wie geht die EU mit einem China um, das vor Kraft kaum noch laufen kann? Unser Korrespondent Frank Sieren sprach darüber mit Jörg Wuttke, einem der erfahrensten China-Manager der deutschen Wirtschaft und langjähriger Präsident der EU-Handelskammer vor Ort. Wuttke spricht sich dafür aus, das Investitionsabkommen CAI zu retten, indem beide Seiten es einfach anwenden. Hier spricht ein Pragmatiker, der selbst viel Arbeit in die Vorbereitung des Vertrags gesteckt hat. Die Hoffnung lautet nun, die “Spirale nach unten, Sanktionen gegen Sanktionen” doch noch zu stoppen.
Wuttke erklärt das derzeit so “robuste” Auftreten China mit einem historischen Vergleich. Nach seiner langen Schwächephase ist das Land in einer ähnlichen Position wie Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Auch dort wurde “der Ton bestimmter und eigenwilliger”. Jetzt müsse der Westen umgekehrt den richtigen Ton gegenüber China unter Xi Jinping finden – schließlich hängt unser Wohlstand von funktionierenden Beziehungen ab. Die schriftliche Fassung des Interviews finden Sie hier im China.Table. Wenn Sie das vollständige Gespräch hören und sehen möchten, können Sie diesem Link folgen – dort findet sich ein Video.
Dazu passend hat Amelie Richter den aktuellen Stand der Entscheidungsfindung im EU-Parlament in Erfahrung gebracht. Hinter den Kulissen stellen sich die Abgeordneten nämlich dieselbe Frage wie Sieren und Wuttke: Wie geht die EU mit dem Wechselbad der Gefühle aus harten Sanktionen und einem fertig ausverhandelten Partnerschaftsvertrag um? Der Ansatz ist in Brüssel jedoch ein anderer: Eine Ratifizierung des CAI gebe es nur, wenn Peking die Sanktionen zurückfährt, lautet die Stimmung unter den Abgeordneten. Der Konflikt wird zur Nervenprobe.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Herr Wuttke, sind die Sanktionen der EU gegen China sinnvoll?
Ich halte Sanktionen grundsätzlich nicht für sinnvoll. Meine Frau ist Russin. Ich sehe die Sanktionen mit Russland seit 2014. Sieben Jahre sind ins Land gegangen, ohne dass die Sanktionen wieder zurückgenommen wurden. Russland leidet, die EU leidet. Und Russland ist heute international nicht schwächer. Gleichzeitig hat die Antwort der Chinesen auf unsere Sanktionen gezeigt, dass auch sie sich nicht einfach so in die Ecke stellen lassen. Deren Sanktionen sind überproportional härter als unsere. Das hat uns überrascht. Die Frage ist nun, wie wir aus dieser Falle wieder herauskommen.
Peking vertraut Bundeskanzlerin Merkel wie kaum einer anderen westlichen Politikerin. Was soll sie jetzt tun? Viel Zeit hat sie ja nicht mehr. Im September sind schon Wahlen.
Ja, sie hat das Vertrauen der chinesischen Regierung. Und deshalb kann es ihr gelingen, die Tür wieder ein Stück weiter zu öffnen. Das hat sich ja kürzlich während der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen gezeigt. Merkel versucht Kontakt zu halten, damit diese Spirale nach unten, Sanktionen gegen Sanktionen, gestoppt werden kann.
Welche Rolle spielt das Investitionsabkommen zwischen der EU und China? Geht es nach der EU, soll es auf Eis liegen, solange Peking seine Sanktionen nicht zurücknimmt.
Erst einmal ist es sehr wichtig, dass Europa es nach sieben Jahren Verhandlungen hinbekommen hat, sich mit China auf ein solches Abkommen zu einigen. Europa hat damit seine eigene Stimme gefunden – gegen den amerikanischen Druck. Wir sollten nun die dicken Bretter weiter bohren und am Investitionsabkommen festhalten.
Wie soll das gehen?
Wir warten nicht, bis das Abkommen vom EU-Parlament ratifiziert wird, sondern setzen es einfach um. Davon jedenfalls versuche ich unsere Partner in Peking derzeit zu überzeugen. Wir füllen das, was China uns zugestanden hat und das, was wir China erlauben, jetzt einfach mit Leben. Denn auch für die EU geht es um Zugeständnisse, die de facto weiter gehen, als was in allen anderen bilateralen Vereinbarungen erreicht wurde. Ein Fortschritt also.
Aber damit drücken wir beide Augen zu, wenn es um die Menschenrechtsverletzungen gilt.
Es ist extrem betrüblich, was in Hongkong passiert, und erschreckend, wie in Xinjiang mit Minderheiten umgegangen wird. Aber ich glaube, da können wir wenig machen. Wir müssen in diesen Fragen Demut walten lassen. Wir haben nicht die Macht, Chinas Politik in eine andere Richtung zu zwingen. Selbst in einer Koalition mit den Amerikanern bin ich sehr skeptisch, dass es uns gelingt, China in eine neue Richtung zu zwingen. Die Chinesen sind stolz und werden nur umso härter dagegen halten. Wir müssen realistisch bleiben. Brüssel schafft es ja noch nicht einmal, das EU-Mitglied Ungarn in Bezug zu China zur Einsicht zu bringen. China wird durch unseren Druck nicht zu einer freien Marktwirtschaft und auch nicht in Menschenrechtsfragen einlenken. Wir können die Dinge allenfalls im Kleinen bewegen, aber auch nur dort, wo wir die Chinesen am Ende überzeugen konnten, dass entsprechende Reformen für sie selbst von Nutzen sind.
Wenn wir China nicht ändern können, müssen wir uns dann besser gegen China schützen?
Ja und nein. Wir müssten uns gegen den unfairen Wettbewerb von stark subventionierten Staatsunternehmen schützen. Der Wettbewerb von Privatunternehmen tut uns hingegen gut. Also, dass Geely Volvo gekauft hat, ein Unternehmen, für das im Westen niemand mehr einen Cent geben wollte, und dass Volvo nun wieder Erfolg hat, ist ein sehr positives Beispiel. Generell kann man sogar sagen: Ohne den Druck aus China wäre die deutsche Autoindustrie noch nicht so weit, wie sie heute ist. Deswegen brauchen wir mehr chinesischen Wettbewerb. Nicht weniger. Nur so spüren wir unsere Schwächen, an denen wir arbeiten müssen. China können wir nur aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke Paroli bieten. Und die haben wir nur, wenn wir wettbewerbsfähig sind. Wir müssen raus aus unserer Lethargie.
Was könnte das konkret bedeuten?
Wir müssen die EU reformieren, statt zu glauben, wir sind sicher, wenn wir uns darauf beschränken, unsere Märkte gegen China zu schützen. Chinas Anteil am Wachstum der Weltwirtschaft ist auch ohne Corona so groß wie der aller OECD-Länder zusammen. China muss unser Sputnik-Moment werden. Wir sind bereits in vielen technologisch zentralen Bereichen gegenüber China zurückgefallen. Wie wir das ändern können, muss die wichtigste Frage sein. Und nicht, wie wir uns abschotten.
Aber China bringt uns doch immer mehr Nachteile. Wir geraten immer mehr in die Defensive.
Das muss man differenzierter sehen. Wir können dank China immer mehr Produkte in guter Qualität zu günstigen Preisen kaufen. Das stärkt unsere Kaufkraft. Heute sind die meisten chinesischen Produkte genauso gut wie die westlichen, aber eben billiger. Gleichzeitig gibt es noch wichtige Bereiche, in denen wir in Deutschland heute nicht so gut dastünden, wenn es den chinesischen Markt nicht gäbe. Die Autoindustrie ist dabei sicher an erster Stelle zu nennen.
Aber haben wir nicht auch viele Branchen und damit Arbeitsplätze an China verloren?
Das ist so. Aber in der Summe haben wir weit mehr gewonnen und in Zukunft noch zu gewinnen als zu verlieren.
Warum sind die Chinesen wirtschaftlich so erfolgreich?
Es kommen viele Faktoren zusammen. Wichtig dabei ist der extreme Arbeitseifer, eine große Wertschätzung von Ausbildung vor allem bei den Naturwissenschaften. Das ist ja in Deutschland fast nicht mehr der Fall. Aber auch die Bereitschaft, neue Herausforderungen anzugehen, ist in China ausgeprägter. Die Chinesen sind risikobereit. Das ist etwas, was uns abgeht, was auch daran liegt, dass die Chinesen nicht so perfektionistisch sind. Sie machen bei 80 Prozent Entwicklungsreife von Produkten Schluss, gehen mit ihrem Produkt auf den Markt und entwickeln es dann am Kunden Schritt für Schritt weiter. Wir hingegen entwickeln gerne schon mal, bis das Produkt 110 Prozent Marktreife hat. Dann sind die Chinesen allerdings schon ein Jahr im Markt und haben ihre Kunden gefunden. Kurz: Wir müssen viel mehr von China lernen als bisher. China ist ein riesengroßes Fitness-Center für uns, das uns aus unserer Lethargie befreit.
Gleichzeitig jedoch versucht China sich von uns unabhängig zu machen, indem es den Binnenkonsum steigert und mit RCEP die asiatische Freihandelszone vorantreibt.
Wir sollten das Thema mit ein wenig mehr Selbstbewusstsein betrachten. Wenn es China und seinen asiatischen Nachbarn besser geht, ist das auch gut für uns. Es entstehen neue Mittelschichten, die sich nicht nur chinesische, sondern auch unsere Produkte leisten können und wollen. Alle diejenigen Firmen, die in Asien produzieren, auch die europäischen, profitieren davon, dass Zölle wegfallen. Sie sind gewissermaßen nicht mehr europäisch, sondern auch asiatisch. Wir sind bereits ein Teil des Mobiliars. Darüber hinaus hat die EU ja auch weitreichende bilaterale Abkommen mit asiatischen Ländern abgeschlossen, mit Südkorea, Japan, Vietnam und Singapur. Und sie verhandeln mit Neuseeland, Australien und Indonesien. Dabei geht es eben nicht nur um den Zugang von unseren Produkten, sondern auch um wichtige Fragen wie Umweltschutz und Arbeitsrecht. Europa ist in dieser Frage viel weiter als andere Länder im Westen. Wir sollten darauf stolz sein, statt nun zu verzweifeln oder sauer auf die Asiaten zu sein, dass sie sich untereinander enger binden, was ja durchaus sinnvoll ist aus deren Sicht.
China tritt gegenüber Europa, aber auch in Asien, immer selbstbewusster auf. Manche sagen sogar, unverschämter und nationalistischer.
Ja, das ist so. Ich verstehe es nicht, warum ein so großes stabiles Land, Mitglied des UN-Sicherheitsrates, eine Atomwaffen-Nation, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt mit hohem Wachstum, selbst im Kleinen so robust auftreten muss. Dabei ist es ja bereits für jeden offensichtlich, dass sie dominieren. Dennoch kann es sich China nicht verkneifen nun auch bei kleinen Sachen zu zeigen wer Chef im Hause ist.
Woran liegt das?
Das lässt sich vielleicht mit einem Blick in die Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert erklären. Bismarck war sich bewusst, dass ein im Zuge der Industrialisierung und der Urbanisierung stärker werdendes, erfolgreiches Deutschland sich behutsam in die internationale Gemeinschaft einfügen muss. Denn es stellte eine Herausforderung für die damals führenden Briten dar. Unter Wilhelm II wurde dann ähnlich wie bei Xi Jinping der Ton bestimmter und eigenwilliger. Das hat dann den entsprechenden Gegendruck der Nachbarn erzeugt.
Wenn man dieser Analogie folgen mag, dann ist das ja nicht gut ausgegangen für Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gilt das auch für China?
Das sollten wir hier in Peking jedenfalls mal ab und zu erwähnen. Deutschland hatte die Möglichkeit, die Führung zu übernehmen und hat seine Chancen im Übermut verspielt. Das 21. Jahrhundert kann das chinesische Jahrhundert werden, wenn Peking es nicht überzieht. Wenn sie nicht schlafwandeln und glauben, was immer sie auch machen, es wird stets so weitergehen. China wird stärker; der Westen wird schwächer. Auch für China kann der Hochmut vor dem Fall kommen.
Wäre es nicht vorteilhaft für Europa, wenn China noch einmal über seine eigenen Füße stolpert? Das schafft uns Spielraum, unsere Hausaufgaben zu machen.
Das ist eine gefährliche Strategie. Denn unsere wirtschaftliche Prosperität hängt an China. Wenn China keinen Erfolg hat, dann gnade uns Gott. Unser Interesse muss es sein, dass China sich reformiert, gleichzeitig jedoch erfolgreich bleibt und ein verlässlicher Partner in der neuen Weltordnung wird.
Jörg Wuttke ist seit 2019 Präsident der EU-Handelskammer in China – ein Posten, mit dem er von zwei früheren Amtszeiten her bereits bestens vertraut ist. Zuvor war er auch Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Außenhandelskammer in Peking, die er 1999 mit gegründet hat. Wuttke hat 1982 unter anderem in Shanghai und Taipeh Chinesisch und Wirtschaft studiert. 1986 begann er bei ABB China in verschiedenen Funktionen zu arbeiten. 1997 wurde er Vice President and Chief Representative von BASF China – und ist es bis heute. Damit ist Wuttke einer der erfahrensten deutschen China-Manager. Er lebt mit seiner Familie in Peking.
Das Europaparlament wird sich in dieser Woche in einer Resolution zu den Sanktionen aus Peking positionieren. Wahrscheinlich wird in der Entschließung die Zukunft des Investitionsabkommens zwischen der Europäischen Union und China (CAI) an die Aufhebung der Strafmaßnahmen gegen europäische Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und Organisationen gekoppelt. Mehrere EU-Parlamentarier:innen hatten diese Forderung bereits geäußert. Mit der Resolution würde das Europaparlament nun offiziell Stellung beziehen und damit den Druck auf die EU-Kommission erhöhen (China.Table berichtete).
In den Entwürfen für die Resolution der vier größten Fraktionen im EU-Parlament, die China.Table vorliegen, werden die chinesischen Sanktionen einstimmig verurteilt – unterschiedlich stark ausformuliert sind jedoch die jeweiligen Forderungen nach einem Arbeitsstopp am CAI.
Evelyne Gebhardt (SPD), geht fest davon aus, dass die Forderung der Rücknahme der Sanktionen als Voraussetzung für die weitere Arbeit am CAI in der Resolution enthalten sein werde. Sie ist Europa-Abgeordnete und Vize-Vorsitzende der China-Delegation des Europaparlaments. “Vielleicht etwas umformuliert, aber ich glaube schon, dass sich diese Vorbedingung für Gespräche durchsetzen kann“, sagte Gebhardt China.Table. Sie betonte, dass es im Europaparlament nicht darum gehen, sämtliche Gespräche mit China zu stoppen. “Aber es ist ganz klar, dass wir erwarten, dass die Sanktionen abgebaut werden.” Wenn es künftig dann um eine Ratifizierung des CAI gehen sollte, werde zudem erwartet, dass China die ILO-Konventionen umsetze.
Die Fraktionen des Europaparlaments verhandeln noch bis etwa Dienstagabend über einen gemeinsamen Resolutionsentwurf, der dann am Donnerstag zur Abstimmung gestellt werden soll. Die Arbeit im Parlament am CAI liegt derzeit ohnehin auf Eis. Die rechtliche Prüfung, das sogenannte “legal scrubbing”, und die Übersetzung in die EU-Sprachen laufen jedoch noch. ari
Die FDP spricht sich in ihrem Programm für die Bundestagswahl für eine Stärkung der Stellung Taiwans aus. Die Liberalen haben am Sonntagabend auf ihrem Parteitag den Hinweis auf die “Ein-China-Politik” gestrichen. Stattdessen streben sie eine stärkere Einbindung Taiwans in internationale Organisationen an. Es handele sich um “eine deutliche Botschaft an Peking, dass der Bruch des Völkerrechts im Fall Hongkongs nicht ohne Konsequenzen bleibt”, sagte sagte der außenpolitische Sprecher der Partei, Bijan Djir-Sarai, der Nachrichtenagentur Reuters. Die FDP begrüßt das CAI, doch sie kritisiert die Menschenrechtsverletzungen in China. Sowohl den Beziehungen der EU zur Volksrepublik als auch der Taiwanfrage sind je ein eigener Abschnitt gewidmet.
Im Programmentwurf hieß es vor dem Parteitag am Wochenende noch: “Unter Wahrung der Ein-China-Politik befürworten wir die Bemühungen Taiwans um Einbindung in internationale Organisationen – soweit dies unterhalb der Schwelle einer staatlichen Anerkennung erfolgen kann.” Aus Endversion war der Hinweis auf die Ein-China-Politik gestrichen. Seit der diplomatischen Anerkennung der Volksrepublik durch westliche Länder handelt es sich um die Formel, derzufolge es nur einen chinesischen Staat gibt, der sowohl das Festland als auch Taiwan umfasst. “Wir Freie Demokraten unterstützen die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung in Taiwan als gelungenen Gegenentwurf zum autoritären Herrschaftssystem in der Volksrepublik China“, heißt es nun im Wahlprogramm. Eine formale Anerkennung als eigener Staat werde aber weiterhin nicht unterstützt, so Djir-Sarai. fin
Der Mars-Rover Zhurong ist erfolgreich gelandet. Am Samstag erreichte die Kapsel mit dem Forschungsroboter die Oberfläche des Planeten, teilte die China National Space Administration (CNSA) mit. Die chinesische Mars-Mission war sieben Monate lang unterwegs (China.Table berichtete). Schon in den kommenden Tagen könnte Zhurong erste Bilder und Messergebnisse von der Oberfläche übermitteln.
China ist damit die dritte Nation, die ein Objekt auf dem Mars absetzt. Die anderen beiden sind Russland und die USA. Wissenschaftler erwarten von den Messungen zwar nur wenig völlig neue Erkenntnisse von der Marsoberfläche, die über die Experimente der vorhandenen US-Missionen hinausgehen. Doch für die anspruchsvolle Landung auf einem anderen Planeten haben die chinesischen Ingenieure Techniken entwickelt, auf die sie für die nächsten Stufen des Weltraumprogramms aufbauen können. fin
Der chinesische Petrochemiekonzern Sinopec hat ein neues Verfahren zur direkten Umwandlung von Rohöl in Chemikalien entwickelt. Wie das Fachmagazin Process berichtet, ist dieses neue “Crude Oil to Chemicals”, oder kurz COTC-Verfahren ein wichtiger technologischer Durchbruch. Da es verschiedene Zwischenschritte traditioneller Methoden auslassen könne, vereinfache es die Rohölverfeinerung für die Chemie-Industrie deutlich. Mit dem neuen COTC-Verfahren können laut Process wesentlich mehr Ethylen, Propylen und leichte Kohlenwasserstoffe pro Barrel Öl erzeugt werden als in den modernsten Raffinerie-Verbundstandorten der petrochemischen Industrie. Gleichzeitig können Energieverbrauch und Emissionen beträchtlich gesenkt werden. China entwickele sich damit zum globalen Technologieführer beim katalytischen Cracken von Rohöl, so das Magazin.
Aus Rohöl werden chemische Vorprodukte gewonnen, unter anderem zur Herstellung von Kunststoff. Während die Nachfrage nach Treibstoffen durch den Ausbau erneuerbarer Energien und der Elektromobilität weltweit allmählich sinken, wächst der Bedarf an Chemikalien voraussichtlich erst einmal weiter. Daher suchen petrochemische Konzerne weltweit nach alternativen Geschäftsmodellen für ihre Raffinerien – damit sie darin weiterhin Rohöl verarbeiten können. Das Geheimnis des Sinopec-Verfahrens liege unter anderem in der “optimalen Abstimmung von Reaktionstemperatur und katalytischer Aktivität”, zitiert Process die Chemiezeitung Zhongguo Huagong Bao. Sinopec habe schon länger an dem Verfahren geforscht. Die Sinopec-Tochter Yangzhou Petrochemical hat es demnach nun erstmals im industriellen Maßstab getestet. ck
In Taiwan ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen von einem niedrigem Niveau aus schnell angestiegen. Die Regierung versucht nun, ihre bisher sehr gute Pandemie-Bilanz zu retten. Der Inselstaat diente bislang international als Vorbild, wenn es um die Eindämmung von Corona ging. Am Samstag wurden 180 neue Corona-Infektionen in Taiwan gemeldet, während es noch am Freitag lediglich 29 neue Fälle waren. Präsidentin Tsai Ing-wen hob die Alarmstufe für die Hauptstadt Taipei sowie die umliegenden Regionen an. Seit dem Wochenende dürfen sich nicht mehr als fünf Personen in geschlossenen Räumen treffen. Im Freien gilt eine neue Obergrenze von zehn Personen. Während Schulen, Behörden, Büros wie auch die meisten Geschäfte weiterhin offen bleiben, gelten wieder strenge Maskenpflicht sowie Abstandsregeln. Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen wie Bars und Sportzentren mussten im Rahmen der Beschränkungen, die bis zum 28. Mai dauern sollen, im ganzen Land schließen. Die Regierung forderte die Bevölkerung auf, von Hamsterkäufen abzusehen.
Gesundheitsminister Chen Shih-chung kündigte für die Zukunft weitere Maßnahmen an, darunter Fernunterricht für einige Schuljahrgänge und Richtlinien für Krankenhäuser zur Priorisierung symptomatischer Covid-Fälle. Er forderte die Menschen auf, die Hygienemaßnahmen zu verstärken und unnötige Reisen und Treffen zu vermeiden. “Persönliche Verantwortung ist sehr wichtig”, so Chen. Seit Ausbruch der Coronakrise sind in Taiwan bis Sonntag insgesamt nur 1682 Infektionen gezählt worden und 12 Menschen starben im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion. Kritisch wird jedoch gesehen, dass sich Taiwans Einwohner bisher kaum haben impfen lassen. So wurden bis Samstag nur 186.149 der 23 Millionen Einwohner in Taiwan erstgeimpft. niw
In Thüringen, genauer gesagt in Arnstadt bei Erfurt, wird der eine oder andere den Namen Robin Zeng schon einmal gehört haben. Der Unternehmer hat 2011 die Contemporary Amperex Technology gegründet, kurz CATL. Das Unternehmen stellt Batterien für Elektroautos her. Und zwar so viele, dass CATL der größte Produzent der Volksrepublik China ist. Perspektive: Weltmarktführer.
Die Firma entschied sich vor ein paar Jahren dazu, in Arnstadt in einen neuen Produktionsstandort viel Geld zu investieren. Corona ist schuld daran, dass die Fabrik nicht schon längst Akkus am Fließband ausspuckt. Wegen Pandemie bedingter Verzögerungen nimmt der Standort erst im kommenden Jahr die Arbeit auf. Dann gehen die Batterien an Tesla, Daimler, BMW und ein andere Firmen, die massenhaft Elektroautos herstellen. 2000 Jobs sollen es am Ende am Standort Arnstadt werden. In Thüringen hat Robin Zeng deshalb viele neue Freunde.
Vor wenigen Tagen machte der 53-Jährige anderweitig Schlagzeilen. In der vorvergangenen Woche war er mit einem Vermögen von 34,5 Milliarden US-Dollar kurzzeitig zum reichsten Menschen in Hongkong aufgestiegen. Zeng lebt in Hongkong und ist dort auch Staatsbürger. Das war insofern bemerkenswert, als der bisherige Spitzenreiter der Stadt, Li Ka-shing, jahrelang unangefochten die Liste anführte. Es war allerdings nur ein marginaler Vorsprung von 200 Millionen Dollar, der die zwei trennte und am Tag darauf schon wieder eingebüßt war, weil die Gesamtvermögen der beiden Milliardäre auf Basis schwankender Aktienkurse berechnet wurden. Da geht es an einem langweiligen Börsentag mal ein paar Hundert Millionen hoch oder eben herunter. Nicht der Rede wert.
Was also soll’s, könnte man meinen. Der eine steinreiche Unternehmer löst den anderen ab. Doch der Zeitpunkt der Wachablöse ist auch ein Symbol für den Wandel, den Hongkong in den vergangenen zwei Jahrzehnten und besonders in den vergangenen zwei Jahren durchgemacht hat: die Übernahme einer einst freien Stadt durch die autoritären Machthaber aus der Volksrepublik.
Li ist so etwas wie der Prototyp des Hongkonger Tycoons, der in den 1950er-Jahren mit Plastikblumen seine ersten Millionen scheffelte und sich seitdem die Stadt mit seinem Geschäftssinn untertan machte. Im Laufe der Jahrzehnte erfand er sich immer wieder selbst, stieg in Immobilien ein, baute eine Lebensmittelkette auf und investierte in Telekommunikation. Li wird im Juni 93 Jahre alt, ein Relikt aus den Goldenen Zeiten der Stadt, als Bruce Lee mit seiner Kampfkunst Fans ins aller Welt eroberte.
Robin Zeng steht im Startblock, um dauerhaft Lis Nachfolge als Hongkongs Nummer eins anzutreten, zumindest in der Forbes-Echtzeitliste der Superreichen. Robin heißt eigentlich Yuqun mit Vornamen, und anders als Li Ka-shing ist er nicht in Hongkong sozialisiert, sondern auf dem Festland. Er wurde mitten in der Zeit der Kulturrevolution in der südöstlichen Küstenprovinz Fujian geboren, deren Einwohner wegen ihrer geografischen Lage als weltoffen und Menschen mit Gespür fürs Geschäft gelten. Vor sieben Jahren hatte er sich im Rahmen eines Rekrutierungsprogramms der Stadt Hongkong um eine Staatsbürgerschaft der früheren britischen Kolonie beworben. Sie wollte kluge Köpfe und erfolgreiche Unternehmer aus der Volksrepublik locken. Als einer von mehr als 7000 Chinesen erhielt er Hongkonger Papiere.
Zeng ist promovierter Physiker, er hat an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften studiert. Reich gemacht hat ihn jedoch die Zellchemie, das Innenleben von Batterien. Als er nach dem Börsendebüt 2017 ein Jahr später in Shenzhen weiteres Kapital einsammelte, stoppte am ersten Handelstag erst ein Mechanismus den Senkrechtstart der neuen Papiere. Mehr als 44 Prozent Kursgewinn waren nicht zugelassen. Es reichte dennoch für eine Marktkapitalisierung von rund 12,5 Milliarden US-Dollar. Das machte Zeng, der 26 Prozent der CATL-Aktien besitzt, damals schon zum Multimilliardär. Doch das war nur der Anfang einer Erfolgsgeschichte, die durch chinesische Subventionen für Elektromobilität erheblich unterstützt wurde.
Besonders das vergangene Jahr bedeutete für Robin Zeng einen finanziellen Aufstieg in einen erlauchten Kreis von Menschen, deren persönliches Vermögen größer ist als das Bruttoninlandsprodukt von fast 100 Nationalstaaten. Der Boom von E-Autos, vor allem in China, steigerte die Nachfrage nach Batterien so immens, dass sich der Aktienkurs von CATL seit Januar 2020 binnen 16 Monaten verdreifachte.
Für Robin Zeng bedeutet der unfassbare Wohlstand auch Verpflichtung – und zwar gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas, die Loyalität von erfolgreichen Firmengründern verlangt. Wer auf dem chinesischen Markt groß wird, der darf nicht vergessen, wo er herkommt. Der Alibaba-Gründer Jack Ma wurde vor einigen Monaten von der Partei daran erinnert. Li Ka-shing ist ohnehin sehr vorsichtig und zurückhaltend, wenn es darum geht, sich politisch zu äußern – und das, obwohl der Ur-Hongkonger ursprünglich keinen chinesischen Maulkorb trug. Auch hier symbolisiert Zengs Aufstieg eine Zeitenwende: hin zu einem Hongkong, das eng in die Volksrepublik integriert ist. Marcel Grzanna
Martin Wawra, currently Managing Director at Voith Turbo in China and its joint venture partner CRRC, will take over as Head of the Mobility Division on June 1. Wawra, who has been with the Voith Group since 1994 and responsible for setting up production and design in China since 2011, will also become a member of the Board of Voith Turbo. His predecessor Cornelius Weitzmann will succeed Dr. Uwe Knotzer as Chairman of the Management Board of Voith Turbo as of June 1.
Johannes Vogel (FDP), Deputy Chairman of the German-Chinese parliamentary group, has been the freshly elected Deputy Federal Chairman of his party since the party congress on the weekend. In 2014, Vogel spent several months in Beijing for a language study trip.
Was sind die Top 3 der Einhand-Verlegenheitsgesten für Selfies, Gruppenfotos und andere spontane Schnappschüsse? Ganz klar: Victory-Zeichen, Daumen hoch und ein Herz schnippen. Moment mal, ein Herz schnippen? In China kennt diese Fingergymnastik längst jedes Kind. 比心 bǐxīn – wörtlich “ein Herz gestikulieren/nachahmen” – nennt man hier diese Pose, die das fotodurchtränkte Smartphone-Zeitalter im Reich der Mitte in letzter Zeit im Sturm erobert hat. Und so geht’s: Die Kuppen von Daumen und Zeigefinger aufeinanderlegen und dann den Daumen schräg versetzt (wie beim Schnippen) nach außen schieben, sodass eine kleine Herzform entsteht. Stellung halten, Foto, fertig!
比心 bǐxīn ist übrigens längst nicht das einzige “Herzige”, was die chinesische Sprache in ihrem Fundus hat. Denn je nachdem, was man im Putonghua mit dem Herzen so anstellt, ergeben sich herzlich viele neue Bedeutungen. Ein “geöffnetes” Herz (开心 kāixīn) beispielsweise steht für “froh, sich freuen”, ein “kleines” Herz (小心 xiǎoxīn) bedeutet “sich in Acht nehmen, vorsichtig sein”. Wer das Herz “ablegt” (放心 fàngxīn), ist “beruhigt, erleichtert”, wer es “benutzt” (用心 yòngxīn) “sorgfältig, achtsam und konzentriert”, und wer ein “grobes” Herz hat (粗心 cūxīn), gilt als “unachtsam, nachlässig”. Ist das Herz “verletzt” (伤心 shāngxīn) ist man “tieftraurig”, ist es “gut” (良心 liángxīn) hat man “Gewissen” und “Skrupel”, und wem “viele” Herzen in der Brust schlagen (多心 duōxīn), der “macht sich zu viele Gedanken”. Und wie bitte soll man sich all diese Schriftzeichen und ihre Bedeutungen nun einprägen? Na, mit “heißem” und “wildem” Herzen natürlich (热心 rèxīn und 野心 yěxīn), sprich mit ausreichend “Begeisterung” und “Ehrgeiz”.
Verena Menzel 孟维娜 betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
wie geht die EU mit einem China um, das vor Kraft kaum noch laufen kann? Unser Korrespondent Frank Sieren sprach darüber mit Jörg Wuttke, einem der erfahrensten China-Manager der deutschen Wirtschaft und langjähriger Präsident der EU-Handelskammer vor Ort. Wuttke spricht sich dafür aus, das Investitionsabkommen CAI zu retten, indem beide Seiten es einfach anwenden. Hier spricht ein Pragmatiker, der selbst viel Arbeit in die Vorbereitung des Vertrags gesteckt hat. Die Hoffnung lautet nun, die “Spirale nach unten, Sanktionen gegen Sanktionen” doch noch zu stoppen.
Wuttke erklärt das derzeit so “robuste” Auftreten China mit einem historischen Vergleich. Nach seiner langen Schwächephase ist das Land in einer ähnlichen Position wie Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Auch dort wurde “der Ton bestimmter und eigenwilliger”. Jetzt müsse der Westen umgekehrt den richtigen Ton gegenüber China unter Xi Jinping finden – schließlich hängt unser Wohlstand von funktionierenden Beziehungen ab. Die schriftliche Fassung des Interviews finden Sie hier im China.Table. Wenn Sie das vollständige Gespräch hören und sehen möchten, können Sie diesem Link folgen – dort findet sich ein Video.
Dazu passend hat Amelie Richter den aktuellen Stand der Entscheidungsfindung im EU-Parlament in Erfahrung gebracht. Hinter den Kulissen stellen sich die Abgeordneten nämlich dieselbe Frage wie Sieren und Wuttke: Wie geht die EU mit dem Wechselbad der Gefühle aus harten Sanktionen und einem fertig ausverhandelten Partnerschaftsvertrag um? Der Ansatz ist in Brüssel jedoch ein anderer: Eine Ratifizierung des CAI gebe es nur, wenn Peking die Sanktionen zurückfährt, lautet die Stimmung unter den Abgeordneten. Der Konflikt wird zur Nervenprobe.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Herr Wuttke, sind die Sanktionen der EU gegen China sinnvoll?
Ich halte Sanktionen grundsätzlich nicht für sinnvoll. Meine Frau ist Russin. Ich sehe die Sanktionen mit Russland seit 2014. Sieben Jahre sind ins Land gegangen, ohne dass die Sanktionen wieder zurückgenommen wurden. Russland leidet, die EU leidet. Und Russland ist heute international nicht schwächer. Gleichzeitig hat die Antwort der Chinesen auf unsere Sanktionen gezeigt, dass auch sie sich nicht einfach so in die Ecke stellen lassen. Deren Sanktionen sind überproportional härter als unsere. Das hat uns überrascht. Die Frage ist nun, wie wir aus dieser Falle wieder herauskommen.
Peking vertraut Bundeskanzlerin Merkel wie kaum einer anderen westlichen Politikerin. Was soll sie jetzt tun? Viel Zeit hat sie ja nicht mehr. Im September sind schon Wahlen.
Ja, sie hat das Vertrauen der chinesischen Regierung. Und deshalb kann es ihr gelingen, die Tür wieder ein Stück weiter zu öffnen. Das hat sich ja kürzlich während der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen gezeigt. Merkel versucht Kontakt zu halten, damit diese Spirale nach unten, Sanktionen gegen Sanktionen, gestoppt werden kann.
Welche Rolle spielt das Investitionsabkommen zwischen der EU und China? Geht es nach der EU, soll es auf Eis liegen, solange Peking seine Sanktionen nicht zurücknimmt.
Erst einmal ist es sehr wichtig, dass Europa es nach sieben Jahren Verhandlungen hinbekommen hat, sich mit China auf ein solches Abkommen zu einigen. Europa hat damit seine eigene Stimme gefunden – gegen den amerikanischen Druck. Wir sollten nun die dicken Bretter weiter bohren und am Investitionsabkommen festhalten.
Wie soll das gehen?
Wir warten nicht, bis das Abkommen vom EU-Parlament ratifiziert wird, sondern setzen es einfach um. Davon jedenfalls versuche ich unsere Partner in Peking derzeit zu überzeugen. Wir füllen das, was China uns zugestanden hat und das, was wir China erlauben, jetzt einfach mit Leben. Denn auch für die EU geht es um Zugeständnisse, die de facto weiter gehen, als was in allen anderen bilateralen Vereinbarungen erreicht wurde. Ein Fortschritt also.
Aber damit drücken wir beide Augen zu, wenn es um die Menschenrechtsverletzungen gilt.
Es ist extrem betrüblich, was in Hongkong passiert, und erschreckend, wie in Xinjiang mit Minderheiten umgegangen wird. Aber ich glaube, da können wir wenig machen. Wir müssen in diesen Fragen Demut walten lassen. Wir haben nicht die Macht, Chinas Politik in eine andere Richtung zu zwingen. Selbst in einer Koalition mit den Amerikanern bin ich sehr skeptisch, dass es uns gelingt, China in eine neue Richtung zu zwingen. Die Chinesen sind stolz und werden nur umso härter dagegen halten. Wir müssen realistisch bleiben. Brüssel schafft es ja noch nicht einmal, das EU-Mitglied Ungarn in Bezug zu China zur Einsicht zu bringen. China wird durch unseren Druck nicht zu einer freien Marktwirtschaft und auch nicht in Menschenrechtsfragen einlenken. Wir können die Dinge allenfalls im Kleinen bewegen, aber auch nur dort, wo wir die Chinesen am Ende überzeugen konnten, dass entsprechende Reformen für sie selbst von Nutzen sind.
Wenn wir China nicht ändern können, müssen wir uns dann besser gegen China schützen?
Ja und nein. Wir müssten uns gegen den unfairen Wettbewerb von stark subventionierten Staatsunternehmen schützen. Der Wettbewerb von Privatunternehmen tut uns hingegen gut. Also, dass Geely Volvo gekauft hat, ein Unternehmen, für das im Westen niemand mehr einen Cent geben wollte, und dass Volvo nun wieder Erfolg hat, ist ein sehr positives Beispiel. Generell kann man sogar sagen: Ohne den Druck aus China wäre die deutsche Autoindustrie noch nicht so weit, wie sie heute ist. Deswegen brauchen wir mehr chinesischen Wettbewerb. Nicht weniger. Nur so spüren wir unsere Schwächen, an denen wir arbeiten müssen. China können wir nur aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke Paroli bieten. Und die haben wir nur, wenn wir wettbewerbsfähig sind. Wir müssen raus aus unserer Lethargie.
Was könnte das konkret bedeuten?
Wir müssen die EU reformieren, statt zu glauben, wir sind sicher, wenn wir uns darauf beschränken, unsere Märkte gegen China zu schützen. Chinas Anteil am Wachstum der Weltwirtschaft ist auch ohne Corona so groß wie der aller OECD-Länder zusammen. China muss unser Sputnik-Moment werden. Wir sind bereits in vielen technologisch zentralen Bereichen gegenüber China zurückgefallen. Wie wir das ändern können, muss die wichtigste Frage sein. Und nicht, wie wir uns abschotten.
Aber China bringt uns doch immer mehr Nachteile. Wir geraten immer mehr in die Defensive.
Das muss man differenzierter sehen. Wir können dank China immer mehr Produkte in guter Qualität zu günstigen Preisen kaufen. Das stärkt unsere Kaufkraft. Heute sind die meisten chinesischen Produkte genauso gut wie die westlichen, aber eben billiger. Gleichzeitig gibt es noch wichtige Bereiche, in denen wir in Deutschland heute nicht so gut dastünden, wenn es den chinesischen Markt nicht gäbe. Die Autoindustrie ist dabei sicher an erster Stelle zu nennen.
Aber haben wir nicht auch viele Branchen und damit Arbeitsplätze an China verloren?
Das ist so. Aber in der Summe haben wir weit mehr gewonnen und in Zukunft noch zu gewinnen als zu verlieren.
Warum sind die Chinesen wirtschaftlich so erfolgreich?
Es kommen viele Faktoren zusammen. Wichtig dabei ist der extreme Arbeitseifer, eine große Wertschätzung von Ausbildung vor allem bei den Naturwissenschaften. Das ist ja in Deutschland fast nicht mehr der Fall. Aber auch die Bereitschaft, neue Herausforderungen anzugehen, ist in China ausgeprägter. Die Chinesen sind risikobereit. Das ist etwas, was uns abgeht, was auch daran liegt, dass die Chinesen nicht so perfektionistisch sind. Sie machen bei 80 Prozent Entwicklungsreife von Produkten Schluss, gehen mit ihrem Produkt auf den Markt und entwickeln es dann am Kunden Schritt für Schritt weiter. Wir hingegen entwickeln gerne schon mal, bis das Produkt 110 Prozent Marktreife hat. Dann sind die Chinesen allerdings schon ein Jahr im Markt und haben ihre Kunden gefunden. Kurz: Wir müssen viel mehr von China lernen als bisher. China ist ein riesengroßes Fitness-Center für uns, das uns aus unserer Lethargie befreit.
Gleichzeitig jedoch versucht China sich von uns unabhängig zu machen, indem es den Binnenkonsum steigert und mit RCEP die asiatische Freihandelszone vorantreibt.
Wir sollten das Thema mit ein wenig mehr Selbstbewusstsein betrachten. Wenn es China und seinen asiatischen Nachbarn besser geht, ist das auch gut für uns. Es entstehen neue Mittelschichten, die sich nicht nur chinesische, sondern auch unsere Produkte leisten können und wollen. Alle diejenigen Firmen, die in Asien produzieren, auch die europäischen, profitieren davon, dass Zölle wegfallen. Sie sind gewissermaßen nicht mehr europäisch, sondern auch asiatisch. Wir sind bereits ein Teil des Mobiliars. Darüber hinaus hat die EU ja auch weitreichende bilaterale Abkommen mit asiatischen Ländern abgeschlossen, mit Südkorea, Japan, Vietnam und Singapur. Und sie verhandeln mit Neuseeland, Australien und Indonesien. Dabei geht es eben nicht nur um den Zugang von unseren Produkten, sondern auch um wichtige Fragen wie Umweltschutz und Arbeitsrecht. Europa ist in dieser Frage viel weiter als andere Länder im Westen. Wir sollten darauf stolz sein, statt nun zu verzweifeln oder sauer auf die Asiaten zu sein, dass sie sich untereinander enger binden, was ja durchaus sinnvoll ist aus deren Sicht.
China tritt gegenüber Europa, aber auch in Asien, immer selbstbewusster auf. Manche sagen sogar, unverschämter und nationalistischer.
Ja, das ist so. Ich verstehe es nicht, warum ein so großes stabiles Land, Mitglied des UN-Sicherheitsrates, eine Atomwaffen-Nation, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt mit hohem Wachstum, selbst im Kleinen so robust auftreten muss. Dabei ist es ja bereits für jeden offensichtlich, dass sie dominieren. Dennoch kann es sich China nicht verkneifen nun auch bei kleinen Sachen zu zeigen wer Chef im Hause ist.
Woran liegt das?
Das lässt sich vielleicht mit einem Blick in die Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert erklären. Bismarck war sich bewusst, dass ein im Zuge der Industrialisierung und der Urbanisierung stärker werdendes, erfolgreiches Deutschland sich behutsam in die internationale Gemeinschaft einfügen muss. Denn es stellte eine Herausforderung für die damals führenden Briten dar. Unter Wilhelm II wurde dann ähnlich wie bei Xi Jinping der Ton bestimmter und eigenwilliger. Das hat dann den entsprechenden Gegendruck der Nachbarn erzeugt.
Wenn man dieser Analogie folgen mag, dann ist das ja nicht gut ausgegangen für Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gilt das auch für China?
Das sollten wir hier in Peking jedenfalls mal ab und zu erwähnen. Deutschland hatte die Möglichkeit, die Führung zu übernehmen und hat seine Chancen im Übermut verspielt. Das 21. Jahrhundert kann das chinesische Jahrhundert werden, wenn Peking es nicht überzieht. Wenn sie nicht schlafwandeln und glauben, was immer sie auch machen, es wird stets so weitergehen. China wird stärker; der Westen wird schwächer. Auch für China kann der Hochmut vor dem Fall kommen.
Wäre es nicht vorteilhaft für Europa, wenn China noch einmal über seine eigenen Füße stolpert? Das schafft uns Spielraum, unsere Hausaufgaben zu machen.
Das ist eine gefährliche Strategie. Denn unsere wirtschaftliche Prosperität hängt an China. Wenn China keinen Erfolg hat, dann gnade uns Gott. Unser Interesse muss es sein, dass China sich reformiert, gleichzeitig jedoch erfolgreich bleibt und ein verlässlicher Partner in der neuen Weltordnung wird.
Jörg Wuttke ist seit 2019 Präsident der EU-Handelskammer in China – ein Posten, mit dem er von zwei früheren Amtszeiten her bereits bestens vertraut ist. Zuvor war er auch Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Außenhandelskammer in Peking, die er 1999 mit gegründet hat. Wuttke hat 1982 unter anderem in Shanghai und Taipeh Chinesisch und Wirtschaft studiert. 1986 begann er bei ABB China in verschiedenen Funktionen zu arbeiten. 1997 wurde er Vice President and Chief Representative von BASF China – und ist es bis heute. Damit ist Wuttke einer der erfahrensten deutschen China-Manager. Er lebt mit seiner Familie in Peking.
Das Europaparlament wird sich in dieser Woche in einer Resolution zu den Sanktionen aus Peking positionieren. Wahrscheinlich wird in der Entschließung die Zukunft des Investitionsabkommens zwischen der Europäischen Union und China (CAI) an die Aufhebung der Strafmaßnahmen gegen europäische Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und Organisationen gekoppelt. Mehrere EU-Parlamentarier:innen hatten diese Forderung bereits geäußert. Mit der Resolution würde das Europaparlament nun offiziell Stellung beziehen und damit den Druck auf die EU-Kommission erhöhen (China.Table berichtete).
In den Entwürfen für die Resolution der vier größten Fraktionen im EU-Parlament, die China.Table vorliegen, werden die chinesischen Sanktionen einstimmig verurteilt – unterschiedlich stark ausformuliert sind jedoch die jeweiligen Forderungen nach einem Arbeitsstopp am CAI.
Evelyne Gebhardt (SPD), geht fest davon aus, dass die Forderung der Rücknahme der Sanktionen als Voraussetzung für die weitere Arbeit am CAI in der Resolution enthalten sein werde. Sie ist Europa-Abgeordnete und Vize-Vorsitzende der China-Delegation des Europaparlaments. “Vielleicht etwas umformuliert, aber ich glaube schon, dass sich diese Vorbedingung für Gespräche durchsetzen kann“, sagte Gebhardt China.Table. Sie betonte, dass es im Europaparlament nicht darum gehen, sämtliche Gespräche mit China zu stoppen. “Aber es ist ganz klar, dass wir erwarten, dass die Sanktionen abgebaut werden.” Wenn es künftig dann um eine Ratifizierung des CAI gehen sollte, werde zudem erwartet, dass China die ILO-Konventionen umsetze.
Die Fraktionen des Europaparlaments verhandeln noch bis etwa Dienstagabend über einen gemeinsamen Resolutionsentwurf, der dann am Donnerstag zur Abstimmung gestellt werden soll. Die Arbeit im Parlament am CAI liegt derzeit ohnehin auf Eis. Die rechtliche Prüfung, das sogenannte “legal scrubbing”, und die Übersetzung in die EU-Sprachen laufen jedoch noch. ari
Die FDP spricht sich in ihrem Programm für die Bundestagswahl für eine Stärkung der Stellung Taiwans aus. Die Liberalen haben am Sonntagabend auf ihrem Parteitag den Hinweis auf die “Ein-China-Politik” gestrichen. Stattdessen streben sie eine stärkere Einbindung Taiwans in internationale Organisationen an. Es handele sich um “eine deutliche Botschaft an Peking, dass der Bruch des Völkerrechts im Fall Hongkongs nicht ohne Konsequenzen bleibt”, sagte sagte der außenpolitische Sprecher der Partei, Bijan Djir-Sarai, der Nachrichtenagentur Reuters. Die FDP begrüßt das CAI, doch sie kritisiert die Menschenrechtsverletzungen in China. Sowohl den Beziehungen der EU zur Volksrepublik als auch der Taiwanfrage sind je ein eigener Abschnitt gewidmet.
Im Programmentwurf hieß es vor dem Parteitag am Wochenende noch: “Unter Wahrung der Ein-China-Politik befürworten wir die Bemühungen Taiwans um Einbindung in internationale Organisationen – soweit dies unterhalb der Schwelle einer staatlichen Anerkennung erfolgen kann.” Aus Endversion war der Hinweis auf die Ein-China-Politik gestrichen. Seit der diplomatischen Anerkennung der Volksrepublik durch westliche Länder handelt es sich um die Formel, derzufolge es nur einen chinesischen Staat gibt, der sowohl das Festland als auch Taiwan umfasst. “Wir Freie Demokraten unterstützen die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung in Taiwan als gelungenen Gegenentwurf zum autoritären Herrschaftssystem in der Volksrepublik China“, heißt es nun im Wahlprogramm. Eine formale Anerkennung als eigener Staat werde aber weiterhin nicht unterstützt, so Djir-Sarai. fin
Der Mars-Rover Zhurong ist erfolgreich gelandet. Am Samstag erreichte die Kapsel mit dem Forschungsroboter die Oberfläche des Planeten, teilte die China National Space Administration (CNSA) mit. Die chinesische Mars-Mission war sieben Monate lang unterwegs (China.Table berichtete). Schon in den kommenden Tagen könnte Zhurong erste Bilder und Messergebnisse von der Oberfläche übermitteln.
China ist damit die dritte Nation, die ein Objekt auf dem Mars absetzt. Die anderen beiden sind Russland und die USA. Wissenschaftler erwarten von den Messungen zwar nur wenig völlig neue Erkenntnisse von der Marsoberfläche, die über die Experimente der vorhandenen US-Missionen hinausgehen. Doch für die anspruchsvolle Landung auf einem anderen Planeten haben die chinesischen Ingenieure Techniken entwickelt, auf die sie für die nächsten Stufen des Weltraumprogramms aufbauen können. fin
Der chinesische Petrochemiekonzern Sinopec hat ein neues Verfahren zur direkten Umwandlung von Rohöl in Chemikalien entwickelt. Wie das Fachmagazin Process berichtet, ist dieses neue “Crude Oil to Chemicals”, oder kurz COTC-Verfahren ein wichtiger technologischer Durchbruch. Da es verschiedene Zwischenschritte traditioneller Methoden auslassen könne, vereinfache es die Rohölverfeinerung für die Chemie-Industrie deutlich. Mit dem neuen COTC-Verfahren können laut Process wesentlich mehr Ethylen, Propylen und leichte Kohlenwasserstoffe pro Barrel Öl erzeugt werden als in den modernsten Raffinerie-Verbundstandorten der petrochemischen Industrie. Gleichzeitig können Energieverbrauch und Emissionen beträchtlich gesenkt werden. China entwickele sich damit zum globalen Technologieführer beim katalytischen Cracken von Rohöl, so das Magazin.
Aus Rohöl werden chemische Vorprodukte gewonnen, unter anderem zur Herstellung von Kunststoff. Während die Nachfrage nach Treibstoffen durch den Ausbau erneuerbarer Energien und der Elektromobilität weltweit allmählich sinken, wächst der Bedarf an Chemikalien voraussichtlich erst einmal weiter. Daher suchen petrochemische Konzerne weltweit nach alternativen Geschäftsmodellen für ihre Raffinerien – damit sie darin weiterhin Rohöl verarbeiten können. Das Geheimnis des Sinopec-Verfahrens liege unter anderem in der “optimalen Abstimmung von Reaktionstemperatur und katalytischer Aktivität”, zitiert Process die Chemiezeitung Zhongguo Huagong Bao. Sinopec habe schon länger an dem Verfahren geforscht. Die Sinopec-Tochter Yangzhou Petrochemical hat es demnach nun erstmals im industriellen Maßstab getestet. ck
In Taiwan ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen von einem niedrigem Niveau aus schnell angestiegen. Die Regierung versucht nun, ihre bisher sehr gute Pandemie-Bilanz zu retten. Der Inselstaat diente bislang international als Vorbild, wenn es um die Eindämmung von Corona ging. Am Samstag wurden 180 neue Corona-Infektionen in Taiwan gemeldet, während es noch am Freitag lediglich 29 neue Fälle waren. Präsidentin Tsai Ing-wen hob die Alarmstufe für die Hauptstadt Taipei sowie die umliegenden Regionen an. Seit dem Wochenende dürfen sich nicht mehr als fünf Personen in geschlossenen Räumen treffen. Im Freien gilt eine neue Obergrenze von zehn Personen. Während Schulen, Behörden, Büros wie auch die meisten Geschäfte weiterhin offen bleiben, gelten wieder strenge Maskenpflicht sowie Abstandsregeln. Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen wie Bars und Sportzentren mussten im Rahmen der Beschränkungen, die bis zum 28. Mai dauern sollen, im ganzen Land schließen. Die Regierung forderte die Bevölkerung auf, von Hamsterkäufen abzusehen.
Gesundheitsminister Chen Shih-chung kündigte für die Zukunft weitere Maßnahmen an, darunter Fernunterricht für einige Schuljahrgänge und Richtlinien für Krankenhäuser zur Priorisierung symptomatischer Covid-Fälle. Er forderte die Menschen auf, die Hygienemaßnahmen zu verstärken und unnötige Reisen und Treffen zu vermeiden. “Persönliche Verantwortung ist sehr wichtig”, so Chen. Seit Ausbruch der Coronakrise sind in Taiwan bis Sonntag insgesamt nur 1682 Infektionen gezählt worden und 12 Menschen starben im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion. Kritisch wird jedoch gesehen, dass sich Taiwans Einwohner bisher kaum haben impfen lassen. So wurden bis Samstag nur 186.149 der 23 Millionen Einwohner in Taiwan erstgeimpft. niw
In Thüringen, genauer gesagt in Arnstadt bei Erfurt, wird der eine oder andere den Namen Robin Zeng schon einmal gehört haben. Der Unternehmer hat 2011 die Contemporary Amperex Technology gegründet, kurz CATL. Das Unternehmen stellt Batterien für Elektroautos her. Und zwar so viele, dass CATL der größte Produzent der Volksrepublik China ist. Perspektive: Weltmarktführer.
Die Firma entschied sich vor ein paar Jahren dazu, in Arnstadt in einen neuen Produktionsstandort viel Geld zu investieren. Corona ist schuld daran, dass die Fabrik nicht schon längst Akkus am Fließband ausspuckt. Wegen Pandemie bedingter Verzögerungen nimmt der Standort erst im kommenden Jahr die Arbeit auf. Dann gehen die Batterien an Tesla, Daimler, BMW und ein andere Firmen, die massenhaft Elektroautos herstellen. 2000 Jobs sollen es am Ende am Standort Arnstadt werden. In Thüringen hat Robin Zeng deshalb viele neue Freunde.
Vor wenigen Tagen machte der 53-Jährige anderweitig Schlagzeilen. In der vorvergangenen Woche war er mit einem Vermögen von 34,5 Milliarden US-Dollar kurzzeitig zum reichsten Menschen in Hongkong aufgestiegen. Zeng lebt in Hongkong und ist dort auch Staatsbürger. Das war insofern bemerkenswert, als der bisherige Spitzenreiter der Stadt, Li Ka-shing, jahrelang unangefochten die Liste anführte. Es war allerdings nur ein marginaler Vorsprung von 200 Millionen Dollar, der die zwei trennte und am Tag darauf schon wieder eingebüßt war, weil die Gesamtvermögen der beiden Milliardäre auf Basis schwankender Aktienkurse berechnet wurden. Da geht es an einem langweiligen Börsentag mal ein paar Hundert Millionen hoch oder eben herunter. Nicht der Rede wert.
Was also soll’s, könnte man meinen. Der eine steinreiche Unternehmer löst den anderen ab. Doch der Zeitpunkt der Wachablöse ist auch ein Symbol für den Wandel, den Hongkong in den vergangenen zwei Jahrzehnten und besonders in den vergangenen zwei Jahren durchgemacht hat: die Übernahme einer einst freien Stadt durch die autoritären Machthaber aus der Volksrepublik.
Li ist so etwas wie der Prototyp des Hongkonger Tycoons, der in den 1950er-Jahren mit Plastikblumen seine ersten Millionen scheffelte und sich seitdem die Stadt mit seinem Geschäftssinn untertan machte. Im Laufe der Jahrzehnte erfand er sich immer wieder selbst, stieg in Immobilien ein, baute eine Lebensmittelkette auf und investierte in Telekommunikation. Li wird im Juni 93 Jahre alt, ein Relikt aus den Goldenen Zeiten der Stadt, als Bruce Lee mit seiner Kampfkunst Fans ins aller Welt eroberte.
Robin Zeng steht im Startblock, um dauerhaft Lis Nachfolge als Hongkongs Nummer eins anzutreten, zumindest in der Forbes-Echtzeitliste der Superreichen. Robin heißt eigentlich Yuqun mit Vornamen, und anders als Li Ka-shing ist er nicht in Hongkong sozialisiert, sondern auf dem Festland. Er wurde mitten in der Zeit der Kulturrevolution in der südöstlichen Küstenprovinz Fujian geboren, deren Einwohner wegen ihrer geografischen Lage als weltoffen und Menschen mit Gespür fürs Geschäft gelten. Vor sieben Jahren hatte er sich im Rahmen eines Rekrutierungsprogramms der Stadt Hongkong um eine Staatsbürgerschaft der früheren britischen Kolonie beworben. Sie wollte kluge Köpfe und erfolgreiche Unternehmer aus der Volksrepublik locken. Als einer von mehr als 7000 Chinesen erhielt er Hongkonger Papiere.
Zeng ist promovierter Physiker, er hat an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften studiert. Reich gemacht hat ihn jedoch die Zellchemie, das Innenleben von Batterien. Als er nach dem Börsendebüt 2017 ein Jahr später in Shenzhen weiteres Kapital einsammelte, stoppte am ersten Handelstag erst ein Mechanismus den Senkrechtstart der neuen Papiere. Mehr als 44 Prozent Kursgewinn waren nicht zugelassen. Es reichte dennoch für eine Marktkapitalisierung von rund 12,5 Milliarden US-Dollar. Das machte Zeng, der 26 Prozent der CATL-Aktien besitzt, damals schon zum Multimilliardär. Doch das war nur der Anfang einer Erfolgsgeschichte, die durch chinesische Subventionen für Elektromobilität erheblich unterstützt wurde.
Besonders das vergangene Jahr bedeutete für Robin Zeng einen finanziellen Aufstieg in einen erlauchten Kreis von Menschen, deren persönliches Vermögen größer ist als das Bruttoninlandsprodukt von fast 100 Nationalstaaten. Der Boom von E-Autos, vor allem in China, steigerte die Nachfrage nach Batterien so immens, dass sich der Aktienkurs von CATL seit Januar 2020 binnen 16 Monaten verdreifachte.
Für Robin Zeng bedeutet der unfassbare Wohlstand auch Verpflichtung – und zwar gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas, die Loyalität von erfolgreichen Firmengründern verlangt. Wer auf dem chinesischen Markt groß wird, der darf nicht vergessen, wo er herkommt. Der Alibaba-Gründer Jack Ma wurde vor einigen Monaten von der Partei daran erinnert. Li Ka-shing ist ohnehin sehr vorsichtig und zurückhaltend, wenn es darum geht, sich politisch zu äußern – und das, obwohl der Ur-Hongkonger ursprünglich keinen chinesischen Maulkorb trug. Auch hier symbolisiert Zengs Aufstieg eine Zeitenwende: hin zu einem Hongkong, das eng in die Volksrepublik integriert ist. Marcel Grzanna
Martin Wawra, currently Managing Director at Voith Turbo in China and its joint venture partner CRRC, will take over as Head of the Mobility Division on June 1. Wawra, who has been with the Voith Group since 1994 and responsible for setting up production and design in China since 2011, will also become a member of the Board of Voith Turbo. His predecessor Cornelius Weitzmann will succeed Dr. Uwe Knotzer as Chairman of the Management Board of Voith Turbo as of June 1.
Johannes Vogel (FDP), Deputy Chairman of the German-Chinese parliamentary group, has been the freshly elected Deputy Federal Chairman of his party since the party congress on the weekend. In 2014, Vogel spent several months in Beijing for a language study trip.
Was sind die Top 3 der Einhand-Verlegenheitsgesten für Selfies, Gruppenfotos und andere spontane Schnappschüsse? Ganz klar: Victory-Zeichen, Daumen hoch und ein Herz schnippen. Moment mal, ein Herz schnippen? In China kennt diese Fingergymnastik längst jedes Kind. 比心 bǐxīn – wörtlich “ein Herz gestikulieren/nachahmen” – nennt man hier diese Pose, die das fotodurchtränkte Smartphone-Zeitalter im Reich der Mitte in letzter Zeit im Sturm erobert hat. Und so geht’s: Die Kuppen von Daumen und Zeigefinger aufeinanderlegen und dann den Daumen schräg versetzt (wie beim Schnippen) nach außen schieben, sodass eine kleine Herzform entsteht. Stellung halten, Foto, fertig!
比心 bǐxīn ist übrigens längst nicht das einzige “Herzige”, was die chinesische Sprache in ihrem Fundus hat. Denn je nachdem, was man im Putonghua mit dem Herzen so anstellt, ergeben sich herzlich viele neue Bedeutungen. Ein “geöffnetes” Herz (开心 kāixīn) beispielsweise steht für “froh, sich freuen”, ein “kleines” Herz (小心 xiǎoxīn) bedeutet “sich in Acht nehmen, vorsichtig sein”. Wer das Herz “ablegt” (放心 fàngxīn), ist “beruhigt, erleichtert”, wer es “benutzt” (用心 yòngxīn) “sorgfältig, achtsam und konzentriert”, und wer ein “grobes” Herz hat (粗心 cūxīn), gilt als “unachtsam, nachlässig”. Ist das Herz “verletzt” (伤心 shāngxīn) ist man “tieftraurig”, ist es “gut” (良心 liángxīn) hat man “Gewissen” und “Skrupel”, und wem “viele” Herzen in der Brust schlagen (多心 duōxīn), der “macht sich zu viele Gedanken”. Und wie bitte soll man sich all diese Schriftzeichen und ihre Bedeutungen nun einprägen? Na, mit “heißem” und “wildem” Herzen natürlich (热心 rèxīn und 野心 yěxīn), sprich mit ausreichend “Begeisterung” und “Ehrgeiz”.
Verena Menzel 孟维娜 betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.