Table.Briefing: China

Jürgen Matthes über die chinesische Exportschwemme + Pekings Charme-Offensive für Scholz

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bundeskanzler Olaf Scholz wird in China schwierige Themen ansprechen müssen – von unfairem Wettbewerb bis hin zur Russland-Nähe. Ein wirtschaftliches Thema wiegt besonders schwer: die Überkapazitäten der Volksrepublik. “China versucht letztlich, seinen Wachstumsmotor auf Kosten der Handelspartner in Gang zu halten”, sagt Ökonom Jürgen Matthes vom Institut für Deutsche Wirtschaft in unserem Interview. 

Das Gespräch ist der Auftakt einer Serie von Einschätzungen zum Besuch des Bundeskanzlers in der Volksrepublik. In der kommenden Woche erwarten Sie weitere spannende Expertenmeinungen.  

Ökonom Matthes warnt im Interview: Chinas unfairer Konkurrenzdruck vereitelt das Vorhaben in Europa, die Modernisierung zum Jobmotor zu machen. Langfristig könnte China sogar Arbeitslosigkeit nach Deutschland exportieren. Denn die Volksrepublik fördere Sektoren, in denen Deutschland besonders stark ist. 

Scholz wird in Peking dennoch als ausgleichende Stimme gesehen, die kritische Töne – auch in Deutschland – glätten soll, wie Michael Radunski analysiert. Trotz der schwierigen Themen wird Scholz wahrscheinlich ein wohlwollender Empfang zuteilwerden. Die Hoffnung in Peking: Scholz werde sich nicht von der harten Rhetorik anderer Politiker beeinflussen lassen, die sich für einen “Risikoabbau” in den deutsch-chinesischen Beziehungen einsetzen.

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Interview

Jürgen Matthes: “China agiert auf Kosten seiner Handelspartner”

Jürgen Matthes arbeitet am IW Köln zu den Folgen der Globalisierung für Deutschland.

Bundeskanzler Scholz will in Peking offenbar – wie vor ihm schon andere europäische und amerikanische Politiker – die chinesischen Überkapazitäten und den billigen Export ansprechen. Setzt er die richtigen Prioritäten?

Die Überkapazitäten und die damit verbundene Exportschwemme sehe ich tatsächlich als das wichtigste wirtschaftliche Problem an. Denn sie drohen die Produktionsbasis bei uns zu gefährden. Das ist ein noch gravierenderes Problem als die Schwierigkeiten bei den Geschäftsbedingungen deutscher Firmen dort, die oft im Vordergrund der Debatte stehen.

China liefert uns gute und günstige Waren. Wo liegt das Problem?

China versucht letztlich, seinen Wachstumsmotor auf Kosten der Handelspartner in Gang zu halten. Statt des Immobiliensektors fördert es nun mit vergünstigten Krediten massiv den Aufbau neuer Industriekapazitäten. Die Industrie soll als neuer Wachstumstreiber fungieren, nachdem die Immobilienwirtschaft anhaltend schwächelt. In einer gerade veröffentlichten Studie habe ich gezeigt, dass der chinesische Handelsbilanzüberschuss im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht hat. Dabei habe ich auch herausgefunden, dass rund 150 von gut 180 Ländern ein Handelsbilanzdefizit gegenüber China aufweisen. Die Größenordnung der Ungleichgewichte deutet darauf hin, dass China auf Kosten seiner Handelspartner agiert.

Angenommen, Scholz’ Worte stoßen in Peking wider Erwarten auf offene Ohren. Wenn er wollte: Kann Xi Jinping die Überkapazitäten einfach abstellen?

Die Überkapazitäten in China sind ein systemisches Problem des Staatskapitalismus mit seiner starken industriepolitischen Steuerung. Es lässt sich leider nicht so leicht beheben.

Können Sie das erläutern?

Der Staatskapitalismus setzt mit seinen Fünfjahresplänen letztlich auch auf eine Planwirtschaft. Die Provinzen investieren in die Sektoren, die von der Zentralregierung als prioritär identifiziert werden, um sich Peking gewogen zu halten. Dabei werden oft große Kapazitäten aufgebaut, ohne darauf zu achten, ob für die neue Produktion auch eine ausreichende Nachfrage existiert. So entstehen immer wieder Überkapazitäten, wie etwa schon vor Jahren in der Stahlindustrie.

Und die Führung wird nichts daran ändern wollen.

Dieses Modell ist für China bislang recht erfolgreich. Aber es kommt zunehmend zu den geschilderten globalen Kollateralschäden. Das darf Peking nicht länger ignorieren. Sonst werden sich immer mehr Länder mit Handelsbarrieren gegen chinesische Importe schützen.

Die Debatte um Chinas Überkapazitäten begleitet uns seit Jahrzehnten. Was ist jetzt neu, dass es plötzlich Thema wird?

Neu daran ist, dass China zunehmend auf die Sektoren setzt, auf die wir in Europa und Deutschland spezialisiert sind oder auf die wir im Zuge der Energiewende neu setzen. Und weil es mit seinen Subventionen den Wettbewerb verzerrt, herrscht kein Level-Playing-Field. Letztes Jahr habe ich in einer Studie gezeigt, dass China der deutschen Wirtschaft immer mehr Anteile auf dem EU-Markt abnimmt und sich diese Verschiebung zuletzt sogar noch beschleunigt hat. Das erstreckt sich über alle Industriebranchen, auf die wir spezialisiert sind. Ich sehe hierin eine Gefahr für unser industrielles Geschäftsmodell, das ohnehin von vielen Seiten unter Druck ist. Und jetzt droht China mit seinen riesigen Überkapazitäten bei erneuerbaren Energien auch noch die Hoffnung zunichtezumachen, dass die Energiewende für uns ein Beschäftigungsmotor wird, weil wir auf viele neue Arbeitsplätze bei erneuerbare Energien setzen.

Die Frage ist also: Wird es gelingen, genügend neue Jobs für die Menschen zu schaffen, die ihre Arbeitsplätze rund um den Verbrenner verlieren?

Chinas unfairer Konkurrenzdruck macht das nicht einfacher, um es gelinde auszudrücken.

Überkapazitäten bedeuten definitionsgemäß, dass das Kapital nicht nutzbringend eingesetzt wurde. Das größte Problem hat doch eigentlich China damit.

Es stimmt, dass das auf einen ineffizienten Kapitaleinsatz hindeutet. Aber China setzt nicht auf Effizienz, sondern Effektivität. Bei der Abwicklung der Überkapazitäten kommt es zu einem brutalen Ausleseprozess, bei dem am Ende einige starke Player in China übrigbleiben mögen. Das ist teuer für China, aber für uns ist es ein noch größeres Problem. Denn China bezieht uns in den Ausleseprozess mit ein – und pampert seine Firmen dabei mit unfairen Subventionen. Das Beispiel der Solarindustrie hat diesen Prozess sehr deutlich gezeigt.

Wir haben Arbeitskräftemangel, China hat Arbeitslosigkeit unter jungen, qualifizierten Kräften. Passt es nicht eigentlich ganz gut, wenn wir in China produzieren lassen?

Wenn China den Wettbewerb nicht durch Subventionen zu seinen Gunsten verzerren würde, hätten Sie recht. Aber so droht Chinas unfairer Konkurrenzdruck am Ende auch hier zu Arbeitslosigkeit zu führen.

Eine verwandte Frage: Wir haben Inflation auf unkomfortablem Niveau, in China droht Deflation. Da könnte China doch ein wenig Deflation exportieren und bei uns die Preise drücken.

Die Inflation hier ist ja schon kräftig auf dem Rückmarsch. Aber trotzdem stimmt ihre These in Teilen. Chinas Integration in den Weltmarkt nach seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation 2001 hat in der Vergangenheit nachweislich den Inflationsdruck in den Industrieländern gedämpft. Es spricht auch nichts dagegen, günstig aus China zu importieren, wenn hierzulande keine zukunftsfähige Produktion gefährdet ist. 

Und wenn doch? Sind die Verfahren der EU-Kommission zum Beispiel gegen chinesische E-Autos und Windräder zielführend?

Die Verfahren der Europäischen Kommission bei E-Autos und Windgeneratoren halte ich für sinnvoll, weil wir hier eine wichtige und grundsätzlich wettbewerbsfähige Produktionsbasis haben. Bei Solarmodulen, die standardisiert produziert werden und quasi von der Stange zu haben sind, ist es dagegen besser, weiter aus China zu importieren. Wir haben hier keine komparativen Vorteile und sollten daher auch nicht hohe Fördergelder für eine Branche ausgeben, die ohne Subventionen keine Zukunft hier hat.

Jürgen Matthes ist Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Seine Forschungsschwerpunkte sind neben China die Globalisierung, die Europäische und das deutsche Exportmodell.

  • Handel
  • Olaf Scholz
  • Überkapazitäten
Translation missing.

Analyse

Beziehungen zu Russland und möglicher Konflikt mit Taiwan: Diese Themen prägen die Reise des Kanzlers nach China

Chinas Ministerpräsident Li Qiang bei seinem Besuch in Berlin im Juni 2023.

Die China-Reise von Olaf Scholz wird vor allem von wirtschaftlichen Themen geprägt werden. Doch auch politisch gibt es einiges zu besprechen, wenn der Kanzler am Dienstag in Peking zu Gesprächen mit Partei- und Staatschef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang zusammenkommen wird. Naheliegende Themen sind:

  • Chinas Nähe zu Russland,
  • ein möglicher Konflikt um Taiwan und
  • die zunehmenden Spannungen im Südchinesischen Meer.

Es sind schwierige Themen, die verdeutlichen, wie sehr sich die Beziehungen zwischen Deutschland und China verändert haben. Vor allem, dass China so fest zu Russland hält, spielt für Deutschland und Europa eine wichtige Rolle.

Bei Scholz’ vorherigem Besuch in Peking im November 2022 konnte der Bundeskanzler dem chinesischen Präsidenten immerhin eine offene Missbilligung von Putins Atomdrohungen abringen. Doch damit wird es dieses Mal nicht getan sein. Die damals im Westen weitverbreitete Hoffnung, Peking könne sich eventuell doch von Moskau distanzieren, sollte endlich aufgegeben werden.

Vielmehr deuten Hinweise darauf hin, dass China versteckt den russischen Angriffskrieg unterstützt. Es geht um sogenannte Dual-use-Güter, Artikel, die sowohl im zivilen wie militärischen Bereich eingesetzt werden können – unter anderem Chips, Drohnen oder auch präzise Fertigungswerkzeuge.

China: Scholz sorgt für Gleichgewicht

Trotz der schwierigen Themen wird Scholz aber ein wohlwollender Empfang zuteilwerden. Die Führung in Peking hat zuletzt eine wahre Charme-Offensive gestartet – zumindest rhetorisch. Deutschland wird zunehmend eine Schlüsselrolle im Westen zuteil in dem immer kritischer werdenden Umfeld von den USA, über Kanada, Großbritannien bis hin zu Japan, Korea oder Australien.

Und selbst innerhalb Deutschlands setzen chinesische Analysten auf den Bundeskanzler. Ihrer Meinung nach ist es Scholz, der ein Gleichgewicht in der deutschen China-Politik sicherstellen kann. Ihre Hoffnung: Scholz werde sich nicht von der harten Rhetorik anderer Politiker beeinflussen lassen, die sich für einen “Risikoabbau” in den deutsch-chinesischen Beziehungen einsetzen.

Pekinger Kritik an Baerbock und Habeck

Gemeint ist die deutsche China-Strategie. In Peking ist man überzeugt: Es war das Außenministerium von Annalena Baerbock, das die Ausarbeitung der kritischeren China-Politik vorangetrieben hat. Dieses Dokument beginnt mit der Erkenntnis, dass “wir unseren Ansatz gegenüber China ändern müssen”.

Auch das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck wird in diesem Zusammenhang sehr kritisch gesehen – ganz im Gegensatz zum Bundeskanzleramt. Scholz versuche zu verhindern, dass Deutschland vollständig von negativen Stimmen oder politischen Maßnahmen aus dem Außenministerium und dem Wirtschaftsministerium gekidnappt werde, meint Cui Hongjian, Professor der Academy of Regional and Global Governance der Beijing Foreign Studies University.

Die sonst so kritische Global Times schreibt: “Der bevorstehende Besuch von Scholz in China ist ein Zeichen für die Bereitschaft Deutschlands, die pragmatische Zusammenarbeit mit China fortzusetzen.” Das Engagement des Kanzlers sei “von entscheidender Bedeutung, um strategische Missverständnisse zwischen China und Deutschland zu verhindern“. Schon nach seinem Besuch im November 2022 wurde der deutsche Kanzler von der chinesischen Presse gelobt: Xi und Scholz seien einig, die Zusammenarbeit zu verstärken, den Dialog aufrechtzuerhalten und eine Entkopplung und Blockkonfrontation abzulehnen.

Nicht von “Reformen” blenden lassen

Es ist richtig und wichtig, dass Scholz eineinhalb Jahre später wieder nach China reist. Doch sollte er sich vom chinesischen Charme nicht blenden lassen. Der Bundeskanzler wird auf eine selbstbewusste chinesische Führung treffen. Trotz schwächelnder Wirtschaft ist die Führungsrolle von Xi Jinping unumstritten. Unter Xi setzt China wieder verstärkt auf Ideologie. Die Kontrolle der Partei reicht tief bis in die privaten Unternehmen hinein – selbst auf Kosten wirtschaftlicher Dynamik.

Xi Jinping und Li Qiang werden beide gegenüber Scholz zwar weitere Öffnung und Reformen versprechen. Allerdings versteht man in Peking unter “Reformen” nicht Liberalisierung und Öffnung. Vielmehr geht es um die Stärkung und Anpassung des eigenen Systems an neue Realitäten. Zu diesen neuen Realitäten gehört auch ein neuer, realistischer deutscher Blick aus Deutschland nach China – auch bei politischen Themen wie Russland und Taiwan.  

  • Geopolitik
  • Russland
  • Taiwan
Translation missing.

Termine

15.04.2024, 16:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)

Pricewaterhouse Coopers, Automotive Webcast: From China – with love. Sustaining industry transition in a more protectionist world Mehr

15.04.2024, 18:15 Uhr
Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Lecture (in Berlin): Prof. Dr. Yan Xuetong, Tsinghua University, The Current Global Order: The Wars in Ukraine and Gaza Mehr

15.04.2024, 18:00 Uhr
Chinese Business Network Duisburg & Konfuzius-Institut Metropole Ruhr, Expertenrunde (in Duisburg): Das China-Geschäft – Trends und Zukunft Mehr

16.04.2024, 15:30 Uhr Beijing time
Dezan Shira & Associates, Shanghai (in Shanghai): Navigating China’s New Company Law Mehr

16.04.2024
Geek + Europe GmbH, Düsseldorf, ChinaTech 2024: Standardisierung, KI und Automatisierung – Chancen in der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit Mehr

16.04.2024, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
Dezan Shira & Associates, Webinar: China’s Silver Economy: Tapping into the Rising Spending Power of the Elderly Population Mehr

16.04.2024, 15:30 Uhr (21:30 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Urban China Lecture Series: Families, Schools, and Cities – featuring Zhu Fangsheng Mehr

16.04.2024, 23:00 Uhr (17.04.2024, 05:00 Uhr Beijing time)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Environment in Asia Series featuring Timothy Brook – The Price of Collapse: The Little Ice Age and the Fall of Ming China Mehr

18.04.2024
IHK Köln, Managementtraining für Chinesen in Deutschland (Veranstaltung in chinesischer Sprache): CBAM, EUDR und LkSG – Herausforderungen für chinesische Unternehmen Mehr

18.04.2024, 15:00 Uhr

Einladung: Netzwerk-Treffen im Reichstag (Warteliste) Netzwerk-Treffen im Reichstag (Warteliste) Mehr

18.04.2024, 18:30 Uhr (19.04.2024, 01:30 Uhr Beijing time)


Konfuzius-Institut Bremen, Buchvorstellung (Hybrid): Wolfgang Hirn: Der Techkrieg China gegen USA – Und wo bleibt Europa? Mehr

18.04.2024, 19:00 Uhr (19.04.2024, 01:00 Uhr Beijing time)

Konfuzius-Institut Paderborn, Online-Kultursalon: Geburtstag in China 中国生日习俗 Mehr

22.04.2024, 18:00 Uhr
Kunstraum des Konfuzius-Instituts Nürnberg-Erlangen, Vernissage: Flüstern der Ahnen – Die faszinierende Welt der Orakelschriftkunst Mehr

23.04.2024, 14:00 Uhr
CNBW + Sharehouse, Podium (in Stuttgart): China Update 2024: Praktische Ansätze für Unternehmen Mehr

23.04.2024, 15:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
Inner Asia Colloquium, Hedwig Amelia Waters: Moral Economic Dichotomizations in the Mongolian Borderlands Mehr

23.04.2024, 18:15 Uhr
Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Lesung und Gespräch: Felix Lee: China, mein Vater und ich. Über den Aufstieg einer Supermacht und was Familie Lee aus Wolfsburg damit zu tun hat Mehr

News

VW investiert 2,5 Milliarden Euro in Anhui

Volkswagen investiert weitere 2,5 Milliarden Euro in China. Mit dem Geld solle der Entwicklungsstandort in der ostchinesischen Provinz Anhui ausgebaut werden, teilte der Wolfsburger Autobauer am Donnerstag mit. Zusätzlich sollten Produktionskapazitäten für den Bau der zwei Fahrzeugmodelle geschaffen werden, die VW gemeinsam mit dem chinesischen Hersteller Xpeng entwickelt. Das erste der beiden Autos, ein Mittelklasse-SUV, soll ab 2026 vom Band rollen.

China-Chef Ralf Brandstätter sagte, der neue Produktions- und Entwicklungsstandort in der Stadt Hefei in der Provinz Anhui werde Technologien künftig rund 30 Prozent schneller zur Marktreife bringen. VW war lange Marktführer in China, musste diese Position für die Marke Volkswagen allerdings im vergangenen Jahr an den chinesischen Wettbewerber BYD abgeben. rtr

  • Autoindustrie
  • Elektromobilität
  • Volkswagen

Bericht: KfW zieht sich weitgehend aus China zurück

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zieht sich einem Medienbericht zufolge weitgehend aus China zurück. Der Staatssekretär im Entwicklungsministerium (BMZ), Jochen Flasbarth, habe am Donnerstag in Peking das weitgehende Ende der finanziellen Zusammenarbeit zwischen der Förderbank und China verkündet, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Donnerstagabend. Demnach sollen innerhalb eines Jahres die Verhandlungen mit chinesischen Behörden über die letzten drei Projekte abgeschlossen sein, bei denen die Bundesregierung die Haftung übernimmt. Diese entsprechen laut SZ einer Gesamtsumme von rund 370 Millionen Euro. Neue Förderkredite würde China danach nicht mehr bekommen, sondern nur noch Kredite zu marktüblichen Konditionen

Die Bundesregierung berät seit längerem im Lichte geopolitischer Entwicklungen und Veränderungen in China über den Umgang mit dem Instrument der Förderkredite. Die klassische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wurde wegen Chinas starker Wirtschaftskraft bereits 2009 eingestellt, China erhält aber weiterhin vergünstigte und staatlich abgesicherte Kredite von der KfW. Nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums wurden China in den Jahren 2013 bis 2020 Vorzugskredite in Höhe von knapp mehr als drei Milliarden Euro gewährt, 2021 beliefen sich die KfW-Darlehen für die Volksrepublik laut Entwicklungshilfeministerium auf rund 81 Millionen Euro. Die Volksrepublik wird nach OECD-Kriterien weiterhin als Entwicklungsland eingestuft. ari

  • BMZ
  • KfW
  • Kredite

De-Risking klappt bei Möbel- und Autoherstellern

De-Risking funktioniert – jedenfalls in manchen Branchen. Der Anteil der deutschen Unternehmen, die auf wichtige Vorleistungen oder Waren aus China angewiesen sind, ist sowohl in der Industrie als auch im Handel auf je knapp 40 Prozent zurückgegangen. Das geht aus einer aktuellen Studie des ifo-Instituts hervor. Allerdings hat sich der Anteil an Firmen, die wichtige Vorleistungen aus eigenen Produktionsstätten in China beziehen, fast gar nicht verändert.

Besonders stark konnten Möbelhersteller (minus 29 Prozentpunkte) und die Automobilindustrie (minus 17 Prozentpunkte) ihre China-Abhängigkeit verringern. Gegenteilig entwickelt sich die chemische Industrie: Hier geben in der neuesten Umfrage 46 Prozent – fünf Prozentpunkte mehr als 2022 – aller Unternehmen an, auf Vorleistungen aus China angewiesen zu sein. Erst vor wenigen Tagen hatte eine Studie des IW aus Köln ergeben, dass es insbesondere bei Chemie- und Elektronikprodukten der Industrie nicht gelinge, ihre Abhängigkeit von China zu verringern.

Außerdem ist im Vergleich zum Jahr 2022 auch der Anteil der Unternehmen, die ihre Importe aus China in Zukunft reduzieren wollen, in Industrie und Handel zurückgegangen. Er liegt inzwischen etwas unter 40 Prozent. Die Bedeutung von Bezugsquellen außerhalb Europas, durch die chinesische Vorleistungen ersetzt werden könnten, ist dabei gestiegen. Inländische und innereuropäische Alternativen ziehen die Unternehmen weniger häufig in Betracht. cyb

  • De-Risking
  • Ifo-Institut
  • Lieferketten
  • Studie

Peking kritisiert Gipfeltreffen zwischen USA und Japan

Peking hat auf das Gipfeltreffen zwischen den USA und Japan erwartbar verstimmt reagiert und ihnen eine “Verleumdungskampagne” vorgeworfen. Die Sprecherin des Außenministeriums, Mao Ning, sagte am Donnerstag in Peking, die beiden Länder sollten “nicht die Interessen anderer Länder ins Visier nehmen oder gefährden” und den Frieden und die Stabilität in der Region untergraben. Mao kritisierte auch US-Präsident Joe Biden und den japanischen Premierminister Fumio Kishida wegen einer gemeinsamen Erklärung, in der es hieß, Chinas “beschleunigter Aufbau seines Atomwaffenarsenals ohne Transparenz und ohne sinnvollen Dialog stelle ein Problem für die globale und regionale Stabilität dar”. Diese Aussagen hätten mit Fakten nichts zu tun und seien böswillig, sagte Mao. 

Die USA und Japan hatten angesichts der Spannungen mit China eine Vertiefung ihrer militärischen und technologischen Zusammenarbeit angekündigt. Biden und Kishida läuteten am Mittwoch eine “neue Ära” der Kooperation beider Länder ein. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, eine globale Sicherheitspartnerschaft solle aufgebaut werden. Biden bekräftigte den Willen der USA, Japan mit all seinen militärischen Fähigkeiten zu verteidigen. Kishida versprach, Japan werde seine Verteidigung ausbauen. Geplant ist, ein Forum für die Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie einrichten. Dazu gehört die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Raketen sowie die Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Kampfpiloten. Zudem ist eine Verzahnung Japans mit dem pazifischen Militärbündnis Aukus unter Führung der USA vorgesehen. ari

  • AUKUS
  • Japan
  • USA
  • Verteidigungspolitik

Sanktionen gegen US-Hersteller wegen Waffenverkauf an Taiwan

China hat am Donnerstag Sanktionen gegen zwei US-Rüstungsunternehmen verkündet, die aus Sicht Pekings Waffenverkäufe an Taiwan unterstützen. Die Vermögenswerte von General Atomics Aeronautical Systems und General Dynamics Land Systems in China werden damit eingefroren, wie die Nachrichtenagentur AP berichtete. Zudem darf die Führungsspitze der Firmen nicht nach China einreisen. Die fortgesetzten US-Waffenverkäufe verletzten das Ein-China-Prinzip, mischten sich in die inneren Angelegenheiten Chinas ein und untergrüben Chinas Souveränität und territoriale Integrität, erklärte das chinesische Außenministerium.

China ist weiterhin in hohem Maß von ausländischer Luft- und Raumfahrttechnologie abhängig, wenngleich es versucht, in diesem Bereich eine eigene Präsenz aufzubauen. Aus Unterlagen geht hervor, dass General Dynamics in China ein halbes Dutzend Servicebetriebe für seine Geschäftsbereiche Gulfstream und Jet Aviation betreibt. Das Unternehmen ist an der Herstellung des Abrams-Panzers beteiligt, der von Taiwan gekauft wird, um veraltete Panzer zu ersetzen, die eine Invasion aus China verhindern oder abwehren sollen. General Atomics stellt die Predator- und Reaper-Drohnen her, die vom US-Militär eingesetzt werden. Die chinesischen Behörden gingen nicht näher auf die angebliche Beteiligung des Unternehmens an Waffenlieferungen an Taiwan ein. ari

  • Taiwan
  • USA
  • Verteidigung

Presseschau

Olaf Scholz in China: Eine Reise fast wie zu Merkels Zeiten FAZ
Spannungen im Pazifik: Die USA macht China eine klare Ansage SÜDDEUTSCHE
Taiwan-Konflikt: China sanktioniert US-Rüstungsfirmen HANDELSBLATT
Milliardensubventionen aus China: Pekings Dumpingpreise TAZ
Sinologin und Autorin Mareike Ohlberg: “Wir müssen aufpassen, dass unsere Universitäten nicht blind das chinesische Militär unterstützen” STERN
US airlines, unions urge Biden administration not to approve more China flights REUTERS
Chinesische Hochseeflotten: Die “neuen Piraten” an Afrikas Ostküste DER STANDARD
Fake UK stamps blamed on Chinese-made counterfeits BBC
Prozess gegen Verleger in Hongkong: Beobachterin an Einreise gehindert WEB.DE
Inflation: Chinesische Verbraucherpreise steigen leicht HANDELSBLATT

Standpunkt

“Neue Produktivkräfte” – Chinas neues wirtschaftspolitisches Leitbild

Von Jörn-Carsten Gottwald und Markus Taube
Markus Taube (links) ist Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft / China der Mercator School of Management. Jörn-Carsten Gottwald ist Professor für Politik Ostasiens an der Ruhruniversität Bochum.

Die chinesische Volkswirtschaft befindet sich in einer strukturellen Schwächephase, in der diverse Herausforderungen gleichzeitig bewältigt werden müssen:

  • der Übergang von einem “nachholenden Wachstumsmodell” zu einem, in dem eigenständige Innovationsleistung zur treibenden Entwicklungskraft wird
  • die demografische Transition in einem von sinkenden Erwerbsfähigen-Zahlen geprägten Arbeitsmarkt;
  • die Bewältigung der am Rande der Implosion stehenden nationalen Immobilienkrise
  • eine schwache Nachfrage im Inland und auf den wichtigsten Weltmärkten
  • ein zunehmend adverses und von Konflikten geprägtes Klima im Umgang mit den führenden Industriestaaten der Weltwirtschaft
  • dazu Ernüchterung und Enttäuschung über die wirtschaftliche Lage in weiten Teilen der Bevölkerung.

Vor diesem Hintergrund wurden die vom 4. bis 11. März in Beijing abgehaltenen “Zwei Versammlungen” (两汇lianghui) der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes und des Nationalen Volkskongresses mit Spannung erwartet. In der Kommentierung westlicher Beobachter stehen dabei vor allem die Machtdemonstrationen Xi Jinpings im Vordergrund und sodann die – überraschende – Erkenntnis, dass ein größerer fiskal- oder geldpolitischer Stimulus zur Belebung der Volkswirtschaft offensichtlich nicht auf der Agenda war.

Was sich hinter dem Konzept verbirgt

Die chinesische Berichterstattung fokussierte demgegenüber – zweifelsohne in Übereinstimmung mit staatlichen Interessen und Vorgaben – auf die Präsentation des Konzepts der “Neuen Produktivkräfte” (新质生产力xinzhi shengchanli; eigentlich “neuartige Produktivkräfte” bzw. solche “von neuer Qualität”) als einem neuen wirtschaftspolitischen Leitbild. Das chinesische Staatsfernsehen verweist darauf, dass Xi dieses Konzept erstmals im Herbst 2023 auf einer Inspektionsreise in Chinas Nordosten verwendete, wo er auf die Notwendigkeit verwies, den lokalen Strukturwandel durch die Freisetzung neuer Produktivkräfte basierend auf innovativen Technologien und industrieller Transformation zu gestalten.

Eine derartige Aussage birgt für den volkswirtschaftlich vorgebildeten Betrachter wenig Überraschendes oder gar revolutionär Neues. Was verbirgt sich also konkret hinter diesem Konzept “Neuer Produktivkräfte”? Das in ideologischen Fragen quasi-offizielle Organ Qiushi erklärt, dass das Konzept eng mit dem Begriff der “hochwertigen Entwicklung” verbunden sei, welche wiederum eng mit Hochtechnologie und Innovation verknüpft ist. Andere chinesische Medien und Propagandaorgane konkretisieren dahingehend, dass es um die Mobilisierung “moderner, fortschrittlicher Produktivkräfte” gehe, die mittels revolutionärer (disruptiver) technologischer Durchbrüche, einer innovativen Allokation von Produktionsfaktoren sowie einer tiefgreifenden Umgestaltung und Modernisierung von Industrien gewonnen werden sollen.

Besser nicht als Sprechblase abtun

Innovative Technologien sollen also nicht nur vermehrt zum Einsatz kommen, sondern zugleich Prozesse optimiert und der institutionelle Aufbau des Systems überarbeitet werden. Erfolge sollen über Steigerungen der Totalen Faktorproduktivität messbar werden. Definition und Operationalisierung der Politik der “Neuen Produktivkräfte” sind jedoch noch keineswegs final geklärt, sondern befinden sich noch in einem Zustand der Exploration und Arrondierung in einem größeren Kontext. 

Dieser ambivalente Zustand scheint durchaus gewollt zu sein. Denn so luftig viele Formulierungen im Zusammenhang mit den “Neuen Produktivkräften” klingen mögen, so vorschnell wäre es, sie einfach als Sprechblase oder rhetorische Verschleierung der tatsächlichen ökonomischen Schwierigkeiten abzutun. Der derzeit geführte Diskurs zu dem Konzept der “Neuen Produktivkräfte” ähnelt vom Prozess her früheren ideologischen Neuerungen und grundlegenden politischen Weichenstellungen: Nach einer ersten Erwähnung Xi Jinpings im Herbst 2023 verschwand das Konzept zunächst in der internen Diskussion der KPC.

Innovationssystem, Industrie und Sicherheitsapparat verschränken

Auf den wichtigen zentralen Arbeitskonferenzen zu Wirtschaft und Finanzen im Winter 2023/24 erneuerte Xi Jinping dann seine Forderung nach einer theoretischen Substantiierung, die nun in chinesischen Thinktanks und Universitäten zu einer Vielzahl interner Vorschläge führte, die nach strenger interner Auslese in die Entscheidungsfindung der Staats- und Parteispitze eingespeist wurden. Dieser Prozess der internen konzeptionellen Weiterentwicklung hält an.

Zeitgleich werden die verschiedensten Politiken – von Tourismus über Pilotzonen bis hin zu Raumfahrtprojekten und der Sicherheitspolitik – mit dem neuen Begriff verknüpft. Die Neuen Produktivkräfte werden so zu einem wichtigen Rahmen für die inner-chinesische wirtschaftspolitische Diskussion. Die Parallelität dieser Entwicklung zu anderen Kernthemen Xi Jinpings wie etwa der Entstehungsgeschichte der Neuen Seidenstraßen-Initiative ist bezeichnend.

Auch aus der Außenperspektive erscheint das Konzept der “Neuen Produktivkräfte” als inhaltlich wenig revolutionär. Ziel ist letztlich nicht mehr und nicht weniger als die Erhöhung der Produktivität ökonomischen Handelns durch die schnelle Einführung innovativer Erkenntnisse und moderner Technologien in das wirtschaftliche Geschehen. Das herausragende Charakteristikum der “Neuen Produktivkräfte” ist von daher in erster Linie in der (intendierten) konsequenten Umsetzung des Konzepts in allen Bereichen der volkswirtschaftlichen Leistungserbringung und Interaktion zu sehen und in der Idee einer systematischen Verschränkung von Innovationssystem, Industrie und Sicherheitsapparat.

Neue Erkenntnisse schnell in Produkte transformieren

Letzteres folgt der Logik einer missions-getriebenen Politik der Stärkung des Innovationssystems zum Zweck der Förderung der gesamtwirtschaftlichen Krisenresilienz sowie der Stärkung der militärisch-sicherheitspolitischen Kapazitäten des Landes in einem als zunehmend advers wahrgenommenen globalen Umfeld.  

Der Staat ist darum bemüht, neue Erkenntnisse aus dem Innovationssektor möglichst schnell in volkswirtschaftlich nutzbare (“marktfähige”) Produkte zu transformieren. Hiermit wird eine entscheidende Schnittstelle zwischen Innovationssystem und Industrie adressiert, die in der Vergangenheit als Schwachstelle in der chinesischen Volkswirtschaft galt. Die im letzten Jahr in fast allen Provinzen eingerichteten “Artificial Intelligence Computing Center” (人工智能计算中心 rengong zhineng jisuan zhongxin) zeigen ein Modell auf, wie dies gelingen soll: Staatlich finanziert, aber operativ geführt von Huawei sollen diese Zentren KI-Dienstleistungen für Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen bereitstellen, die keine eigenen Kapazitäten für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz besitzen. 

Gleichermaßen bedeutsam ist, dass der Staat mit der Politik der “Neuen Produktivkräfte” in sehr substantiellem Umfang Nachfrage für innovative “Zukunfts”-Technologien schafft. Hiermit reduziert er betriebswirtschaftliche Risiken in diesen mit großen Unsicherheiten belasteten Innovationsfeldern und generiert auf breiter Ebene Anreize für umfassende Investitionen und unternehmerische Initiativen.

Zukunfts-Technologien rücken in den Fokus

Ungeachtet der bestehenden konzeptionellen Unklarheiten und dem medial-propagandistischen Blendwerk scheint die politische Leitlinie der “Neuen Produktivkräfte” somit durchaus gehaltvoll und geeignet, positive Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung in der VR China zu setzen. Inwiefern dieses Unterfangen gelingen kann, bleibt jedoch ungewiss. Bereits in der Vergangenheit sind groß angelegte Hoffnungen auf gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerungen durch die Einführung neuer Technologien herbe enttäuscht worden.

Größte Bekanntheit hat dabei vielleicht das “Solow-Paradox” erlangt, demgemäß in den 1970/80er Jahren das Computer-Zeitalter zwar offensichtlich angebrochen war, eine davon erwartete Beschleunigung der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung aber ausblieb. Es gilt abzuwarten, was die chinesische Initiative der “Neuen Produktivkräfte” erreichen kann.

Für Deutschland und Europa dürfte sich eine aufmerksame Beobachtung der Entwicklungen um die “Neuen Produktivkräfte” in China lohnen. Dies nicht allein deshalb, weil diese Zukunfts-Technologien in den Mittelpunkt des Interesses rücken, die auch für die europäischen Volkswirtschaften von elementarer Bedeutung sind. Mindestens genauso bedeutsam ist die Tatsache, dass diese neue politische Leitlinie auch eine starke sicherheitspolitische Dimension beinhaltet.

Einfluss auf Zugang europäischer Akteure nehmen

So nutzte Xi Jinping persönlich die Zentrale Arbeitskonferenz für Wirtschaft im Dezember 2023, um erneut die enge Verbindung zwischen “high-quality development” und “high-level security” hervorzuheben. Auf der anderen Seite ist sich die chinesische Führung sehr wohl der Spannungen bewusst, die zwischen einer Innovationsförderung im Sinne der klassischen Kooperation zwischen Staat, Unternehmen und Forschungseinrichtungen (gerne auch unter Einbezug ausgewählter ausländischer Akteure) einerseits, sowie dem Anspruch, durch Innovation die nationale Souveränität und Sicherheit zu fördern andererseits, bestehen.

Die Suche nach einer neuen Programmatik dürfte hier nicht einfach werden. Entsprechend sollte es für ausländische Beobachter weniger darum gehen, zu erkunden, welche Sektoren in den nächsten Monaten mit den “Neuen Produktivkräften” in Verbindung gebracht werden. Es werden sehr viele sein. Wichtiger dürfte es sein, die Dynamiken der chinesischen Debatte zu verstehen und Einfluss darauf zu nehmen, inwiefern europäische Akteure Zugang zu einem sich ausbildenden “Neue Produktivkräfte” Innovations- und Industriekomplex in China erlangen können. 

Jörn-Carsten Gottwald ist seit 2011 Professor für Politik Ostasiens an der Ruhruniversität Bochum. Zuvor arbeitete er unter anderem an der Arbeitsstelle Politik Chinas und Ostasiens der Freien Universität Berlin und am Lehrstuhl für Regierungslehre: Politik und Wirtschaft Chinas der Universität Trier.

Markus Taube ist Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft / China der Mercator School of Management. Außerdem ist er der Direktor der IN-EAST School of Advanced Studies an der Universität Duisburg-Essen und Gründungspartner von Think!Desk China Research & Consulting.

  • Innovation
  • Konjunktur
  • Neue Seidenstraße
  • Technologie
  • Wachstum
  • Wirtschaftspolitik

Personalien

Wang Yahang wird Generaldirektor beim Sinopec-Handelsunternehmens Unipec. Der 51-Jährige war zuletzt acht Jahre lang Asien-Handelschef für Unipec Singapur. 

Nadeschda Bay ist seit April Director Procurement Satellite bei Porsche China. Bay wechselte 2022 von Audi Mexiko zu Porsche, wo sie zuletzt als Managerin in den Bereichen Procurement Energysystem, Infotainment & Connectsystem tätig war. Ihr Einsatzort ist Shanghai.  

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Lang Lang – der “Leonardo Da Vinci des Klaviers”? Als der wurde der chinesische Starpianist jedenfalls bei seiner Ehrung auf Hollywoods “Walk of Fame” gefeiert. Dem 41-Jährigen wurde dort die 2778. Sternenplatte auf dem Hollywood Boulevard gewidmet. In seiner Dankesrede sagte der weltberühmte Musiker, dass für ihn damit ein Traum wahr werde. Lang fing schon mit zwei Jahren an zu spielen. Mit 14 zog er mit seiner Familie in die USA. In seiner alten Heimat trat er unter anderem bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008 in Peking auf.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Bundeskanzler Olaf Scholz wird in China schwierige Themen ansprechen müssen – von unfairem Wettbewerb bis hin zur Russland-Nähe. Ein wirtschaftliches Thema wiegt besonders schwer: die Überkapazitäten der Volksrepublik. “China versucht letztlich, seinen Wachstumsmotor auf Kosten der Handelspartner in Gang zu halten”, sagt Ökonom Jürgen Matthes vom Institut für Deutsche Wirtschaft in unserem Interview. 

    Das Gespräch ist der Auftakt einer Serie von Einschätzungen zum Besuch des Bundeskanzlers in der Volksrepublik. In der kommenden Woche erwarten Sie weitere spannende Expertenmeinungen.  

    Ökonom Matthes warnt im Interview: Chinas unfairer Konkurrenzdruck vereitelt das Vorhaben in Europa, die Modernisierung zum Jobmotor zu machen. Langfristig könnte China sogar Arbeitslosigkeit nach Deutschland exportieren. Denn die Volksrepublik fördere Sektoren, in denen Deutschland besonders stark ist. 

    Scholz wird in Peking dennoch als ausgleichende Stimme gesehen, die kritische Töne – auch in Deutschland – glätten soll, wie Michael Radunski analysiert. Trotz der schwierigen Themen wird Scholz wahrscheinlich ein wohlwollender Empfang zuteilwerden. Die Hoffnung in Peking: Scholz werde sich nicht von der harten Rhetorik anderer Politiker beeinflussen lassen, die sich für einen “Risikoabbau” in den deutsch-chinesischen Beziehungen einsetzen.

    Ihre
    Amelie Richter
    Bild von Amelie  Richter

    Interview

    Jürgen Matthes: “China agiert auf Kosten seiner Handelspartner”

    Jürgen Matthes arbeitet am IW Köln zu den Folgen der Globalisierung für Deutschland.

    Bundeskanzler Scholz will in Peking offenbar – wie vor ihm schon andere europäische und amerikanische Politiker – die chinesischen Überkapazitäten und den billigen Export ansprechen. Setzt er die richtigen Prioritäten?

    Die Überkapazitäten und die damit verbundene Exportschwemme sehe ich tatsächlich als das wichtigste wirtschaftliche Problem an. Denn sie drohen die Produktionsbasis bei uns zu gefährden. Das ist ein noch gravierenderes Problem als die Schwierigkeiten bei den Geschäftsbedingungen deutscher Firmen dort, die oft im Vordergrund der Debatte stehen.

    China liefert uns gute und günstige Waren. Wo liegt das Problem?

    China versucht letztlich, seinen Wachstumsmotor auf Kosten der Handelspartner in Gang zu halten. Statt des Immobiliensektors fördert es nun mit vergünstigten Krediten massiv den Aufbau neuer Industriekapazitäten. Die Industrie soll als neuer Wachstumstreiber fungieren, nachdem die Immobilienwirtschaft anhaltend schwächelt. In einer gerade veröffentlichten Studie habe ich gezeigt, dass der chinesische Handelsbilanzüberschuss im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht hat. Dabei habe ich auch herausgefunden, dass rund 150 von gut 180 Ländern ein Handelsbilanzdefizit gegenüber China aufweisen. Die Größenordnung der Ungleichgewichte deutet darauf hin, dass China auf Kosten seiner Handelspartner agiert.

    Angenommen, Scholz’ Worte stoßen in Peking wider Erwarten auf offene Ohren. Wenn er wollte: Kann Xi Jinping die Überkapazitäten einfach abstellen?

    Die Überkapazitäten in China sind ein systemisches Problem des Staatskapitalismus mit seiner starken industriepolitischen Steuerung. Es lässt sich leider nicht so leicht beheben.

    Können Sie das erläutern?

    Der Staatskapitalismus setzt mit seinen Fünfjahresplänen letztlich auch auf eine Planwirtschaft. Die Provinzen investieren in die Sektoren, die von der Zentralregierung als prioritär identifiziert werden, um sich Peking gewogen zu halten. Dabei werden oft große Kapazitäten aufgebaut, ohne darauf zu achten, ob für die neue Produktion auch eine ausreichende Nachfrage existiert. So entstehen immer wieder Überkapazitäten, wie etwa schon vor Jahren in der Stahlindustrie.

    Und die Führung wird nichts daran ändern wollen.

    Dieses Modell ist für China bislang recht erfolgreich. Aber es kommt zunehmend zu den geschilderten globalen Kollateralschäden. Das darf Peking nicht länger ignorieren. Sonst werden sich immer mehr Länder mit Handelsbarrieren gegen chinesische Importe schützen.

    Die Debatte um Chinas Überkapazitäten begleitet uns seit Jahrzehnten. Was ist jetzt neu, dass es plötzlich Thema wird?

    Neu daran ist, dass China zunehmend auf die Sektoren setzt, auf die wir in Europa und Deutschland spezialisiert sind oder auf die wir im Zuge der Energiewende neu setzen. Und weil es mit seinen Subventionen den Wettbewerb verzerrt, herrscht kein Level-Playing-Field. Letztes Jahr habe ich in einer Studie gezeigt, dass China der deutschen Wirtschaft immer mehr Anteile auf dem EU-Markt abnimmt und sich diese Verschiebung zuletzt sogar noch beschleunigt hat. Das erstreckt sich über alle Industriebranchen, auf die wir spezialisiert sind. Ich sehe hierin eine Gefahr für unser industrielles Geschäftsmodell, das ohnehin von vielen Seiten unter Druck ist. Und jetzt droht China mit seinen riesigen Überkapazitäten bei erneuerbaren Energien auch noch die Hoffnung zunichtezumachen, dass die Energiewende für uns ein Beschäftigungsmotor wird, weil wir auf viele neue Arbeitsplätze bei erneuerbare Energien setzen.

    Die Frage ist also: Wird es gelingen, genügend neue Jobs für die Menschen zu schaffen, die ihre Arbeitsplätze rund um den Verbrenner verlieren?

    Chinas unfairer Konkurrenzdruck macht das nicht einfacher, um es gelinde auszudrücken.

    Überkapazitäten bedeuten definitionsgemäß, dass das Kapital nicht nutzbringend eingesetzt wurde. Das größte Problem hat doch eigentlich China damit.

    Es stimmt, dass das auf einen ineffizienten Kapitaleinsatz hindeutet. Aber China setzt nicht auf Effizienz, sondern Effektivität. Bei der Abwicklung der Überkapazitäten kommt es zu einem brutalen Ausleseprozess, bei dem am Ende einige starke Player in China übrigbleiben mögen. Das ist teuer für China, aber für uns ist es ein noch größeres Problem. Denn China bezieht uns in den Ausleseprozess mit ein – und pampert seine Firmen dabei mit unfairen Subventionen. Das Beispiel der Solarindustrie hat diesen Prozess sehr deutlich gezeigt.

    Wir haben Arbeitskräftemangel, China hat Arbeitslosigkeit unter jungen, qualifizierten Kräften. Passt es nicht eigentlich ganz gut, wenn wir in China produzieren lassen?

    Wenn China den Wettbewerb nicht durch Subventionen zu seinen Gunsten verzerren würde, hätten Sie recht. Aber so droht Chinas unfairer Konkurrenzdruck am Ende auch hier zu Arbeitslosigkeit zu führen.

    Eine verwandte Frage: Wir haben Inflation auf unkomfortablem Niveau, in China droht Deflation. Da könnte China doch ein wenig Deflation exportieren und bei uns die Preise drücken.

    Die Inflation hier ist ja schon kräftig auf dem Rückmarsch. Aber trotzdem stimmt ihre These in Teilen. Chinas Integration in den Weltmarkt nach seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation 2001 hat in der Vergangenheit nachweislich den Inflationsdruck in den Industrieländern gedämpft. Es spricht auch nichts dagegen, günstig aus China zu importieren, wenn hierzulande keine zukunftsfähige Produktion gefährdet ist. 

    Und wenn doch? Sind die Verfahren der EU-Kommission zum Beispiel gegen chinesische E-Autos und Windräder zielführend?

    Die Verfahren der Europäischen Kommission bei E-Autos und Windgeneratoren halte ich für sinnvoll, weil wir hier eine wichtige und grundsätzlich wettbewerbsfähige Produktionsbasis haben. Bei Solarmodulen, die standardisiert produziert werden und quasi von der Stange zu haben sind, ist es dagegen besser, weiter aus China zu importieren. Wir haben hier keine komparativen Vorteile und sollten daher auch nicht hohe Fördergelder für eine Branche ausgeben, die ohne Subventionen keine Zukunft hier hat.

    Jürgen Matthes ist Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Seine Forschungsschwerpunkte sind neben China die Globalisierung, die Europäische und das deutsche Exportmodell.

    • Handel
    • Olaf Scholz
    • Überkapazitäten
    Translation missing.

    Analyse

    Beziehungen zu Russland und möglicher Konflikt mit Taiwan: Diese Themen prägen die Reise des Kanzlers nach China

    Chinas Ministerpräsident Li Qiang bei seinem Besuch in Berlin im Juni 2023.

    Die China-Reise von Olaf Scholz wird vor allem von wirtschaftlichen Themen geprägt werden. Doch auch politisch gibt es einiges zu besprechen, wenn der Kanzler am Dienstag in Peking zu Gesprächen mit Partei- und Staatschef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang zusammenkommen wird. Naheliegende Themen sind:

    • Chinas Nähe zu Russland,
    • ein möglicher Konflikt um Taiwan und
    • die zunehmenden Spannungen im Südchinesischen Meer.

    Es sind schwierige Themen, die verdeutlichen, wie sehr sich die Beziehungen zwischen Deutschland und China verändert haben. Vor allem, dass China so fest zu Russland hält, spielt für Deutschland und Europa eine wichtige Rolle.

    Bei Scholz’ vorherigem Besuch in Peking im November 2022 konnte der Bundeskanzler dem chinesischen Präsidenten immerhin eine offene Missbilligung von Putins Atomdrohungen abringen. Doch damit wird es dieses Mal nicht getan sein. Die damals im Westen weitverbreitete Hoffnung, Peking könne sich eventuell doch von Moskau distanzieren, sollte endlich aufgegeben werden.

    Vielmehr deuten Hinweise darauf hin, dass China versteckt den russischen Angriffskrieg unterstützt. Es geht um sogenannte Dual-use-Güter, Artikel, die sowohl im zivilen wie militärischen Bereich eingesetzt werden können – unter anderem Chips, Drohnen oder auch präzise Fertigungswerkzeuge.

    China: Scholz sorgt für Gleichgewicht

    Trotz der schwierigen Themen wird Scholz aber ein wohlwollender Empfang zuteilwerden. Die Führung in Peking hat zuletzt eine wahre Charme-Offensive gestartet – zumindest rhetorisch. Deutschland wird zunehmend eine Schlüsselrolle im Westen zuteil in dem immer kritischer werdenden Umfeld von den USA, über Kanada, Großbritannien bis hin zu Japan, Korea oder Australien.

    Und selbst innerhalb Deutschlands setzen chinesische Analysten auf den Bundeskanzler. Ihrer Meinung nach ist es Scholz, der ein Gleichgewicht in der deutschen China-Politik sicherstellen kann. Ihre Hoffnung: Scholz werde sich nicht von der harten Rhetorik anderer Politiker beeinflussen lassen, die sich für einen “Risikoabbau” in den deutsch-chinesischen Beziehungen einsetzen.

    Pekinger Kritik an Baerbock und Habeck

    Gemeint ist die deutsche China-Strategie. In Peking ist man überzeugt: Es war das Außenministerium von Annalena Baerbock, das die Ausarbeitung der kritischeren China-Politik vorangetrieben hat. Dieses Dokument beginnt mit der Erkenntnis, dass “wir unseren Ansatz gegenüber China ändern müssen”.

    Auch das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck wird in diesem Zusammenhang sehr kritisch gesehen – ganz im Gegensatz zum Bundeskanzleramt. Scholz versuche zu verhindern, dass Deutschland vollständig von negativen Stimmen oder politischen Maßnahmen aus dem Außenministerium und dem Wirtschaftsministerium gekidnappt werde, meint Cui Hongjian, Professor der Academy of Regional and Global Governance der Beijing Foreign Studies University.

    Die sonst so kritische Global Times schreibt: “Der bevorstehende Besuch von Scholz in China ist ein Zeichen für die Bereitschaft Deutschlands, die pragmatische Zusammenarbeit mit China fortzusetzen.” Das Engagement des Kanzlers sei “von entscheidender Bedeutung, um strategische Missverständnisse zwischen China und Deutschland zu verhindern“. Schon nach seinem Besuch im November 2022 wurde der deutsche Kanzler von der chinesischen Presse gelobt: Xi und Scholz seien einig, die Zusammenarbeit zu verstärken, den Dialog aufrechtzuerhalten und eine Entkopplung und Blockkonfrontation abzulehnen.

    Nicht von “Reformen” blenden lassen

    Es ist richtig und wichtig, dass Scholz eineinhalb Jahre später wieder nach China reist. Doch sollte er sich vom chinesischen Charme nicht blenden lassen. Der Bundeskanzler wird auf eine selbstbewusste chinesische Führung treffen. Trotz schwächelnder Wirtschaft ist die Führungsrolle von Xi Jinping unumstritten. Unter Xi setzt China wieder verstärkt auf Ideologie. Die Kontrolle der Partei reicht tief bis in die privaten Unternehmen hinein – selbst auf Kosten wirtschaftlicher Dynamik.

    Xi Jinping und Li Qiang werden beide gegenüber Scholz zwar weitere Öffnung und Reformen versprechen. Allerdings versteht man in Peking unter “Reformen” nicht Liberalisierung und Öffnung. Vielmehr geht es um die Stärkung und Anpassung des eigenen Systems an neue Realitäten. Zu diesen neuen Realitäten gehört auch ein neuer, realistischer deutscher Blick aus Deutschland nach China – auch bei politischen Themen wie Russland und Taiwan.  

    • Geopolitik
    • Russland
    • Taiwan
    Translation missing.

    Termine

    15.04.2024, 16:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)
    
Pricewaterhouse Coopers, Automotive Webcast: From China – with love. Sustaining industry transition in a more protectionist world Mehr

    15.04.2024, 18:15 Uhr
    Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Lecture (in Berlin): Prof. Dr. Yan Xuetong, Tsinghua University, The Current Global Order: The Wars in Ukraine and Gaza Mehr

    15.04.2024, 18:00 Uhr
    Chinese Business Network Duisburg & Konfuzius-Institut Metropole Ruhr, Expertenrunde (in Duisburg): Das China-Geschäft – Trends und Zukunft Mehr

    16.04.2024, 15:30 Uhr Beijing time
    Dezan Shira & Associates, Shanghai (in Shanghai): Navigating China’s New Company Law Mehr

    16.04.2024
    Geek + Europe GmbH, Düsseldorf, ChinaTech 2024: Standardisierung, KI und Automatisierung – Chancen in der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit Mehr

    16.04.2024, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing time)
    Dezan Shira & Associates, Webinar: China’s Silver Economy: Tapping into the Rising Spending Power of the Elderly Population Mehr

    16.04.2024, 15:30 Uhr (21:30 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Urban China Lecture Series: Families, Schools, and Cities – featuring Zhu Fangsheng Mehr

    16.04.2024, 23:00 Uhr (17.04.2024, 05:00 Uhr Beijing time)
    Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Environment in Asia Series featuring Timothy Brook – The Price of Collapse: The Little Ice Age and the Fall of Ming China Mehr

    18.04.2024
    IHK Köln, Managementtraining für Chinesen in Deutschland (Veranstaltung in chinesischer Sprache): CBAM, EUDR und LkSG – Herausforderungen für chinesische Unternehmen Mehr

    18.04.2024, 15:00 Uhr

    Einladung: Netzwerk-Treffen im Reichstag (Warteliste) Netzwerk-Treffen im Reichstag (Warteliste) Mehr

    18.04.2024, 18:30 Uhr (19.04.2024, 01:30 Uhr Beijing time)


    Konfuzius-Institut Bremen, Buchvorstellung (Hybrid): Wolfgang Hirn: Der Techkrieg China gegen USA – Und wo bleibt Europa? Mehr

    18.04.2024, 19:00 Uhr (19.04.2024, 01:00 Uhr Beijing time)

    Konfuzius-Institut Paderborn, Online-Kultursalon: Geburtstag in China 中国生日习俗 Mehr

    22.04.2024, 18:00 Uhr
    Kunstraum des Konfuzius-Instituts Nürnberg-Erlangen, Vernissage: Flüstern der Ahnen – Die faszinierende Welt der Orakelschriftkunst Mehr

    23.04.2024, 14:00 Uhr
    CNBW + Sharehouse, Podium (in Stuttgart): China Update 2024: Praktische Ansätze für Unternehmen Mehr

    23.04.2024, 15:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
    Inner Asia Colloquium, Hedwig Amelia Waters: Moral Economic Dichotomizations in the Mongolian Borderlands Mehr

    23.04.2024, 18:15 Uhr
    Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Lesung und Gespräch: Felix Lee: China, mein Vater und ich. Über den Aufstieg einer Supermacht und was Familie Lee aus Wolfsburg damit zu tun hat Mehr

    News

    VW investiert 2,5 Milliarden Euro in Anhui

    Volkswagen investiert weitere 2,5 Milliarden Euro in China. Mit dem Geld solle der Entwicklungsstandort in der ostchinesischen Provinz Anhui ausgebaut werden, teilte der Wolfsburger Autobauer am Donnerstag mit. Zusätzlich sollten Produktionskapazitäten für den Bau der zwei Fahrzeugmodelle geschaffen werden, die VW gemeinsam mit dem chinesischen Hersteller Xpeng entwickelt. Das erste der beiden Autos, ein Mittelklasse-SUV, soll ab 2026 vom Band rollen.

    China-Chef Ralf Brandstätter sagte, der neue Produktions- und Entwicklungsstandort in der Stadt Hefei in der Provinz Anhui werde Technologien künftig rund 30 Prozent schneller zur Marktreife bringen. VW war lange Marktführer in China, musste diese Position für die Marke Volkswagen allerdings im vergangenen Jahr an den chinesischen Wettbewerber BYD abgeben. rtr

    • Autoindustrie
    • Elektromobilität
    • Volkswagen

    Bericht: KfW zieht sich weitgehend aus China zurück

    Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zieht sich einem Medienbericht zufolge weitgehend aus China zurück. Der Staatssekretär im Entwicklungsministerium (BMZ), Jochen Flasbarth, habe am Donnerstag in Peking das weitgehende Ende der finanziellen Zusammenarbeit zwischen der Förderbank und China verkündet, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Donnerstagabend. Demnach sollen innerhalb eines Jahres die Verhandlungen mit chinesischen Behörden über die letzten drei Projekte abgeschlossen sein, bei denen die Bundesregierung die Haftung übernimmt. Diese entsprechen laut SZ einer Gesamtsumme von rund 370 Millionen Euro. Neue Förderkredite würde China danach nicht mehr bekommen, sondern nur noch Kredite zu marktüblichen Konditionen

    Die Bundesregierung berät seit längerem im Lichte geopolitischer Entwicklungen und Veränderungen in China über den Umgang mit dem Instrument der Förderkredite. Die klassische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wurde wegen Chinas starker Wirtschaftskraft bereits 2009 eingestellt, China erhält aber weiterhin vergünstigte und staatlich abgesicherte Kredite von der KfW. Nach Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums wurden China in den Jahren 2013 bis 2020 Vorzugskredite in Höhe von knapp mehr als drei Milliarden Euro gewährt, 2021 beliefen sich die KfW-Darlehen für die Volksrepublik laut Entwicklungshilfeministerium auf rund 81 Millionen Euro. Die Volksrepublik wird nach OECD-Kriterien weiterhin als Entwicklungsland eingestuft. ari

    • BMZ
    • KfW
    • Kredite

    De-Risking klappt bei Möbel- und Autoherstellern

    De-Risking funktioniert – jedenfalls in manchen Branchen. Der Anteil der deutschen Unternehmen, die auf wichtige Vorleistungen oder Waren aus China angewiesen sind, ist sowohl in der Industrie als auch im Handel auf je knapp 40 Prozent zurückgegangen. Das geht aus einer aktuellen Studie des ifo-Instituts hervor. Allerdings hat sich der Anteil an Firmen, die wichtige Vorleistungen aus eigenen Produktionsstätten in China beziehen, fast gar nicht verändert.

    Besonders stark konnten Möbelhersteller (minus 29 Prozentpunkte) und die Automobilindustrie (minus 17 Prozentpunkte) ihre China-Abhängigkeit verringern. Gegenteilig entwickelt sich die chemische Industrie: Hier geben in der neuesten Umfrage 46 Prozent – fünf Prozentpunkte mehr als 2022 – aller Unternehmen an, auf Vorleistungen aus China angewiesen zu sein. Erst vor wenigen Tagen hatte eine Studie des IW aus Köln ergeben, dass es insbesondere bei Chemie- und Elektronikprodukten der Industrie nicht gelinge, ihre Abhängigkeit von China zu verringern.

    Außerdem ist im Vergleich zum Jahr 2022 auch der Anteil der Unternehmen, die ihre Importe aus China in Zukunft reduzieren wollen, in Industrie und Handel zurückgegangen. Er liegt inzwischen etwas unter 40 Prozent. Die Bedeutung von Bezugsquellen außerhalb Europas, durch die chinesische Vorleistungen ersetzt werden könnten, ist dabei gestiegen. Inländische und innereuropäische Alternativen ziehen die Unternehmen weniger häufig in Betracht. cyb

    • De-Risking
    • Ifo-Institut
    • Lieferketten
    • Studie

    Peking kritisiert Gipfeltreffen zwischen USA und Japan

    Peking hat auf das Gipfeltreffen zwischen den USA und Japan erwartbar verstimmt reagiert und ihnen eine “Verleumdungskampagne” vorgeworfen. Die Sprecherin des Außenministeriums, Mao Ning, sagte am Donnerstag in Peking, die beiden Länder sollten “nicht die Interessen anderer Länder ins Visier nehmen oder gefährden” und den Frieden und die Stabilität in der Region untergraben. Mao kritisierte auch US-Präsident Joe Biden und den japanischen Premierminister Fumio Kishida wegen einer gemeinsamen Erklärung, in der es hieß, Chinas “beschleunigter Aufbau seines Atomwaffenarsenals ohne Transparenz und ohne sinnvollen Dialog stelle ein Problem für die globale und regionale Stabilität dar”. Diese Aussagen hätten mit Fakten nichts zu tun und seien böswillig, sagte Mao. 

    Die USA und Japan hatten angesichts der Spannungen mit China eine Vertiefung ihrer militärischen und technologischen Zusammenarbeit angekündigt. Biden und Kishida läuteten am Mittwoch eine “neue Ära” der Kooperation beider Länder ein. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, eine globale Sicherheitspartnerschaft solle aufgebaut werden. Biden bekräftigte den Willen der USA, Japan mit all seinen militärischen Fähigkeiten zu verteidigen. Kishida versprach, Japan werde seine Verteidigung ausbauen. Geplant ist, ein Forum für die Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie einrichten. Dazu gehört die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Raketen sowie die Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Kampfpiloten. Zudem ist eine Verzahnung Japans mit dem pazifischen Militärbündnis Aukus unter Führung der USA vorgesehen. ari

    • AUKUS
    • Japan
    • USA
    • Verteidigungspolitik

    Sanktionen gegen US-Hersteller wegen Waffenverkauf an Taiwan

    China hat am Donnerstag Sanktionen gegen zwei US-Rüstungsunternehmen verkündet, die aus Sicht Pekings Waffenverkäufe an Taiwan unterstützen. Die Vermögenswerte von General Atomics Aeronautical Systems und General Dynamics Land Systems in China werden damit eingefroren, wie die Nachrichtenagentur AP berichtete. Zudem darf die Führungsspitze der Firmen nicht nach China einreisen. Die fortgesetzten US-Waffenverkäufe verletzten das Ein-China-Prinzip, mischten sich in die inneren Angelegenheiten Chinas ein und untergrüben Chinas Souveränität und territoriale Integrität, erklärte das chinesische Außenministerium.

    China ist weiterhin in hohem Maß von ausländischer Luft- und Raumfahrttechnologie abhängig, wenngleich es versucht, in diesem Bereich eine eigene Präsenz aufzubauen. Aus Unterlagen geht hervor, dass General Dynamics in China ein halbes Dutzend Servicebetriebe für seine Geschäftsbereiche Gulfstream und Jet Aviation betreibt. Das Unternehmen ist an der Herstellung des Abrams-Panzers beteiligt, der von Taiwan gekauft wird, um veraltete Panzer zu ersetzen, die eine Invasion aus China verhindern oder abwehren sollen. General Atomics stellt die Predator- und Reaper-Drohnen her, die vom US-Militär eingesetzt werden. Die chinesischen Behörden gingen nicht näher auf die angebliche Beteiligung des Unternehmens an Waffenlieferungen an Taiwan ein. ari

    • Taiwan
    • USA
    • Verteidigung

    Presseschau

    Olaf Scholz in China: Eine Reise fast wie zu Merkels Zeiten FAZ
    Spannungen im Pazifik: Die USA macht China eine klare Ansage SÜDDEUTSCHE
    Taiwan-Konflikt: China sanktioniert US-Rüstungsfirmen HANDELSBLATT
    Milliardensubventionen aus China: Pekings Dumpingpreise TAZ
    Sinologin und Autorin Mareike Ohlberg: “Wir müssen aufpassen, dass unsere Universitäten nicht blind das chinesische Militär unterstützen” STERN
    US airlines, unions urge Biden administration not to approve more China flights REUTERS
    Chinesische Hochseeflotten: Die “neuen Piraten” an Afrikas Ostküste DER STANDARD
    Fake UK stamps blamed on Chinese-made counterfeits BBC
    Prozess gegen Verleger in Hongkong: Beobachterin an Einreise gehindert WEB.DE
    Inflation: Chinesische Verbraucherpreise steigen leicht HANDELSBLATT

    Standpunkt

    “Neue Produktivkräfte” – Chinas neues wirtschaftspolitisches Leitbild

    Von Jörn-Carsten Gottwald und Markus Taube
    Markus Taube (links) ist Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft / China der Mercator School of Management. Jörn-Carsten Gottwald ist Professor für Politik Ostasiens an der Ruhruniversität Bochum.

    Die chinesische Volkswirtschaft befindet sich in einer strukturellen Schwächephase, in der diverse Herausforderungen gleichzeitig bewältigt werden müssen:

    • der Übergang von einem “nachholenden Wachstumsmodell” zu einem, in dem eigenständige Innovationsleistung zur treibenden Entwicklungskraft wird
    • die demografische Transition in einem von sinkenden Erwerbsfähigen-Zahlen geprägten Arbeitsmarkt;
    • die Bewältigung der am Rande der Implosion stehenden nationalen Immobilienkrise
    • eine schwache Nachfrage im Inland und auf den wichtigsten Weltmärkten
    • ein zunehmend adverses und von Konflikten geprägtes Klima im Umgang mit den führenden Industriestaaten der Weltwirtschaft
    • dazu Ernüchterung und Enttäuschung über die wirtschaftliche Lage in weiten Teilen der Bevölkerung.

    Vor diesem Hintergrund wurden die vom 4. bis 11. März in Beijing abgehaltenen “Zwei Versammlungen” (两汇lianghui) der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes und des Nationalen Volkskongresses mit Spannung erwartet. In der Kommentierung westlicher Beobachter stehen dabei vor allem die Machtdemonstrationen Xi Jinpings im Vordergrund und sodann die – überraschende – Erkenntnis, dass ein größerer fiskal- oder geldpolitischer Stimulus zur Belebung der Volkswirtschaft offensichtlich nicht auf der Agenda war.

    Was sich hinter dem Konzept verbirgt

    Die chinesische Berichterstattung fokussierte demgegenüber – zweifelsohne in Übereinstimmung mit staatlichen Interessen und Vorgaben – auf die Präsentation des Konzepts der “Neuen Produktivkräfte” (新质生产力xinzhi shengchanli; eigentlich “neuartige Produktivkräfte” bzw. solche “von neuer Qualität”) als einem neuen wirtschaftspolitischen Leitbild. Das chinesische Staatsfernsehen verweist darauf, dass Xi dieses Konzept erstmals im Herbst 2023 auf einer Inspektionsreise in Chinas Nordosten verwendete, wo er auf die Notwendigkeit verwies, den lokalen Strukturwandel durch die Freisetzung neuer Produktivkräfte basierend auf innovativen Technologien und industrieller Transformation zu gestalten.

    Eine derartige Aussage birgt für den volkswirtschaftlich vorgebildeten Betrachter wenig Überraschendes oder gar revolutionär Neues. Was verbirgt sich also konkret hinter diesem Konzept “Neuer Produktivkräfte”? Das in ideologischen Fragen quasi-offizielle Organ Qiushi erklärt, dass das Konzept eng mit dem Begriff der “hochwertigen Entwicklung” verbunden sei, welche wiederum eng mit Hochtechnologie und Innovation verknüpft ist. Andere chinesische Medien und Propagandaorgane konkretisieren dahingehend, dass es um die Mobilisierung “moderner, fortschrittlicher Produktivkräfte” gehe, die mittels revolutionärer (disruptiver) technologischer Durchbrüche, einer innovativen Allokation von Produktionsfaktoren sowie einer tiefgreifenden Umgestaltung und Modernisierung von Industrien gewonnen werden sollen.

    Besser nicht als Sprechblase abtun

    Innovative Technologien sollen also nicht nur vermehrt zum Einsatz kommen, sondern zugleich Prozesse optimiert und der institutionelle Aufbau des Systems überarbeitet werden. Erfolge sollen über Steigerungen der Totalen Faktorproduktivität messbar werden. Definition und Operationalisierung der Politik der “Neuen Produktivkräfte” sind jedoch noch keineswegs final geklärt, sondern befinden sich noch in einem Zustand der Exploration und Arrondierung in einem größeren Kontext. 

    Dieser ambivalente Zustand scheint durchaus gewollt zu sein. Denn so luftig viele Formulierungen im Zusammenhang mit den “Neuen Produktivkräften” klingen mögen, so vorschnell wäre es, sie einfach als Sprechblase oder rhetorische Verschleierung der tatsächlichen ökonomischen Schwierigkeiten abzutun. Der derzeit geführte Diskurs zu dem Konzept der “Neuen Produktivkräfte” ähnelt vom Prozess her früheren ideologischen Neuerungen und grundlegenden politischen Weichenstellungen: Nach einer ersten Erwähnung Xi Jinpings im Herbst 2023 verschwand das Konzept zunächst in der internen Diskussion der KPC.

    Innovationssystem, Industrie und Sicherheitsapparat verschränken

    Auf den wichtigen zentralen Arbeitskonferenzen zu Wirtschaft und Finanzen im Winter 2023/24 erneuerte Xi Jinping dann seine Forderung nach einer theoretischen Substantiierung, die nun in chinesischen Thinktanks und Universitäten zu einer Vielzahl interner Vorschläge führte, die nach strenger interner Auslese in die Entscheidungsfindung der Staats- und Parteispitze eingespeist wurden. Dieser Prozess der internen konzeptionellen Weiterentwicklung hält an.

    Zeitgleich werden die verschiedensten Politiken – von Tourismus über Pilotzonen bis hin zu Raumfahrtprojekten und der Sicherheitspolitik – mit dem neuen Begriff verknüpft. Die Neuen Produktivkräfte werden so zu einem wichtigen Rahmen für die inner-chinesische wirtschaftspolitische Diskussion. Die Parallelität dieser Entwicklung zu anderen Kernthemen Xi Jinpings wie etwa der Entstehungsgeschichte der Neuen Seidenstraßen-Initiative ist bezeichnend.

    Auch aus der Außenperspektive erscheint das Konzept der “Neuen Produktivkräfte” als inhaltlich wenig revolutionär. Ziel ist letztlich nicht mehr und nicht weniger als die Erhöhung der Produktivität ökonomischen Handelns durch die schnelle Einführung innovativer Erkenntnisse und moderner Technologien in das wirtschaftliche Geschehen. Das herausragende Charakteristikum der “Neuen Produktivkräfte” ist von daher in erster Linie in der (intendierten) konsequenten Umsetzung des Konzepts in allen Bereichen der volkswirtschaftlichen Leistungserbringung und Interaktion zu sehen und in der Idee einer systematischen Verschränkung von Innovationssystem, Industrie und Sicherheitsapparat.

    Neue Erkenntnisse schnell in Produkte transformieren

    Letzteres folgt der Logik einer missions-getriebenen Politik der Stärkung des Innovationssystems zum Zweck der Förderung der gesamtwirtschaftlichen Krisenresilienz sowie der Stärkung der militärisch-sicherheitspolitischen Kapazitäten des Landes in einem als zunehmend advers wahrgenommenen globalen Umfeld.  

    Der Staat ist darum bemüht, neue Erkenntnisse aus dem Innovationssektor möglichst schnell in volkswirtschaftlich nutzbare (“marktfähige”) Produkte zu transformieren. Hiermit wird eine entscheidende Schnittstelle zwischen Innovationssystem und Industrie adressiert, die in der Vergangenheit als Schwachstelle in der chinesischen Volkswirtschaft galt. Die im letzten Jahr in fast allen Provinzen eingerichteten “Artificial Intelligence Computing Center” (人工智能计算中心 rengong zhineng jisuan zhongxin) zeigen ein Modell auf, wie dies gelingen soll: Staatlich finanziert, aber operativ geführt von Huawei sollen diese Zentren KI-Dienstleistungen für Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen bereitstellen, die keine eigenen Kapazitäten für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz besitzen. 

    Gleichermaßen bedeutsam ist, dass der Staat mit der Politik der “Neuen Produktivkräfte” in sehr substantiellem Umfang Nachfrage für innovative “Zukunfts”-Technologien schafft. Hiermit reduziert er betriebswirtschaftliche Risiken in diesen mit großen Unsicherheiten belasteten Innovationsfeldern und generiert auf breiter Ebene Anreize für umfassende Investitionen und unternehmerische Initiativen.

    Zukunfts-Technologien rücken in den Fokus

    Ungeachtet der bestehenden konzeptionellen Unklarheiten und dem medial-propagandistischen Blendwerk scheint die politische Leitlinie der “Neuen Produktivkräfte” somit durchaus gehaltvoll und geeignet, positive Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung in der VR China zu setzen. Inwiefern dieses Unterfangen gelingen kann, bleibt jedoch ungewiss. Bereits in der Vergangenheit sind groß angelegte Hoffnungen auf gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerungen durch die Einführung neuer Technologien herbe enttäuscht worden.

    Größte Bekanntheit hat dabei vielleicht das “Solow-Paradox” erlangt, demgemäß in den 1970/80er Jahren das Computer-Zeitalter zwar offensichtlich angebrochen war, eine davon erwartete Beschleunigung der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung aber ausblieb. Es gilt abzuwarten, was die chinesische Initiative der “Neuen Produktivkräfte” erreichen kann.

    Für Deutschland und Europa dürfte sich eine aufmerksame Beobachtung der Entwicklungen um die “Neuen Produktivkräfte” in China lohnen. Dies nicht allein deshalb, weil diese Zukunfts-Technologien in den Mittelpunkt des Interesses rücken, die auch für die europäischen Volkswirtschaften von elementarer Bedeutung sind. Mindestens genauso bedeutsam ist die Tatsache, dass diese neue politische Leitlinie auch eine starke sicherheitspolitische Dimension beinhaltet.

    Einfluss auf Zugang europäischer Akteure nehmen

    So nutzte Xi Jinping persönlich die Zentrale Arbeitskonferenz für Wirtschaft im Dezember 2023, um erneut die enge Verbindung zwischen “high-quality development” und “high-level security” hervorzuheben. Auf der anderen Seite ist sich die chinesische Führung sehr wohl der Spannungen bewusst, die zwischen einer Innovationsförderung im Sinne der klassischen Kooperation zwischen Staat, Unternehmen und Forschungseinrichtungen (gerne auch unter Einbezug ausgewählter ausländischer Akteure) einerseits, sowie dem Anspruch, durch Innovation die nationale Souveränität und Sicherheit zu fördern andererseits, bestehen.

    Die Suche nach einer neuen Programmatik dürfte hier nicht einfach werden. Entsprechend sollte es für ausländische Beobachter weniger darum gehen, zu erkunden, welche Sektoren in den nächsten Monaten mit den “Neuen Produktivkräften” in Verbindung gebracht werden. Es werden sehr viele sein. Wichtiger dürfte es sein, die Dynamiken der chinesischen Debatte zu verstehen und Einfluss darauf zu nehmen, inwiefern europäische Akteure Zugang zu einem sich ausbildenden “Neue Produktivkräfte” Innovations- und Industriekomplex in China erlangen können. 

    Jörn-Carsten Gottwald ist seit 2011 Professor für Politik Ostasiens an der Ruhruniversität Bochum. Zuvor arbeitete er unter anderem an der Arbeitsstelle Politik Chinas und Ostasiens der Freien Universität Berlin und am Lehrstuhl für Regierungslehre: Politik und Wirtschaft Chinas der Universität Trier.

    Markus Taube ist Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft / China der Mercator School of Management. Außerdem ist er der Direktor der IN-EAST School of Advanced Studies an der Universität Duisburg-Essen und Gründungspartner von Think!Desk China Research & Consulting.

    • Innovation
    • Konjunktur
    • Neue Seidenstraße
    • Technologie
    • Wachstum
    • Wirtschaftspolitik

    Personalien

    Wang Yahang wird Generaldirektor beim Sinopec-Handelsunternehmens Unipec. Der 51-Jährige war zuletzt acht Jahre lang Asien-Handelschef für Unipec Singapur. 

    Nadeschda Bay ist seit April Director Procurement Satellite bei Porsche China. Bay wechselte 2022 von Audi Mexiko zu Porsche, wo sie zuletzt als Managerin in den Bereichen Procurement Energysystem, Infotainment & Connectsystem tätig war. Ihr Einsatzort ist Shanghai.  

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Lang Lang – der “Leonardo Da Vinci des Klaviers”? Als der wurde der chinesische Starpianist jedenfalls bei seiner Ehrung auf Hollywoods “Walk of Fame” gefeiert. Dem 41-Jährigen wurde dort die 2778. Sternenplatte auf dem Hollywood Boulevard gewidmet. In seiner Dankesrede sagte der weltberühmte Musiker, dass für ihn damit ein Traum wahr werde. Lang fing schon mit zwei Jahren an zu spielen. Mit 14 zog er mit seiner Familie in die USA. In seiner alten Heimat trat er unter anderem bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2008 in Peking auf.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen