auch für Peking wirft die scheinbare Verbrüderung der unberechenbaren Diktatoren Fragen auf. Vergangene Woche trafen sich bekanntlich Wladimir Putin und Kim Jong-un auf dem Weltraumbahnhof der ostsibirischen Amur-Region. Die öffentlichkeitswirksame Annäherung, bei der sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach über Munitionslieferungen und Raketentechnologie ausgetauscht haben, beunruhigt nicht nur den Westen.
Warum hat Kim zum Beispiel seine erste Auslandsreise seit vielen Jahren nicht nach Peking unternommen, sondern nach Russland? Eine Dreier-Allianz, wie sie mancher bereits mit Schrecken an die Wand malt, dürfte jedoch unwahrscheinlich bleiben, schreibt Christiane Kühl. Dafür decken sich die Interessen der drei Diktatoren nicht genug – vom gegenseitigen Vertrauen untereinander ganz zu schweigen.
An gegenseitigem Vertrauen mangelt es ganz offenbar auch in China höchster Führungsebene. Nachdem Außenminister Qin Gang im Juli verschwand und wenig später offiziell abgesägt wurde, fehlt nun von Verteidigungsminister Li Shangfu jede Spur. Angeblich wird wegen des Verdachts der Korruption gegen ihn ermittelt.
Allerdings ist der Fall um Li Shangfu in mehrerer Hinsicht anders, analysiert Michael Radunski. Li galt als besonders enger Vertrauter Xis, mit dessen Ernennung er Spannungen im militärischen Verhältnis zu den USA in Kauf nahm. Vieles deutet jetzt darauf hin, dass es hinter den Kulissen im Machtapparat Pekings heftig rumort.
Ihr Fabian Peltsch
Analyse
Putin und Kim: Neue beste Freunde irritieren Peking
Bromance mit Kim und Putin im Weltraumbahnhof: Was sieht China in dem Treffen von Kim und Putin?
Doch Peking dürfte vom Spielfeldrand aus genau hingeschaut haben. Von den Gesprächen im Kosmodrom wurden öffentlich nur Floskeln über stärkere Kooperation bekannt gegeben. Die Vermutung lautet allseits: Nordkorea wird Russland Munition und Artilleriegeschosse für den Krieg in der Ukraine liefern und dafür Geld, Lebensmittel, Erdöl und vielleicht sogar russische Raketentechnologie und militärisches Knowhow bekommen.
Kaum Vorteile für Peking
Trotz der ähnlich antiwestlichen Einstellung Kims und Putins wird China mit Misstrauen auf die Zusammenkunft geblickt haben. Denn es gäbe an einem solchen Deal es eigentlich nur einen Aspekt, der positiv wäre für Peking. Munition aus Nordkorea könnte helfen, eine Niederlage Putins in seinem Krieg zu verhindern – ohne dass China sich selbst die Hände schmutzig machen müsste.
Doch abgesehen davon wirft die bilaterale Kuschelei der beiden eher Fragen für Peking auf. Warum hat Kim zum Beispiel seine erste Auslandsreise seit vielen Jahren nicht nach Peking unternommen, sondern nach Russland? Das ist ein kleiner Affront.
China nur am Spielfeldrand
In den USA wird bereits Furcht geäußert vor dem Entstehen eines Dreierblocks China-Russland-Nordkorea. Doch dieser ist abgesehen von der Ablehnung der US-dominierten Weltordnung bisher vor allem von individuellen Interessen geprägt, die für alle drei an erster Stelle stehen.
Russland will den Krieg gewinnen,
Kim will sein nukleares Arsenal ausbauen, und
China strebt nach einer dominanten Rolle als Anführer des globalen Südens.
Diese drei Interessen passen zumindest von China her gesehen nicht zusammen. Peking lehnt den Bau von Atombomben durch Nordkorea ab. Die chinesische Führung interessiert der Ausgang des Ukraine-Kriegs nur insoweit, als er möglichst Putin im Kreml belassen und die USA schwächen soll.
Nordkorea und Russland werden schwerer kontrollierbar
Dass China in den bilateralen Beziehungen zu Russland und Nordkorea jeweils der starke Partner ist, bedeutet zudem nicht, dass Staatschef Xi Jinping seinen unberechenbaren Counterparts Kim und Putin vertraut. Und er weiß: Eine engere Zusammenarbeit Russlands und Nordkoreas miteinander wird beider Abhängigkeit von Peking reduzieren – und sie damit noch schwerer kontrollierbar machen.
Wenn Kim Putin also nun die Waffen und Munition gibt, die Peking ihm, nach allem, was man weiß, verweigert, dann verändert sich das Gleichgewicht zwischen den drei antiwestlichen Partnern.
Kim unterstützt offen Putins Krieg
Klar ist, dass ein solcher Deal gegen das umfangreiche UN-Sanktionsregime gegen Nordkorea verstoßen würde, dem sowohl Moskau als auch Peking über die Jahre immer wieder zugestimmt haben. Seit 2009 sind demnach jegliche Waffenimporte aus Nordkorea verboten. Es ist jedoch anzunehmen, dass das Putin und Kim herzlich egal ist.
China dagegen will keinen vollständigen Bruch mit dem Westen, vor allem nicht mit der EU. Während Kim mit Putin auf den Sieg in seinem “heiligen Kampf” gegen das Böse anstieß, hält China zwar generell zu Russland, spricht aber im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eher vage davon, die “Interessen aller Beteiligten” zu wahren.
China und Nordkorea: Quasi-Verbündete
China ist seit dem Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 der einzige Staat, der dem verarmten, isolierten Nordkorea liefert, was es braucht, vom Erdöl bis zu Gegenständen des täglichen Lebens. “Die können nicht mal einen Nagel herstellen”, ätzte Ende der Nullerjahre ein Händler im Grenzort Dandong. Die Abhängigkeit ist bis heute gewaltig. Trotzdem betrieb Kim Jong-il – der zweite Kim, Sohn des Staatsgründers Kim Il-song und Vater Kim Jong-uns – gegen Widerspruch aus Peking die nukleare Aufrüstung.
Chinesische Experten betonten zu jener Zeit, wie genervt die Regierung von der Sturheit der Kims war: keine wirtschaftliche Öffnung nach chinesischem Modell, dafür das Zündeln mit Atomwaffen. Peking richtete die sogenannten Sechsergespräche mit den beiden Koreas, den USA und Russland zur De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel aus. Die Gespräche scheiterten 2008. Seit etwa 2018 bemüht sich Kim um bessere Beziehungen zu beiden Staaten. Mit Erfolg: 2022 blockierten Peking und Moskau erstmals neue Strafmaßnahmen gegen Nordkorea.
Kim will mit Spielchen Einfluss sichern
Kim Jong-un spürt derzeit offenbar genug Selbstbewusstsein für gewisse Spielchen. Als er im Juli China und Russland zu einer pompösen Militärparade eingeladen hatte, hofierte er vor allem die Russen um Verteidigungsminister Sergei Schoigu, wie Khang Vu beobachtete, Experte für Atompolitik Ostasiens am Political Science Department des Boston College. Kim führte Schoigu persönlich durch eine Waffenausstellung mit seinen Interkontinentalraketen. Li Hongzhong, Vizevorsitzender des Nationalen Volkskongresses, spielte da nur zweite Geige.
Der Experte interpretiert das als Versuch, China und Russland ein wenig gegeneinander auszuspielen. “Auch wenn die chinesische Delegation in Pjöngjang nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, ist China für Nordkorea eigentlich wichtiger als Russland”, schreibt Vu. “Doch Nordkorea will eine Alternative, um seine Abhängigkeit von China zu verringern. Russland gegen China auszuspielen ist eine Chance, die besten Angebote von beiden Seiten zu bekommen, so wie es Nordkorea 1961 unter Kim Il-sung getan hat.” Damals waren Maos China und die Sowjetunion verfeindet und buhlten um die Gunst Nordkoreas.
Kim und Putin: Neue beste Freunde?
Nordkorea sieht in Russlands Krieg gegen die Ukraine eine Chance, wieder eine ähnliche Konstellation herzustellen. “Die Isolation und Verzweiflung Russlands wegen der Invasion in der Ukraine auszunutzen, wird Kim weiteren Einfluss verschaffen”, meint Vu, “und möglicherweise auch Zugang zu Waffentechnologien, die China nur ungern an Nordkorea weitergeben würde.”
Eine etwaige Lieferung moderner russischer Raketentechnologie an Nordkorea würde Kims Atom- und Raketenprogramm weiter stärken, und damit Kims Drohungen gegen Südkorea. Das würde Seoul noch enger mit Japan und den USA zusammenrücken lassen. Das wäre nicht in Chinas Interesse. Ohnehin droht ein Wettrüsten in Fernost.
Das eigene Ego ist zu groß
Manche Kommentatoren im Westen glauben, dass Xi Jinping die Macht hätte, einen Waffendeal zwischen Putin und Kim zu stoppen. Doch es ist völlig ungewiss, wie weit Xis Einfluss in den Kreml bei solchen Fragen reicht.
Wie der gefürchtete Dreierblock wirken die drei Länder bisher jedenfalls nicht. “Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Xi Jinping, Kim Jong-un und Wladimir Putin einander genug vertrauen können, um eine echte, langfristige und konzertierte Allianz zu bilden”, sagte Mason Richey, Professor an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul zu Reuters.
Es möge rational vielleicht in ihrem Interesse sein, zusammenzuarbeiten. “Aber es ist für Diktatoren einfach schwierig, miteinander zu kooperieren.” Das eigene Ego ist wohl einfach zu groß.
Geopolitik
Nordkorea
Russland
Minister Li Shangfu gestürzt
Li Shangfu auf seiner vorerst letzten Auslandsreise Mitte August in Russland.
Zu Wochenbeginn verdichten sich die Anzeichen, dass Chinas Behörden tatsächlich gegen Verteidigungsminister Li Shangfu (李尚福) ermitteln. Es bestehe der Verdacht auf Korruption bei der Beschaffung militärischer Ausrüstung. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und führt als Quellen einen regionalen Sicherheitsbeamten an sowie drei weitere Personen, die in direktem Kontakt mit dem chinesischen Militär stehen sollen.
Darüber hinaus werde Reuters zufolge gegen acht weitere ranghohe Beamte der Beschaffungseinheit des chinesischen Militärs ermittelt. Geleitet würden die Untersuchungen von der mächtigen Disziplinarkommission des Militärs. Eine offizielle Bestätigung von chinesischer Seite gibt es bislang allerdings nicht.
Abservierte Minister und Generäle
Der Sturz des Verteidigungsministers scheint sich nahtlos einzufügen in eine Reihe von ranghoher Säuberungen. Im Juli war Außenminister Qin Gang überraschend abserviert worden. Auch damals war der Minister wochenlang verschwunden, ohne dass es dazu eine offizielle Stellungnahme aus Peking gegeben hätte.
Tatsächlich klingen auch in diesem Fall die Eckpunkte nur allzu vertraut: von vermeintlichen Gesundheitsproblemen über Korruptionsverdacht bis hin zum plötzlichen Verschwinden des Protagonisten.
So mancher Beobachter verweist im Falle Li Shangfus denn auch auf die umfangreiche Antikorruptionskampagne unter Xi Jinping, die er seit seinem Amtsantritt unerbittlich gegen seine politischen Gegner instrumentalisiert. Vor allem in der Volksbefreiungsarmee wurden unzählige Militärs vor Li Shangfu ihrer Posten enthoben.
Dennochist der Fall Li Shangfu anders. Li galt als Vertrauter von Partei- und Staatschef Xi Jinping – der nebenbei auch Oberbefehlshaber des chinesischen Militärs ist. Xi hatte ihn erst im März dieses Jahres zum Verteidigungsminister ernannt. Davor leitete Li von 2017 bis 2022 die Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission (中央军委装备发展部). Hier entwickelt man nicht nur eigene Waffensysteme, sondern ist auch für den Kauf von Waffen und Militärtechnik aus dem Ausland zuständig.
Als Li den Kauf russischer Militärausrüstung anordnete, belegten die USA ihn mit Sanktionen. Lis Vorliebe für Russland und seine Abneigung gegenüber den USA waren schon damals hinlänglich bekannt. Xi Jinping ernannte Li später dennoch zum Verteidigungsminister – wohl wissend, dass der direkte Austausch mit den USA im Militärbereich dadurch sehr schwierig werden würde.
Dazu passt auch Lis bislang letzter öffentlicher Auftritt als Verteidigungsminister am 29. August auf dem China-Afrika-Forum in Peking. Li wetterte gegen (westliche) Hegemonie, Dominanz und Schikane. Der Applaus der Anwesenden war ihm damit sicher. Doch seither ist Li aus der Öffentlichkeit spurlos verschwunden.
Gesundheit, Korruption und Absetzung
Vor wenigen Tagen sollte Li an einer bilateralen Sicherheitskonferenz in Vietnam auftreten. Doch seine Teilnahme wurde kurzfristig abgesagt. Peking habe gegenüber Hanoi gesundheitliche Gründe angeführt, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf vietnamesische Vertreter. Von chinesischer Seite gab es auch dazu bislang keinen Kommentar.
Und so überschlagen sich seither die vermeintlichen Erklärungen. Rahm Emanuel, der US-Botschafter in Japan, behauptete am Freitag auf X/Twitter, Li sei bei einem geplanten Treffen mit dem singapurischen Marinechef nicht erschienen, weil er “unter Hausarrest” gestellt worden sei. Eine Quelle für die Behauptungen nannte der US-Diplomat allerdings nicht. Die Zeitung Washington Post berichtet, Li werde sehr wahrscheinlich abgesetzt und verweist dabei auf zwei informierte US-Beamte.
Xi Jinping: Paranoia oder Schwäche
Bliebe die Frage nach Folgen. In der Außenpolitik entwickelt sich China zunehmend zu einem Unsicherheitsfaktor. Es wird unmöglich, persönliche Beziehungen aufzubauen oder direkte Absprachen zu treffen, wenn selbst chinesische Minister am nächsten Tag willkürlich von der Bildfläche verschwinden können.
Das führt direkt zur chinesischen Innenpolitik und den möglichen Folgen für Machthaber Xi Jinping. Die Verfolgung der Minister ist fast sicher politisch motiviert. Zum einen ist es unwahrscheinlich, dass ein Jahrzehnt nach Xis Amtsantritt und nach der größten Machtkonsolidierung seit Mao Zedong in den höchsten Rängen immer noch neue Korruptionsvorfälle entdeckt werden.
Zum anderen trifft es nun nicht mehr Xis politische Gegner, sondern seine Vertrauten. “Für die Offiziere der Rocket Force und Li Shangfu kann Xi seinen Vorgängern jedenfalls nicht die Schuld geben”, urteilt der China-Analyst Bill Bishop. In der Partei werden Angst und Verunsicherung noch weiter zunehmen.
“Xis Ansehen wird untergraben”
Ist der Fall von Li Shangfu Ausdruck der systemischen Paranoia autokratischer Machthaber? Oder ein Anzeichen dafür, dass Xi intern unter Druck gerät angesichts der zahlreichen Probleme wie schwacher Wirtschaft und hoher Jugendarbeitslosigkeit?
Su Tzu-yun, Experte für die Volksbefreiungsarmee am Institut für Nationale Verteidigungs- und Sicherheitsforschung in Taipeh, wird in der New York Times wie folgt zitiert: “Für Xi Jinping ist dies ein Gesichtsverlust, und beim chinesischen Militär und in ganz China werden die Menschen es bemerken, auch wenn sie es nicht offen sagen.” Su ist sich sicher: “Es wird ihn nicht von der Macht verdrängen, aber es wird sein Ansehen als Machthaber untergraben.”
Entsprechend muss man wohl Xis Worte interpretieren, die er am Freitag vorvergangener Woche auf seiner Reise durch Nordostchina an das chinesische Militär richtete. Dort sagte Xi: “Wir müssen die Ausbildung und Führung der Truppen strikt durchsetzen und ein hohes Maß an Einheit, Sicherheit und Stabilität wahren.” Der Sturz von Li Shangfu war damals intern wohl längst besiegelt.
Militär
Xi Jinping
News
Baerbock nennt Xi einen Diktator
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat den chinesischen Präsidenten Xi Jinping als Diktator bezeichnet. “Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es dauert”, sagte Baerbock am Freitag im Interview auf Fox News. “Wenn Putin diesen Krieg gewinnen würde, welches Zeichen wäre das für andere Diktatoren auf der Welt, wie Xi, wie den chinesischen Präsidenten?” (“If Putin were to win this war, what sign would that be for other dictators in the world, like Xi, like the Chinese president […].”) Deshalb müssen “Frieden und Demokratie” diesen Krieg gewinnen, sagte Baerbock.
Die Außenministerin ist derzeit zu Besuch in den USA. Nach ihrer Ankunft in New York in der Nacht zum Sonntag, hat sie zudem grundlegende Reformen bei den Vereinten Nationen angemahnt. Deutschland setze sich dafür ein, das “UN-System gerechter, inklusiver und handlungsfähiger zu machen”, erklärte Baerbock. flee
Annalena Baerbock
Geopolitik
USA
Xi Jinping
Sullivan trifft Wang Yi
Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, hat den chinesischen Außenminister Wang Yi auf Malta getroffen. Das Weiße Haus in Washington bestätigte am Sonntag die Zusammenkunft. Ziel der zweitägigen Gespräche sei es gewesen, die Beziehungen und die Kommunikation trotz der gegenwärtigen Spannungen aufrechtzuerhalten.
Nach Angaben des Weißen Hauses redeten die beiden Regierungsvertreter auch über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und über die Lage um Taiwan. Beide Länder wollten in den kommenden Monaten weitere Gespräche auf “höchster Ebene” führen.
Ob es beim Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) im November in San Francisco zu einem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping kommen könnte – dazu machte die US-Regierung keine Angaben. flee
Geopolitik
Jake Sullivan
USA
Wang Yi
Konjunkturdaten wecken Optimismus
Das zweite Halbjahr könnte wirtschaftlich besser werden als das erste. Sowohl die Industrieproduktion als auch Einzelhandelsumsätze stiegen im August stärker als gedacht, wie aus aktuellen Daten des Nationalen Statistikamts in Peking hervorgeht. Die Industrie stellte 4,5 Prozent mehr her als vor Jahresfrist. Der Umsatz des Einzelhandels wuchs um 4,6 Prozent. Beide Werte sind besser als allgemein erwartet. “Es ist immer noch zu früh zu sagen, aber die Daten scheinen sich zu verbessern”, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Michael Pettis auf X.
Auch andere Experten halten eine Trendwende für möglich. “Das Wachstum hat im August wahrscheinlich seinen Tiefpunkt durchschritten”, sagte Ökonom Tommy Wu von der Commerzbank. Als Ursache für die Verbesserung der Lage sieht er die Geldpolitik der Zentralbank. Diese führt der Wirtschaft mehr Mittel in Form von Krediten zu. “Die in den letzten Wochen angekündigten Lockerungsmaßnahmen dürften das Wachstum in den kommenden Monaten stützen”, sagte Commerzbank-Experte Wu.
Auch der IWF fordert China auf, sein Wachstumsmodell weg von schuldengetriebenen Infrastrukturinvestitionen und Immobilien zu verlagern. Stattdessen solle Peking den Binnenkonsum weiter anzukurbeln und die Verschuldung der lokalen Regierungen eindämmen. “Der traditionelle Weg des immer mehr Geldhineinpumpens, wird in der derzeitigen Situation nicht produktiv sein”, erklärte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa. rtr/fin
Konjunktur
Wachstum
Chinesische Firmen bauen neues AKW in der Türkei
China und die Türkei befinden sich in den finalen Verhandlungen über den Bau eines neuen Atomkraftwerks. Der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar erklärte am Donnerstag gegenüber Reportern, dass Ankara sich in der Endphase der Gespräche mit einem chinesischen Unternehmen befinde und dass der Dealbereits “in einigen Monaten” abgeschlossen sein könne.
Die Ankündigung folgt auf einen Besuch chinesischer Beamter am wahrscheinlichen Standort der Anlage in der nordwesttürkischen Stadt Kirklareli, wie Bloomberg berichtet. An diesem Standort in der Nähe der Grenze zu Griechenland und Bulgarien sollen vier Atomreaktorenerrichtet werden.
Das Projekt ist bereits seit mehreren Jahren Gegenstand von Verhandlungen zwischen den beiden Ländern. Erst Ende Juli hatte Chinas Spitzendiplomat Wang Yi die Türkei besucht, um das Projekt mit der türkischen Führung zu erörtern. fpe
Atomkraft
Technologie
Türkei
Mehr Investitionen in Geothermie
China will die Nutzung geothermischer Energie stark ausbauen. Das erklärte Vizepremier Zhang Guoqing am Freitag auf dem Geothermischen Weltkongress in Peking. Man werde auch den Umfang von Wind- und Solarenergieprojekten erhöhen und gleichzeitig den Bau von Kernkraftwerken sicher vorantreiben, fügte Zhang hinzu. Laut der Nationalen Energiebehörde plant China seine geothermische Stromerzeugungskapazität zu verdoppeln. rtr
Presseschau
Standpunkt
Zehn Jahre Seidenstraßeninitiative – wird sie grüner?
Von Christoph Nedopil und Silas Dreier
Christoph Nedopil ist Asien-Ökonom an der Griffith University in Australien. Silas Dreier ist Koordinator der Global China Conversations des IfW.
Immer wieder stand die Seidenstraßeninitiative – oder Belt and Road Initiative (BRI) – international in der Kritik: Ausbau fossiler Energieträger (insbesondere Kohle) entlang der Belt and Road wurde den Projekten unter ihrem Dach ebenso vorgeworfen wie die Schaffung finanzieller Abhängigkeiten.
Seitdem Chinas Präsident Xi die BRI im Jahr 2013 angekündigt hat, haben sich Chinas Ambitionen und technologischer Fortschritt insbesondere zum Thema nachhaltige Entwicklung maßgeblich geändert. Nach unseren Berechnungen am Green Finance & Development Center an der Fudan Universität hat sich der Anteil fossiler Energien in der BRI weiter verringert. Hat China beispielsweise im Jahr 2015 Kohleprojekte im Wert von mehr als 17 Milliarden US-Dollar unterstützt, gibt es seit 2020 gerade noch Ankündigungen im Wert von circa einer Milliarde US-Dollar. Gleichzeitig hat sich in 2023 der Anteil von Chinas Engagement in Solar und Wind auf 42 Prozent erhöht.
Höhere Kosten für Kohlekraftwerke
Der Rückgang fossiler Energien hat diverse Gründe. Viele Partnerländer wie Bangladesch oder Ägypten haben von sich aus darum gebeten, den Ausbau von Kohlekraftwerken zu reduzieren und geplante Mittel in Projekte aus erneuerbaren Energien fließen zu lassen. Ebenso hat zivilgesellschaftlicher Widerstand in den Partnerländern der chinesischen Seite verdeutlicht, dass der Appetit für Kohlekraftwerke zurückgeht.
Darüber hinaus sind finanzielle Anreize für den Bau und das Betreiben von Kohlekraftwerken im Ausland gesunken. Dank Substitutionseffekten und Lieferschwierigkeiten haben sich Kohlepreise gegenüber 2020 in 2021 und 2022 weltweit verdoppelt oder verdreifacht. Geplante Emissionshandelssysteme und andere Maßnahmen zur Einpreisung des CO2-Fußabdruckes lassen zukünftig höhere Kosten für Kohlekraftwerke erwarten. Globale Zinserhöhungs-Zyklen der Notenbanken erhöhen Finanzierungskosten zusätzlich. All dies hat dazu geführt, dass zwischen 2015 und 2020 nur eins der 51 angekündigten Kohlekraftwerke in Betrieb genommen wurde. 25 Projekte wurden auf Eis gelegt und acht Projekte vollständig abgesagt.
Eine weitere Entwicklung der BRI ist das größere Engagement von privaten anstatt staatlichen chinesischen Firmen und die Bewegung von kreditfinanzierten Projekten zu tatsächlichen Investitionen. Im ersten Halbjahr 2023 betrug der Anteil von häufig kreditfinanzierten Bauprojekten nur noch 41 Prozent, wohingegen Investitionen durch chinesische Unternehmen einen Anteil von 59 Prozent des chinesischen BRI-Engagements erreichten, was bei weitem der höchste Anteil in der Geschichte der BRI ist. Dabei geht der Trend zu mehreren und kleineren Projekten – oder wie es offiziell heißt “small and beautiful”.
Dieser Trend ist nicht zuletzt der Schuldenproblematik zu verdanken, die sich im Zuge internationaler Schocks verschärft hat. Wie Horn et al (2023) darlegen, befanden sich 60 Prozent von Chinas ausländischen Kreditnehmern im Jahr 2022 in finanziellen Schwierigkeiten. Über 20 Länder haben seit 2000 insgesamt 240 Milliarden US-Dollar an Rettungskrediten erhalten, die meisten davon BRI-Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen. Dabei erfolgten 185 Milliarden US-Dollar an Rettungskrediten über direkte Ziehungen von der chinesischen Zentralbank.
Grüne Lösungen für Schuldenproblematik
Seit ein paar Monaten evaluiert die chinesische Regierung auch aktiv an innovativen und “grünen” Lösungen der Schuldenproblematik in der BRI: Eine Möglichkeit, dem Schuldenproblem langfristig zu begegnen, können sogenannte Debt-for-Nature-Swaps sein. In solchen Konstruktionen wird in Kombination mit internationalen Partnern ein Teil der ausstehenden Schulden erlassen, gemindert oder restrukturiert, wobei die Schuldner-Regierung sich verpflichtet, beispielsweise ein gewisses Gebiet für Naturschutz- oder Biodiversitätszwecke zur Verfügung zu stellen.
Seit den 1980er-Jahren wurden solche Konstrukte bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt, darunter auch von Deutschland und Frankreich. Mehrere chinesische Institutionen haben hierzu mittlerweile Studien verfasst (Christoph Nedopil hat an drei solcher Studien für die chinesische Regierung mitgearbeitet).
Ein möglicher Kandidat zum Testen des Instruments könnte hierbei die Demokratische Volksrepublik Laos sein, da sie ihr Interesse an Debt-for-Nature-Swaps bereits angekündigt hat. Hier könnten also nicht nur Risiken für die chinesische Zentralbank gesenkt werden, sondern auch Laos’ Liquiditätsprobleme gemindert und ein Beitrag zum globalen Klimaschutz geleistet werden. Somit ergäbe sich ein “Win-win-win”-Szenario: Für China, für Laos, und für das Klima. Deutschland und Frankreich können hier wichtige Partner zum Teilen der “Best Practices” und Kooperation auf Basis gemeinsamer Ziele sein.
Um die BRI wirklich grün zu machen, gibt es noch viel zu tun. Aber nur durch aktives internationales Engagement und Zusammenarbeit mit China und den Ländern, die sich für eine Mitgliedschaft in der Belt and Road Initiative entschieden haben, kann es gelingen, die globale Klima- und Naturkrise zu mindern.
Christoph Nedopil ist Direktor am Asien-Institut der Griffith University. Zuvor war er Professor und Direktor des Green Finance & Development Centers an der Fudan University, sowie Gründungsdirektor des IIGF Green BRI Centers in Peking.
Silas Dreier ist Koordinator der Global China Conversations an der China-Initiative des Kiel Institut für Weltwirtschaft. Er studiert außerdem den Master in China Business and Economics an der Universität Würzburg.
Dieser Beitrag entsteht im Rahmen der Veranstaltungsreihe ,,Global China Conversations” des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag, den 21. September 2023 (11 Uhr MESZ) diskutieren Autor Christoph Nedopil und Reinhard Bütikofer über das Thema: “Global Gateway und die Belt and Road: Eine nachhaltige Alternative?”. China.Table ist der Medienpartner der Veranstaltungsreihe.
Neue Seidenstraße
Personalien
Alan Wong wird neuer China-Redakteur bei Bloomberg News. Wong, der zuletzt für Vice World News und die South China Morning Post schrieb, wird sich bei Bloomberg vor allem um die Bereiche Wirtschaft und Politik kümmern.
Jack Wu wird mit sofortiger Wirkung Group Head for Greater China bei der Schweizer Bankengruppe Julius Bär. Wu verfügt über mehr als 30 Jahre Bankerfahrung, davon 23 Jahre im Private Banking in der Region Greater China. Er wird vom Büro in Hongkong aus tätig sein.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Dessert
Chinesische Touristinnen in thailändischen Kostümen am Tempel der Morgendämmerung in Bangkok: Die neue Regierung Thailands erlaubt es Reisenden aus China, vorübergehend ohne Visum in das attraktive Urlaubsland einzureisen. Damit soll der erwartete Touristen-Ansturm in der Wintersaison bürokratisch erleichtert werden. Die neue Regel gilt ab dem 25. September und endet am 29. Februar.
auch für Peking wirft die scheinbare Verbrüderung der unberechenbaren Diktatoren Fragen auf. Vergangene Woche trafen sich bekanntlich Wladimir Putin und Kim Jong-un auf dem Weltraumbahnhof der ostsibirischen Amur-Region. Die öffentlichkeitswirksame Annäherung, bei der sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach über Munitionslieferungen und Raketentechnologie ausgetauscht haben, beunruhigt nicht nur den Westen.
Warum hat Kim zum Beispiel seine erste Auslandsreise seit vielen Jahren nicht nach Peking unternommen, sondern nach Russland? Eine Dreier-Allianz, wie sie mancher bereits mit Schrecken an die Wand malt, dürfte jedoch unwahrscheinlich bleiben, schreibt Christiane Kühl. Dafür decken sich die Interessen der drei Diktatoren nicht genug – vom gegenseitigen Vertrauen untereinander ganz zu schweigen.
An gegenseitigem Vertrauen mangelt es ganz offenbar auch in China höchster Führungsebene. Nachdem Außenminister Qin Gang im Juli verschwand und wenig später offiziell abgesägt wurde, fehlt nun von Verteidigungsminister Li Shangfu jede Spur. Angeblich wird wegen des Verdachts der Korruption gegen ihn ermittelt.
Allerdings ist der Fall um Li Shangfu in mehrerer Hinsicht anders, analysiert Michael Radunski. Li galt als besonders enger Vertrauter Xis, mit dessen Ernennung er Spannungen im militärischen Verhältnis zu den USA in Kauf nahm. Vieles deutet jetzt darauf hin, dass es hinter den Kulissen im Machtapparat Pekings heftig rumort.
Ihr Fabian Peltsch
Analyse
Putin und Kim: Neue beste Freunde irritieren Peking
Bromance mit Kim und Putin im Weltraumbahnhof: Was sieht China in dem Treffen von Kim und Putin?
Doch Peking dürfte vom Spielfeldrand aus genau hingeschaut haben. Von den Gesprächen im Kosmodrom wurden öffentlich nur Floskeln über stärkere Kooperation bekannt gegeben. Die Vermutung lautet allseits: Nordkorea wird Russland Munition und Artilleriegeschosse für den Krieg in der Ukraine liefern und dafür Geld, Lebensmittel, Erdöl und vielleicht sogar russische Raketentechnologie und militärisches Knowhow bekommen.
Kaum Vorteile für Peking
Trotz der ähnlich antiwestlichen Einstellung Kims und Putins wird China mit Misstrauen auf die Zusammenkunft geblickt haben. Denn es gäbe an einem solchen Deal es eigentlich nur einen Aspekt, der positiv wäre für Peking. Munition aus Nordkorea könnte helfen, eine Niederlage Putins in seinem Krieg zu verhindern – ohne dass China sich selbst die Hände schmutzig machen müsste.
Doch abgesehen davon wirft die bilaterale Kuschelei der beiden eher Fragen für Peking auf. Warum hat Kim zum Beispiel seine erste Auslandsreise seit vielen Jahren nicht nach Peking unternommen, sondern nach Russland? Das ist ein kleiner Affront.
China nur am Spielfeldrand
In den USA wird bereits Furcht geäußert vor dem Entstehen eines Dreierblocks China-Russland-Nordkorea. Doch dieser ist abgesehen von der Ablehnung der US-dominierten Weltordnung bisher vor allem von individuellen Interessen geprägt, die für alle drei an erster Stelle stehen.
Russland will den Krieg gewinnen,
Kim will sein nukleares Arsenal ausbauen, und
China strebt nach einer dominanten Rolle als Anführer des globalen Südens.
Diese drei Interessen passen zumindest von China her gesehen nicht zusammen. Peking lehnt den Bau von Atombomben durch Nordkorea ab. Die chinesische Führung interessiert der Ausgang des Ukraine-Kriegs nur insoweit, als er möglichst Putin im Kreml belassen und die USA schwächen soll.
Nordkorea und Russland werden schwerer kontrollierbar
Dass China in den bilateralen Beziehungen zu Russland und Nordkorea jeweils der starke Partner ist, bedeutet zudem nicht, dass Staatschef Xi Jinping seinen unberechenbaren Counterparts Kim und Putin vertraut. Und er weiß: Eine engere Zusammenarbeit Russlands und Nordkoreas miteinander wird beider Abhängigkeit von Peking reduzieren – und sie damit noch schwerer kontrollierbar machen.
Wenn Kim Putin also nun die Waffen und Munition gibt, die Peking ihm, nach allem, was man weiß, verweigert, dann verändert sich das Gleichgewicht zwischen den drei antiwestlichen Partnern.
Kim unterstützt offen Putins Krieg
Klar ist, dass ein solcher Deal gegen das umfangreiche UN-Sanktionsregime gegen Nordkorea verstoßen würde, dem sowohl Moskau als auch Peking über die Jahre immer wieder zugestimmt haben. Seit 2009 sind demnach jegliche Waffenimporte aus Nordkorea verboten. Es ist jedoch anzunehmen, dass das Putin und Kim herzlich egal ist.
China dagegen will keinen vollständigen Bruch mit dem Westen, vor allem nicht mit der EU. Während Kim mit Putin auf den Sieg in seinem “heiligen Kampf” gegen das Böse anstieß, hält China zwar generell zu Russland, spricht aber im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eher vage davon, die “Interessen aller Beteiligten” zu wahren.
China und Nordkorea: Quasi-Verbündete
China ist seit dem Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 der einzige Staat, der dem verarmten, isolierten Nordkorea liefert, was es braucht, vom Erdöl bis zu Gegenständen des täglichen Lebens. “Die können nicht mal einen Nagel herstellen”, ätzte Ende der Nullerjahre ein Händler im Grenzort Dandong. Die Abhängigkeit ist bis heute gewaltig. Trotzdem betrieb Kim Jong-il – der zweite Kim, Sohn des Staatsgründers Kim Il-song und Vater Kim Jong-uns – gegen Widerspruch aus Peking die nukleare Aufrüstung.
Chinesische Experten betonten zu jener Zeit, wie genervt die Regierung von der Sturheit der Kims war: keine wirtschaftliche Öffnung nach chinesischem Modell, dafür das Zündeln mit Atomwaffen. Peking richtete die sogenannten Sechsergespräche mit den beiden Koreas, den USA und Russland zur De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel aus. Die Gespräche scheiterten 2008. Seit etwa 2018 bemüht sich Kim um bessere Beziehungen zu beiden Staaten. Mit Erfolg: 2022 blockierten Peking und Moskau erstmals neue Strafmaßnahmen gegen Nordkorea.
Kim will mit Spielchen Einfluss sichern
Kim Jong-un spürt derzeit offenbar genug Selbstbewusstsein für gewisse Spielchen. Als er im Juli China und Russland zu einer pompösen Militärparade eingeladen hatte, hofierte er vor allem die Russen um Verteidigungsminister Sergei Schoigu, wie Khang Vu beobachtete, Experte für Atompolitik Ostasiens am Political Science Department des Boston College. Kim führte Schoigu persönlich durch eine Waffenausstellung mit seinen Interkontinentalraketen. Li Hongzhong, Vizevorsitzender des Nationalen Volkskongresses, spielte da nur zweite Geige.
Der Experte interpretiert das als Versuch, China und Russland ein wenig gegeneinander auszuspielen. “Auch wenn die chinesische Delegation in Pjöngjang nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, ist China für Nordkorea eigentlich wichtiger als Russland”, schreibt Vu. “Doch Nordkorea will eine Alternative, um seine Abhängigkeit von China zu verringern. Russland gegen China auszuspielen ist eine Chance, die besten Angebote von beiden Seiten zu bekommen, so wie es Nordkorea 1961 unter Kim Il-sung getan hat.” Damals waren Maos China und die Sowjetunion verfeindet und buhlten um die Gunst Nordkoreas.
Kim und Putin: Neue beste Freunde?
Nordkorea sieht in Russlands Krieg gegen die Ukraine eine Chance, wieder eine ähnliche Konstellation herzustellen. “Die Isolation und Verzweiflung Russlands wegen der Invasion in der Ukraine auszunutzen, wird Kim weiteren Einfluss verschaffen”, meint Vu, “und möglicherweise auch Zugang zu Waffentechnologien, die China nur ungern an Nordkorea weitergeben würde.”
Eine etwaige Lieferung moderner russischer Raketentechnologie an Nordkorea würde Kims Atom- und Raketenprogramm weiter stärken, und damit Kims Drohungen gegen Südkorea. Das würde Seoul noch enger mit Japan und den USA zusammenrücken lassen. Das wäre nicht in Chinas Interesse. Ohnehin droht ein Wettrüsten in Fernost.
Das eigene Ego ist zu groß
Manche Kommentatoren im Westen glauben, dass Xi Jinping die Macht hätte, einen Waffendeal zwischen Putin und Kim zu stoppen. Doch es ist völlig ungewiss, wie weit Xis Einfluss in den Kreml bei solchen Fragen reicht.
Wie der gefürchtete Dreierblock wirken die drei Länder bisher jedenfalls nicht. “Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Xi Jinping, Kim Jong-un und Wladimir Putin einander genug vertrauen können, um eine echte, langfristige und konzertierte Allianz zu bilden”, sagte Mason Richey, Professor an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul zu Reuters.
Es möge rational vielleicht in ihrem Interesse sein, zusammenzuarbeiten. “Aber es ist für Diktatoren einfach schwierig, miteinander zu kooperieren.” Das eigene Ego ist wohl einfach zu groß.
Geopolitik
Nordkorea
Russland
Minister Li Shangfu gestürzt
Li Shangfu auf seiner vorerst letzten Auslandsreise Mitte August in Russland.
Zu Wochenbeginn verdichten sich die Anzeichen, dass Chinas Behörden tatsächlich gegen Verteidigungsminister Li Shangfu (李尚福) ermitteln. Es bestehe der Verdacht auf Korruption bei der Beschaffung militärischer Ausrüstung. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und führt als Quellen einen regionalen Sicherheitsbeamten an sowie drei weitere Personen, die in direktem Kontakt mit dem chinesischen Militär stehen sollen.
Darüber hinaus werde Reuters zufolge gegen acht weitere ranghohe Beamte der Beschaffungseinheit des chinesischen Militärs ermittelt. Geleitet würden die Untersuchungen von der mächtigen Disziplinarkommission des Militärs. Eine offizielle Bestätigung von chinesischer Seite gibt es bislang allerdings nicht.
Abservierte Minister und Generäle
Der Sturz des Verteidigungsministers scheint sich nahtlos einzufügen in eine Reihe von ranghoher Säuberungen. Im Juli war Außenminister Qin Gang überraschend abserviert worden. Auch damals war der Minister wochenlang verschwunden, ohne dass es dazu eine offizielle Stellungnahme aus Peking gegeben hätte.
Tatsächlich klingen auch in diesem Fall die Eckpunkte nur allzu vertraut: von vermeintlichen Gesundheitsproblemen über Korruptionsverdacht bis hin zum plötzlichen Verschwinden des Protagonisten.
So mancher Beobachter verweist im Falle Li Shangfus denn auch auf die umfangreiche Antikorruptionskampagne unter Xi Jinping, die er seit seinem Amtsantritt unerbittlich gegen seine politischen Gegner instrumentalisiert. Vor allem in der Volksbefreiungsarmee wurden unzählige Militärs vor Li Shangfu ihrer Posten enthoben.
Dennochist der Fall Li Shangfu anders. Li galt als Vertrauter von Partei- und Staatschef Xi Jinping – der nebenbei auch Oberbefehlshaber des chinesischen Militärs ist. Xi hatte ihn erst im März dieses Jahres zum Verteidigungsminister ernannt. Davor leitete Li von 2017 bis 2022 die Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission (中央军委装备发展部). Hier entwickelt man nicht nur eigene Waffensysteme, sondern ist auch für den Kauf von Waffen und Militärtechnik aus dem Ausland zuständig.
Als Li den Kauf russischer Militärausrüstung anordnete, belegten die USA ihn mit Sanktionen. Lis Vorliebe für Russland und seine Abneigung gegenüber den USA waren schon damals hinlänglich bekannt. Xi Jinping ernannte Li später dennoch zum Verteidigungsminister – wohl wissend, dass der direkte Austausch mit den USA im Militärbereich dadurch sehr schwierig werden würde.
Dazu passt auch Lis bislang letzter öffentlicher Auftritt als Verteidigungsminister am 29. August auf dem China-Afrika-Forum in Peking. Li wetterte gegen (westliche) Hegemonie, Dominanz und Schikane. Der Applaus der Anwesenden war ihm damit sicher. Doch seither ist Li aus der Öffentlichkeit spurlos verschwunden.
Gesundheit, Korruption und Absetzung
Vor wenigen Tagen sollte Li an einer bilateralen Sicherheitskonferenz in Vietnam auftreten. Doch seine Teilnahme wurde kurzfristig abgesagt. Peking habe gegenüber Hanoi gesundheitliche Gründe angeführt, meldete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf vietnamesische Vertreter. Von chinesischer Seite gab es auch dazu bislang keinen Kommentar.
Und so überschlagen sich seither die vermeintlichen Erklärungen. Rahm Emanuel, der US-Botschafter in Japan, behauptete am Freitag auf X/Twitter, Li sei bei einem geplanten Treffen mit dem singapurischen Marinechef nicht erschienen, weil er “unter Hausarrest” gestellt worden sei. Eine Quelle für die Behauptungen nannte der US-Diplomat allerdings nicht. Die Zeitung Washington Post berichtet, Li werde sehr wahrscheinlich abgesetzt und verweist dabei auf zwei informierte US-Beamte.
Xi Jinping: Paranoia oder Schwäche
Bliebe die Frage nach Folgen. In der Außenpolitik entwickelt sich China zunehmend zu einem Unsicherheitsfaktor. Es wird unmöglich, persönliche Beziehungen aufzubauen oder direkte Absprachen zu treffen, wenn selbst chinesische Minister am nächsten Tag willkürlich von der Bildfläche verschwinden können.
Das führt direkt zur chinesischen Innenpolitik und den möglichen Folgen für Machthaber Xi Jinping. Die Verfolgung der Minister ist fast sicher politisch motiviert. Zum einen ist es unwahrscheinlich, dass ein Jahrzehnt nach Xis Amtsantritt und nach der größten Machtkonsolidierung seit Mao Zedong in den höchsten Rängen immer noch neue Korruptionsvorfälle entdeckt werden.
Zum anderen trifft es nun nicht mehr Xis politische Gegner, sondern seine Vertrauten. “Für die Offiziere der Rocket Force und Li Shangfu kann Xi seinen Vorgängern jedenfalls nicht die Schuld geben”, urteilt der China-Analyst Bill Bishop. In der Partei werden Angst und Verunsicherung noch weiter zunehmen.
“Xis Ansehen wird untergraben”
Ist der Fall von Li Shangfu Ausdruck der systemischen Paranoia autokratischer Machthaber? Oder ein Anzeichen dafür, dass Xi intern unter Druck gerät angesichts der zahlreichen Probleme wie schwacher Wirtschaft und hoher Jugendarbeitslosigkeit?
Su Tzu-yun, Experte für die Volksbefreiungsarmee am Institut für Nationale Verteidigungs- und Sicherheitsforschung in Taipeh, wird in der New York Times wie folgt zitiert: “Für Xi Jinping ist dies ein Gesichtsverlust, und beim chinesischen Militär und in ganz China werden die Menschen es bemerken, auch wenn sie es nicht offen sagen.” Su ist sich sicher: “Es wird ihn nicht von der Macht verdrängen, aber es wird sein Ansehen als Machthaber untergraben.”
Entsprechend muss man wohl Xis Worte interpretieren, die er am Freitag vorvergangener Woche auf seiner Reise durch Nordostchina an das chinesische Militär richtete. Dort sagte Xi: “Wir müssen die Ausbildung und Führung der Truppen strikt durchsetzen und ein hohes Maß an Einheit, Sicherheit und Stabilität wahren.” Der Sturz von Li Shangfu war damals intern wohl längst besiegelt.
Militär
Xi Jinping
News
Baerbock nennt Xi einen Diktator
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat den chinesischen Präsidenten Xi Jinping als Diktator bezeichnet. “Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es dauert”, sagte Baerbock am Freitag im Interview auf Fox News. “Wenn Putin diesen Krieg gewinnen würde, welches Zeichen wäre das für andere Diktatoren auf der Welt, wie Xi, wie den chinesischen Präsidenten?” (“If Putin were to win this war, what sign would that be for other dictators in the world, like Xi, like the Chinese president […].”) Deshalb müssen “Frieden und Demokratie” diesen Krieg gewinnen, sagte Baerbock.
Die Außenministerin ist derzeit zu Besuch in den USA. Nach ihrer Ankunft in New York in der Nacht zum Sonntag, hat sie zudem grundlegende Reformen bei den Vereinten Nationen angemahnt. Deutschland setze sich dafür ein, das “UN-System gerechter, inklusiver und handlungsfähiger zu machen”, erklärte Baerbock. flee
Annalena Baerbock
Geopolitik
USA
Xi Jinping
Sullivan trifft Wang Yi
Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, hat den chinesischen Außenminister Wang Yi auf Malta getroffen. Das Weiße Haus in Washington bestätigte am Sonntag die Zusammenkunft. Ziel der zweitägigen Gespräche sei es gewesen, die Beziehungen und die Kommunikation trotz der gegenwärtigen Spannungen aufrechtzuerhalten.
Nach Angaben des Weißen Hauses redeten die beiden Regierungsvertreter auch über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und über die Lage um Taiwan. Beide Länder wollten in den kommenden Monaten weitere Gespräche auf “höchster Ebene” führen.
Ob es beim Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) im November in San Francisco zu einem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping kommen könnte – dazu machte die US-Regierung keine Angaben. flee
Geopolitik
Jake Sullivan
USA
Wang Yi
Konjunkturdaten wecken Optimismus
Das zweite Halbjahr könnte wirtschaftlich besser werden als das erste. Sowohl die Industrieproduktion als auch Einzelhandelsumsätze stiegen im August stärker als gedacht, wie aus aktuellen Daten des Nationalen Statistikamts in Peking hervorgeht. Die Industrie stellte 4,5 Prozent mehr her als vor Jahresfrist. Der Umsatz des Einzelhandels wuchs um 4,6 Prozent. Beide Werte sind besser als allgemein erwartet. “Es ist immer noch zu früh zu sagen, aber die Daten scheinen sich zu verbessern”, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Michael Pettis auf X.
Auch andere Experten halten eine Trendwende für möglich. “Das Wachstum hat im August wahrscheinlich seinen Tiefpunkt durchschritten”, sagte Ökonom Tommy Wu von der Commerzbank. Als Ursache für die Verbesserung der Lage sieht er die Geldpolitik der Zentralbank. Diese führt der Wirtschaft mehr Mittel in Form von Krediten zu. “Die in den letzten Wochen angekündigten Lockerungsmaßnahmen dürften das Wachstum in den kommenden Monaten stützen”, sagte Commerzbank-Experte Wu.
Auch der IWF fordert China auf, sein Wachstumsmodell weg von schuldengetriebenen Infrastrukturinvestitionen und Immobilien zu verlagern. Stattdessen solle Peking den Binnenkonsum weiter anzukurbeln und die Verschuldung der lokalen Regierungen eindämmen. “Der traditionelle Weg des immer mehr Geldhineinpumpens, wird in der derzeitigen Situation nicht produktiv sein”, erklärte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa. rtr/fin
Konjunktur
Wachstum
Chinesische Firmen bauen neues AKW in der Türkei
China und die Türkei befinden sich in den finalen Verhandlungen über den Bau eines neuen Atomkraftwerks. Der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar erklärte am Donnerstag gegenüber Reportern, dass Ankara sich in der Endphase der Gespräche mit einem chinesischen Unternehmen befinde und dass der Dealbereits “in einigen Monaten” abgeschlossen sein könne.
Die Ankündigung folgt auf einen Besuch chinesischer Beamter am wahrscheinlichen Standort der Anlage in der nordwesttürkischen Stadt Kirklareli, wie Bloomberg berichtet. An diesem Standort in der Nähe der Grenze zu Griechenland und Bulgarien sollen vier Atomreaktorenerrichtet werden.
Das Projekt ist bereits seit mehreren Jahren Gegenstand von Verhandlungen zwischen den beiden Ländern. Erst Ende Juli hatte Chinas Spitzendiplomat Wang Yi die Türkei besucht, um das Projekt mit der türkischen Führung zu erörtern. fpe
Atomkraft
Technologie
Türkei
Mehr Investitionen in Geothermie
China will die Nutzung geothermischer Energie stark ausbauen. Das erklärte Vizepremier Zhang Guoqing am Freitag auf dem Geothermischen Weltkongress in Peking. Man werde auch den Umfang von Wind- und Solarenergieprojekten erhöhen und gleichzeitig den Bau von Kernkraftwerken sicher vorantreiben, fügte Zhang hinzu. Laut der Nationalen Energiebehörde plant China seine geothermische Stromerzeugungskapazität zu verdoppeln. rtr
Presseschau
Standpunkt
Zehn Jahre Seidenstraßeninitiative – wird sie grüner?
Von Christoph Nedopil und Silas Dreier
Christoph Nedopil ist Asien-Ökonom an der Griffith University in Australien. Silas Dreier ist Koordinator der Global China Conversations des IfW.
Immer wieder stand die Seidenstraßeninitiative – oder Belt and Road Initiative (BRI) – international in der Kritik: Ausbau fossiler Energieträger (insbesondere Kohle) entlang der Belt and Road wurde den Projekten unter ihrem Dach ebenso vorgeworfen wie die Schaffung finanzieller Abhängigkeiten.
Seitdem Chinas Präsident Xi die BRI im Jahr 2013 angekündigt hat, haben sich Chinas Ambitionen und technologischer Fortschritt insbesondere zum Thema nachhaltige Entwicklung maßgeblich geändert. Nach unseren Berechnungen am Green Finance & Development Center an der Fudan Universität hat sich der Anteil fossiler Energien in der BRI weiter verringert. Hat China beispielsweise im Jahr 2015 Kohleprojekte im Wert von mehr als 17 Milliarden US-Dollar unterstützt, gibt es seit 2020 gerade noch Ankündigungen im Wert von circa einer Milliarde US-Dollar. Gleichzeitig hat sich in 2023 der Anteil von Chinas Engagement in Solar und Wind auf 42 Prozent erhöht.
Höhere Kosten für Kohlekraftwerke
Der Rückgang fossiler Energien hat diverse Gründe. Viele Partnerländer wie Bangladesch oder Ägypten haben von sich aus darum gebeten, den Ausbau von Kohlekraftwerken zu reduzieren und geplante Mittel in Projekte aus erneuerbaren Energien fließen zu lassen. Ebenso hat zivilgesellschaftlicher Widerstand in den Partnerländern der chinesischen Seite verdeutlicht, dass der Appetit für Kohlekraftwerke zurückgeht.
Darüber hinaus sind finanzielle Anreize für den Bau und das Betreiben von Kohlekraftwerken im Ausland gesunken. Dank Substitutionseffekten und Lieferschwierigkeiten haben sich Kohlepreise gegenüber 2020 in 2021 und 2022 weltweit verdoppelt oder verdreifacht. Geplante Emissionshandelssysteme und andere Maßnahmen zur Einpreisung des CO2-Fußabdruckes lassen zukünftig höhere Kosten für Kohlekraftwerke erwarten. Globale Zinserhöhungs-Zyklen der Notenbanken erhöhen Finanzierungskosten zusätzlich. All dies hat dazu geführt, dass zwischen 2015 und 2020 nur eins der 51 angekündigten Kohlekraftwerke in Betrieb genommen wurde. 25 Projekte wurden auf Eis gelegt und acht Projekte vollständig abgesagt.
Eine weitere Entwicklung der BRI ist das größere Engagement von privaten anstatt staatlichen chinesischen Firmen und die Bewegung von kreditfinanzierten Projekten zu tatsächlichen Investitionen. Im ersten Halbjahr 2023 betrug der Anteil von häufig kreditfinanzierten Bauprojekten nur noch 41 Prozent, wohingegen Investitionen durch chinesische Unternehmen einen Anteil von 59 Prozent des chinesischen BRI-Engagements erreichten, was bei weitem der höchste Anteil in der Geschichte der BRI ist. Dabei geht der Trend zu mehreren und kleineren Projekten – oder wie es offiziell heißt “small and beautiful”.
Dieser Trend ist nicht zuletzt der Schuldenproblematik zu verdanken, die sich im Zuge internationaler Schocks verschärft hat. Wie Horn et al (2023) darlegen, befanden sich 60 Prozent von Chinas ausländischen Kreditnehmern im Jahr 2022 in finanziellen Schwierigkeiten. Über 20 Länder haben seit 2000 insgesamt 240 Milliarden US-Dollar an Rettungskrediten erhalten, die meisten davon BRI-Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen. Dabei erfolgten 185 Milliarden US-Dollar an Rettungskrediten über direkte Ziehungen von der chinesischen Zentralbank.
Grüne Lösungen für Schuldenproblematik
Seit ein paar Monaten evaluiert die chinesische Regierung auch aktiv an innovativen und “grünen” Lösungen der Schuldenproblematik in der BRI: Eine Möglichkeit, dem Schuldenproblem langfristig zu begegnen, können sogenannte Debt-for-Nature-Swaps sein. In solchen Konstruktionen wird in Kombination mit internationalen Partnern ein Teil der ausstehenden Schulden erlassen, gemindert oder restrukturiert, wobei die Schuldner-Regierung sich verpflichtet, beispielsweise ein gewisses Gebiet für Naturschutz- oder Biodiversitätszwecke zur Verfügung zu stellen.
Seit den 1980er-Jahren wurden solche Konstrukte bereits mehrfach erfolgreich eingesetzt, darunter auch von Deutschland und Frankreich. Mehrere chinesische Institutionen haben hierzu mittlerweile Studien verfasst (Christoph Nedopil hat an drei solcher Studien für die chinesische Regierung mitgearbeitet).
Ein möglicher Kandidat zum Testen des Instruments könnte hierbei die Demokratische Volksrepublik Laos sein, da sie ihr Interesse an Debt-for-Nature-Swaps bereits angekündigt hat. Hier könnten also nicht nur Risiken für die chinesische Zentralbank gesenkt werden, sondern auch Laos’ Liquiditätsprobleme gemindert und ein Beitrag zum globalen Klimaschutz geleistet werden. Somit ergäbe sich ein “Win-win-win”-Szenario: Für China, für Laos, und für das Klima. Deutschland und Frankreich können hier wichtige Partner zum Teilen der “Best Practices” und Kooperation auf Basis gemeinsamer Ziele sein.
Um die BRI wirklich grün zu machen, gibt es noch viel zu tun. Aber nur durch aktives internationales Engagement und Zusammenarbeit mit China und den Ländern, die sich für eine Mitgliedschaft in der Belt and Road Initiative entschieden haben, kann es gelingen, die globale Klima- und Naturkrise zu mindern.
Christoph Nedopil ist Direktor am Asien-Institut der Griffith University. Zuvor war er Professor und Direktor des Green Finance & Development Centers an der Fudan University, sowie Gründungsdirektor des IIGF Green BRI Centers in Peking.
Silas Dreier ist Koordinator der Global China Conversations an der China-Initiative des Kiel Institut für Weltwirtschaft. Er studiert außerdem den Master in China Business and Economics an der Universität Würzburg.
Dieser Beitrag entsteht im Rahmen der Veranstaltungsreihe ,,Global China Conversations” des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag, den 21. September 2023 (11 Uhr MESZ) diskutieren Autor Christoph Nedopil und Reinhard Bütikofer über das Thema: “Global Gateway und die Belt and Road: Eine nachhaltige Alternative?”. China.Table ist der Medienpartner der Veranstaltungsreihe.
Neue Seidenstraße
Personalien
Alan Wong wird neuer China-Redakteur bei Bloomberg News. Wong, der zuletzt für Vice World News und die South China Morning Post schrieb, wird sich bei Bloomberg vor allem um die Bereiche Wirtschaft und Politik kümmern.
Jack Wu wird mit sofortiger Wirkung Group Head for Greater China bei der Schweizer Bankengruppe Julius Bär. Wu verfügt über mehr als 30 Jahre Bankerfahrung, davon 23 Jahre im Private Banking in der Region Greater China. Er wird vom Büro in Hongkong aus tätig sein.
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Dessert
Chinesische Touristinnen in thailändischen Kostümen am Tempel der Morgendämmerung in Bangkok: Die neue Regierung Thailands erlaubt es Reisenden aus China, vorübergehend ohne Visum in das attraktive Urlaubsland einzureisen. Damit soll der erwartete Touristen-Ansturm in der Wintersaison bürokratisch erleichtert werden. Die neue Regel gilt ab dem 25. September und endet am 29. Februar.