpapieraufsichtsbehörde CSRC hat nach Betrugsvorwürfen ein lebenslanges Handelsverbot an der Börse gegen den Geschäftsmann und LeEco-Gründer Jia Yueting ausgesprochen. Die CSRC hatte einen Tag zuvor bereits gegen Jia und die Video-Streaming-Seite Leshi Bußgelder in Höhe von jeweils 240 Millionen Yuan (36,7 Millionen US-Dollar) verhängt. Leshi soll zehn Jahre lang Gewinne gefälscht und 2010 Tatsachen in seiner IPO-Broschüre zum Börsengang an der Technologiebörse Shenzhen nicht wahrheitsgemäß gemeldet haben.

Jia, der einst als einer der vielversprechendsten Unternehmer in der Technologiebranche gefeiert wurde, wollte es gleichzeitig mit Netflix, Tesla und Apple aufnehmen. Er gründete 2014 Faraday Future, um E-Autos zu bauen, die schon 2018 auf den Markt kommen sollten – stattdessen musste Jia jedoch 2019 aus den USA Insolvenz anmelden. Dorthin war der heute 48-Jährige im Sommer 2017 geflohen und ist seitdem nicht mehr nach China zurückgekehrt. Jia Yueting soll Schulden in Höhe von 11,9 Milliarden Yuan (1,7 Milliarden US-Dollar) in seinem Heimatland hinterlassen haben und wurde daher von den chinesischen Behörden auf eine schwarze Liste gesetzt.

Leshi, ein Video-Streaming-Dienst, der mit Netflix konkurrieren wollte, hat ebenfalls massive Schuldenprobleme, nachdem der Mutterkonzern LeEco nach Jahren aggressiver Expansion in Geldnot geraten war. niw

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Bundestagsausschuss: Chinas Kreditlinie beibehalten

Der Entwicklungsausschuss des Bundestags hat es abgelehnt, die von der Weltbankgruppe bis 2025 gewährte Kreditlinie für China schnellstmöglich einzustellen. Ein entsprechender Antrag der FDP-Fraktion sei gestern abgelehnt worden, teilte der Ausschuss mit. Konkret ging es dabei um ein im Dezember 2019 von der Weltbank an China eingeräumtes Kreditpaket mit einem jährlichen Volumen zwischen eins bis 1,5 Milliarden US-Dollar.

Die FDP hatte gefordert, diese frei werdenden Mittel Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen, denen durch hohe Zinsen chinesischer Kredite die Überschuldung droht. Die Fraktion kritisierte demnach “eine intransparente Kreditvergabepraxis Chinas an Entwicklungsländer” und warf der Volksrepublik vor, diese in die Überschuldung zu treiben.

CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen lehnten die Initiative jedoch ab, die AfD enthielt sich. Die SPD-Fraktion betonte der Mitteilung zufolge, dass die Weltbank “großes Interesse daran habe, China Kredite zu geben”. Denn diese seien “profitabel und ermöglichten es, zinsverbilligte Kredite an andere Länder zu vergeben”. Dass die Kreditvergabe durch China intransparent sei, rügten jedoch auch die Sozialdemokraten.

Die Grünen-Fraktion betonte demnach, die geostrategischen Ambitionen Chinas seien “zweifellos eine Bedrohung”. Es wäre jedoch falsch, die Volksrepublik deshalb aus der Weltbank auszuschließen.  ari

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Rheinmetall eröffnet Tech-Center in Nanjing

Der Rüstungskonzern und Automobilzulieferer Rheinmetall AG investiert weiter in China: Die zum Konzern gehörende KS Kolbenschmidt GmbH hat zusammen mit ihren Kooperationspartnern, dem chinesischen Autozulieferer ZYNP und der Riken Corporation aus Japan, Ende März ein neues Technologiecenter in Nanjing eröffnet, wie Rheinmetall mitteilte.

Von dort aus soll demnach ein nationales Team für Entwicklung und Vertrieb aufgebaut werden. Außerdem sollen Spezialist:innen für Kolbengesamtsysteme unter der Leitung von Führungskräften aus Deutschland, China und Japan ausgebildet werden. Ziel sei es zudem, die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen und den regionalen Kundenservice zu verbessern, so der Konzern.

Die zu ZYNP gehörende ZNKS Automotive New Power System Co. Ltd. produziert und verkauft dem Unternehmen zufolge in China seit 2018 Nutzfahrzeug-Stahlkolben unter dem Markennamen KS Kolben­schmidt. Mit dem japanischen Kolbenringhersteller Riken besteht demnach seit 2015 eine Kooperation. bw

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Standpunkt

Wie China seiner eigenen Wirtschaft schadet

Von Minxin Pei
Minxin Pei über den Fünfjahresplan
Minxin Pei

Anfang letzten Monats hat Chinas Absegnungslegislative, der Nationale Volkskongress, offiziell den 14. Fünfjahresplan des Landes genehmigt. Damit sollte gezeigt werden, dass China eine langfristige wirtschaftliche Vision hat, mit der das Land wachsen und gedeihen kann – trotz seines geopolitischen Wettbewerbs mit den Vereinigten Staaten. Aber noch bevor die Tinte auf dem Stempel des Volkskongresses trocken war, hat China bereits begonnen, die Erfolgschancen des eigenen Plans zu sabotieren.

Das Kernstück des 14. Fünfjahresplans ist die Strategie der “zwei Kreisläufe”, laut derer China beabsichtigt, sein Wachstum auf Inlandsnachfrage und technologische Eigenständigkeit zu gründen. So verringert das Land nicht nur seine Abhängigkeit von externer Nachfrage, sondern erhöht auch den Druck auf seine größten Handelspartner (mit Ausnahme der USA), weiterhin auf die immer hochwertigeren chinesischen Märkte und Produzenten zugreifen zu können.

CAI-Abkommen spaltet EU und USA

Diese Strategie verfolgt China bereits seit einiger Zeit. Insbesondere hat Präsident Xi Jinping Ende letzten Jahres mit der Europäischen Union ein umfassendes Investitionsabkommen, das Comprehensive Agreement on Investment (CAI) geschlossen. Um es zu bekommen, musste er einige Zugeständnisse machen, aber es war die Sache wert: Das Abkommen bietet ihm die Möglichkeit, nicht nur die Verbindungen zwischen China und der EU zu vertiefen, sondern auch einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben.

Aber Xi untergräbt jetzt seine eigene gute Arbeit, indem er die Beziehungen zu einigen wichtigen Handelspartnern vergiftet. In den letzten Wochen hat China mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments, britische und kanadische Parlamentarier sowie Akademiker und Forschungsinstitutionen aus Europa und Großbritannien auf eine schwarze Liste gesetzt.

Sicherlich waren diese Sanktionen als Vergeltung gedacht: Vorher hatten die EU, Großbritannien und Kanada ein paar chinesische Politiker sanktioniert, die mit den andauernden Menschenrechtsverletzungen der größtenteils muslimischen uigurischen Minderheit in der Provinz Xinjiang in Verbindung standen. China sanktioniert seine Kritiker, um seine Entrüstung über diese Anschuldigungen zum Ausdruck zu bringen, die es als politisch motivierte Lügen bezeichnet. Aber welche Botschaft diese Sanktionen auch senden sollen, sie sind ihren Preis wahrscheinlich nicht wert.

Wirtschaftliche Abkoppelung droht

Bis jetzt haben sich Kanada, Europa und Großbritannien hinsichtlich der sino-amerikanischen Rivalität relativ neutral verhalten – und es liegt im Interesse Chinas, dass dies so bleibt. Eine wirtschaftliche Abkopplung von den USA kann sich das Land leisten (obwohl sie teuer wird). Was es sich nicht leisten kann, ist eine gleichzeitige Abkopplung von allen anderen großen westlichen Volkswirtschaften.

Bereits jetzt steht das CAI unter Druck. Es muss immer noch vom Europäischen Parlament ratifiziert werden. Aber aus Protest gegen die chinesische Sanktionierung einiger seiner Mitglieder hatte das Parlament zuletzt ein Treffen abgesagt, bei dem über das Abkommen diskutiert werden sollte. Einige Abgeordnete argumentieren nun, China müsse die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation über Zwangsarbeit ratifizieren, bevor das CAI verabschiedet wird.

Westliche Marken werden abgestraft

Zusätzlich untergräbt China seine wirtschaftlichen Aussichten, indem es Privatunternehmen dafür bestrafen will, dass sie sich öffentlich über die Zwangsarbeitsvorwürfe Sorgen machen. So hat die schwedische Bekleidungskette H&M letztes Jahr angekündigt, sie werde keine Baumwolle aus Xinjiang mehr verwenden, weil es zu schwierig sei, dort “zuverlässige Prüfungen” durchzuführen. Als sich die Diskussionen über Baumwolle aus Xinjiang nun aufheizten, kam H&Ms Erklärung wieder zum Vorschein – und stieß auf heftige Kritik. Chinas führende E-Commerce-Unternehmen entfernten H&M-Produkte von ihren Plattformen, und chinesische Berühmtheiten kündigten ihre Verträge mit der Marke. Auch andere Textilhersteller waren betroffen.

China scheint optimistisch zu sein, seine Unterdrückungstaktiken durchsetzen zu können. Immerhin wollen die westlichen Konzerne nicht aus dem wichtigen chinesischen Wachstumsmarkt ausgeschlossen werden. Trotzdem könnte China sein Blatt überreizt haben. Ebenso wie die westlichen Konzerne ihre Waren an chinesische Kunden verkaufen möchten, brauchen chinesische Unternehmen diese Konzerne, um sie mit Vorprodukten versorgen zu können. Insofern sind beide Seiten voneinander abhängig.

Multinationale Konzerne mögen aufgrund der Größe der chinesischen Märkte zwar kompromissbereit sein, aber es lohnt sich für sie nicht, dafür ihren Ruf im Westen aufs Spiel zu setzen, wo sie immer noch den größten Teil ihrer Umsätze machen. Mit anderen Worten, H&M kann es sich leisten, den Zugang zum chinesischen Markt zu verlieren. Aber die 621 chinesischen Lieferanten des Konzerns können es sich vielleicht nicht leisten, H&M als Kunden zu verlieren. Allgemeiner betrachtet würde ein Exodus westlicher Konzerne aus China unweigerlich dazu führen, dass sich auch die ihnen vorgeschalteten Lieferketten verschieben. Dann müssten chinesische Fabriken schließen und Millionen Arbeitskräfte entlassen.

Aus Fehlern lernen

Es ist immer noch Zeit für die chinesische Regierung, ihren Kurs zu ändern. Dies bedeutet zunächst, unabhängigen Experten zu erlauben, die Baumwollfarmen in Xinjiang zu inspizieren. Aber eine derart vernünftige Reaktion dürfte unwahrscheinlich sein, und dies nicht zuletzt deshalb, weil die chinesischen Politiker weiterhin glauben, ihr Markt sei zu wichtig, um aufgegeben zu werden. Sie sollten sich aber auch daran erinnern, dass sie vor nicht allzu langer Zeit absolut sicher waren, die USA könnten sich keine wirtschaftliche Abkopplung von China leisten. Damals lagen sie falsch, und auch heute könnten sie falsch liegen. Der Unterschied ist, dass sich China diesmal selbst keine Abkopplung leisten kann. (Aus dem Englischen von Harald Eckhoff.)

Minxin Pei ist Professor für Staatslehre am Claremont McKenna College und Non-Resident Senior Fellow des German Marshall Fund of the United States. Copyright: Project Syndicate, 2021.www.project-syndicate.org

  • 14. Fünfjahresplan
  • CAI
  • China-Sanktionen
  • Dual Circulation
  • KP Chinas
  • Lieferketten
  • Minxin Pei

Dessert

Das Projekt The People’s Map verfolgt Chinas internationale Aktivitäten – wo ist die Volksrepublik am Bau einer Bahnstrecke beteiligt? Wo an Kraftwerken oder Pipelines? Die Macher:innen der Karte sammeln dafür auch Daten aus der Zivilgesellschaft. Mithilfe eines interaktiven Open-Access- und Online-Kartenformats arbeiten sie mit Nichtregierungsorganisationen, Journalist:innen, Gewerkschaften, Wissenschaftler:innen und der Öffentlichkeit zusammen, um die Dimensionen des globalen Agierens von China in den Regionen zu zeigen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Minxin Pei: Wie China seiner eigenen Wirtschaft schadet

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    dass China eine Bedrohung ist, darüber sind sich Demokraten wie auch Republikaner in den USA einig. Gemeinsam haben US-Senatoren, wie Felix Lee analysiert, die “Lex China” vorgestellt. Sie hat zum Ziel, den globalen Einfluss der Volksrepublik einzudämmen. Dafür plant Washington, viel Geld in die Hand zu nehmen, betont vor allem seine Unterstützung für Taiwan und fordert Aufklärung der geschlechtsspezifischen Gewalt gegenüber der uigurischen Minderheit in Xinjiang.

    Wenn die Marktregulierungsbehörde ruft, dann ist es vorbei mit dem Laisser-faire. Christiane Kühl untersucht, wie die beiden größten Technologieplattformen Alibaba und Tencent ihre bisherigen Grabenkämpfe beilegen, um innerhalb der Gnadenfrist der Kartellbehörde zumindest reumütig zu wirken.

    Montenegro kann seine Schulden an China nicht zurückzahlen. Die Hilferufe des kleinen Staates im Westbalkan stoßen bei der EU-Kommission jedoch auf taube Ohren. Marcel Grzanna hat sich umgehört, warum Peking die Kosten für eine Autobahn von der Adriaküste bis nach Serbien finanziert hat und wie sie damit die EU noch mehr spalten könnte.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

    Ihre
    Ning Wang
    Bild von Ning  Wang

    Presseschau

    US pushes Japan to back Taiwan at Biden-Suga summit FT PAY
    Commons to vote on declaration of genocide in Xinjiang province THE GUARDIAN
    Women’s rights in China: closure of feminist Douban channels sparks anger SCMP
    China’s digital currency is a threat to dollar dominance FT
    Whitsun Reef: Philippines files new diplomatic protest against China SCMP
    Als Gegengewicht zu China: Europaparlament fordert enge Partnerschaft mit Indien HANDELSBLATT
    Kerry in China – Letzte Hoffnung Klimaschutz TAGESSCHAU
    Wie Biden China auf die Probe stellt FAZ
    China bringt die Welt in Gefahr T-ONLINE
    Konfrontation China gegen USA: “Wir müssen verhindern, dass wir in einen großen Krieg hineinschlittern”, meint US-Admiral James Stavridis SPIEGEL PAY
    Bosch will China jetzt mit der Brennstoffzelle aufrollen FAZ

    Analyse

    US-Senatoren planen “Lex China”

    Noch ist es ein Entwurf. Aber er schlägt schon jetzt hohe Wellen. Die jüngsten Militärmanöver der chinesischen Volksbefreiungsarmee im Luftraum von Taiwan sind womöglich eine erste Antwort darauf. Es geht um das sogenannte “Strategic Competition Act”, ein Gesetzentwurf den der einflussreiche Vorsitzende des Senatsausschusses für Außenpolitik, Bob Menendez (Demokraten) zusammen mit Senator Jim Risch (Republikaner) parteiübergreifend vergangene Woche auf den Weg gebracht haben. Das Gesetz soll kommende Woche zunächst im Ausschuss selbst verabschiedet werden, anschließend im Senat debattiert werden. 

    Das Vorhaben hat es in sich. Sollte es tatsächlich in naher Zukunft durch beide Kammern im Kongress gehen – es wäre ein Gesetz, das explizit dem globalen Einfluss Chinas entgegenwirken soll. Und zwar gleich auf mehreren Ebenen. 

    Ganz konkret geht es um mehrere Milliarden US-Dollar, die die US-Regierung für eine Reihe von Initiativen bereitstellen soll. Davon sollen 655 Millionen Dollar an das US-Militär zur Aufrüstung im Indopazifik gehen. Rund 450 Millionen Dollar sind in dem Entwurf vorgesehen, um die freie Schifffahrt insbesondere im Südchinesischen Meer zu gewährleisten.

    Amerikanisches Gegengewicht zur Seidenstraße

    Zudem sollen rund 75 Millionen Dollar in ein Infrastruktur-Programm im Indopazifik fließen – quasi als Gegengewicht zur chinesischen Belt and Road Initiative. Weitere rund 100 Millionen Dollar können einem Programm zugute kommen, das vor allem die digitale Infrastruktur in der Region fördert – garantiert datensicher vor China, so zumindest ist es in dem Entwurf formuliert. 

    Das Gesetz will auch den Druck auf Peking wegen des mutmaßlichen Diebstahls von geistigem Eigentum erhöhen. Unter anderem soll der US-Außenminister dazu verpflichtet werden, künftig jedes Jahr eine Liste aller chinesischen Staatsunternehmen zu veröffentlichen, die vom Diebstahl geistigen Eigentums profitieren und damit den USA schaden.

    All diese Punkte klingen zunächst einmal wenig spektakulär – zumal China für den Ausbau seiner weltweit geplanten Infrastruktur in den kommenden Jahren das Hundert-, wenn nicht gar das Tausendfache ausgibt. Doch das, so die Verfasser, soll nur ein Anfang sein.

    Langfristige Strategie zur Einhegung des Rivalen

    Was der Vorstoß der beiden einflussreichen Senatoren so brisant macht: Der Entwurf enthält einige klare politische Komponenten. So soll die US-Regierung dazu verpflichtet werden, Berichten über geschlechtsspezifische Gewalt gegen die Uiguren in der Provinz Xinjiang nachzugehen. Bislang gilt dies nur für Inhaftierungen und andere Misshandlungen der muslimischen Minderheit.

    Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in Xinjiang mindestens eine Million Angehörige der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten in Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. Der Gesetzesentwurf sieht auch eine stärkere Unterstützung Taiwans durch die USA vor – was der chinesischen Führung besonders ein Dorn im Auge ist (China.Table berichtete).

    Zudem sollen rund 300 Millionen Dollar in einen speziellen Fonds fließen, der sich explizit gegen die Bemühungen der Kommunistischen Partei zur Förderung ihres autoritären Modells im Ausland wendet. Und 15 Millionen Dollar sollen dazu beitragen, US-Unternehmen die Abkehr vom chinesischen Markt zu vereinfachen. Sie können mit den Subventionen Lieferanten in anderen Ländern anwerben und auf alternative Märkte ausweichen. Unverhohlen formuliert Senator Menendez auch sein Motiv: “Die US-Regierung muss die Absichten und Handlungen Pekings klar und nüchtern betrachten und unsere Politik und Strategie entsprechend anpassen.” 

    Konsens in der Chinapolitik verdichtet sich

    Ob der insgesamt 280-seitige Gesetzentwurf der beiden Senatoren exakt in dieser Form durchkommt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht eindeutig beantworten. 

    Präsident Joe Biden hat zwar in vielen Bereichen eine Abkehr von der Politik seines Vorgängers Donald Trump eingeleitet. In der China-Politik hält aber auch er an einem harten Kurs fest. Im Politikbetrieb von Washington selbst gibt es überparteilich den Konsens, dass China unter seiner derzeitigen Führung eine ernsthafte Bedrohung für die Werte und Interessen der USA darstellt.

    Die Parteibasis von Bidens Demokraten scheint in der Frage allerdings stärker gespalten zu sein als die Republikaner. Einer kürzlich vom Pew Research Center durchgeführten Umfrage zufolge betrachten 54 Prozent der Republikaner China als “Feind”. Bei den Demokraten sind es lediglich 20 Prozent.

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    Druck aus Peking: Alibaba platziert Dienste auf Plattform von Tencent

    Alibaba war nur der Anfang. Am Dienstag riefen die drei wichtigsten Aufsichtsbehörden für den Technologie-Sektor 34 der größten chinesischen Internetfirmen zu einer Standpauke zusammen – Warnungen inbegriffen. Man werde bei Fehlverhalten keine Gnade zeigen, teilten die Beamten Marktgrößen wie Tencent, Meituan oder Bytedance mit. Die Firmen wurden aufgefordert, ihr Geschäftsgebaren zu prüfen und anzupassen. Seit November 2020 hatte Peking schrittweise die einst lockeren Monopolregeln angepasst. Nun steigt der direkte Druck auf die Firmen.

    Alibaba muss wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Position eine Strafe in Höhe von vier Prozent seines inländischen Umsatzes von 2019 zahlen: Rund 2,3 Milliarden Euro. Anfang der Woche beantragte die Finanztochter Ant Group gezwungenermaßen die Umwandlung in eine Finanzholding. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet unter Berufung auf anonyme Quellen, dass Alibabas Erzrivale Tencent als nächstes dran sei.

    Alibaba und Tencent drängen auf gegnerisches Territorium

    Zwölf Firmen – darunter JD.com, Meituan and Bytedance – gelobten gestern öffentlich, sich an die neuen Regeln zu halten. Tencent und Alibaba schweigen noch. Doch sie leiten offenbar Schritte ein, mit denen sie auf den Druck aus Peking reagieren. So planen sie erstmals eine Öffnung für die gegenseitigen Dienste. Damit würden sie eine der Forderungen erfüllen – nämlich dass Händler und Dienste nicht zu Exklusivität gezwungen werden dürfen.

    Tencent und Alibaba betreiben seit jeher voneinander abgeschottete Ökosysteme. Direkte Verlinkungen von Angeboten zwischen beiden sind unmöglich – ein auf Tencent-Apps erschienener Link muss mithilfe von Copy-Paste bei Alibaba eingesetzt werden -, ebenso wie die Nutzung der Online-Bezahlsysteme des jeweils anderen. Alibaba kommt aus dem Online-Handel, Tencent wurde mit Videospielen und Sozialen Medien groß.

    Doch beide drängen seit Jahren auf das gegnerische Territorium. So stieg 2017 Tencents Super-App Wechat in den E-Commerce ein, als sie ihre Mini-Programme für Läden und Cafés einführte. WeChat hat mehr als eine Milliarde Nutzer:innen, die damit chatten, bezahlen, Bahntickets kaufen, Strom zahlen und eben auch über die Mini-Programme in E-Shops einkaufen.

    Alibaba muss WeChat Pay akzeptieren

    Nun hat Alibaba zwei seiner Shopping-Plattformen, Taobao Deals und Xinyu, für exakt diese Mini-Programme bei Tencents Wechat angemeldet – und diese auch bereits getestet. Alibaba habe dafür bereits Online-Händler eingeladen, berichtet Bloomberg.

    Der eigentliche Durchbruch dabei ist: Alibaba muss akzeptieren, dass eine Bezahlung mit Wechat Pay möglich ist. Auf Alibabas webbasierten Online-Kaufhäusern Tmall und Taobao funktioniert nur das von Alibaba-Tochter Ant Financial gemanagte Alipay. Genau das wollen die Behörden aufbrechen. Wechat Pay und Alipay dominieren weit über 90 Prozent des chinesischen Marktes für Online-Bezahlsysteme. Tencent muss nun die Anträge von Alibaba genehmigen. Beide Firmen äußerten sich dazu zunächst nicht.

    “Die Aufsichtsbehörden gaben chinesischen Online-Plattformen ein einmonatiges Zeitfenster, um ihre unfairen Praktiken zu korrigieren und die Compliance zu verbessern. Ich denke, das ist eine Form von Nachsicht”, schrieb die Hongkonger Juraprofessorin Angela Zhang auf Twitter. Sie hat gerade ein Buch zu dem Thema mit dem Titel “Chinese Antitrust Exceptionalism” (Chinesischer Kartell-Ausnahmefall) geschrieben. Es ist eine Gnadenfrist.

    “Wähl einen von zwei”-Verträge

    Gemäß den Anfang Februar veröffentlichten, endgültigen Kartell-Richtlinien für die Plattformwirtschaft verstoßen dominante Firmen gegen Kartellvorschriften, wenn sie technische Barrieren, Algorithmen, Traffic-Beschränkungen oder andere Strafmaßnahmen einsetzen, um Transaktionen mit Wettbewerbern zu begrenzen. Dazu gehören – wie die Marktregulierungsbehörde am Dienstag nach dem Treffen mit den 34 Firmen mitteilte – die “Wähl einen von zwei” genannten Knebelverträge. Zu diesen gehören etwa die Bindung von Online-Shops an nur eine Plattform, der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, feindliche Übernahmen von Top-Playern in Marktnischen, die Weitergabe von Kundendaten, Steuerhinterziehung sowie der Missbrauch von Big Data mit dem Zweck, bestimmten Kunden unfaire Preise in Rechnung zu stellen. Es klingt wie die Vorwürfe gegen US-Techgiganten.

    Alibaba und Tencent haben über die Jahre haufenweise vielversprechende Startups aufgekauft oder in sie investiert, um ihre Reichweite zu vergrößern. Nur wenige Unternehmen – darunter Tiktok-Eigentümer Bytedance – sind auch ohne Allianz mit einem der beiden Riesen groß geworden. Bytedance verklagte Tencent im Februar wegen Verstoßes gegen das Kartellgesetz – mit dem Vorwurf, Tencent habe auf Wechat und der Chat-App QQ den Zugang zu Inhalten von Douyin – Tiktoks chinesischem Pendant – blockiert.

    Diese Käufe und Investments fachten derweil die Rivalität zwischen Tencent und Alibaba weiter an. So hat Tencent in JD.com und Pinduoduo investiert, deren E-Commerce-Marktplätze direkt mit Alibaba konkurrieren. Auch unterstützt das Unternehmen die Alleskönner-App Meituan, die von Restaurantbuchungen, Kinokarten und Leihfahrrädern so ziemlich alles anbietet – und mit Alibabas Restaurant-Lieferservice Ele.me konkurriert.

    Ein Benutzer verklagte 2020 Meituan mit dem Vorwurf, es hindere Kunden daran, auf der Plattform mit Alipay zu zahlen. Die Klage läuft laut Bloomberg noch. Die – nun möglicherweise bald auf Wechat verfügbare – Taobao Deals-App von Alibaba erfüllt mit ihren günstigeren Angeboten die wachsenden Konsumbedürfnisse in den kleineren Städten Chinas – und zielt zugleich darauf ab, auf diesen Märkten den von Tencent unterstützten Rivalen Pinduoduo abzuwehren.

    Aus für die private Plattform-Ökonomie?

    Tencent war am Freitag gemeinsam mit anderen Techfirmen, darunter etwa die Ride-Hailing-Firma Didi, zu 500.000 Yuan Strafe verdonnert worden, weil sie Übernahmedeals von 2018 nicht ordnungsgemäß angezeigt hatten. “Wir werden weiter daran arbeiten, uns an Änderungen im regulatorischen Umfeld anzupassen, die wir als vorteilhaft für die Branche betrachten – und versuchen, die vollständige Einhaltung sicherzustellen“, versprach Tencent in einer Reaktion auf die Geldbuße. Da wird Tencent ebenso wie Alibaba einiges zu tun haben.

    Das Aus für die private Plattform-Ökonomie soll all das nach Ansicht von Experten aber nicht bedeuten. “Die chinesische Regierung nutzt das Kartellrecht, um Einfluss auf die Tech-Giganten auszuüben – nicht, um sie zu sabotieren”, twitterte Angela Zhang. Ministerpräsident Li Keqiang betonte auf dem Nationalen Volkskongress im März, dass Peking “Innovation und Entwicklung der Plattformfirmen” weiter unterstütze – solange sie sich an die Gesetze halten.

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    EU als Retter in der Not? China will sein Geld zurück

    Milo Djukanovic ist seit Jahrzehnten die wohl einflussreichste Persönlichkeit seines Heimatlandes Montenegro. Er war mehrfach Premierminister und ist derzeit zum zweiten Mal Staatspräsident. Sein großer Traum ist es offenbar, dem kleinen Land im Westbalkan eine Autobahn zu hinterlassen, die von der Adriaküste quer durchs Land bis an die serbische Grenze führt, rund 170 Kilometer lang.

    Der Plan geht möglicherweise nach hinten los. Statt freier Fahrt in Richtung Wohlstand droht Montenegro der Verlust eines Teils seiner wirtschaftlichen Souveränität. Nutznießer könnte die Volksrepublik China werden, die einen Teil des kontroversen Baus finanziert und jetzt ihre Schulden eintreiben will. Ab Juli muss Montenegro zurückzahlen. Das Problem: Die Autobahn ist längst noch nicht fertig. Einnahmen durch Maut und eine höhere Wirtschaftsleistung durch die Beschleunigung der Logistik liegen noch in weiter Ferne. Auch die Tourismusbranche an der Küste kann noch lange nicht von der Autobahn profitieren, zumal Corona das Reisen zurzeit ohnehin extrem einschränkt.

    Montenegro fürchtet deshalb, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen zu können und den Chinesen als Vertragsstrafe schmerzhafte Zugeständnisse machen zu müssen. So wie beispielsweise Sri Lanka, das der Volksrepublik große Teile seines Hafens Hambantota für 99 Jahre gegen eine Leasing-Gebühr überlassen muss, weil es seine Schulden nicht ausreichend bedienen konnte. Montenegros neue Regierung, die seit Dezember vergangenen Jahres im Amt ist, wendete sich deshalb mit einem Hilfegesuch an die EU-Kommission in Brüssel. Doch dort sieht man offenbar keinen Anlass, diesem stattzugeben – am Montag erteilte Brüssel eine Absage. Man stehe Montenegro und der Region hilfreich zur Seite, aber man werde nicht die Schulden übernehmen, die gegenüber Drittstaaten auflaufen.

    Hilfsgesuch von der pro-europäischen Fraktion

    Viola von Cramon, Balkan-Expertin der Grünen im Auswärtigen-Ausschuss des Europaparlaments, hält die Entscheidung für falsch. Sie fürchtet, die EU-Kommission spielt den Chinesen in die Karten. Im Gespräch mit China.Table sagt von Cramon: “Die Bitte wurde aus der pro-europäischen Fraktion innerhalb der neuen montenegrinischen Regierung an Brüssel herangetragen. Es wäre wichtig, einen Weg zu finden, diesen pro-europäischen Kräften zu helfen. Zumal diese Hilfe an Bedingungen geknüpft werden könnte, die im Interesse der EU liegen.”

    Montenegro ist einer der aussichtsreichsten EU-Beitrittskandidaten der Region, der schon in wenigen Jahren Teil der Union werden könnte. Das Land wird von der EU durch die sogenannten IPA-Mittel unterstützt. Das sind Vorbeitrittshilfen, die zur Förderung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen eingesetzt werden sollen. Insgesamt fließen neun Milliarden Euro für den Zeitraum 2021 bis 2027 in den Westbalkan, die allerdings nicht zur Schuldentilgung eingesetzt werden dürfen.

    Zurzeit gilt Montenegro als Hybridstaat, der sowohl demokratische, als auch autoritäre Elemente aufweist. Von Cramon sieht die Chance, die Entwicklung Montenegros zu einer vollen Demokratie zu beschleunigen, wenn zusätzliche Hilfen an strenge Bedingungen geknüpft würden: “Aber mit so einer drastischen Absage aus Brüssel hat Montenegro intern ein Problem und wir damit langfristig auch.”

    Für China ist politischer Einfluss in Montenegro nicht nur wegen des Zugangs zum Mittelmeer von großem Interesse. Mit einer möglichen Aufnahme des Landes in die EU würde Peking einen weiteren Mitgliedstaat viel enger an sich binden, als es Brüssel recht sein kann. Der griechische Hafen Piräus steht bereits seit der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren zunehmend unter chinesischer Kontrolle. “Damals hat die EU die Unterstützung für Griechenland völlig verschlafen und zahlt dafür einen hohen Preis, indem dort nun vornehmlich chinesische statt europäische Handelsinteressen verfolgt werden. Einen ähnlichen Fehler könnte die EU jetzt erneut begehen”, warnt von Cramon.

    China will Einfluss gewinnen, “teilweise mit fragwürdigen Mitteln”

    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister (CDU), teilt grundsätzlich die Sorge. China.Table teilte er mit: “Unbestritten versuchen andere Länder, wie China und Russland, ihren geopolitischen Einfluss in der Region zu erhöhen, teilweise mit fragwürdigen Mitteln.” Dennoch hält McAllister den eingeschlagenen Weg der EU für den richtigen. “Die EU setzt darauf, Investitionen mit Reformbemühungen zu begleiten, um eine nachhaltige Stabilität zu fördern.”

    Vielleicht mag in Brüssel auch der Trotz eine gewisse Rolle spielen. Die EU hatte dem umstrittenen Autobahn-Projekt einst die Finanzierung verweigert. Gleich zwei Machbarkeitsstudien waren in den Jahren 2006 und 2012 zu dem Resultat gekommen, dass der Bau der Autobahn nicht nur zu teuer, sondern auch wirtschaftlich unrentabel sein würde. Montenegros ehemaliger Regierungschef Djukanovic blieb stur und wendete sich 2014 an die Volksrepublik China. Dort stieß er auf offene Ohren. 944 Millionen Euro stellte die staatliche Export-Import-Bank als Kredit zur Verfügung, etwa ein Viertel der montenegrinischen Staatsschulden. Den Bau übernahm die China Road and Bridge Corporation, ein ebenfalls staatliches Unternehmen. Die Opposition beklagte, dass Details der Abmachung verschwiegen worden seien und witterte Korruption.

    In dieser Woche sah sich sogar die chinesische Botschaft in Montenegros Hauptstadt Podgorica dazu genötigt, in einer Stellungnahme alle Schuld von der Volksrepublik abzuweisen. Die geologische Beschaffenheit der Route liefe einer schnellen Konstruktion zuwider und sei der Grund für die hohen Kosten des Baus. Zudem seien die Bedingungen des Kredits mit nur zwei Prozent Zinsen sehr günstig gewesen. Mehr als die Hälfte des von China finanzierten Autobahnabschnitts benötigt den Bau von Tunneln und Brücken.

    “Konkretes Beispiel” für misslungene Finanzhilfe aus China

    “Auf den ersten Blick hat die EU die Wahl zwischen zwei schlechten Entscheidungen”, sagt Matej Šimalčík, Direktor des Central European Institute of Asian Studies in Bratislava. “Wenn sie eingreift, könnten andere Staaten der Region auf die Idee kommen, Teile ihrer Schulden von Europa finanzieren zu lassen. Tut sie es nicht, hat sie bald vielleicht schon einen bankrotten Staat an ihrer Außengrenze.” Doch Šimalčík hält auch ein positives Szenario im Bereich des Möglichen. “Wenn die EU es dagegen richtig spielt, kann sie ein Image als Retter in der Not in einer Region aufbauen, in der sie auf viel Skepsis trifft. Und sie hat jetzt ein konkretes Beispiel, auf das sie verweisen kann, dass chinesische Finanzhilfe nicht unbedingt eine gute Lösung sein muss. Bislang war das eher ein abstraktes Szenario.”

    Schon im September vergangenen Jahres waren Forscher aus Nordmazedonien, einem weiteren EU-Beitrittskandidaten des Westbalkans, in einer Studie für das Institut für Demokratie “Societas Civilis” (IDSCS) in Skopje zu einem kritischen Urteil gekommen, was die Finanzierung durch chinesisches Kapital im Land angeht. Das “korrosive Kapital” aus China bedrohe demokratisch etablierte Institutionen und die Marktwirtschaft, heißt es dort. “Es scheint, dass Chinas Arbeitsweise dem politischen und wirtschaftlichen Modell und den liberalen Werten, die Nordmazedonien durch seine Allianzen (NATO) und die voraussichtliche Mitgliedschaft in der EU erreichen will, entgegengesetzt ist.”

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    Bosch baut mit Qingling Brennstoffzellen

    Automobilzulieferer Bosch baut künftig mit dem Nutzfahrzeughersteller Qingling Motors Brennstoffzellen für den chinesischen Markt. Mit dem Gemeinschaftsunternehmen Bosch Hydrogen Powertrain Systems in Chongqing sollen Brennstoffzellen-Systeme für den Markt in China entwickelt, montiert und vermarktet werden, gab das Unternehmen gestern bekannt. Damit sollen künftig laut Mitteilung “möglichst alle” chinesischen Fahrzeughersteller mit Brennstoffzellen-Systemen beliefert werden.

    “Das Ziel ist, die Technologie- und Marktexpertise beider Partner zu bündeln und zur Entwicklung des Brennstoffzellen-Marktes im Land sowie zur Transformation der dortigen Automobilindustrie beizutragen”, teilte Bosch mit. Dafür benötigte Komponenten wie Brennstoffzellen-Stack, Luftkompressoren sowie Steuergeräte mit Sensoren kommen demnach überwiegend aus dem Werk in Wuxi in Jiangsu. Dort soll der Mitteilung zufolge in diesem Jahr noch die Kleinserienfertigung beginnen. Der Marktstart des Brennstoffzellen-Systems ist für 2022/2023 geplant.

    China sei der wichtigste Wachstumsmarkt für die Elektromobilität (mehr dazu im China.Table), so das Unternehmen. Für 2021 kündigte der Automobilzulieferer zudem eine Testflotte von 70 Qingling-Lastwagen mit der eigenen Brennstoffzellen-Technologie an. “Innovative Technologien und strategische Partnerschaften sind der ideale Treibstoff, um zügig das Ziel eines möglichst klimaneutralen Straßenverkehrs zu erreichen”, sagte Stefan Hartung, Bosch-Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions. “Gerade bei großen, schweren Fahrzeugen, die lange Strecken zurücklegen, bietet die Brennstoffzelle klare Vorteile gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb”, so Hartung.

    Bis 2035 möchte der chinesische Staat eine Million Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auf den Straßen haben, wobei der Fokus zunächst auf Nutzfahrzeugen, Lastwagen und Bussen liegen soll (wie China.Table berichtete). Die Olympischen Winterspiele 2022 sind dabei das erste große Vorzeigeprojekt. An den Spielstätten sollen bereits 1800 Busse mit Brennstoffzellen unterwegs sein. ari

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    Jia Yueting: Lebenslanges Börsenverbot für flüchtigen Unternehmer

    Chinas Wertpapieraufsichtsbehörde CSRC hat nach Betrugsvorwürfen ein lebenslanges Handelsverbot an der Börse gegen den Geschäftsmann und LeEco-Gründer Jia Yueting ausgesprochen. Die CSRC hatte einen Tag zuvor bereits gegen Jia und die Video-Streaming-Seite Leshi Bußgelder in Höhe von jeweils 240 Millionen Yuan (36,7 Millionen US-Dollar) verhängt. Leshi soll zehn Jahre lang Gewinne gefälscht und 2010 Tatsachen in seiner IPO-Broschüre zum Börsengang an der Technologiebörse Shenzhen nicht wahrheitsgemäß gemeldet haben.

    Jia, der einst als einer der vielversprechendsten Unternehmer in der Technologiebranche gefeiert wurde, wollte es gleichzeitig mit Netflix, Tesla und Apple aufnehmen. Er gründete 2014 Faraday Future, um E-Autos zu bauen, die schon 2018 auf den Markt kommen sollten – stattdessen musste Jia jedoch 2019 aus den USA Insolvenz anmelden. Dorthin war der heute 48-Jährige im Sommer 2017 geflohen und ist seitdem nicht mehr nach China zurückgekehrt. Jia Yueting soll Schulden in Höhe von 11,9 Milliarden Yuan (1,7 Milliarden US-Dollar) in seinem Heimatland hinterlassen haben und wurde daher von den chinesischen Behörden auf eine schwarze Liste gesetzt.

    Leshi, ein Video-Streaming-Dienst, der mit Netflix konkurrieren wollte, hat ebenfalls massive Schuldenprobleme, nachdem der Mutterkonzern LeEco nach Jahren aggressiver Expansion in Geldnot geraten war. niw

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    Bundestagsausschuss: Chinas Kreditlinie beibehalten

    Der Entwicklungsausschuss des Bundestags hat es abgelehnt, die von der Weltbankgruppe bis 2025 gewährte Kreditlinie für China schnellstmöglich einzustellen. Ein entsprechender Antrag der FDP-Fraktion sei gestern abgelehnt worden, teilte der Ausschuss mit. Konkret ging es dabei um ein im Dezember 2019 von der Weltbank an China eingeräumtes Kreditpaket mit einem jährlichen Volumen zwischen eins bis 1,5 Milliarden US-Dollar.

    Die FDP hatte gefordert, diese frei werdenden Mittel Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen, denen durch hohe Zinsen chinesischer Kredite die Überschuldung droht. Die Fraktion kritisierte demnach “eine intransparente Kreditvergabepraxis Chinas an Entwicklungsländer” und warf der Volksrepublik vor, diese in die Überschuldung zu treiben.

    CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen lehnten die Initiative jedoch ab, die AfD enthielt sich. Die SPD-Fraktion betonte der Mitteilung zufolge, dass die Weltbank “großes Interesse daran habe, China Kredite zu geben”. Denn diese seien “profitabel und ermöglichten es, zinsverbilligte Kredite an andere Länder zu vergeben”. Dass die Kreditvergabe durch China intransparent sei, rügten jedoch auch die Sozialdemokraten.

    Die Grünen-Fraktion betonte demnach, die geostrategischen Ambitionen Chinas seien “zweifellos eine Bedrohung”. Es wäre jedoch falsch, die Volksrepublik deshalb aus der Weltbank auszuschließen.  ari

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    Rheinmetall eröffnet Tech-Center in Nanjing

    Der Rüstungskonzern und Automobilzulieferer Rheinmetall AG investiert weiter in China: Die zum Konzern gehörende KS Kolbenschmidt GmbH hat zusammen mit ihren Kooperationspartnern, dem chinesischen Autozulieferer ZYNP und der Riken Corporation aus Japan, Ende März ein neues Technologiecenter in Nanjing eröffnet, wie Rheinmetall mitteilte.

    Von dort aus soll demnach ein nationales Team für Entwicklung und Vertrieb aufgebaut werden. Außerdem sollen Spezialist:innen für Kolbengesamtsysteme unter der Leitung von Führungskräften aus Deutschland, China und Japan ausgebildet werden. Ziel sei es zudem, die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen und den regionalen Kundenservice zu verbessern, so der Konzern.

    Die zu ZYNP gehörende ZNKS Automotive New Power System Co. Ltd. produziert und verkauft dem Unternehmen zufolge in China seit 2018 Nutzfahrzeug-Stahlkolben unter dem Markennamen KS Kolben­schmidt. Mit dem japanischen Kolbenringhersteller Riken besteht demnach seit 2015 eine Kooperation. bw

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    Standpunkt

    Wie China seiner eigenen Wirtschaft schadet

    Von Minxin Pei
    Minxin Pei über den Fünfjahresplan
    Minxin Pei

    Anfang letzten Monats hat Chinas Absegnungslegislative, der Nationale Volkskongress, offiziell den 14. Fünfjahresplan des Landes genehmigt. Damit sollte gezeigt werden, dass China eine langfristige wirtschaftliche Vision hat, mit der das Land wachsen und gedeihen kann – trotz seines geopolitischen Wettbewerbs mit den Vereinigten Staaten. Aber noch bevor die Tinte auf dem Stempel des Volkskongresses trocken war, hat China bereits begonnen, die Erfolgschancen des eigenen Plans zu sabotieren.

    Das Kernstück des 14. Fünfjahresplans ist die Strategie der “zwei Kreisläufe”, laut derer China beabsichtigt, sein Wachstum auf Inlandsnachfrage und technologische Eigenständigkeit zu gründen. So verringert das Land nicht nur seine Abhängigkeit von externer Nachfrage, sondern erhöht auch den Druck auf seine größten Handelspartner (mit Ausnahme der USA), weiterhin auf die immer hochwertigeren chinesischen Märkte und Produzenten zugreifen zu können.

    CAI-Abkommen spaltet EU und USA

    Diese Strategie verfolgt China bereits seit einiger Zeit. Insbesondere hat Präsident Xi Jinping Ende letzten Jahres mit der Europäischen Union ein umfassendes Investitionsabkommen, das Comprehensive Agreement on Investment (CAI) geschlossen. Um es zu bekommen, musste er einige Zugeständnisse machen, aber es war die Sache wert: Das Abkommen bietet ihm die Möglichkeit, nicht nur die Verbindungen zwischen China und der EU zu vertiefen, sondern auch einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben.

    Aber Xi untergräbt jetzt seine eigene gute Arbeit, indem er die Beziehungen zu einigen wichtigen Handelspartnern vergiftet. In den letzten Wochen hat China mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments, britische und kanadische Parlamentarier sowie Akademiker und Forschungsinstitutionen aus Europa und Großbritannien auf eine schwarze Liste gesetzt.

    Sicherlich waren diese Sanktionen als Vergeltung gedacht: Vorher hatten die EU, Großbritannien und Kanada ein paar chinesische Politiker sanktioniert, die mit den andauernden Menschenrechtsverletzungen der größtenteils muslimischen uigurischen Minderheit in der Provinz Xinjiang in Verbindung standen. China sanktioniert seine Kritiker, um seine Entrüstung über diese Anschuldigungen zum Ausdruck zu bringen, die es als politisch motivierte Lügen bezeichnet. Aber welche Botschaft diese Sanktionen auch senden sollen, sie sind ihren Preis wahrscheinlich nicht wert.

    Wirtschaftliche Abkoppelung droht

    Bis jetzt haben sich Kanada, Europa und Großbritannien hinsichtlich der sino-amerikanischen Rivalität relativ neutral verhalten – und es liegt im Interesse Chinas, dass dies so bleibt. Eine wirtschaftliche Abkopplung von den USA kann sich das Land leisten (obwohl sie teuer wird). Was es sich nicht leisten kann, ist eine gleichzeitige Abkopplung von allen anderen großen westlichen Volkswirtschaften.

    Bereits jetzt steht das CAI unter Druck. Es muss immer noch vom Europäischen Parlament ratifiziert werden. Aber aus Protest gegen die chinesische Sanktionierung einiger seiner Mitglieder hatte das Parlament zuletzt ein Treffen abgesagt, bei dem über das Abkommen diskutiert werden sollte. Einige Abgeordnete argumentieren nun, China müsse die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation über Zwangsarbeit ratifizieren, bevor das CAI verabschiedet wird.

    Westliche Marken werden abgestraft

    Zusätzlich untergräbt China seine wirtschaftlichen Aussichten, indem es Privatunternehmen dafür bestrafen will, dass sie sich öffentlich über die Zwangsarbeitsvorwürfe Sorgen machen. So hat die schwedische Bekleidungskette H&M letztes Jahr angekündigt, sie werde keine Baumwolle aus Xinjiang mehr verwenden, weil es zu schwierig sei, dort “zuverlässige Prüfungen” durchzuführen. Als sich die Diskussionen über Baumwolle aus Xinjiang nun aufheizten, kam H&Ms Erklärung wieder zum Vorschein – und stieß auf heftige Kritik. Chinas führende E-Commerce-Unternehmen entfernten H&M-Produkte von ihren Plattformen, und chinesische Berühmtheiten kündigten ihre Verträge mit der Marke. Auch andere Textilhersteller waren betroffen.

    China scheint optimistisch zu sein, seine Unterdrückungstaktiken durchsetzen zu können. Immerhin wollen die westlichen Konzerne nicht aus dem wichtigen chinesischen Wachstumsmarkt ausgeschlossen werden. Trotzdem könnte China sein Blatt überreizt haben. Ebenso wie die westlichen Konzerne ihre Waren an chinesische Kunden verkaufen möchten, brauchen chinesische Unternehmen diese Konzerne, um sie mit Vorprodukten versorgen zu können. Insofern sind beide Seiten voneinander abhängig.

    Multinationale Konzerne mögen aufgrund der Größe der chinesischen Märkte zwar kompromissbereit sein, aber es lohnt sich für sie nicht, dafür ihren Ruf im Westen aufs Spiel zu setzen, wo sie immer noch den größten Teil ihrer Umsätze machen. Mit anderen Worten, H&M kann es sich leisten, den Zugang zum chinesischen Markt zu verlieren. Aber die 621 chinesischen Lieferanten des Konzerns können es sich vielleicht nicht leisten, H&M als Kunden zu verlieren. Allgemeiner betrachtet würde ein Exodus westlicher Konzerne aus China unweigerlich dazu führen, dass sich auch die ihnen vorgeschalteten Lieferketten verschieben. Dann müssten chinesische Fabriken schließen und Millionen Arbeitskräfte entlassen.

    Aus Fehlern lernen

    Es ist immer noch Zeit für die chinesische Regierung, ihren Kurs zu ändern. Dies bedeutet zunächst, unabhängigen Experten zu erlauben, die Baumwollfarmen in Xinjiang zu inspizieren. Aber eine derart vernünftige Reaktion dürfte unwahrscheinlich sein, und dies nicht zuletzt deshalb, weil die chinesischen Politiker weiterhin glauben, ihr Markt sei zu wichtig, um aufgegeben zu werden. Sie sollten sich aber auch daran erinnern, dass sie vor nicht allzu langer Zeit absolut sicher waren, die USA könnten sich keine wirtschaftliche Abkopplung von China leisten. Damals lagen sie falsch, und auch heute könnten sie falsch liegen. Der Unterschied ist, dass sich China diesmal selbst keine Abkopplung leisten kann. (Aus dem Englischen von Harald Eckhoff.)

    Minxin Pei ist Professor für Staatslehre am Claremont McKenna College und Non-Resident Senior Fellow des German Marshall Fund of the United States. Copyright: Project Syndicate, 2021.www.project-syndicate.org

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    Das Projekt The People’s Map verfolgt Chinas internationale Aktivitäten – wo ist die Volksrepublik am Bau einer Bahnstrecke beteiligt? Wo an Kraftwerken oder Pipelines? Die Macher:innen der Karte sammeln dafür auch Daten aus der Zivilgesellschaft. Mithilfe eines interaktiven Open-Access- und Online-Kartenformats arbeiten sie mit Nichtregierungsorganisationen, Journalist:innen, Gewerkschaften, Wissenschaftler:innen und der Öffentlichkeit zusammen, um die Dimensionen des globalen Agierens von China in den Regionen zu zeigen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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