wie viel Unsinn darf ein chinesischer Botschafter eigentlich erzählen, ehe er zum Briefmarkenlecken degradiert wird? Chinas Repräsentant in Frankreich ist mit seinen jüngsten Aussagen zum wiederholten Male als Anti-Diplomat aufgefallen. Jetzt heißt es sogar, er habe als Privatperson in einer Fernsehsendung über den Status von EU-Mitgliedsstaaten fabuliert.
Mal sehen, ob der Botschafter im Amt bleib oder ob er weitermachen darf. Wenn ja, stellt sich die Frage, ob seine Aussagen nicht doch Pekings Sichtweise widerspiegeln. So wie die Propaganda von Extremisten, die erst etwas Unsagbares sagen, dann die Empörung abwarten, um zurückzurudern, aber die Grenze des Sagbaren damit verschoben haben.
Australien nimmt die territorialen Ansprüche der Volksrepublik im Südchinesischen Meer inzwischen als Bedrohung für die eigene Sicherheit wahr. Das Land will in Militärbasen im Norden des Landes und in Langstreckenraketen investieren. Australien ist damit ein gutes Beispiel dafür, dass die Rüstungsausgaben in der Welt massiv gestiegen sind. Das Friedensforschungsinstitut Sipri hat am Montag die neuesten Zahlen dazu vorgelegt, die sich Michael Radunski für uns angeschaut hat.
Finn Mayer-Kuckuk hat sich derweil mit dem früheren Bundesumweltminister Jürgen Trittin über die Abhängigkeit der deutschen Industrie von China unterhalten. Seine These: Volkswagen baut gerade massiv Abhängigkeiten ab. Unabsichtlich natürlich, weil der Marktanteil rasant schwindet. Wenn es nicht so dramatisch wäre für die deutsche Wirtschaft, dass deutsche Autobauer auf die China-Milliarden angewiesen sind, könnte man Trittin beißenden Sarkamus unterstellen.
Unter anderem um die Lage der deutschen Wirtschaft in China geht es auch am heutigen Dienstag von 10 bis 13.30 Uhr bei der Digitalveranstaltung China-Strategie 2023 von Table.Media. Viele, die Rang und Namen haben in der deutschen China-Debatte, werden zu Wort kommen. Sie können online dabei sein.
Sie waren im März in China. Was waren Ihre Eindrücke?
Von chinesischer Seite war das Bemühen zu spüren, die Beziehungen zu Europa und Deutschland insbesondere nach den Covid-Jahren wieder zu verbessern.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock war seitdem ebenfalls in Peking. Doch hinterher blieb das Gefühl, dass China mehr Augenmerk auf Frankreichs Emmanuel Macron als Vertreter Europas gelegt hat.
Wenn die chinesische Führung meint, zwischen Deutschland und Frankreich einen Split zu entdecken, dann täuscht sie sich. Das ist eine Illusion. Parallel zu den Äußerungen in China hat Macron eine Fregatte durch die Taiwanstraße fahren lassen. Macron hat in dem Interview ein bekanntes politisches Ziel formuliert: dass es nicht in Europas Interesse ist, in einer Bipolarität zwischen China und den USA zu landen, sondern dass wir als Europa in einer multipolaren Welt resilienter und eigenständiger werden wollen. Diese Sichtweise teilt auch die Bundesregierung.
Doch hat Macron nicht schon durch das Timing seiner Äußerungen Schaden angerichtet?
Ich hätte mich vielleicht nicht genau so geäußert, aber da ist auch viel interpretiert worden. Manche haben es so beschrieben, dass Macron und von der Leyen in der Rollenverteilung “Good Cop”, “Bad Cop” aufgetreten sind. Aber Cops sind sie beide. Die Entwicklung zu stärkerer politischer und ökonomischer Resilienz ist keine, die wir als Deutsche alleine organisieren können. Das geht nur europäisch. Und das ist der Grund, warum die in meinen Augen größte Veränderungen der deutschen Chinapolitik ihre Europäisierung ist.
Stichwort China-Strategie. Es liegen zwei Entwürfe aus grün geführten Ministerien vor. Wo bleibt nun das umfassende gemeinsame Papier der Ampel-Koalition?
Das kommt, so wie geplant, nach der Nationalen Sicherheitsstrategie. Das wird die Dachstrategie und die kommt bald. Diese beschreibt grundsätzlich, wie und wo wir uns neu aufstellen wollen. Es herrschte lange der Glaube, dass unsere demokratisch-kapitalistische Ratio auch die Ratio der Welt ist, “It’s the economy, stupid” à la Bill Clinton. Dies gilt nicht für Russland, es galt lange für China, aber wird dort zunehmend ergänzt und überlagert durch ein nationalistisches Narrativ. Dem setzen wir eine Strategie der integrierten Sicherheit entgegen. Einen Dreiklang aus Wehrhaftigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit, also Sicherheit vor Krieg, Sicherheit unseres Gesellschaftsmodells und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Das ist die übergreifende Strategie.
Was bedeutet das für die integrierte China-Strategie?
Ich glaube, dass wir erst mal in der Reihenfolge verbleiben, dass wir die Nationale Sicherheitsstrategie in den nächsten Wochen verabschieden werden und dann in Folge die darunter liegenden sektorspezifischen oder regional orientierten Strategien wie eben Indo-Pazifik, zu China oder auch die Klimaaußenpolitik-Strategie, die hier ganz zentral wird.
Haben Sie schon Signale aus dem Kanzleramt aufgefangen, wie dort darüber gedacht wird? Dem Kanzler wird nachgesagt, eher so gepolt zu sein wie die alte Bundesregierung.
Da tut man dem Kanzler Unrecht. Wenn man sich seine Rede in Singapur anhört oder den Aufsatz liest, den er im Vorfeld der G20 in der FAZ veröffentlicht hat, findet man ein Element immer wieder. Er betont überdurchschnittlich häufig: Wir leben in einer multipolaren Welt. Das ist ein Element der Abgrenzung gegenüber einem naiven Transatlantizismus. Ich sage bewusst naiv, weil wir uns zurzeit in einer exzellenten Kooperation mit unseren amerikanischen Freunden befinden. Selbst dann, wenn wir massive Interessenkonflikte haben, schaffen wir es, miteinander zu reden und Lösungen zu finden. Aber wir wissen auch, dass das nicht immer so bleiben muss. Das sieht auch der Kanzler und diese Grundhaltung des Kanzlers halte ich für richtig.
Wenn man derzeit mit Wirtschaftsvertretern spricht, auch mit Mittelständlern, dann hört man viel Sorge um das Chinageschäft. Die Regierung muss die Wirtschaft überzeugen, bei der Strategie mitzuspielen und auch Härten hinzunehmen. Das wird nicht einfach, nehme ich an?
Nein, es ist nicht einfach. Vor allen Dingen muss man sich über die einzelnen Abhängigkeiten klar werden. Ich glaube, dass wir den Menschen erklären müssen, was zum Beispiel der Preis ist für eine Rückverlagerung von bestimmten strategischen Industrien oder Neuaufbau, sprich bei der Produktion, Pharma, Fotovoltaik und ähnlichem. Das geht ja nicht mehr nach dem Motto: Wir produzieren da, wo es am billigsten ist oder wo es am meisten Subventionen gibt. Das hat auch einen Preis – auch für die Menschen und die Gesellschaft hier.
Wo kann größere Resilienz vergleichsweise einfach gelingen, wo wird es schwer?
Wir können, was die Rohstoffversorgung angeht, tatsächlich diversifizieren. Seltene Erden sind nicht wirklich selten. Das größere Problem ist die dritte Abhängigkeit, die Marktabhängigkeit. Wir haben ein Riesenproblem mit den drei Automobilisten und mit BASF. Also vier aus deutscher Sicht systemrelevanten Unternehmen, die eine implizite Staatsgarantie in Deutschland haben. Aber die Marktabhängigkeit betrifft eben auch einen großen Teil der 5.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen, die, während sie 40 Prozent ihres Umsatzes in China machen, rund 60 Prozent ihrer Rendite von dort beziehen. Da unterschieden sich die kleineren Unternehmen nicht von BMW oder VW. Die können auch nicht einfach sagen, ich verlagere die Produktion nach Vietnam, weil das ganze Ökosystem drumherum, was Zulieferer und Ähnliches angeht, auch nicht einfach mitwandert. Wir haben in der Tat einen langen Prozess vor uns.
Kommt der Prozess jetzt in Gang?
Was sich verändert hat, ist, dass BASF, VW, Daimler, aber auch eher kleine und mittelständische Unternehmen jetzt ein Stück weit verstanden haben, dass sie ein Problem haben. Sie wollten es viel zu lange nicht wahrhaben. Die Covid-Einschränkungen etwa in Shanghai waren da ein Weckruf, in welchem System man sich dort bewegt.
VW geht jedoch in die andere Richtung. Der Konzern müsse jetzt noch mehr in China investieren, heißt es dort, weil er neue Modelle für China braucht. Ist das Problem wirklich in seiner Tragweite verstanden?
VW ist auf dem Weg, seine Marktabhängigkeit unbeabsichtigt dramatisch zu vermindern, wenn man auf die Verkaufstrends schaut. Während BYD 150.000 E-Autos verkauft, setzt VW keine 10.000 ab.
Die Automesse hat hier in der Tat dramatische Tendenzen offenbart.
Das ist jetzt die Realität. Und das hat unter anderem damit zu tun, dass die deutsche Automobilindustrie viel zu lange noch geglaubt hat, Christian Lindner und Ulf Poschardt seien die eigentlichen Autokunden. Sie hängen dem Kleine-Jungs-Traum vom brummenden Auto mit Lenkrad nach, während in China plötzlich ganz andere Werte wie Digitalisierung und Automatisierung im Mittelpunkt stehen. Ich war bei Tgood, das ist eine Firma in Qingdao, die Ladestationen herstellt und Spannungswandler. Dort wurde mir beeindruckend vorgeführt, wie weit die Netzintegration von E-Autos in China schon fortgeschritten ist. E-Autos dienen dort bereits im Alltag als Speicher für erneuerbare Energie, der Ladevorgang wird als Puffer in Abhängigkeit von der Stromverfügbarkeit gesteuert. Bei uns ist das noch Utopie.
Nun sind die Chinesen nicht nur in der Herstellung von Autos sehr gut, sondern auch von Solarzellen. Und das Silizium für die Solarzellen kommt zu einem großen Teil aus Xinjiang.
Da fragen Sie den Falschen. Ich war mal dafür verantwortlich, dass wir die weltweit führende Photovoltaikindustrie in Deutschland aufgebaut haben. Danach gab es eine Regierung, in der ein Wirtschaftsminister Philipp Rösler und ein Umweltminister Peter Altmaier angekündigt haben, sie würden das alles platt machen. Das Ergebnis war, dass die Fremdkapitalfinanzierung für die notwendigen Investitionen der deutschen Photovoltaikindustrie den Bach runtergegangen sind, die dafür entwickelten Fertigungsstraßen nach China gegangen sind und in Deutschland 100.000 Menschen arbeitslos wurden. Das war keine Bösartigkeit der Chinesen, das haben CDU und FDP zu verantworten. Wir werden einen hohen Preis dafür zahlen, dass wir das hier wieder, 20 Jahre später, wieder neu ansiedeln müssen.
Deutschland soll also wieder eine Solarindustrie schaffen? Mit hohen Subventionen?
Wenn wir die Ausbauziele erreichen wollen, dann kommen wir da nicht drumherum. Auch aus Gründen des Klimaschutzes werden wir eine eigene Photovoltaikindustrie haben müssen.
Jürgen Trittin ist seit 1998 Bundestagsabgeordneter und seit 2014 Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Zwischen 1998 und 2005 war er Bundesumweltminister.
Am Dienstag findet bei Table.Media die Digitalveranstaltung China-Strategie 2023 statt.
Noch nie haben Staaten so viel Geld für Waffen, Rüstung und Munition ausgegeben wie 2022. Wie das Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag in Stockholm mitteilte, wurden im vergangenen Jahr weltweit insgesamt 2,24 Billionen US-Dollar in Armeen investiert – ein trauriger Rekord. Für viele Europäer scheint der Hauptgrund für diese Entwicklung auf der Hand zu liegen: der russische Angriff auf die Ukraine.
Das stimmt – aber nur zum Teil. Denn die Sipri-Forscher haben noch einen zweiten wichtigen Grund für den Ausgabenboom festgestellt: die wachsenden Spannungen in Ostasien. Und in deren Zentrum steht China.
Die mit Abstand höchsten Militärausgaben hatten 2022 abermals die USA mit 877 Milliarden US-Dollar. Auf Platz zwei folgt jedoch schon China mit geschätzten 292 Milliarden US-Dollar. Damit steigerte Peking seine Ausgaben inflationsbereinigt um 4,2 Prozent. Allerdings müsse man bei China tendenziell von weit größeren Summen ausgehen, erklärt Xiao Liang im Gespräch mit Table.Media. “Chinas Militärausgaben sind extrem intransparent”, sagt der China-Experte von Sipri.
Man wisse, dass Chinas offizielle Zahlen nicht alle Bereiche umfassten, wie zum Beispiel paramilitärische Polizeikräfte, Pensionen oder den großen Komplex der Forschung und Entwicklung neuer Waffensysteme. Diesen Einschränkungen zum Trotz zeigt die aktuelle Sipri-Studie: Chinas Militärausgaben sind 28 Jahre in Folge gestiegen; allein seit 2013 um 63 Prozent.
Innerhalb dieser Ausgaben lassen sich tiefgreifende Verschiebungen feststellen. Seit Jahren verfügt China über das größte Militär der Welt, im vergangenen Jahr sollen es rund zwei Millionen Soldaten gewesen sein. Doch nicht erst seit der russischen Probleme in der Ukraine ist klar, dass reine Masse längst keine Kriege mehr gewinnt.
Und so unterzieht Xi Jinping als oberster Militärbefehlshaber die chinesische Volksbefreiungsarmee PLA einer umfassenden Modernisierung. Sein Ziel: Bis 2049 soll China über ein “Weltklasse-Militär” verfügen, stark genug, um mit dem großen Rivalen USA konkurrieren zu können. Auf dem vergangenen Parteitag kündigte Xi an, Chinas Militär soll zu einer “Großen Mauer aus Stahl” werden.
Statt Masse will man zukünftig mit Klasse, sprich Hightech glänzen. Laut Sipri-Forscher Liang stünden zunehmend neue Technologien im Fokus: unbemannte, bewaffnete Drohnen oder auf künstlicher Intelligenz basierende Waffensysteme.
Mit beachtlichem Erfolg: Kürzlich publik gewordene Geheimdokumente des US-Militärs belegen, welche Fähigkeiten chinesische Drohnen schon jetzt besitzen. Laut Washington Post sei das US-Militär überzeugt, dass chinesische Drohnen vom Typ WZ-8 mit mindestens dreifacher Schallgeschwindigkeit und in sehr großen Höhen fliegen könnten. Damit seien sie in der Lage, Aktivitäten der US-Marine rund um Taiwan und amerikanische Militärstützpunkte auszuspähen.
Fähigkeiten, die auch in anderen Ländern nicht unbemerkt bleiben. “Im Bereich Drohnen ist China schon jetzt der größte Waffenexporteur der Welt”, sagt Liang. Vor allem im Nahen Osten und in Asien fänden chinesische Drohnen reißenden Absatz.
Im US-Militär ist man den Geheimdokumenten zufolge überzeugt, dass Chinas Militär “mit ziemlicher Sicherheit” eine erste UAV-Einheit (unmanned aerial vehicle) auf einem Stützpunkt nahe Shanghai errichtet habe. Die Einheit unterstehe dem sogenannten Eastern Theatre Command, jenem PLA-Kommando, das auch für die Durchsetzung der Souveränitätsansprüche China auf Taiwan verantwortlich ist.
Aber auch in klassischen Bereichen erzielt die Volksrepublik große Fortschritte. “China investiert massiv in seine Marine, offensichtlich um seine Schlagkraft in Richtung Taiwan und im gesamten Südchinesischen Meer zu steigern”, sagt Liang. Mit Blick auf die immer größer werdenden Manöver in der Taiwan-Straße warnte Taiwans “Außenminister” zuletzt, dass China sich ganz offensichtlich auf einen Krieg gegen Taiwan vorbereite.
Und das hat Folgen. Japan hat seine Rüstungsausgaben zuletzt um 5,9 Prozent gesteigert. Seit 1960 hat Tokio nicht mehr so viel Geld für sein Militär ausgegeben. “Japan durchläuft einen tiefgreifenden Wandel in seiner Militärpolitik”, sagte Liang. “Die Nachkriegsbeschränkungen, die Japan seinen Militärausgaben und militärischen Fähigkeiten auferlegt hat, scheinen sich zu lockern.”
Ähnliches gilt für Australien. Auch dort will man die Verteidigungsausgaben wegen der wachsenden Bedrohung durch China deutlich erhöhen. Berichten zufolge plane die Regierung in Canberra, 12,6 Milliarden US-Dollar auszugeben. Anlass ist ein Militär-Bericht, der am Montag veröffentlicht worden ist. Darin heißt es: China rüste so stark auf wie kein Land seit dem Zweiten Weltkrieg. Pekings Rüstungsprogramm und seine strategischen Ziele im Indo-Pazifik seien undurchsichtig. Entsprechend solle Australien seine Militärbasen im Norden ausrüsten und mehr Geld in Langstreckenraketen investieren.
“In vielen Staaten der Region wird China als Bedrohung wahrgenommen”, sagt Liang. Entsprechend versuchten auch Indonesien, Malaysia, Vietnam oder Australien, mit der chinesischen Ausrüstung Schritt zu halten. Die Sipri-Untersuchungen zeigen, dass die Staaten in Asien und Ozeanien zusammen rund 575 Milliarden US-Dollar für ihre Militärs ausgaben. Seit 2013 ist das ein Anstieg um 45 Prozent. Liang stellt fest: “Im Indo-Pazifik ist ein regelrechter Rüstungswettlauf in Gang geraten.”
Das chinesische Außenamt in Peking hat Aussagen seines Botschafters in Frankreich relativiert. Der dortige offizielle Repräsentant der Volksrepublik, Lu Shaye, hatte in einem Interview den Status ehemaliger Sowjetrepubliken als souveräne Staaten infrage gestellt. Am Montag stellte das Außenministerium daraufhin klar: “China respektiert den Status der ehemaligen Sowjetrepubliken als souveräne Länder nach der Auflösung der Sowjetunion“, sagte eine Sprecherin.
Die Aussagen hatten vor allem im Baltikum, deren drei Staaten allesamt Mitglieder der Europäischen Union sind, für Empörung gesorgt. Die Passage ist aber auch deshalb so brisant, weil China verdächtigt wird, den russischen Krieg gegen die Ukraine – eine weitere ehemalige Sowjetrepublik – zu unterstützen.
Derweil veröffentlichte auch die chinesische Botschaft in Paris eine Stellungnahme, in der sie die Aussagen Lus als dessen Privatsache bezeichnete. Sie sollten daher nicht überinterpretiert werden. Lu hatte in einem TV-Interview gesagt “Diese Länder der ehemaligen Sowjetunion haben keinen tatsächlichen Status im internationalen Recht, weil es kein internationales Abkommen gibt, das ihren souveränen Status festschreibt.”
Als Reaktion auf die Entrüstung in Europa veröffentlichten chinesische Medien am Montag ein Interview mit dem EU-Botschafter Chinas in Brüssel, Fu Cong. Dieser verwies auf die Bedeutung der europäisch-chinesischen Beziehungen jenseits des Ukraine-Krieges. Auch Fu betonte jedoch die Anerkennung staatlicher Souveränität durch die Volksrepublik. Gleichzeitig stilisierte er China als eines der Opfer des Ukraine-Krieges und betonte die Bedeutung diplomatischer Bemühungen seiner Regierung bei der Konfliktlösung.
Nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte nun auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell einen neuen Kurs gegenüber China an. “Die Systemrivalität hat zugenommen, der Wettbewerb hat sich verschärft”, sagte Borrell nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Auch die USA nähmen mittlerweile eine andere Haltung zu China ein. Darauf müsse die EU reagieren.
Borrell erklärte zu den Äußerungen Lus: “Peking hat sich von den inakzeptablen Bemerkungen des Botschafters distanziert, das sind gute Nachrichten.” Damit sei der Fall erledigt. Allerdings sehen das offenbar nicht alle EU-Länder so. Der litauische Ressortchef Gabrielius Landsbergis kündigte an, die drei baltischen Länder – die alle zur Sowjetunion gehörten – würden chinesische Vertreter vorladen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sprach von einem “Fehler”.
Einig war man sich darin, dass die Beziehungen zu China neu bewertet werden müssten. Zwar gelte weiterhin die Einschätzung, dass China zugleich Partner, Konkurrent und Systemrivale sei, so Borrell. Allerdings müssten diese drei Achsen neu gewichtet und “austariert” werden. Die neue Positionsbestimmung will der Spanier beim nächsten informellen Treffen der EU-Außenminister vorlegen. Danach soll auch der Europäische Rat befasst werden. grz/bos/ari
Die Bundesregierung unterstützt die Forderung nach einer Abschaffung von Zwangsinternaten in Tibet. Im Rahmen der jüngsten Sitzung des Bundestag-Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sagte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, dass man die entsprechende Forderung des UN-Sozialausschusses ausdrücklich befürworte. Die Menschenrechtsorganisation International Campaign for Tibet (ICT) begrüßte die Positionierung.
Die Bundesregierung kommt damit auch einem Anliegen der Tibet-Parlamentsgruppe im Deutschen Bundestag nach, die die Koalition zudem aufgefordert hatte, eine globale Initiative zum Schutz tibetischer Kinder zu starten. Hintergrund ist die chinesische Praxis, lokale Schulen in Tibet systematisch zu schließen, um Kinder zu zwingen, weit entfernte Internate zu besuchen. Dort dürfen sie ausschließlich Mandarin sprechen. Betroffen sind davon bis zu 900.000 tibetische Kinder.
Der UN-Sozialausschuss fürchtet eine kulturelle Assimilierung der Tibeter. Das UN-Gremium, das zweimal pro Jahr zusammentritt, hatte Vorwürfe durch Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen aufgegriffen. grz
Tesla will erstmals in China hergestellte Autos nach Nordamerika exportieren. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag und beruft sich dabei auf einen Insider. Demnach habe Tesla in Shanghai Anfang des Monats damit begonnen, das “Model Y” für den kanadischen Markt zu produzieren. Im laufenden Quartal sollen knapp 9000 solcher Autos hergestellt werden, wie aus einem Produktionsprotokoll hervorgehen soll.
Von diesem Vorgehen würde Tesla gleich doppelt profitieren: Zum einen liegt der Einstiegspreis des Model Y in Kanada mit 59.990 Kanadischen Dollar (rund 40.000 Euro) immer noch deutlich über dem chinesischen Startpreis von 261.900 Yuan (circa 35.000 Euro). Selbst mit Transportkosten dürfte der US-Autobauer also mehr Gewinn machen. Zum anderen würde Tesla damit den harten Preiskämpfen auf dem chinesischen Markt aus dem Weg gehen.
Wirtschaftspolitisch grotesk dabei: Das Model Y ist qualifiziert für die vollen Subventionen der kanadischen Regierung in Höhe von 5.000 Kanadischen Dollar. Somit würde die kanadische Regierung indirekt eine amerikanische Fabrik in China finanziell fördern. rad
Der taiwanische Verleger Fu Cha ist in China festgenommen worden. Der gebürtige Festland-Chinese, der seit 2009 in Taiwan lebt, war im März in die Volksrepublik gereist, um Behördengänge zu erledigen. Das sei nötig gewesen, um seine Einbürgerung in Taiwan abschließen zu können, hieß es. Bereits bei seiner Ankunft in Shanghai sei er verhaftet worden. Taiwans Regierung teilte mit, dass es Fu zurzeit gut gehe. Weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Fu hat sich mit seiner verlegerischen Arbeit den Unmut der Kommunistischen Partei zugezogen, weil er Bücher veröffentlichte, deren Inhalte in China zensiert werden: über das Tiananmen-Massaker, chinesische Propaganda und die Menschenrechtsverbrechen an den Uiguren in Xinjiang.
Die Festnahme von Fu erinnert an den Fall Gui Minhai. Der schwedische Verleger mit chinesischen Wurzeln war 2015 von chinesischen Geheimagenten aus Thailand entführt und nach China verschleppt worden. Angeblich freiwillig gab er dort die schwedische Staatsbürgerschaft zurück und wurde anschließend zu zehn Jahren Haft verurteilt. grz
Der Sportartikelhersteller Adidas will seine Probleme auf dem chinesischen Markt mit einem größeren Fokus auf lokale Gegebenheiten angehen. Das sagte der für China zuständige Manager Adrian Siu der britischen Zeitung Financial Times.
Konkret heißt das: patriotischere Produktlinien, bei denen internationales Design mit traditioneller chinesischer Kultur kombiniert werden soll. Teil dieser China-Strategie sei es auch, bis zum nächsten Jahr mindestens 30 Prozent der in China verkauften Kleidung lokal zu designen. Zum Vergleich: Bislang soll dieser Anteil Konzernangaben zufolge im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen.
Zudem will Adidas einen größeren Teil der Produktion nach China verlagern, um so schneller auf Modetrends reagieren zu können. Experten sind allerdings skeptisch: Angesichts der gestiegenen Arbeitskosten in China könnten die Preise steigen oder der Gewinn je Produkt geringer ausfallen. Die Arbeitskosten in der Volksrepublik sind inzwischen höher als in anderen Ländern der Region wie Vietnam, Indonesien oder Kambodscha.
Und als dritte Maßnahme will Adidas auch mehr mit chinesischen Athleten zusammenarbeiten. rad
Lu Shayes diplomatischer Unfall: Wie Chinas Botschafter in Paris die Souveränität früherer Sowjetrepubliken infrage stellte, damit einen Proteststurm in Europa auslöst und von Peking zurückgepfiffen wird. Mehr.
Warum deutsche Autokonzerne immer chinesischer werden: VW, BMW und Mercedes stehen unter Druck wie nie zuvor. Sie wollen gegen die chinesische Konkurrenz bestehen – und riskieren dabei eine noch höhere Abhängigkeit. Kann das gutgehen? Mehr.
Kosta Karakolidis ist nicht zum Ausruhen nach Qingdao gekommen: Der gebürtige Oberpfälzer will den Mischkonzern Siempelkamp zum Marktführer für Werkstoffanlagen in China machen. Seine Leitfrage als CEO und CTO von Siempelkamp Qingdao: Wie schafft man es, dass das Unternehmen konkurrenzfähig wird und eine bessere Marktsituation bekommt?
Während des Gesprächs mit Table.Media fährt Karakolidis über Qingdaos gewaltige Jiaozhouwan-Brücke in den Sino-German Ecopark, wo Siempelkamp seit 2014 residiert. Mit Blick auf Qingdaos Skyline erklärt er das Geschäftsmodell: Siempelkamp stellt in China hausgroße Werkstoffanlagen her, die wiederum MDF-, OSB- oder Spanplatten produzieren. Das Besondere sei die hohe Qualität der Anlagen, die entsprechend kosten. Eine Anlage gibt es ab 15 Millionen Euro, abhängig von den Kundenwünschen sei der Preis nach oben offen.
Und wie läuft das Geschäft? Sehr gut, sagt Karakolidis. In fast jeder chinesischen Provinz stehe mittlerweile eine Siempelkamp-Anlage und die Produktion in Qingdao sei fast voll ausgelastet. Das sei der Baubranche in China zu verdanken: Wachstum und Verstädterung bedeuten neue Gebäude, neue Möbel und damit neue Hersteller von Spanplatten, die bestenfalls früher oder später bei Karakolidis anrufen, um eine Siempelkamp-Anlage zu kaufen. “Man muss als Unternehmen hier sein, China ist wie ein ganzer Weltmarkt.”
Dennoch gibt es auch Herausforderungen: Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat die Lieferzeiten für Elektronikkomponenten verlängert, die Siempelkamps für die eigenen Hightech-Anlagen benötigt, erklärt der Geschäftsführer. Deshalb versucht er, früher bei den Herstellern zu bestellen und vorausschauender zu planen. “Wir schwitzen schon ein wenig, aber es funktioniert.”
Hilfreich sei die gute Zusammenarbeit mit dem Ecopark und der lokalen Regierung. Probleme als ausländisches Unternehmen in China beklagt Siempelkamp nicht – im Gegensatz zu vielen anderen. Im Gegenteil: “Wir haben eine sehr gute Kooperation auf einer sehr fairen Basis.” Deshalb setzt Siempelkamp auch auf Lokalisierung: Das Unternehmen will mehr Zulieferer in China finden und Lieferketten vor Ort aufbauen. Auch um preislich attraktiver zu werden und schnellere Lieferzeiten zu gewährleisten, erklärt Karakolidis.
Karakolidis selbst arbeitet seit 2021 für Siempelkamp, zuvor hat er neun Jahre bei Green River Panels in Thailand gearbeitet, dort Holz-Anlagen gekauft und aufgebaut. Von diesen Erfahrungen profitiert er heute: “Ich habe ein Verständnis davon, was man als Kunde braucht. Und das hilft mir, als Lieferant zu agieren”, erklärt er. Die Aussicht, seine Kompetenzen einbringen zu können, und der Wunsch nach einer neuen Herausforderung – mehr brauchte es schlussendlich nicht, um Karakolidis von Bangkok nach Qingdao zu lotsen.
Ein wenig Heimweh nach Deutschland hat er aber schon, gesteht der Geschäftsführer. Denn Freunde und Familie zurückzulassen, das sei nicht immer einfach gewesen. Was verloren geht, sei das Gefühl von Heimat, das Karakolidis aus Ludwigshafen kennt, wo er als Sohn griechischer Einwanderer aufgewachsen ist. Dennoch: In Thailand und China konnte er sich verwirklichen und die Welt kennenlernen. “Ich wollte mehr”, resümiert Karakolidis. “China und Asien haben mir viel gegeben.” Jonathan Lehrer
Jörg Bartels wird am 1. Juli Präsident und CEO von Beijing Benz, einem Joint Venture zwischen BAIC Motor und Mercedes-Benz. Damit löst er Arno van der Merwe ab. Derzeit ist Bartels noch Vice President of Vehicle Integration & Concepts bei Mercedes-Benz.
Björn Maier ist seit Beginn des Monats Director of Construction and Real Estate Greater China bei Porsche Automotive Investment in Hangzhou. Maier war zuvor Project Manager bei der Mercedes-Benz AG an verschiedenen Standorten.
Zhao Yulong ist seit Februar Chief Architect bei ZDrive in Shanghai. Er war zuvor unter anderem bei Huawei und Bosch in China tätig.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Die Jacaranda blühen in der südwestchinesischen Provinzhauptstadt Kunming (Yunnan): Die Trompetenbaumgewächse sind jeden Frühling ein echter Hingucker im urbanen Einerlei – und Balsam für die Seele jedes Stadtbewohners.
wie viel Unsinn darf ein chinesischer Botschafter eigentlich erzählen, ehe er zum Briefmarkenlecken degradiert wird? Chinas Repräsentant in Frankreich ist mit seinen jüngsten Aussagen zum wiederholten Male als Anti-Diplomat aufgefallen. Jetzt heißt es sogar, er habe als Privatperson in einer Fernsehsendung über den Status von EU-Mitgliedsstaaten fabuliert.
Mal sehen, ob der Botschafter im Amt bleib oder ob er weitermachen darf. Wenn ja, stellt sich die Frage, ob seine Aussagen nicht doch Pekings Sichtweise widerspiegeln. So wie die Propaganda von Extremisten, die erst etwas Unsagbares sagen, dann die Empörung abwarten, um zurückzurudern, aber die Grenze des Sagbaren damit verschoben haben.
Australien nimmt die territorialen Ansprüche der Volksrepublik im Südchinesischen Meer inzwischen als Bedrohung für die eigene Sicherheit wahr. Das Land will in Militärbasen im Norden des Landes und in Langstreckenraketen investieren. Australien ist damit ein gutes Beispiel dafür, dass die Rüstungsausgaben in der Welt massiv gestiegen sind. Das Friedensforschungsinstitut Sipri hat am Montag die neuesten Zahlen dazu vorgelegt, die sich Michael Radunski für uns angeschaut hat.
Finn Mayer-Kuckuk hat sich derweil mit dem früheren Bundesumweltminister Jürgen Trittin über die Abhängigkeit der deutschen Industrie von China unterhalten. Seine These: Volkswagen baut gerade massiv Abhängigkeiten ab. Unabsichtlich natürlich, weil der Marktanteil rasant schwindet. Wenn es nicht so dramatisch wäre für die deutsche Wirtschaft, dass deutsche Autobauer auf die China-Milliarden angewiesen sind, könnte man Trittin beißenden Sarkamus unterstellen.
Unter anderem um die Lage der deutschen Wirtschaft in China geht es auch am heutigen Dienstag von 10 bis 13.30 Uhr bei der Digitalveranstaltung China-Strategie 2023 von Table.Media. Viele, die Rang und Namen haben in der deutschen China-Debatte, werden zu Wort kommen. Sie können online dabei sein.
Sie waren im März in China. Was waren Ihre Eindrücke?
Von chinesischer Seite war das Bemühen zu spüren, die Beziehungen zu Europa und Deutschland insbesondere nach den Covid-Jahren wieder zu verbessern.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock war seitdem ebenfalls in Peking. Doch hinterher blieb das Gefühl, dass China mehr Augenmerk auf Frankreichs Emmanuel Macron als Vertreter Europas gelegt hat.
Wenn die chinesische Führung meint, zwischen Deutschland und Frankreich einen Split zu entdecken, dann täuscht sie sich. Das ist eine Illusion. Parallel zu den Äußerungen in China hat Macron eine Fregatte durch die Taiwanstraße fahren lassen. Macron hat in dem Interview ein bekanntes politisches Ziel formuliert: dass es nicht in Europas Interesse ist, in einer Bipolarität zwischen China und den USA zu landen, sondern dass wir als Europa in einer multipolaren Welt resilienter und eigenständiger werden wollen. Diese Sichtweise teilt auch die Bundesregierung.
Doch hat Macron nicht schon durch das Timing seiner Äußerungen Schaden angerichtet?
Ich hätte mich vielleicht nicht genau so geäußert, aber da ist auch viel interpretiert worden. Manche haben es so beschrieben, dass Macron und von der Leyen in der Rollenverteilung “Good Cop”, “Bad Cop” aufgetreten sind. Aber Cops sind sie beide. Die Entwicklung zu stärkerer politischer und ökonomischer Resilienz ist keine, die wir als Deutsche alleine organisieren können. Das geht nur europäisch. Und das ist der Grund, warum die in meinen Augen größte Veränderungen der deutschen Chinapolitik ihre Europäisierung ist.
Stichwort China-Strategie. Es liegen zwei Entwürfe aus grün geführten Ministerien vor. Wo bleibt nun das umfassende gemeinsame Papier der Ampel-Koalition?
Das kommt, so wie geplant, nach der Nationalen Sicherheitsstrategie. Das wird die Dachstrategie und die kommt bald. Diese beschreibt grundsätzlich, wie und wo wir uns neu aufstellen wollen. Es herrschte lange der Glaube, dass unsere demokratisch-kapitalistische Ratio auch die Ratio der Welt ist, “It’s the economy, stupid” à la Bill Clinton. Dies gilt nicht für Russland, es galt lange für China, aber wird dort zunehmend ergänzt und überlagert durch ein nationalistisches Narrativ. Dem setzen wir eine Strategie der integrierten Sicherheit entgegen. Einen Dreiklang aus Wehrhaftigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit, also Sicherheit vor Krieg, Sicherheit unseres Gesellschaftsmodells und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Das ist die übergreifende Strategie.
Was bedeutet das für die integrierte China-Strategie?
Ich glaube, dass wir erst mal in der Reihenfolge verbleiben, dass wir die Nationale Sicherheitsstrategie in den nächsten Wochen verabschieden werden und dann in Folge die darunter liegenden sektorspezifischen oder regional orientierten Strategien wie eben Indo-Pazifik, zu China oder auch die Klimaaußenpolitik-Strategie, die hier ganz zentral wird.
Haben Sie schon Signale aus dem Kanzleramt aufgefangen, wie dort darüber gedacht wird? Dem Kanzler wird nachgesagt, eher so gepolt zu sein wie die alte Bundesregierung.
Da tut man dem Kanzler Unrecht. Wenn man sich seine Rede in Singapur anhört oder den Aufsatz liest, den er im Vorfeld der G20 in der FAZ veröffentlicht hat, findet man ein Element immer wieder. Er betont überdurchschnittlich häufig: Wir leben in einer multipolaren Welt. Das ist ein Element der Abgrenzung gegenüber einem naiven Transatlantizismus. Ich sage bewusst naiv, weil wir uns zurzeit in einer exzellenten Kooperation mit unseren amerikanischen Freunden befinden. Selbst dann, wenn wir massive Interessenkonflikte haben, schaffen wir es, miteinander zu reden und Lösungen zu finden. Aber wir wissen auch, dass das nicht immer so bleiben muss. Das sieht auch der Kanzler und diese Grundhaltung des Kanzlers halte ich für richtig.
Wenn man derzeit mit Wirtschaftsvertretern spricht, auch mit Mittelständlern, dann hört man viel Sorge um das Chinageschäft. Die Regierung muss die Wirtschaft überzeugen, bei der Strategie mitzuspielen und auch Härten hinzunehmen. Das wird nicht einfach, nehme ich an?
Nein, es ist nicht einfach. Vor allen Dingen muss man sich über die einzelnen Abhängigkeiten klar werden. Ich glaube, dass wir den Menschen erklären müssen, was zum Beispiel der Preis ist für eine Rückverlagerung von bestimmten strategischen Industrien oder Neuaufbau, sprich bei der Produktion, Pharma, Fotovoltaik und ähnlichem. Das geht ja nicht mehr nach dem Motto: Wir produzieren da, wo es am billigsten ist oder wo es am meisten Subventionen gibt. Das hat auch einen Preis – auch für die Menschen und die Gesellschaft hier.
Wo kann größere Resilienz vergleichsweise einfach gelingen, wo wird es schwer?
Wir können, was die Rohstoffversorgung angeht, tatsächlich diversifizieren. Seltene Erden sind nicht wirklich selten. Das größere Problem ist die dritte Abhängigkeit, die Marktabhängigkeit. Wir haben ein Riesenproblem mit den drei Automobilisten und mit BASF. Also vier aus deutscher Sicht systemrelevanten Unternehmen, die eine implizite Staatsgarantie in Deutschland haben. Aber die Marktabhängigkeit betrifft eben auch einen großen Teil der 5.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen, die, während sie 40 Prozent ihres Umsatzes in China machen, rund 60 Prozent ihrer Rendite von dort beziehen. Da unterschieden sich die kleineren Unternehmen nicht von BMW oder VW. Die können auch nicht einfach sagen, ich verlagere die Produktion nach Vietnam, weil das ganze Ökosystem drumherum, was Zulieferer und Ähnliches angeht, auch nicht einfach mitwandert. Wir haben in der Tat einen langen Prozess vor uns.
Kommt der Prozess jetzt in Gang?
Was sich verändert hat, ist, dass BASF, VW, Daimler, aber auch eher kleine und mittelständische Unternehmen jetzt ein Stück weit verstanden haben, dass sie ein Problem haben. Sie wollten es viel zu lange nicht wahrhaben. Die Covid-Einschränkungen etwa in Shanghai waren da ein Weckruf, in welchem System man sich dort bewegt.
VW geht jedoch in die andere Richtung. Der Konzern müsse jetzt noch mehr in China investieren, heißt es dort, weil er neue Modelle für China braucht. Ist das Problem wirklich in seiner Tragweite verstanden?
VW ist auf dem Weg, seine Marktabhängigkeit unbeabsichtigt dramatisch zu vermindern, wenn man auf die Verkaufstrends schaut. Während BYD 150.000 E-Autos verkauft, setzt VW keine 10.000 ab.
Die Automesse hat hier in der Tat dramatische Tendenzen offenbart.
Das ist jetzt die Realität. Und das hat unter anderem damit zu tun, dass die deutsche Automobilindustrie viel zu lange noch geglaubt hat, Christian Lindner und Ulf Poschardt seien die eigentlichen Autokunden. Sie hängen dem Kleine-Jungs-Traum vom brummenden Auto mit Lenkrad nach, während in China plötzlich ganz andere Werte wie Digitalisierung und Automatisierung im Mittelpunkt stehen. Ich war bei Tgood, das ist eine Firma in Qingdao, die Ladestationen herstellt und Spannungswandler. Dort wurde mir beeindruckend vorgeführt, wie weit die Netzintegration von E-Autos in China schon fortgeschritten ist. E-Autos dienen dort bereits im Alltag als Speicher für erneuerbare Energie, der Ladevorgang wird als Puffer in Abhängigkeit von der Stromverfügbarkeit gesteuert. Bei uns ist das noch Utopie.
Nun sind die Chinesen nicht nur in der Herstellung von Autos sehr gut, sondern auch von Solarzellen. Und das Silizium für die Solarzellen kommt zu einem großen Teil aus Xinjiang.
Da fragen Sie den Falschen. Ich war mal dafür verantwortlich, dass wir die weltweit führende Photovoltaikindustrie in Deutschland aufgebaut haben. Danach gab es eine Regierung, in der ein Wirtschaftsminister Philipp Rösler und ein Umweltminister Peter Altmaier angekündigt haben, sie würden das alles platt machen. Das Ergebnis war, dass die Fremdkapitalfinanzierung für die notwendigen Investitionen der deutschen Photovoltaikindustrie den Bach runtergegangen sind, die dafür entwickelten Fertigungsstraßen nach China gegangen sind und in Deutschland 100.000 Menschen arbeitslos wurden. Das war keine Bösartigkeit der Chinesen, das haben CDU und FDP zu verantworten. Wir werden einen hohen Preis dafür zahlen, dass wir das hier wieder, 20 Jahre später, wieder neu ansiedeln müssen.
Deutschland soll also wieder eine Solarindustrie schaffen? Mit hohen Subventionen?
Wenn wir die Ausbauziele erreichen wollen, dann kommen wir da nicht drumherum. Auch aus Gründen des Klimaschutzes werden wir eine eigene Photovoltaikindustrie haben müssen.
Jürgen Trittin ist seit 1998 Bundestagsabgeordneter und seit 2014 Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Zwischen 1998 und 2005 war er Bundesumweltminister.
Am Dienstag findet bei Table.Media die Digitalveranstaltung China-Strategie 2023 statt.
Noch nie haben Staaten so viel Geld für Waffen, Rüstung und Munition ausgegeben wie 2022. Wie das Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag in Stockholm mitteilte, wurden im vergangenen Jahr weltweit insgesamt 2,24 Billionen US-Dollar in Armeen investiert – ein trauriger Rekord. Für viele Europäer scheint der Hauptgrund für diese Entwicklung auf der Hand zu liegen: der russische Angriff auf die Ukraine.
Das stimmt – aber nur zum Teil. Denn die Sipri-Forscher haben noch einen zweiten wichtigen Grund für den Ausgabenboom festgestellt: die wachsenden Spannungen in Ostasien. Und in deren Zentrum steht China.
Die mit Abstand höchsten Militärausgaben hatten 2022 abermals die USA mit 877 Milliarden US-Dollar. Auf Platz zwei folgt jedoch schon China mit geschätzten 292 Milliarden US-Dollar. Damit steigerte Peking seine Ausgaben inflationsbereinigt um 4,2 Prozent. Allerdings müsse man bei China tendenziell von weit größeren Summen ausgehen, erklärt Xiao Liang im Gespräch mit Table.Media. “Chinas Militärausgaben sind extrem intransparent”, sagt der China-Experte von Sipri.
Man wisse, dass Chinas offizielle Zahlen nicht alle Bereiche umfassten, wie zum Beispiel paramilitärische Polizeikräfte, Pensionen oder den großen Komplex der Forschung und Entwicklung neuer Waffensysteme. Diesen Einschränkungen zum Trotz zeigt die aktuelle Sipri-Studie: Chinas Militärausgaben sind 28 Jahre in Folge gestiegen; allein seit 2013 um 63 Prozent.
Innerhalb dieser Ausgaben lassen sich tiefgreifende Verschiebungen feststellen. Seit Jahren verfügt China über das größte Militär der Welt, im vergangenen Jahr sollen es rund zwei Millionen Soldaten gewesen sein. Doch nicht erst seit der russischen Probleme in der Ukraine ist klar, dass reine Masse längst keine Kriege mehr gewinnt.
Und so unterzieht Xi Jinping als oberster Militärbefehlshaber die chinesische Volksbefreiungsarmee PLA einer umfassenden Modernisierung. Sein Ziel: Bis 2049 soll China über ein “Weltklasse-Militär” verfügen, stark genug, um mit dem großen Rivalen USA konkurrieren zu können. Auf dem vergangenen Parteitag kündigte Xi an, Chinas Militär soll zu einer “Großen Mauer aus Stahl” werden.
Statt Masse will man zukünftig mit Klasse, sprich Hightech glänzen. Laut Sipri-Forscher Liang stünden zunehmend neue Technologien im Fokus: unbemannte, bewaffnete Drohnen oder auf künstlicher Intelligenz basierende Waffensysteme.
Mit beachtlichem Erfolg: Kürzlich publik gewordene Geheimdokumente des US-Militärs belegen, welche Fähigkeiten chinesische Drohnen schon jetzt besitzen. Laut Washington Post sei das US-Militär überzeugt, dass chinesische Drohnen vom Typ WZ-8 mit mindestens dreifacher Schallgeschwindigkeit und in sehr großen Höhen fliegen könnten. Damit seien sie in der Lage, Aktivitäten der US-Marine rund um Taiwan und amerikanische Militärstützpunkte auszuspähen.
Fähigkeiten, die auch in anderen Ländern nicht unbemerkt bleiben. “Im Bereich Drohnen ist China schon jetzt der größte Waffenexporteur der Welt”, sagt Liang. Vor allem im Nahen Osten und in Asien fänden chinesische Drohnen reißenden Absatz.
Im US-Militär ist man den Geheimdokumenten zufolge überzeugt, dass Chinas Militär “mit ziemlicher Sicherheit” eine erste UAV-Einheit (unmanned aerial vehicle) auf einem Stützpunkt nahe Shanghai errichtet habe. Die Einheit unterstehe dem sogenannten Eastern Theatre Command, jenem PLA-Kommando, das auch für die Durchsetzung der Souveränitätsansprüche China auf Taiwan verantwortlich ist.
Aber auch in klassischen Bereichen erzielt die Volksrepublik große Fortschritte. “China investiert massiv in seine Marine, offensichtlich um seine Schlagkraft in Richtung Taiwan und im gesamten Südchinesischen Meer zu steigern”, sagt Liang. Mit Blick auf die immer größer werdenden Manöver in der Taiwan-Straße warnte Taiwans “Außenminister” zuletzt, dass China sich ganz offensichtlich auf einen Krieg gegen Taiwan vorbereite.
Und das hat Folgen. Japan hat seine Rüstungsausgaben zuletzt um 5,9 Prozent gesteigert. Seit 1960 hat Tokio nicht mehr so viel Geld für sein Militär ausgegeben. “Japan durchläuft einen tiefgreifenden Wandel in seiner Militärpolitik”, sagte Liang. “Die Nachkriegsbeschränkungen, die Japan seinen Militärausgaben und militärischen Fähigkeiten auferlegt hat, scheinen sich zu lockern.”
Ähnliches gilt für Australien. Auch dort will man die Verteidigungsausgaben wegen der wachsenden Bedrohung durch China deutlich erhöhen. Berichten zufolge plane die Regierung in Canberra, 12,6 Milliarden US-Dollar auszugeben. Anlass ist ein Militär-Bericht, der am Montag veröffentlicht worden ist. Darin heißt es: China rüste so stark auf wie kein Land seit dem Zweiten Weltkrieg. Pekings Rüstungsprogramm und seine strategischen Ziele im Indo-Pazifik seien undurchsichtig. Entsprechend solle Australien seine Militärbasen im Norden ausrüsten und mehr Geld in Langstreckenraketen investieren.
“In vielen Staaten der Region wird China als Bedrohung wahrgenommen”, sagt Liang. Entsprechend versuchten auch Indonesien, Malaysia, Vietnam oder Australien, mit der chinesischen Ausrüstung Schritt zu halten. Die Sipri-Untersuchungen zeigen, dass die Staaten in Asien und Ozeanien zusammen rund 575 Milliarden US-Dollar für ihre Militärs ausgaben. Seit 2013 ist das ein Anstieg um 45 Prozent. Liang stellt fest: “Im Indo-Pazifik ist ein regelrechter Rüstungswettlauf in Gang geraten.”
Das chinesische Außenamt in Peking hat Aussagen seines Botschafters in Frankreich relativiert. Der dortige offizielle Repräsentant der Volksrepublik, Lu Shaye, hatte in einem Interview den Status ehemaliger Sowjetrepubliken als souveräne Staaten infrage gestellt. Am Montag stellte das Außenministerium daraufhin klar: “China respektiert den Status der ehemaligen Sowjetrepubliken als souveräne Länder nach der Auflösung der Sowjetunion“, sagte eine Sprecherin.
Die Aussagen hatten vor allem im Baltikum, deren drei Staaten allesamt Mitglieder der Europäischen Union sind, für Empörung gesorgt. Die Passage ist aber auch deshalb so brisant, weil China verdächtigt wird, den russischen Krieg gegen die Ukraine – eine weitere ehemalige Sowjetrepublik – zu unterstützen.
Derweil veröffentlichte auch die chinesische Botschaft in Paris eine Stellungnahme, in der sie die Aussagen Lus als dessen Privatsache bezeichnete. Sie sollten daher nicht überinterpretiert werden. Lu hatte in einem TV-Interview gesagt “Diese Länder der ehemaligen Sowjetunion haben keinen tatsächlichen Status im internationalen Recht, weil es kein internationales Abkommen gibt, das ihren souveränen Status festschreibt.”
Als Reaktion auf die Entrüstung in Europa veröffentlichten chinesische Medien am Montag ein Interview mit dem EU-Botschafter Chinas in Brüssel, Fu Cong. Dieser verwies auf die Bedeutung der europäisch-chinesischen Beziehungen jenseits des Ukraine-Krieges. Auch Fu betonte jedoch die Anerkennung staatlicher Souveränität durch die Volksrepublik. Gleichzeitig stilisierte er China als eines der Opfer des Ukraine-Krieges und betonte die Bedeutung diplomatischer Bemühungen seiner Regierung bei der Konfliktlösung.
Nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte nun auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell einen neuen Kurs gegenüber China an. “Die Systemrivalität hat zugenommen, der Wettbewerb hat sich verschärft”, sagte Borrell nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Auch die USA nähmen mittlerweile eine andere Haltung zu China ein. Darauf müsse die EU reagieren.
Borrell erklärte zu den Äußerungen Lus: “Peking hat sich von den inakzeptablen Bemerkungen des Botschafters distanziert, das sind gute Nachrichten.” Damit sei der Fall erledigt. Allerdings sehen das offenbar nicht alle EU-Länder so. Der litauische Ressortchef Gabrielius Landsbergis kündigte an, die drei baltischen Länder – die alle zur Sowjetunion gehörten – würden chinesische Vertreter vorladen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sprach von einem “Fehler”.
Einig war man sich darin, dass die Beziehungen zu China neu bewertet werden müssten. Zwar gelte weiterhin die Einschätzung, dass China zugleich Partner, Konkurrent und Systemrivale sei, so Borrell. Allerdings müssten diese drei Achsen neu gewichtet und “austariert” werden. Die neue Positionsbestimmung will der Spanier beim nächsten informellen Treffen der EU-Außenminister vorlegen. Danach soll auch der Europäische Rat befasst werden. grz/bos/ari
Die Bundesregierung unterstützt die Forderung nach einer Abschaffung von Zwangsinternaten in Tibet. Im Rahmen der jüngsten Sitzung des Bundestag-Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sagte ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, dass man die entsprechende Forderung des UN-Sozialausschusses ausdrücklich befürworte. Die Menschenrechtsorganisation International Campaign for Tibet (ICT) begrüßte die Positionierung.
Die Bundesregierung kommt damit auch einem Anliegen der Tibet-Parlamentsgruppe im Deutschen Bundestag nach, die die Koalition zudem aufgefordert hatte, eine globale Initiative zum Schutz tibetischer Kinder zu starten. Hintergrund ist die chinesische Praxis, lokale Schulen in Tibet systematisch zu schließen, um Kinder zu zwingen, weit entfernte Internate zu besuchen. Dort dürfen sie ausschließlich Mandarin sprechen. Betroffen sind davon bis zu 900.000 tibetische Kinder.
Der UN-Sozialausschuss fürchtet eine kulturelle Assimilierung der Tibeter. Das UN-Gremium, das zweimal pro Jahr zusammentritt, hatte Vorwürfe durch Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen aufgegriffen. grz
Tesla will erstmals in China hergestellte Autos nach Nordamerika exportieren. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag und beruft sich dabei auf einen Insider. Demnach habe Tesla in Shanghai Anfang des Monats damit begonnen, das “Model Y” für den kanadischen Markt zu produzieren. Im laufenden Quartal sollen knapp 9000 solcher Autos hergestellt werden, wie aus einem Produktionsprotokoll hervorgehen soll.
Von diesem Vorgehen würde Tesla gleich doppelt profitieren: Zum einen liegt der Einstiegspreis des Model Y in Kanada mit 59.990 Kanadischen Dollar (rund 40.000 Euro) immer noch deutlich über dem chinesischen Startpreis von 261.900 Yuan (circa 35.000 Euro). Selbst mit Transportkosten dürfte der US-Autobauer also mehr Gewinn machen. Zum anderen würde Tesla damit den harten Preiskämpfen auf dem chinesischen Markt aus dem Weg gehen.
Wirtschaftspolitisch grotesk dabei: Das Model Y ist qualifiziert für die vollen Subventionen der kanadischen Regierung in Höhe von 5.000 Kanadischen Dollar. Somit würde die kanadische Regierung indirekt eine amerikanische Fabrik in China finanziell fördern. rad
Der taiwanische Verleger Fu Cha ist in China festgenommen worden. Der gebürtige Festland-Chinese, der seit 2009 in Taiwan lebt, war im März in die Volksrepublik gereist, um Behördengänge zu erledigen. Das sei nötig gewesen, um seine Einbürgerung in Taiwan abschließen zu können, hieß es. Bereits bei seiner Ankunft in Shanghai sei er verhaftet worden. Taiwans Regierung teilte mit, dass es Fu zurzeit gut gehe. Weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Fu hat sich mit seiner verlegerischen Arbeit den Unmut der Kommunistischen Partei zugezogen, weil er Bücher veröffentlichte, deren Inhalte in China zensiert werden: über das Tiananmen-Massaker, chinesische Propaganda und die Menschenrechtsverbrechen an den Uiguren in Xinjiang.
Die Festnahme von Fu erinnert an den Fall Gui Minhai. Der schwedische Verleger mit chinesischen Wurzeln war 2015 von chinesischen Geheimagenten aus Thailand entführt und nach China verschleppt worden. Angeblich freiwillig gab er dort die schwedische Staatsbürgerschaft zurück und wurde anschließend zu zehn Jahren Haft verurteilt. grz
Der Sportartikelhersteller Adidas will seine Probleme auf dem chinesischen Markt mit einem größeren Fokus auf lokale Gegebenheiten angehen. Das sagte der für China zuständige Manager Adrian Siu der britischen Zeitung Financial Times.
Konkret heißt das: patriotischere Produktlinien, bei denen internationales Design mit traditioneller chinesischer Kultur kombiniert werden soll. Teil dieser China-Strategie sei es auch, bis zum nächsten Jahr mindestens 30 Prozent der in China verkauften Kleidung lokal zu designen. Zum Vergleich: Bislang soll dieser Anteil Konzernangaben zufolge im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen.
Zudem will Adidas einen größeren Teil der Produktion nach China verlagern, um so schneller auf Modetrends reagieren zu können. Experten sind allerdings skeptisch: Angesichts der gestiegenen Arbeitskosten in China könnten die Preise steigen oder der Gewinn je Produkt geringer ausfallen. Die Arbeitskosten in der Volksrepublik sind inzwischen höher als in anderen Ländern der Region wie Vietnam, Indonesien oder Kambodscha.
Und als dritte Maßnahme will Adidas auch mehr mit chinesischen Athleten zusammenarbeiten. rad
Lu Shayes diplomatischer Unfall: Wie Chinas Botschafter in Paris die Souveränität früherer Sowjetrepubliken infrage stellte, damit einen Proteststurm in Europa auslöst und von Peking zurückgepfiffen wird. Mehr.
Warum deutsche Autokonzerne immer chinesischer werden: VW, BMW und Mercedes stehen unter Druck wie nie zuvor. Sie wollen gegen die chinesische Konkurrenz bestehen – und riskieren dabei eine noch höhere Abhängigkeit. Kann das gutgehen? Mehr.
Kosta Karakolidis ist nicht zum Ausruhen nach Qingdao gekommen: Der gebürtige Oberpfälzer will den Mischkonzern Siempelkamp zum Marktführer für Werkstoffanlagen in China machen. Seine Leitfrage als CEO und CTO von Siempelkamp Qingdao: Wie schafft man es, dass das Unternehmen konkurrenzfähig wird und eine bessere Marktsituation bekommt?
Während des Gesprächs mit Table.Media fährt Karakolidis über Qingdaos gewaltige Jiaozhouwan-Brücke in den Sino-German Ecopark, wo Siempelkamp seit 2014 residiert. Mit Blick auf Qingdaos Skyline erklärt er das Geschäftsmodell: Siempelkamp stellt in China hausgroße Werkstoffanlagen her, die wiederum MDF-, OSB- oder Spanplatten produzieren. Das Besondere sei die hohe Qualität der Anlagen, die entsprechend kosten. Eine Anlage gibt es ab 15 Millionen Euro, abhängig von den Kundenwünschen sei der Preis nach oben offen.
Und wie läuft das Geschäft? Sehr gut, sagt Karakolidis. In fast jeder chinesischen Provinz stehe mittlerweile eine Siempelkamp-Anlage und die Produktion in Qingdao sei fast voll ausgelastet. Das sei der Baubranche in China zu verdanken: Wachstum und Verstädterung bedeuten neue Gebäude, neue Möbel und damit neue Hersteller von Spanplatten, die bestenfalls früher oder später bei Karakolidis anrufen, um eine Siempelkamp-Anlage zu kaufen. “Man muss als Unternehmen hier sein, China ist wie ein ganzer Weltmarkt.”
Dennoch gibt es auch Herausforderungen: Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat die Lieferzeiten für Elektronikkomponenten verlängert, die Siempelkamps für die eigenen Hightech-Anlagen benötigt, erklärt der Geschäftsführer. Deshalb versucht er, früher bei den Herstellern zu bestellen und vorausschauender zu planen. “Wir schwitzen schon ein wenig, aber es funktioniert.”
Hilfreich sei die gute Zusammenarbeit mit dem Ecopark und der lokalen Regierung. Probleme als ausländisches Unternehmen in China beklagt Siempelkamp nicht – im Gegensatz zu vielen anderen. Im Gegenteil: “Wir haben eine sehr gute Kooperation auf einer sehr fairen Basis.” Deshalb setzt Siempelkamp auch auf Lokalisierung: Das Unternehmen will mehr Zulieferer in China finden und Lieferketten vor Ort aufbauen. Auch um preislich attraktiver zu werden und schnellere Lieferzeiten zu gewährleisten, erklärt Karakolidis.
Karakolidis selbst arbeitet seit 2021 für Siempelkamp, zuvor hat er neun Jahre bei Green River Panels in Thailand gearbeitet, dort Holz-Anlagen gekauft und aufgebaut. Von diesen Erfahrungen profitiert er heute: “Ich habe ein Verständnis davon, was man als Kunde braucht. Und das hilft mir, als Lieferant zu agieren”, erklärt er. Die Aussicht, seine Kompetenzen einbringen zu können, und der Wunsch nach einer neuen Herausforderung – mehr brauchte es schlussendlich nicht, um Karakolidis von Bangkok nach Qingdao zu lotsen.
Ein wenig Heimweh nach Deutschland hat er aber schon, gesteht der Geschäftsführer. Denn Freunde und Familie zurückzulassen, das sei nicht immer einfach gewesen. Was verloren geht, sei das Gefühl von Heimat, das Karakolidis aus Ludwigshafen kennt, wo er als Sohn griechischer Einwanderer aufgewachsen ist. Dennoch: In Thailand und China konnte er sich verwirklichen und die Welt kennenlernen. “Ich wollte mehr”, resümiert Karakolidis. “China und Asien haben mir viel gegeben.” Jonathan Lehrer
Jörg Bartels wird am 1. Juli Präsident und CEO von Beijing Benz, einem Joint Venture zwischen BAIC Motor und Mercedes-Benz. Damit löst er Arno van der Merwe ab. Derzeit ist Bartels noch Vice President of Vehicle Integration & Concepts bei Mercedes-Benz.
Björn Maier ist seit Beginn des Monats Director of Construction and Real Estate Greater China bei Porsche Automotive Investment in Hangzhou. Maier war zuvor Project Manager bei der Mercedes-Benz AG an verschiedenen Standorten.
Zhao Yulong ist seit Februar Chief Architect bei ZDrive in Shanghai. Er war zuvor unter anderem bei Huawei und Bosch in China tätig.
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Die Jacaranda blühen in der südwestchinesischen Provinzhauptstadt Kunming (Yunnan): Die Trompetenbaumgewächse sind jeden Frühling ein echter Hingucker im urbanen Einerlei – und Balsam für die Seele jedes Stadtbewohners.