Corona-Tote sind in Chinas Staatsmedien kein Thema. Auch die Pekinger Gesundheitskommission hat seit zwei Wochen keinen Todesfall gemeldet. Bestatter, Krematorien und Hinterbliebene dagegen sagen etwas anderes. Sie erleben die verheerenden Auswirkungen des Virus auf eine größtenteils ungeimpfte Bevölkerung hautnah.
Während der renommierte Epidemiologe Zhong Nanshan die Krankheit zur “Corona-Erkältung” verharmlosen möchte, lässt ein Modell der Hongkonger Universität zu Corona-Toten in den nächsten Wochen und Monaten nichts Gutes erahnen. Bis zu einer Million Todesfälle sagt es voraus. Unser Team in Peking beschreibt die aktuelle Lage im Land.
Der französische Philosoph Voltaire lobte China im 18. Jahrhundert als Modell einer säkularen und humanen Zivilisation. Der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz bezeichnete China als “Europa des Ostens”. Von solch begeisterter Wertschätzung ist heute nicht mehr viel übrig. Der Blick auf China werde zunehmend negativ, erklärt der britische Sinologe Kerry Brown. Und übrigens auch umgekehrt: In China wachse die Ablehnung gegenüber dem Westen. In seinem neuen Buch begibt sich Brown auf eine Zeitreise zu den 16 wichtigsten europäischen Denkern zu China in den vergangenen Jahrhunderten, darunter viele große Namen. Eines sei bis heute konstant, beobachtet Brown: China habe immer polarisiert – mal in die eine, mal in die andere Richtung.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche!
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robert.hackenfort@table.media | +49 30 30809514
Mr. Brown, worum geht es in Ihrem Buch “China Through European Eyes”?
Die europäisch-chinesischen Beziehungen bestehen bereits seit etwa 400 bis 500 Jahren, und mein Ziel war es, die wichtigsten Persönlichkeiten von damals bis in die jüngste Zeit zusammenzutragen. Immerhin handelt es sich im Prinzip um China-Experten. Personen, die später durch ihr Schaffen in anderen Bereichen bekannt wurden, wie die Philosophen Leibniz und Montesquieu. Dass sie sich mit China befasst haben, zeigt, wie wichtig das Thema damals schon war.
Hätten Sie je damit gerechnet, dass die europäisch-chinesischen Beziehungen einmal dermaßen aus dem Ruder laufen würden wie jetzt?
Das Verhältnis ist auch heutzutage sehr schwierig, weil es sich um komplexe Partner handelt. Der Umgang zwischen China und Europa ist aus vielen Gründen nicht einfach. Ihre Geschichte ist verwickelt, sie sind innerlich kompliziert, und sie verfügen über sehr unterschiedliche Kulturen und Werte. Daher ist es wenig überraschend, dass das Gespräch miteinander nicht einfach ist. Aber immerhin führen sie einen Dialog und versuchen, miteinander zu sprechen.
Als Sie sich mit den Gedanken der 16 wichtigsten Denker zu China beschäftigten – was hat sie am meisten überrascht?
Was zunächst mein Interesse weckte, war die Tatsache, dass die Ansichten über China schon immer sehr polarisiert waren. Sie waren entweder sehr idealistisch, kritisch, negativ oder durch Angst geprägt. Dieses Muster setzt sich bis heute fort. Es herrscht entweder Sinophobie oder Sinophilie. Diese Studie zeigt, dass dies keine neue Erkenntnis ist.
Was fiel Ihnen noch auf?
Der zweite Punkt ist die seit langem vorherrschende Überzeugung in Europa, dass China ganz anders ist, sowohl ein Gegenpol als auch eine Alternative zu Europa im Hinblick auf seine Werte. Das ist etwas, das mir bei den Recherchen zu meinem Buch besonders aufgefallen ist. Dieses Empfinden ist heute noch genauso stark wie vor 400 Jahren. Es ist ein wesentlicher Bestandteil der Beziehung und ist nicht mehr wegzudenken.
Wer sind die heutigen Leibniz, Hegel und Weber, Voltaires, die sich seit, sagen wir, einem Jahrzehnt intensiv mit China beschäftigen?
Da wäre beispielsweise Jürgen Habermas. Er hat viel über Europa geschrieben und natürlich auch über allgemeine Themen wie den öffentlichen Raum, die sich natürlich auch auf China übertragen lassen. Wenn ich mich recht erinnere, hat er auch in China Vorlesungen gehalten. Auch der französische Philosoph Jacques Derrida ist vor seinem Tod nach China gereist und hat dort vor etwa zwanzig Jahren Vorträge gehalten.
Ist das heute auch noch so?
Die meisten bedeutenden Ökonomen oder Philosophen sind bereit, sich mit Kollegen in China auszutauschen, und sie sind der Meinung, dass China eine ebenso wichtige intellektuelle Vergangenheit besitzt wie Europa. Für die bedeutendsten zeitgenössischen Denker wäre es seltsam, wenn sie in den Gebieten der Ökonomie, Soziologie, Anthropologie oder sogar Geschichte ohne irgendwelche Verbindungen zu China arbeiten würden.
Dieses Jahr scheint ganz im Zeichen der Machtentfaltung Xi Jinpings zu stehen. Er hat sich eine dritte Amtszeit gesichert. Sie haben das Buch “Xi – A study in Power” über ihn geschrieben. Hat er zu dem negativen Bild über China beigetragen?
Es entsteht der Eindruck, dass seine Führungsriege keinen klaren Plan für die Wirtschaft hat, die im Moment zweifellos unter Druck steht. Es handelt sich um eine sehr politische Führung, bestehend aus neuen Politikern, die gerade erst im Oktober in ihr Amt gewählt wurden und deren Ressorts eher politisch als wirtschaftlich sind. Natürlich ist Xis Führung zum Teil eine Antwort auf die innenpolitischen Herausforderungen, denen sich China gegenübersieht. Aber sie ist auch ein Eingeständnis, dass die Außenwelt China gegenüber ziemlich feindselig eingestellt ist. Das hat die Führung um Xi in die Defensive gedrängt.
Erwarten Sie in Xis dritter Amtszeit Überraschungen?
Die meisten Dinge, die mich bisher überrascht haben, waren eher negativ als positiv. Es wäre schön, wenn wir einmal von Dingen überrascht würden, die wir nicht schon erwartet haben. Politische Reformen stehen nicht auf dem Plan, aber es war erfreulich, dass Xi auf dem G20-Gipfel im November dieses Jahres offensichtlich verstärkt mit anderen Staats- und Regierungschefs sprach und Partnerschaft und Dialog betonte. Aber ich glaube, die Führung unter Xi wird alles tun, um die Stabilität aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass die große Wiederbelebung der chinesischen Nation gelingt.
Richtet sich der Blick der unzufriedenen chinesischen Bürger Richtung Westen?
Für diese Menschen ist das Bild der Außenwelt in den eigenen Medien, nicht besonders positiv. Sie sehen die ganz offensichtlichen Spaltungen, Konflikte und Probleme in den USA, Europa und anderswo, und das stimmt sie vermutlich nachdenklich. Erweckt das Ausland wirklich den Eindruck einer attraktiven Alternative? Es stellt sich auch die Frage, wer Xis Nachfolger wird. Er wird nächstes Jahr 70 Jahre alt und kann nicht ewig weitermachen. Aber im Moment scheint noch kein Nachfolger in Sicht.
Sehen wir bereits die schlimmsten Auswirkungen von Xis Führung?
Meiner Meinung nach kann nichts Gutes dabei herauskommen, wenn im 21. Jahrhundert ein autokratischer Führer länger als zehn bis 15 Jahre an der Macht bleibt. Mao Zedong wurde nach 15 Jahren zunehmend launisch und traf schlechte Entscheidungen wie die Unterstützung der Kulturrevolution. Bei Stalin zeigte sich das nach zehn bis 15 Jahren und auch Putin hat nach 20 Jahren immer schlechtere Entscheidungen getroffen. Nach etwas mehr als 15 bis 20 Jahren werden die Dinge immer schlimmer. Ich mache mir Sorgen, dass, falls China unter der Führung von Xi Jinping in diese Lage gerät und es nicht schafft, den Kurs zu ändern, es zu einem gewaltigen Problem für China und den Rest der Welt werden wird.
Wie sehen die Europäer China heute und wie wird dieses Bild von den USA beeinflusst?
Sie haben einen sehr komplizierten Eindruck von China: als Partner, Konkurrenten und als systemischer Rivale. Die Europäische Kommission hat diese Formulierung 2019 in einer Erklärung zu China verwendet. Ich denke, die meisten Europäer mögen viele Dinge an China nicht, aber es gibt auch viele Bereiche, in denen sie einsehen, dass sie mit China zusammenarbeiten müssen. Sie sind recht pragmatisch. Außerdem müssen sie ihre Beziehungen zu China mit denen zu den USA in Einklang bringen. Amerika hat viel Einfluss in Europa und übt immer noch Druck aus.
Wie kann Europa in dieser komplizierten Lage mit China umgehen?
Der Besuch des deutschen Bundeskanzlers Scholz in China im Oktober hat gezeigt, wie man es macht. Er erntete zwar Kritik, aber er erreichte auch ein politisches Ergebnis, indem China den potenziellen Einsatz von Atomwaffen durch Russland gegen die Ukraine verurteilte. Aber wir müssen über jede Delegation die Europa nach China entsendet, genau nachdenken – was wollen wir mit ihnen erreichen? Wir brauchen dringend einige diplomatische Erfolge. Ungeachtet dessen wird China auch weiterhin eine Herausforderung für Europa bleiben. Die Europäer müssen sich um ein ausgewogenes Verhältnis zu sich selbst, zu China und zu anderen internationalen Partnern wie Amerika bemühen.
Für wie wahrscheinlich halten Sie einen Konflikt der Systeme?
Das Wichtigste ist derzeit, einen pragmatischen Handlungsrahmen zu finden, in dem sich die Welt mit zentralen Themen wie Klimawandel, Pandemien, Ungleichheit und Nachhaltigkeit befassen kann, aber gleichzeitig anerkennt, dass es in politischer Hinsicht große Unterschiede zwischen China und Europa gibt und auch in Zukunft geben wird. Trotzdem wäre es eine historische Tragödie – eine Katastrophe – wenn China und Amerika militärisch oder anderweitig aneinandergeraten würden, nur aufgrund von unterschiedlichen politische Systeme und Werte. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir trotz erheblicher Differenzen, bei entscheidenden Herausforderungen wie dem Klimawandel und seinen Ursachen in vielen Punkten einer Meinung sind. Das lässt zumindest hoffen, dass wir diese Probleme eines Tages lösen können.
Kerry Brown ist Professor für China-Studien und Direktor des Lau China Institutes am King´s College in London. Er ist ein Associate Fellow des Asia Pacific Programms bei Chatham House. Brown ist Autor von 24 Büchern. Die beiden aktuellsten Werke sind “China Through European Eyes” (mit Chenger Gemma Deng) und “Xi: A Study of Power”.
Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete am Sonntag, dass es landesweit nur 2.028 neue Corona-Infektionen und keinen einzigen Toten gegeben habe. Es ist aber klar, dass diese Information nicht stimmen kann. Mit dem Ende der Null-Corona-Politik ist auch das Test-System in China zusammengebrochen. Wo nicht mehr richtig getestet wird, gibt es eben auch kaum offizielle Fälle. China hat vor der Pandemie kapituliert.
Tatsächlich weiß jeder, der etwa in Peking lebt, was los ist. Große Teile der Stadtbevölkerung sind infiziert. Jeder kennt jemanden, der erkrankt ist. Einige Unternehmen berichten von krankheitsbedingten Ausfällen von 90 Prozent. Ähnlich sieht es in Shanghai und anderen Großstädten aus. Täglich dürfte es landesweit mindestens einige Millionen neue Infektionen geben. Und mit der unkontrollierten Verbreitung des Virus passiert das, was auch überall sonst auf der Welt passiert ist: Menschen sterben.
Nur derzeit eben nicht in den chinesischen Staatsmedien. Dort werden die Risiken seit dem abrupten Kurswechsel in der Covid-Politik systematisch heruntergespielt. Der renommierte Epidemiologe Zhong Nanshan hat sich laut der parteinahen Zeitung Global Times dafür ausgesprochen, die Krankheit nur noch “Corona-Erkältung” zu nennen. “Mild” sei das Virus, ist nun immer wieder zu lesen. Omikron mag milder sein, doch gerade für ältere Menschen ohne ausreichende Immunisierung kann es immer noch tödlich sein. Umso skurriler wirkt es, dass die Gesundheitskommission seit gut zwei Wochen keinen Corona-Toten mehr gemeldet hat.
Die Angaben passen nicht zu den Ergebnissen einer Recherche der Financial Times, die in Peking mit Bestattern und Betreibern von Krematorien gesprochen hat. Sie gaben an, dass bei ihnen täglich neue Corona-Tote ankommen. Auch in Krankenhäusern, die auf die Behandlung von Corona-Fällen spezialisiert sind, wurden demnach bereits viele Leichensäcke gesichtet. In sozialen Medien betrauern Nutzer ihre Familienmitglieder, die an Covid gestorben sind.
Mit wie vielen Toten China in den kommenden Wochen und Monaten zu rechnen hat, haben Wissenschaftler der Universität Hongkong errechnet. Sie kommen in einer neuen Modellierung zu dem Ergebnis, dass 684 pro eine Million Menschen ums Leben kommen könnten. Auf Chinas Gesamtbevölkerung hochgerechnet wären dies 964.400 Tote.
Laut der Studie wird das Gesundheitssystem in großen Teilen des Landes in den kommenden zwei Monaten überlastet werden. Zwar sei es möglich, die Zahl der Toten auf bis zu 448 pro eine Million Menschen zu reduzieren. Dieses Szenario könne jedoch nur im Falle einer “kontrollierten Öffnung” eintreten. Die Führung hat aber bereits alle Versuche einer Eindämmung fallen gelassen.
Für das günstigere Szenario ist zudem eine schnelle Impf- und Boosterkampagne notwendig. Auch müsse der Zugang zu antiviralen Medikamenten verbessert werden. Doch dafür bleibt in der Praxis keine Zeit mehr. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler hatten bereits Anfang des Jahres den großen Corona-Ausbruch in Hongkong treffsicher modelliert. Sie hatten 7.000 Sterbefälle vorhergesagt, am Ende waren es rund 9.000.
Bereits in den vergangenen Monaten hatten Wissenschaftler mögliche Verläufe einer unkontrollierten Corona-Welle modelliert und vor den Folgen gewarnt. Ein Modell der Shanghaier Fudan-Universität errechnete im Mai sogar bis zu 1,6 Millionen Tote (China.Table berichtete). China nutzte die Ergebnisse der Studie damals noch, um seine Null-Corona-Politik zu verteidigen. Jörn Petring
Am Donnerstag und Freitag hat die jährliche Sitzung der Zentralen Wirtschafts-Arbeitskonferenz stattgefunden. Für 2023 sind gemäß der offiziellen Verlautbarung folgende ökonomische Politikziele vorgesehen:
Der wichtigste Begriff ist in diesem Jahr “Stabilität”. Die Zentrale Wirtschafts-Arbeitskonferenz (Central Economic Work Conference, 中央经济工作会议) von Regierung und Partei findet einmal jährlich statt. Sie setzt die Schwerpunkte für die Wirtschafts- und Finanzpolitik des Landes. Die Ergebnisse der Konferenz erhalten daher in der Regel viel Aufmerksamkeit.
Der Generalsekretär des Verbands der Pkw-Hersteller, Cui Dongshu, hält die Ergebnisse der Konferenz für besonders günstig für die Entwicklung des Automarktes. Der leichte Konsumrückgang in diesem Jahr liege vor allem an der schlechten Autokonjunktur. Hier werde die Regierung vermutlich ansetzen, um die Wirtschaft zu beleben. fin
China reagiert mit der Entsendung von Schiffen auf die Vorstellung neuer Geostrategie-Papiere der japanischen Regierung (China.Table berichtete). Kurz nach Veröffentlichung der Dokumente hat ein Geschwader der chinesischen Marine am Freitag die Osumi-Straße durchfahren. Diese verläuft zwischen der Südinsel Kyushu und vorgelagerten Inseln, die zu Japan gehören. Ein Einzelschiff durchquerte zugleich die Miyako-Straße weiter im Süden zwischen japanischen Inselgruppen.
Die Propagandazeitung Global Times nannte die Wortwahl der japanischen Strategiepapiere eine “Provokation“. China wird darin unter anderem als geopolitische “Herausforderung” bezeichnet – ein Begriff, der auch in Deutschland und der EU häufig in Hinblick auf China fällt. China empfinde die neuen japanischen Leitlinien als “aggressiv”, so die Zeitung.
Japans Premier Fumio Kishida hat eine Verteidigungsstrategie und eine Sicherheitsstrategie vorgestellt. Sie sehen eine Verdoppelung der Rüstungs- und Militärausgaben von derzeit einem Prozent auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Mit den drei Nachbarn Russland, Nordkorea und China könne sich Japan keine Lücke in den Abwehrfähigkeiten leisten. fin
Verstärkter Kontakt mit Taiwan: Zum ersten Mal besucht eine Delegation des Handelsausschuss des Europaparlaments die Insel. Die sieben EU-Abgeordneten werden von Montag bis Mittwoch in Taipeh bleiben und dort neben Präsidentin Tsai Ing-wen und anderen Regierungsmitgliedern auch Vertreter der Halbleiter-Industrie treffen. Auch Treffen mit Gewerkschaften sowie Umwelt-, Frauenrechts- und Verbraucherorganisationen sind geplant.
Der deutsche Europa-Politiker Reinhard Bütikofer (Grüne) ist Teil der Delegation. Geleitet wird sie von der griechischen Abgeordneten Anna-Michelle Asimakopoulou. Taiwan spiele eine wichtige Rolle bei den langfristigen Prioritäten der EU, betonte Asimakopoulou vor der Reise. ari
Deutschlands 5G-Netz ist stark abhängig von chinesischer Technologie: Von den Basisstationen und der dazugehörigen Infrastruktur, die Mobiltelefone mit dem Netz verbindet, stammen 59 Prozent von Huawei. Das ist das Ergebnis einer Studie der Telekommunikationsberatung Strand Consult, die diese Woche veröffentlicht wird und bereits von Reuters eingesehen wurde. Die Abhängigkeit bei diesen Radio Access Network-Komponenten (RAN) ist damit im Vergleich zum älteren 4G-Standard zuletzt sogar noch gestiegen. Bei 4G liegt der Anteil von Huawei bei 57 Prozent.
Die Studie analysiert die Rolle der chinesischen Konzerne Huawei und ZTE bei der Einführung von Mobilfunknetzwerken der nächsten Generation in ganz Europa. Viele europäische Staaten verzichten bei ihren 5G-Netzwerken ganz oder teilweise auf Technologien der chinesischen Firmen und begründen dies mit Sicherheitsbedenken. Die Studienautoren kritisieren, dass Deutschland diese Sicherheitsrisiken nicht ernst nehme, und ziehen einen Vergleich mit der Gaspipeline Nord Stream 2. Das Projekt sei ebenfalls lange für seine geopolitischen Risiken kritisiert worden. jul
2015 sah Tim Wenniges vom Flugzeug aus zum ersten Mal die Lichter Shanghais. Mit seiner Frau hatte er zuvor bereits ein Jahr in Jakarta gelebt, aber ganz oben auf der Wunschliste stand China. Da landete plötzlich ein Angebot der Konrad-Adenauer-Stiftung auf seinem Schreibtisch. Wenniges sollte das dortige Büro leiten. Er und seine Frau überlegten nicht lange und flogen hin. Sieben Jahre später sitzt Wenniges nun in seinem Haus in Stuttgart und denkt an die Jahre in China zurück.
Der 44-Jährige ist inzwischen Geschäftsführer für die internationalen Angelegenheiten bei Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Den Schwerpunkt seines Jobs sieht er darin, Gesprächskanäle nach China offen und Geschäftsbeziehungen stabil zu halten.
Denn die deutsche Industrie drängt weiterhin nach China. “Die Unternehmen diversifizieren weiter. Das ist klug. Aber es gibt eben kein zweites China”, sagt Wenniges. Mit Blick auf den Absatz – und auch Innovationen – werde zum Beispiel Indien mittelfristig zu keiner Alternative werden. Jede Form von Decoupling aus Richtung Deutschland hält er aus diesem Grund für unklug.
Natürlich sieht Wenniges, dass es auch in China Bestrebungen gibt, sich von deutschen Unternehmen abzukoppeln. Dass Chinesen aber mal selbst Autos bauen wollten, sagt er, das sollte niemanden überraschen. “Das war absehbar und ist verständlich.”
Wenniges sieht die Idee von “Wandel durch Handel” mittlerweile zwar kritisch. Er fragt sich jedoch auch, wie sonst Druck auf die Regierung ausgeübt werden kann. Denn: “Wandel ohne Handel gibt es erst recht nicht.” Und China sei nicht nur Xi Jinping, betont er. Es sei ein Land mit großer Vielfalt und herzlichen Leuten. Es sei jedoch auch ein Land mit großen Problemen, zum Beispiel die Überalterung der Gesellschaft (aufgrund der Jahrzehnte dauernden Ein-Kind-Politik). “Wir dürfen dieses Land nicht zu eindimensional sehen.”
Als er in der Volksrepublik lebte, begeisterten ihn die Dynamik, die Zukunftsorientierung und das Interesse an allem Unbekannten. Das habe ihn in China und bei den Menschen sofort in den Bann gezogen. Er konnte durch das ganze Land reisen, oft mit seiner sechsköpfigen Familie. Auf der Fahrt nach Westen, immer weiter ins Landesinnere hinein, zogen an den Zugfenstern kilometerlang die Reisfelder vorbei.
Dabei sei ihm zum ersten Mal richtig klar geworden, wie groß das Land eigentlich sei. “Wir hier kennen das Leben von ein paar 100 Millionen Chinesen an der Ostküste. Aber die Lebensrealität von einer Milliarde Menschen im Landesinneren und im Westen erschließt sich nicht so leicht.”
Mit der Corona-Pandemie habe sich jedoch viel verändert. Freunde und Kollegen, die aus China zurück nach Deutschland ziehen, berichten davon, sagt Wenniges. Diese Neugier, die ihn vor sieben Jahren so an den Menschen in China faszinierte, verschwinde immer mehr. Über die gesamte Pandemie war Wenniges nicht mehr in China. 2018 kehrte er nach Deutschland zurück. Für März plant er die nächste Reise nach China. Martin Hogger
Olaf Schick, derzeit noch Finanzvorstand der Mercedes-Benz Group China, leitet ab dem 1. Juli 2023 das neu geschaffene Vorstandsressort für Integrität und Recht beim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental. Schick wird für den Posten zunächst auf drei Jahre berufen.
Eva Serrano, bisher Präsidentin des spanischen Mode-Riesen Inditex für Greater China, wird neue Global Brand Präsidentin bei Calvin Klein. Mit Serranos Erfahrung will der US-amerikanische Bekleidungskonzern PVH Corporation, zu dem Calvin Klein gehört, nach eigenen Angaben seine Geschäfte in der wichtigen Wachstumsregion ausbauen.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Bei minus 20 Grad versinkt Nordchina im Schnee. Im Süden des Landes herrschen hingegen angenehme Temperaturen bis 20 Grad plus. In Haikou auf der Inselprovinz Hainan findet im Dezember sogar eine Messe für tropische Landwirtschaftsprodukte statt.
Corona-Tote sind in Chinas Staatsmedien kein Thema. Auch die Pekinger Gesundheitskommission hat seit zwei Wochen keinen Todesfall gemeldet. Bestatter, Krematorien und Hinterbliebene dagegen sagen etwas anderes. Sie erleben die verheerenden Auswirkungen des Virus auf eine größtenteils ungeimpfte Bevölkerung hautnah.
Während der renommierte Epidemiologe Zhong Nanshan die Krankheit zur “Corona-Erkältung” verharmlosen möchte, lässt ein Modell der Hongkonger Universität zu Corona-Toten in den nächsten Wochen und Monaten nichts Gutes erahnen. Bis zu einer Million Todesfälle sagt es voraus. Unser Team in Peking beschreibt die aktuelle Lage im Land.
Der französische Philosoph Voltaire lobte China im 18. Jahrhundert als Modell einer säkularen und humanen Zivilisation. Der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz bezeichnete China als “Europa des Ostens”. Von solch begeisterter Wertschätzung ist heute nicht mehr viel übrig. Der Blick auf China werde zunehmend negativ, erklärt der britische Sinologe Kerry Brown. Und übrigens auch umgekehrt: In China wachse die Ablehnung gegenüber dem Westen. In seinem neuen Buch begibt sich Brown auf eine Zeitreise zu den 16 wichtigsten europäischen Denkern zu China in den vergangenen Jahrhunderten, darunter viele große Namen. Eines sei bis heute konstant, beobachtet Brown: China habe immer polarisiert – mal in die eine, mal in die andere Richtung.
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robert.hackenfort@table.media | +49 30 30809514
Mr. Brown, worum geht es in Ihrem Buch “China Through European Eyes”?
Die europäisch-chinesischen Beziehungen bestehen bereits seit etwa 400 bis 500 Jahren, und mein Ziel war es, die wichtigsten Persönlichkeiten von damals bis in die jüngste Zeit zusammenzutragen. Immerhin handelt es sich im Prinzip um China-Experten. Personen, die später durch ihr Schaffen in anderen Bereichen bekannt wurden, wie die Philosophen Leibniz und Montesquieu. Dass sie sich mit China befasst haben, zeigt, wie wichtig das Thema damals schon war.
Hätten Sie je damit gerechnet, dass die europäisch-chinesischen Beziehungen einmal dermaßen aus dem Ruder laufen würden wie jetzt?
Das Verhältnis ist auch heutzutage sehr schwierig, weil es sich um komplexe Partner handelt. Der Umgang zwischen China und Europa ist aus vielen Gründen nicht einfach. Ihre Geschichte ist verwickelt, sie sind innerlich kompliziert, und sie verfügen über sehr unterschiedliche Kulturen und Werte. Daher ist es wenig überraschend, dass das Gespräch miteinander nicht einfach ist. Aber immerhin führen sie einen Dialog und versuchen, miteinander zu sprechen.
Als Sie sich mit den Gedanken der 16 wichtigsten Denker zu China beschäftigten – was hat sie am meisten überrascht?
Was zunächst mein Interesse weckte, war die Tatsache, dass die Ansichten über China schon immer sehr polarisiert waren. Sie waren entweder sehr idealistisch, kritisch, negativ oder durch Angst geprägt. Dieses Muster setzt sich bis heute fort. Es herrscht entweder Sinophobie oder Sinophilie. Diese Studie zeigt, dass dies keine neue Erkenntnis ist.
Was fiel Ihnen noch auf?
Der zweite Punkt ist die seit langem vorherrschende Überzeugung in Europa, dass China ganz anders ist, sowohl ein Gegenpol als auch eine Alternative zu Europa im Hinblick auf seine Werte. Das ist etwas, das mir bei den Recherchen zu meinem Buch besonders aufgefallen ist. Dieses Empfinden ist heute noch genauso stark wie vor 400 Jahren. Es ist ein wesentlicher Bestandteil der Beziehung und ist nicht mehr wegzudenken.
Wer sind die heutigen Leibniz, Hegel und Weber, Voltaires, die sich seit, sagen wir, einem Jahrzehnt intensiv mit China beschäftigen?
Da wäre beispielsweise Jürgen Habermas. Er hat viel über Europa geschrieben und natürlich auch über allgemeine Themen wie den öffentlichen Raum, die sich natürlich auch auf China übertragen lassen. Wenn ich mich recht erinnere, hat er auch in China Vorlesungen gehalten. Auch der französische Philosoph Jacques Derrida ist vor seinem Tod nach China gereist und hat dort vor etwa zwanzig Jahren Vorträge gehalten.
Ist das heute auch noch so?
Die meisten bedeutenden Ökonomen oder Philosophen sind bereit, sich mit Kollegen in China auszutauschen, und sie sind der Meinung, dass China eine ebenso wichtige intellektuelle Vergangenheit besitzt wie Europa. Für die bedeutendsten zeitgenössischen Denker wäre es seltsam, wenn sie in den Gebieten der Ökonomie, Soziologie, Anthropologie oder sogar Geschichte ohne irgendwelche Verbindungen zu China arbeiten würden.
Dieses Jahr scheint ganz im Zeichen der Machtentfaltung Xi Jinpings zu stehen. Er hat sich eine dritte Amtszeit gesichert. Sie haben das Buch “Xi – A study in Power” über ihn geschrieben. Hat er zu dem negativen Bild über China beigetragen?
Es entsteht der Eindruck, dass seine Führungsriege keinen klaren Plan für die Wirtschaft hat, die im Moment zweifellos unter Druck steht. Es handelt sich um eine sehr politische Führung, bestehend aus neuen Politikern, die gerade erst im Oktober in ihr Amt gewählt wurden und deren Ressorts eher politisch als wirtschaftlich sind. Natürlich ist Xis Führung zum Teil eine Antwort auf die innenpolitischen Herausforderungen, denen sich China gegenübersieht. Aber sie ist auch ein Eingeständnis, dass die Außenwelt China gegenüber ziemlich feindselig eingestellt ist. Das hat die Führung um Xi in die Defensive gedrängt.
Erwarten Sie in Xis dritter Amtszeit Überraschungen?
Die meisten Dinge, die mich bisher überrascht haben, waren eher negativ als positiv. Es wäre schön, wenn wir einmal von Dingen überrascht würden, die wir nicht schon erwartet haben. Politische Reformen stehen nicht auf dem Plan, aber es war erfreulich, dass Xi auf dem G20-Gipfel im November dieses Jahres offensichtlich verstärkt mit anderen Staats- und Regierungschefs sprach und Partnerschaft und Dialog betonte. Aber ich glaube, die Führung unter Xi wird alles tun, um die Stabilität aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass die große Wiederbelebung der chinesischen Nation gelingt.
Richtet sich der Blick der unzufriedenen chinesischen Bürger Richtung Westen?
Für diese Menschen ist das Bild der Außenwelt in den eigenen Medien, nicht besonders positiv. Sie sehen die ganz offensichtlichen Spaltungen, Konflikte und Probleme in den USA, Europa und anderswo, und das stimmt sie vermutlich nachdenklich. Erweckt das Ausland wirklich den Eindruck einer attraktiven Alternative? Es stellt sich auch die Frage, wer Xis Nachfolger wird. Er wird nächstes Jahr 70 Jahre alt und kann nicht ewig weitermachen. Aber im Moment scheint noch kein Nachfolger in Sicht.
Sehen wir bereits die schlimmsten Auswirkungen von Xis Führung?
Meiner Meinung nach kann nichts Gutes dabei herauskommen, wenn im 21. Jahrhundert ein autokratischer Führer länger als zehn bis 15 Jahre an der Macht bleibt. Mao Zedong wurde nach 15 Jahren zunehmend launisch und traf schlechte Entscheidungen wie die Unterstützung der Kulturrevolution. Bei Stalin zeigte sich das nach zehn bis 15 Jahren und auch Putin hat nach 20 Jahren immer schlechtere Entscheidungen getroffen. Nach etwas mehr als 15 bis 20 Jahren werden die Dinge immer schlimmer. Ich mache mir Sorgen, dass, falls China unter der Führung von Xi Jinping in diese Lage gerät und es nicht schafft, den Kurs zu ändern, es zu einem gewaltigen Problem für China und den Rest der Welt werden wird.
Wie sehen die Europäer China heute und wie wird dieses Bild von den USA beeinflusst?
Sie haben einen sehr komplizierten Eindruck von China: als Partner, Konkurrenten und als systemischer Rivale. Die Europäische Kommission hat diese Formulierung 2019 in einer Erklärung zu China verwendet. Ich denke, die meisten Europäer mögen viele Dinge an China nicht, aber es gibt auch viele Bereiche, in denen sie einsehen, dass sie mit China zusammenarbeiten müssen. Sie sind recht pragmatisch. Außerdem müssen sie ihre Beziehungen zu China mit denen zu den USA in Einklang bringen. Amerika hat viel Einfluss in Europa und übt immer noch Druck aus.
Wie kann Europa in dieser komplizierten Lage mit China umgehen?
Der Besuch des deutschen Bundeskanzlers Scholz in China im Oktober hat gezeigt, wie man es macht. Er erntete zwar Kritik, aber er erreichte auch ein politisches Ergebnis, indem China den potenziellen Einsatz von Atomwaffen durch Russland gegen die Ukraine verurteilte. Aber wir müssen über jede Delegation die Europa nach China entsendet, genau nachdenken – was wollen wir mit ihnen erreichen? Wir brauchen dringend einige diplomatische Erfolge. Ungeachtet dessen wird China auch weiterhin eine Herausforderung für Europa bleiben. Die Europäer müssen sich um ein ausgewogenes Verhältnis zu sich selbst, zu China und zu anderen internationalen Partnern wie Amerika bemühen.
Für wie wahrscheinlich halten Sie einen Konflikt der Systeme?
Das Wichtigste ist derzeit, einen pragmatischen Handlungsrahmen zu finden, in dem sich die Welt mit zentralen Themen wie Klimawandel, Pandemien, Ungleichheit und Nachhaltigkeit befassen kann, aber gleichzeitig anerkennt, dass es in politischer Hinsicht große Unterschiede zwischen China und Europa gibt und auch in Zukunft geben wird. Trotzdem wäre es eine historische Tragödie – eine Katastrophe – wenn China und Amerika militärisch oder anderweitig aneinandergeraten würden, nur aufgrund von unterschiedlichen politische Systeme und Werte. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir trotz erheblicher Differenzen, bei entscheidenden Herausforderungen wie dem Klimawandel und seinen Ursachen in vielen Punkten einer Meinung sind. Das lässt zumindest hoffen, dass wir diese Probleme eines Tages lösen können.
Kerry Brown ist Professor für China-Studien und Direktor des Lau China Institutes am King´s College in London. Er ist ein Associate Fellow des Asia Pacific Programms bei Chatham House. Brown ist Autor von 24 Büchern. Die beiden aktuellsten Werke sind “China Through European Eyes” (mit Chenger Gemma Deng) und “Xi: A Study of Power”.
Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete am Sonntag, dass es landesweit nur 2.028 neue Corona-Infektionen und keinen einzigen Toten gegeben habe. Es ist aber klar, dass diese Information nicht stimmen kann. Mit dem Ende der Null-Corona-Politik ist auch das Test-System in China zusammengebrochen. Wo nicht mehr richtig getestet wird, gibt es eben auch kaum offizielle Fälle. China hat vor der Pandemie kapituliert.
Tatsächlich weiß jeder, der etwa in Peking lebt, was los ist. Große Teile der Stadtbevölkerung sind infiziert. Jeder kennt jemanden, der erkrankt ist. Einige Unternehmen berichten von krankheitsbedingten Ausfällen von 90 Prozent. Ähnlich sieht es in Shanghai und anderen Großstädten aus. Täglich dürfte es landesweit mindestens einige Millionen neue Infektionen geben. Und mit der unkontrollierten Verbreitung des Virus passiert das, was auch überall sonst auf der Welt passiert ist: Menschen sterben.
Nur derzeit eben nicht in den chinesischen Staatsmedien. Dort werden die Risiken seit dem abrupten Kurswechsel in der Covid-Politik systematisch heruntergespielt. Der renommierte Epidemiologe Zhong Nanshan hat sich laut der parteinahen Zeitung Global Times dafür ausgesprochen, die Krankheit nur noch “Corona-Erkältung” zu nennen. “Mild” sei das Virus, ist nun immer wieder zu lesen. Omikron mag milder sein, doch gerade für ältere Menschen ohne ausreichende Immunisierung kann es immer noch tödlich sein. Umso skurriler wirkt es, dass die Gesundheitskommission seit gut zwei Wochen keinen Corona-Toten mehr gemeldet hat.
Die Angaben passen nicht zu den Ergebnissen einer Recherche der Financial Times, die in Peking mit Bestattern und Betreibern von Krematorien gesprochen hat. Sie gaben an, dass bei ihnen täglich neue Corona-Tote ankommen. Auch in Krankenhäusern, die auf die Behandlung von Corona-Fällen spezialisiert sind, wurden demnach bereits viele Leichensäcke gesichtet. In sozialen Medien betrauern Nutzer ihre Familienmitglieder, die an Covid gestorben sind.
Mit wie vielen Toten China in den kommenden Wochen und Monaten zu rechnen hat, haben Wissenschaftler der Universität Hongkong errechnet. Sie kommen in einer neuen Modellierung zu dem Ergebnis, dass 684 pro eine Million Menschen ums Leben kommen könnten. Auf Chinas Gesamtbevölkerung hochgerechnet wären dies 964.400 Tote.
Laut der Studie wird das Gesundheitssystem in großen Teilen des Landes in den kommenden zwei Monaten überlastet werden. Zwar sei es möglich, die Zahl der Toten auf bis zu 448 pro eine Million Menschen zu reduzieren. Dieses Szenario könne jedoch nur im Falle einer “kontrollierten Öffnung” eintreten. Die Führung hat aber bereits alle Versuche einer Eindämmung fallen gelassen.
Für das günstigere Szenario ist zudem eine schnelle Impf- und Boosterkampagne notwendig. Auch müsse der Zugang zu antiviralen Medikamenten verbessert werden. Doch dafür bleibt in der Praxis keine Zeit mehr. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler hatten bereits Anfang des Jahres den großen Corona-Ausbruch in Hongkong treffsicher modelliert. Sie hatten 7.000 Sterbefälle vorhergesagt, am Ende waren es rund 9.000.
Bereits in den vergangenen Monaten hatten Wissenschaftler mögliche Verläufe einer unkontrollierten Corona-Welle modelliert und vor den Folgen gewarnt. Ein Modell der Shanghaier Fudan-Universität errechnete im Mai sogar bis zu 1,6 Millionen Tote (China.Table berichtete). China nutzte die Ergebnisse der Studie damals noch, um seine Null-Corona-Politik zu verteidigen. Jörn Petring
Am Donnerstag und Freitag hat die jährliche Sitzung der Zentralen Wirtschafts-Arbeitskonferenz stattgefunden. Für 2023 sind gemäß der offiziellen Verlautbarung folgende ökonomische Politikziele vorgesehen:
Der wichtigste Begriff ist in diesem Jahr “Stabilität”. Die Zentrale Wirtschafts-Arbeitskonferenz (Central Economic Work Conference, 中央经济工作会议) von Regierung und Partei findet einmal jährlich statt. Sie setzt die Schwerpunkte für die Wirtschafts- und Finanzpolitik des Landes. Die Ergebnisse der Konferenz erhalten daher in der Regel viel Aufmerksamkeit.
Der Generalsekretär des Verbands der Pkw-Hersteller, Cui Dongshu, hält die Ergebnisse der Konferenz für besonders günstig für die Entwicklung des Automarktes. Der leichte Konsumrückgang in diesem Jahr liege vor allem an der schlechten Autokonjunktur. Hier werde die Regierung vermutlich ansetzen, um die Wirtschaft zu beleben. fin
China reagiert mit der Entsendung von Schiffen auf die Vorstellung neuer Geostrategie-Papiere der japanischen Regierung (China.Table berichtete). Kurz nach Veröffentlichung der Dokumente hat ein Geschwader der chinesischen Marine am Freitag die Osumi-Straße durchfahren. Diese verläuft zwischen der Südinsel Kyushu und vorgelagerten Inseln, die zu Japan gehören. Ein Einzelschiff durchquerte zugleich die Miyako-Straße weiter im Süden zwischen japanischen Inselgruppen.
Die Propagandazeitung Global Times nannte die Wortwahl der japanischen Strategiepapiere eine “Provokation“. China wird darin unter anderem als geopolitische “Herausforderung” bezeichnet – ein Begriff, der auch in Deutschland und der EU häufig in Hinblick auf China fällt. China empfinde die neuen japanischen Leitlinien als “aggressiv”, so die Zeitung.
Japans Premier Fumio Kishida hat eine Verteidigungsstrategie und eine Sicherheitsstrategie vorgestellt. Sie sehen eine Verdoppelung der Rüstungs- und Militärausgaben von derzeit einem Prozent auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Mit den drei Nachbarn Russland, Nordkorea und China könne sich Japan keine Lücke in den Abwehrfähigkeiten leisten. fin
Verstärkter Kontakt mit Taiwan: Zum ersten Mal besucht eine Delegation des Handelsausschuss des Europaparlaments die Insel. Die sieben EU-Abgeordneten werden von Montag bis Mittwoch in Taipeh bleiben und dort neben Präsidentin Tsai Ing-wen und anderen Regierungsmitgliedern auch Vertreter der Halbleiter-Industrie treffen. Auch Treffen mit Gewerkschaften sowie Umwelt-, Frauenrechts- und Verbraucherorganisationen sind geplant.
Der deutsche Europa-Politiker Reinhard Bütikofer (Grüne) ist Teil der Delegation. Geleitet wird sie von der griechischen Abgeordneten Anna-Michelle Asimakopoulou. Taiwan spiele eine wichtige Rolle bei den langfristigen Prioritäten der EU, betonte Asimakopoulou vor der Reise. ari
Deutschlands 5G-Netz ist stark abhängig von chinesischer Technologie: Von den Basisstationen und der dazugehörigen Infrastruktur, die Mobiltelefone mit dem Netz verbindet, stammen 59 Prozent von Huawei. Das ist das Ergebnis einer Studie der Telekommunikationsberatung Strand Consult, die diese Woche veröffentlicht wird und bereits von Reuters eingesehen wurde. Die Abhängigkeit bei diesen Radio Access Network-Komponenten (RAN) ist damit im Vergleich zum älteren 4G-Standard zuletzt sogar noch gestiegen. Bei 4G liegt der Anteil von Huawei bei 57 Prozent.
Die Studie analysiert die Rolle der chinesischen Konzerne Huawei und ZTE bei der Einführung von Mobilfunknetzwerken der nächsten Generation in ganz Europa. Viele europäische Staaten verzichten bei ihren 5G-Netzwerken ganz oder teilweise auf Technologien der chinesischen Firmen und begründen dies mit Sicherheitsbedenken. Die Studienautoren kritisieren, dass Deutschland diese Sicherheitsrisiken nicht ernst nehme, und ziehen einen Vergleich mit der Gaspipeline Nord Stream 2. Das Projekt sei ebenfalls lange für seine geopolitischen Risiken kritisiert worden. jul
2015 sah Tim Wenniges vom Flugzeug aus zum ersten Mal die Lichter Shanghais. Mit seiner Frau hatte er zuvor bereits ein Jahr in Jakarta gelebt, aber ganz oben auf der Wunschliste stand China. Da landete plötzlich ein Angebot der Konrad-Adenauer-Stiftung auf seinem Schreibtisch. Wenniges sollte das dortige Büro leiten. Er und seine Frau überlegten nicht lange und flogen hin. Sieben Jahre später sitzt Wenniges nun in seinem Haus in Stuttgart und denkt an die Jahre in China zurück.
Der 44-Jährige ist inzwischen Geschäftsführer für die internationalen Angelegenheiten bei Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Den Schwerpunkt seines Jobs sieht er darin, Gesprächskanäle nach China offen und Geschäftsbeziehungen stabil zu halten.
Denn die deutsche Industrie drängt weiterhin nach China. “Die Unternehmen diversifizieren weiter. Das ist klug. Aber es gibt eben kein zweites China”, sagt Wenniges. Mit Blick auf den Absatz – und auch Innovationen – werde zum Beispiel Indien mittelfristig zu keiner Alternative werden. Jede Form von Decoupling aus Richtung Deutschland hält er aus diesem Grund für unklug.
Natürlich sieht Wenniges, dass es auch in China Bestrebungen gibt, sich von deutschen Unternehmen abzukoppeln. Dass Chinesen aber mal selbst Autos bauen wollten, sagt er, das sollte niemanden überraschen. “Das war absehbar und ist verständlich.”
Wenniges sieht die Idee von “Wandel durch Handel” mittlerweile zwar kritisch. Er fragt sich jedoch auch, wie sonst Druck auf die Regierung ausgeübt werden kann. Denn: “Wandel ohne Handel gibt es erst recht nicht.” Und China sei nicht nur Xi Jinping, betont er. Es sei ein Land mit großer Vielfalt und herzlichen Leuten. Es sei jedoch auch ein Land mit großen Problemen, zum Beispiel die Überalterung der Gesellschaft (aufgrund der Jahrzehnte dauernden Ein-Kind-Politik). “Wir dürfen dieses Land nicht zu eindimensional sehen.”
Als er in der Volksrepublik lebte, begeisterten ihn die Dynamik, die Zukunftsorientierung und das Interesse an allem Unbekannten. Das habe ihn in China und bei den Menschen sofort in den Bann gezogen. Er konnte durch das ganze Land reisen, oft mit seiner sechsköpfigen Familie. Auf der Fahrt nach Westen, immer weiter ins Landesinnere hinein, zogen an den Zugfenstern kilometerlang die Reisfelder vorbei.
Dabei sei ihm zum ersten Mal richtig klar geworden, wie groß das Land eigentlich sei. “Wir hier kennen das Leben von ein paar 100 Millionen Chinesen an der Ostküste. Aber die Lebensrealität von einer Milliarde Menschen im Landesinneren und im Westen erschließt sich nicht so leicht.”
Mit der Corona-Pandemie habe sich jedoch viel verändert. Freunde und Kollegen, die aus China zurück nach Deutschland ziehen, berichten davon, sagt Wenniges. Diese Neugier, die ihn vor sieben Jahren so an den Menschen in China faszinierte, verschwinde immer mehr. Über die gesamte Pandemie war Wenniges nicht mehr in China. 2018 kehrte er nach Deutschland zurück. Für März plant er die nächste Reise nach China. Martin Hogger
Olaf Schick, derzeit noch Finanzvorstand der Mercedes-Benz Group China, leitet ab dem 1. Juli 2023 das neu geschaffene Vorstandsressort für Integrität und Recht beim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental. Schick wird für den Posten zunächst auf drei Jahre berufen.
Eva Serrano, bisher Präsidentin des spanischen Mode-Riesen Inditex für Greater China, wird neue Global Brand Präsidentin bei Calvin Klein. Mit Serranos Erfahrung will der US-amerikanische Bekleidungskonzern PVH Corporation, zu dem Calvin Klein gehört, nach eigenen Angaben seine Geschäfte in der wichtigen Wachstumsregion ausbauen.
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Bei minus 20 Grad versinkt Nordchina im Schnee. Im Süden des Landes herrschen hingegen angenehme Temperaturen bis 20 Grad plus. In Haikou auf der Inselprovinz Hainan findet im Dezember sogar eine Messe für tropische Landwirtschaftsprodukte statt.