Table.Briefing: China

Interview Ludger Schuknecht + Habeck in Singapur

  • AIIB-Vize Schuknecht über Verhältnis zu China
  • Werben für andere Wege: Habeck und Scholz in Asien
  • Xi und Biden wollen bei G20 über Taiwan sprechen
  • Quarantäne bei Einreise drastisch verkürzt
  • USA blockiert Solar-Importe
  • Yin Li wird Pekinger KP-Sekretär
  • Im Porträt: Andreas Walther – Künstler zwischen den Welten
  • Zur Sprache über gepäppelte Codes
Liebe Leserin, lieber Leser,

“Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen”, erklärte Wirtschaftsminister Habeck gleich beim Eröffnungspodium der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft am Samstag in Singapur. Was er damit vor allem meinte, war: Um sich von einer zu großen Abhängigkeit von China freizuschwimmen, braucht Deutschland neue Partner – vor allem auch in Asien. Malte Kreuzfeldt ist in Singapur vor Ort, um sich anzusehen, wie offensiv und gleichzeitig wertebasiert die Freihandelsoffensive in der Region tatsächlich geführt werden kann. Sein Fazit: Die Mühlen der Diversifikation mahlen langsam. Ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien bleibt verhandlungstechnisch eine harte Nuss. Länder wie Pakistan oder die Philippinen erfüllen noch lange nicht die europäischen Menschenrechtsstandards. Und: Selbst, wenn Deutschland eines Tages breiter aufgestellt ist, wird China für deutsche Unternehmen enorm wichtig bleiben.

Die Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) im Juni 2016 war die erste Gründung einer neuen globalen Institution im Stil der Weltbank seit dem Zweiten Weltkrieg. Und die erste globale Institution, die von China ausging. Seitdem gilt die stetig expandierende Institution vor allem im Westen als Werkzeug Pekings, um eigene Interessen durchzudrücken und das etablierte globale Finanzsystem um die Weltbank und den IWF zu unterhöhlen. Im Gespräch mit Frank Sieren widerspricht Ludger Schuknecht, Vizechef der AIIB, diesen Ansichten vehement. Die AIIB sei kein Deckmantel Chinas, um etwa Projekte der Neue Seidenstraße mit Schuldenfallen verwirklichen zu können. Sie sei vor allem “eine Klimabank”, die von keiner Partei, keinem Land und keiner Ländergruppe dominiert werde. Wahr sei allerdings, dass sie Schwellenländern in Asien, Afrika und Südamerika die Möglichkeit biete, sich von den USA und Europa zu emanzipieren. “Unsere Kunden haben das Lagerdenken satt”, so Schuknecht, der unter dem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble als Chefökonom tätig war.

Übrigens: Morgen starten unsere Kollegen vom Security.Table unter der Leitung von Marco Seliger mit ihrer ersten Ausgabe. Zur Redaktion gehören auch Thomas Wiegold, Nana Brink und Viktor Funk. Sie berichten nicht nur über die Zeitwende bei der Bundeswehr, sondern analysieren auch Veränderungen der globalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Schließlich wird die Ukraine auf lange Sicht ein Konfliktgebiet sein – zudem verschieben sich die globalen Machtverhältnisse insgesamt: China versus USA, Autokratien versus Demokratien. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die neue Woche!

Ihr
Fabian Peltsch
Bild von Fabian  Peltsch

Interview

“Unsere Mitglieder haben das Lagerdenken satt”

Ludger Schuknecht ist deutscher Vizedirektor der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB).
Ludger Schuknecht ist deutscher Vizepräsident der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB).

Herr Schuknecht, diese Woche findet der G20-Gipfel auf Bali statt. Wie sieht die AIIB als jüngste multinationale Entwicklungsbank den Gipfel? Handelt es sich um eine Quasselbude ohne echten Dialog?

Nein, im Gegenteil: Die G20-Mitglieder müssen nach Sanktionen, Krieg und Covid wieder mehr direkt miteinander sprechen. Anders bekommen wir die globalen Probleme nicht gelöst. Darunter leidet inzwischen die Weltwirtschaft. Und je mehr die Länder und Privatunternehmen mit Krisenmanagement beschäftigt sind, desto weniger Geld und Zeit haben sie für Zukunftsprojekte in der Infrastruktur und dem Klimawandel. Deshalb ist G20 heute wichtiger denn je.

Wie wichtig war die Scholz-Reise nach Peking vorletzte Woche dafür?

Also ich habe diesen Besuch ausgesprochen begrüßt, weil Reden besser ist als Schweigen, nach langer Zeit ohne direkten Kontakt, vor allem vor dem G20-Gipfel. Das hat auch denjenigen in Peking geholfen, die sich dort für mehr Multilateralismus einsetzen. Nun können Deutschland und der Westen und China und Asien auf dem Gipfel schneller vorankommen.  

Gleichzeitig könnten die Interessen derzeit nicht unterschiedlicher sein. Wo stehen Sie? Ist die AIIB die Infrastrukturbank der Chinesen?

Nein. Sie ist die Bank unserer Mitgliedsländer mit einem Schwerpunkt Asien. Wichtig dabei: im Unterschied zu manch anderen internationalen Organisationen dominiert die AIIB keine Partei, kein Land und auch keine Ländergruppe. China hat etwa ein Viertel der Stimmanteile, die westlichen Industrieländer halten ein Viertel. Fast die Hälfte halten die asiatischen Schwellenländer mit ein paar nicht asiatischen Mitgliedern. Das bedeutet, jeder der drei braucht einen anderen, um eine Mehrheit für eine Entscheidung zu bekommen. Weder der Westen noch China können durchregieren. Ein großer Fortschritt.

Aber machen die asiatischen Schwellenländer nicht sowieso, was China will?

Das ist nicht unsere Erfahrung. Im Gegenteil. Die Schwellenländer suchen bei der AIIB internationale Qualitätsstandards. Die sind auch wichtig für die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Finanzpartnern. Und bei uns wird viel Wert auf den Konsens aller Mitglieder gelegt.

Konsens – das klingt nach sehr langwierigen Prozessen?

Im Gegenteil. Wir sind noch klein und damit sehr wendig und agil. Wir haben 460 Mitarbeiter. Die Weltbank hat etwa 16.000. Der Internationale Währungsfonds 2.700. Unsere Shareholder haben keine großen Büros hier und wir haben keine großen Büros in den jeweiligen Ländern.

Dennoch hat China die Bank initiiert. Und es ist ja auch kein Zufall, dass sich der Hauptsitz in Peking befindet.

Der Standort bietet sich an. China ist die zweitgrößte Weltwirtschaft der Welt. Dort sitzt aber keine internationale Institution, während die Weltbank und der IWF in Washington sitzen. Die Bank sitzt so in einer Region, in der es in den kommenden Jahrzehnten den weltweit größten Infrastrukturbedarf gibt. Eine Bank die lean, green and clean ist, also nachhaltig agiert, klein und wendig ist, dabei aber auch prinzipientreu, ist für die Region sehr wichtig.

Die USA und Japan waren nicht begeistert von der Initiative aus Peking.

Die Bank hat eine Marktlücke entdeckt. 105 Mitgliedsländer sprechen für sich. Davon 26 in Europa und 20 in Afrika.

Hat nicht auch eine Rolle gespielt, dass Washington die ADB, den IWF und die Weltbank dominiert und Peking nicht mehr Macht zugestehen wollte?

Auch das spielte eine Rolle. Und am Ende haben sie dadurch einen neuen Wettbewerber geschaffen. Das ist gut für die Kunden. Wir haben mit der AIIB gezeigt, dass im 21. Jahrhundert eine Bank hohe Standards auch dann erfüllen kann, wenn sie nicht von einer Mehrheit der westlichen Länder dominiert wird. Das ist eine wichtige Entwicklung, weil die Industrieländer ihre Dominanz in der Weltwirtschaft verlieren werden.

Wie steht es mit dem Ziel einer “Weltwährung Yuan”?

China hat noch keinen offenen Kapitalverkehr. Das ist einer der großen Nachteile. Auf der anderen Seite halte ich es für währungspolitisch nicht schlecht, wenn es nicht nur eine, sondern mehrere stabile, gut gemanagte Währungen gibt, ohne dass eine dominiert. Dabei spielt der Yuan eine zentrale Rolle. Denn trotz der gegenwärtigen Wirtschaftsschwäche basiert der Yuan grundsätzlich auf makroökonomischer Stabilität.

Die AIIB wurde kurz nach der Verkündigung der Belt-and-Road-Initiative gegründet. Brauchte Peking eine internationale Bank, um unter deren Deckmantel ihre Projekte durchzuziehen?

Wir sind kein Deckmantel, sondern wir setzten auf höchste internationale Standards. Wir sind eher eine Art TÜV für Infrastrukturprojekte.

Wie viele BRI-Projekte hat die AIIB denn schon finanziert?

Meines Wissens keines. Dennoch haben wir einen Einfluss auch in China. Denn es hat sich gezeigt, dass niedrigere Standards bei der Projektumsetzung zu Problemen führen, die wiederum politische Verstimmungen zwischen Peking und den jeweiligen Ländern hervorbringen können. Die möchte Peking vermeiden. Deswegen ist die AIIB auch wichtig für Peking.

Als die Bank 2016 gegründet wurde, waren Sie der Chefökonom von Finanzminister Wolfgang Schäuble und sie haben ihn überzeugt, sich daran zu beteiligen. Hat Deutschland, was den Machtverlust der Industrieländer betrifft, nicht zu früh klein beigegeben?

Nein. Wir haben das ganz nüchtern analysiert. Dabei sind zwei Gründe ausschlaggebend gewesen: Wir haben uns in der G7, dem Club der Industrienationen, auf Standards geeinigt. Dazu gehören zum Beispiel Check and Balance in der Governance der Bank und die Nachhaltigkeit. Diese Maßstäbe haben wir angelegt und haben bei den Verhandlungen festgestellt, die AIIB will diese Standards einhalten. Der zweite Grund lautete einfach: Dabei sein ist besser als nicht dabei zu sein. Es gibt mit der AIIB nun eine Möglichkeit mehr, unsere globalen Interessen durchzusetzen. Wir wussten zwar, dass der Westen nicht die Mehrheit hat. Aber wir wussten auch: Keine andere Gruppe hat die Mehrheit. Dennoch haben wir als viertgrößter Anteilseigner eine Führungsrolle in der Bank. Das ist angemessen als eine der wichtigsten Explorationen der Welt.

Damit sind Sie zu einer anderen Einschätzung gekommen als die USA, die wie Japan bis heute nicht Mitglied ist.

Ich bedauere das. Aber es war innenpolitisch vielleicht zu schwierig zu verkaufen, dass die Weltmacht USA nur Juniorpartner in dieser Bank werden konnte.

Auf welche Produkte konzentriert die Bank sich?

Wir sind eine Klimabank. Wir sind eine Bank, die den Privatsektor mobilisieren will und wir sind eine Bank der Connectivity in doppelter Hinsicht: Wir bauen Infrastruktur, die die Länder Asiens enger vernetzt. Wir haben als Ziel, mindestens 50 Prozent unserer Finanzierung für Klima bis 2025 zu machen. 2021 waren wir bereits bei 48 Prozent. Auch bei der Privatsektorfinanzierung wollen wir bis 2030 bei 50 Prozent sein. Da sind wir im Neugeschäft dieses Jahr bei circa 30 Prozent.

Wie grün sind die asiatischen Finanzmärkte?  

Sie sind auf einem erstaunlich guten Weg. Und wir versuchen, sie dabei zu unterstützen. Zum Beispiel mit unserem AIIB Asia ESG Enhanced Credit Managed Portfolio, einem 500-Millionen-Anleihe-Portfolio, das dabei helfen soll, die nachhaltigen Kapitalmärkte in Asien zu stärken. Oder das Asia Climate Bond Portfolio, das die Märkte für Klima-Anleihen entwickeln will. Es geht dabei darum, mit einem AAA-Rating im Rücken den Schwellenländern möglichst günstig Geld für private, marktbasierte aber klimafreundliche Finanzierung anbieten zu können.

Damit sind Sie sogar ein Wettbewerber Chinas.

Im Gegenteil, wir gehen sogar dazu über, mit chinesischen Banken zusammenzuarbeiten. Wir haben Partnerschaften nicht nur mit der deutschen KfW, sondern zum Beispiel auch mit der chinesischen Eximbank, Chinas wichtigstem internationalen Finanzierer.

Die ist aber sicherlich nicht auf ihr Geld angewiesen.

Stimmt. Aber wenn sie sich mit uns zusammentun und sich an unsere Standards halten, verbessern sie ihre Projekte und ihre Reputation in der Welt. Die AIIB ist gewissermaßen ihr Gütesiegel. In dieser Hinsicht ändert sich China. Die Politik achtet nun mehr auf die Qualität ihres Engagements. Da helfen wir gern. 

Wie sieht die AIIB die Zusammenarbeit mit autokratischen Systemen?

Grundsätzlich haben unsere Mitglieder sehr unterschiedliche politische Systeme. Da wollen wir niemand ausschließen, solange – und das ist wichtig – sich die Mitglieder an unsere Standards und Werte halten. Das bedeutet, wenn ein Land oder ein Kunde mit uns ein Solarprojekt macht, dann darf das selbstverständlich nicht mithilfe von Zwangsarbeitern oder durch andere Menschenrechtsverletzungen passieren, dazu haben sie sich verpflichtet und das wird überprüft. Wir verlangen Transparenz und wenn wir die nicht bekommen, dann machen wir das Projekt nicht. 

Ist schon mal ein Land durchgefallen?

Wir haben unser Geschäft mit unserem Gründungsmitglied Russland kurz nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine auf Eis gelegt. Und auch in Myanmar machen wir derzeit nichts. Nordkorea ist kein Mitglied.  

Sie haben auch in OECD und anderen Institutionen gearbeitet. Ist es der AIIB mit ihren neuen Strukturen gelungen, ein anderes Mindset zu schaffen? Oder ist es am Ende egal, welche globale Bank einen gerade angeheuert hat?

Wir sind aufgrund unserer Struktur gezwungen, uns in die Perspektive des jeweils anderen hineinzuversetzen. Das ist wichtig und eine Stärke auch angesichts der Pandemie, während der sich die jeweiligen Echokammern verstärkt haben. Da hat man weniger mitbekommen, wie andere denken, was deren Interessen sind, ja manchmal sogar, was deren Gefühle sind. Denn wir haben nun mal unterschiedliche Kulturen und Sensibilitäten. Vor allem unsere Mitglieder und Kunden in Asien, Afrika und Südamerika wollen sich nicht mehr entscheiden müssen zwischen den USA, Europa oder China. Sie haben das Lagerdenken satt, sondern sie wollen eine Bank, die unterschiedliche Interessen austariert und zu einer pragmatischen, professionellen Lösung kommt. Dazu gehört auch, dass man sich schon mal gegenseitig den Spiegel vorhält.

Ludger Schuknecht ist seit 2021 Vice President und Corporate Secretary der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), der jüngsten multilateralen Entwicklungsbank mit Klima- und Asienschwerpunkt.
105 Länder weltweit sind Mitglieder. Sie repräsentieren gut 80 Prozent der Weltbevölkerung. Die Bank ist auf die Initiative Chinas entstanden und hat ihren Sitz in Peking. Bekannt wurde Schuknecht als Chefökonom von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Co-Vorsitzender der Infrastruktur-Investment-Gruppe der G20. Zuvor war er in leitender Funktion bei der Europäischen Zentralbank (EZB), hat aber auch beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) gearbeitet.  

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Analyse

Habeck sucht die China-Alternative

Wirtschaftsminister Habeck in Singapur: die Asien-Pazifik-Konferenz
Wirtschaftsminister Habeck bei der Asien-Pazifik-Konferenz in Singapur

Das Timing hätte kaum besser laufen können für Wirtschaftsminister Robert Habeck. Während er am Freitagabend im Regierungsflieger auf dem Weg zur Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur saß, meldeten die Koalitionsfraktionen in Berlin einen Durchbruch in der Handelspolitik: SPD, Grüne und FDP einigten sich zum einen, das lange umstrittene CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada komplett in Kraft zu setzen. Zum anderen sollen jetzt zügig neue Freihandelsabkommen mit Mexiko und Chile auf den Weg gebracht werden. Das sei “ein handelspolitischer Meilenstein”, kommentierte Habeck die Einigung, die auf seine Initiative zurückgeht.

Bei den Freihandelskritikern, die den Grünen traditionell nahestehen, dürfte das nicht auf Begeisterung stoßen. Aber bei der exportorientierten deutschen Wirtschaft, die sich am Sonntag und Montag zur 17. Asien-Pazifik-Konferenz (APK) in Singapur versammelt, konnte der Wirtschaftsminister mit diesem Bekenntnis zum Freihandel punkten. Die Zusagen an CETA und die Ambitionen auf Abkommen mit den lateinamerikanischen Staaten zeigen aber auch: Berlin sucht derzeit intensiv nach Wegen, die weg von China führen.

“Wir haben 30 Jahre lang diese unpolitische Sicht auf China zum Prinzip unserer Handelspolitik gemacht, jetzt gibt es eine extrem politische Sicht auf China”, sagte Habeck in Singapur. “Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen, wir brauchen andere Länder, andere Partner.” In welche Richtung sich das bewegen könnte, zeigte sich deutlich an einer Entscheidung aus Habecks Ministerium in der vergangenen Woche: Kurz vor der APK wurde angekündigt, dass Auslandsinvestitionen künftig nur noch bis zu einer Obergrenze von drei Milliarden Euro pro Unternehmen und Land staatlich abgesichert werden können und die Gebühren dafür steigen, sofern mehr als 20 Prozent der Summe auf ein Land entfallen (China.Table berichtete) – beides macht Investitionen in China schwieriger. Zudem hatte Habecks Ministerium die Beteiligung chinesischer Investoren an zwei deutschen Herstellern von Mikrochips untersagt (China.Table berichtete).

“Unpolitischen Handel gibt es nicht mehr”

In Singapur trat der Vizekanzler nun dem Eindruck entgegen, dass seine Politik auf einen Rückzug der Wirtschaft aus China abziele. “Niemand, der bei Sinn und Verstand ist, redet davon, dass wir die Märkte jetzt komplett isolieren müssen”, sagte Habeck am Rande der Konferenz. Statt um “Decoupling”, also eine völlige Entkopplung der Märkte, gehe es um eine stärkere Diversifizierung. Die sei aber dringend geboten. “Wir haben in bestimmten Sektoren, die sich als kritisch erweisen können, eine große Abhängigkeit von China”, sagte Habeck. Das sei kein Problem, solange die Wirtschaftsbeziehungen stabil seien. Doch das könne jetzt nicht mehr vorausgesetzt werden. “So etwas wie unpolitischen Handel gibt es nicht mehr”, sagte der Wirtschaftsminister auf dem Eröffnungspodium in Singapur.

Bei der Suche nach Alternativen könne die Asien-Pazifik-Konferenz, die nach dreijähriger Corona-Pause erstmals wieder als Live-Event mit rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 20 Staaten stattfindet, eine wichtige Rolle spielen, sagte Habeck. “Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort.” Einen neuen Freihandelsvertrag stellte er der Region trotz der jüngsten Erfolge an anderer Stelle aber nicht in Aussicht. Bis ein Abkommen zwischen der EU und den Asean-Staaten abgeschlossen werden könne, sei es “ein zu langer Weg”, sagte Habeck. Denn dabei hätten auch “Kriterien der Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, hohen Wert”, und diese seien “noch nicht nach europäischen Standards bei all diesen Staaten gewährleistet”.

Unterzeichnet wurde in Singapur darum – neben Kooperationsverträgen einzelner Unternehmen – nur eine Rahmenerklärung zu Nachhaltigkeit und Innovation, in der Singapur und Deutschland einen “regelmäßigen strukturierten Austausch zwischen den beiden Ministerien zu allen außenwirtschaftspolitischen Fragen” vereinbaren. Dabei scheint speziell hier der Handlungsbedarf gar nicht so groß zu sein: Nach Angaben der örtlichen Außenhandelskammer sind in dem Inselstaat mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern bereits über 1.000 deutsche Unternehmen ansässig.

Deutsche Wirtschaft blickt positiv auf Asien-Pazifik-Region

Und das soll nicht das Ende sein: Für die Asean-Region gibt es einer Umfrage der Auslandshandelskammer zufolge unter deutschen Unternehmen positive Wirtschaftsaussichten – positiver als die für die Volksrepublik. Im Asien-Pazifik-Raum rechnet im Durchschnitt rund jedes vierte Unternehmen (22 Prozent) mit einer stärkeren Wirtschaftsentwicklung der Länder, wie aus einer Sonderauswertung des aktuellen AHK World Business Outlook unter mehr als 500 befragten Unternehmen in der Region hervorgeht. In China erwarten demnach lediglich 14 Prozent der dort tätigen Unternehmen eine Konjunkturbelebung des Landes.

Auch die Entwicklung des eigenen Geschäfts sehen die Unternehmen in der Asien-Pazifik-Region mit mehr Hoffnung. Fast die Hälfte der Unternehmen (44 Prozent) rechen in Asien-Pazifik für die kommenden zwölf Monate mit einer positiven Entwicklung, 17 Prozent gehen von schlechteren Geschäften aus. In China blicken der Umfrage zufolge indes nur 28 Prozent der Unternehmen optimistisch ins nächste Jahr, 23 Prozent erwarten schlechtere Geschäfte.

“Wer sich für eine notwendige Diversifizierung nach alternativen Standorten außerhalb Chinas umsieht, findet schon jenseits der Grenzen gute Bedingungen vor. Die Region bleibt also weiterhin attraktiv für deutsche Unternehmen”, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, vor Beginn der APK in Singapur. Ein Name, der im Rahmen der Diversifizierung-Debatte immer wieder fällt, ist Vietnam.

Scholz in Hanoi: Kooperation bei Energie und Klima

Dorthin reiste am Sonntag Bundeskanzler Olaf Scholz. Vietnam ist die erste Station der mehrtägigen Asienreise des Bundeskanzlers, am heutigen Montag wird Scholz ebenfalls an der APK teilnehmen. Dann geht es weiter zum G20-Gipfel auf die indonesische Insel Bali. Bei dem Besuch in Hanoi steht ein Aspekt im Mittelpunkt: Welche Möglichkeiten bietet Vietnam, um die Abhängigkeit Deutschlands von China zu reduzieren.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine “erleben wir eine Zeitenwende”, sagte Scholz in Hanoi laut der Nachrichtenagentur Reuters. “Als Konsequenz müssen wir unsere Absatzmärkte, unsere Lieferketten, unsere Rohstoffquellen und Produktionsstandorte erweitern, damit wir nicht von einzelnen Staaten abhängig sind. Dabei spielt Vietnam eine ganz, ganz entscheidende Rolle.” Deutschland will im Gegenzug Vietnams Weg zur Klimaneutralität unterstützen. Auch eine stärkere Kooperation im Bereich Energie sei mit Ministerpräsident Pham Minh Chinh diskutiert worden.

Vietnam, eine sozialistische Republik mit Einparteiensystem, ist allerdings auch Paradebeispiel dafür, wie schwer eine Neuausrichtung im Indo-Pazifik-Raum werden könnte. Die Beziehungen zum großen Nachbarn China sind eng. Wie die Volksrepublik enthielt sich auch Vietnam in der Vollversammlung der Vereinten Nationen und verurteilte nicht den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Malte Kreutzfeldt/Amelie Richter 

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News

Xi und Biden treffen sich auf Bali

Vor dem heutigen Gipfel-Auftakt der G20 auf der indonesischen Insel Bali kommen US-Präsident Joe Biden und Chinas Präsident Xi Jinping zu ihrem ersten bilateralen Treffen seit Bidens Amtsantritt zusammen. Das Verhältnis der zwei größten Wirtschaftsmächte der Welt ist angespannt. “Ich glaube nicht, dass sich die beiden zusammensetzen werden, um alle Differenzen oder Probleme zu lösen”, erklärte eine hohe Regierungsvertreterin der USA mit Blick auf das Treffen laut Agenturberichten. Es handele sich vielmehr um ein “strategisches, tiefgreifendes und substanzielles Gespräch”, bei dem es darum ginge, “Missverständnisse auszuräumen”. Eine gemeinsame Erklärung sei nicht geplant.

Auf der Agenda des Treffens stehen demnach folgende Themen:

  • Der Ukraine-Krieg und Pekings Position – bislang hat China den russischen Angriff nicht klar verurteilt 
  • Der Handelskrieg und die US-Sanktionen gegenüber chinesischen Hightech-Firmen
  • Chinas Drohungen gegenüber Taiwan und die militärische Expansion Chinas im Südchinesischen Meer
  • Nordkoreas Nuklearwaffenprogramm

Biden und Xi hatten in den vergangenen zwei Jahren fünfmal miteinander gesprochen, allerdings nur in Videokonferenzen. Als Joe Biden noch US-Vizepräsident war, haben sich die beiden jedoch mehrmals getroffen. “Ich kenne ihn gut. Er kennt mich. Ich habe mehr Zeit mit ihm verbracht als mit jedem anderen Führer der Welt”, erklärte Biden vorab zum Treffen. Es habe immer offene Diskussionen und nie Missverständnisse zwischen den beiden gegeben, was entscheidend für die Beziehungen beider Länder sei.

Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian erklärte vorab, Peking hoffe auf eine Verbesserung der angeschlagenen Beziehungen. China suche gegenseitigen Respekt, friedliche Koexistenz und Kooperation, wolle aber entschlossen seine “legitimen Rechte und Interessen” verteidigen. Man müsse mit Differenzen angemessen umgehen und die Beziehungen wieder auf den “rechten Weg bringen”, so Zhao. fpe

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Verkürzte Quarantäne-Zeiten trotz hoher Fallzahlen

Chinas Nationale Gesundheitskommission hat am Samstag die höchste Zahl von Corona-Neuinfektionen seit April gemeldet. Demnach wurden rund 11.950 neue Fälle registriert – nach 10.729 Ansteckungen am Vortag. 1.504 Fälle seien symptomatisch und 10.446 Fälle seien asymptomatische Ansteckungen.

Trotz steigender Fallzahlen hatte China die Quarantäne- und die Einreisevorschriften am Freitag gelockert. Folgende Regeländerungen gab die Gesundheitsschutzbehörde bekannt.

  • Die Isolationszeit für enge Kontaktpersonen wird von sieben auf fünf Tage verkürzt.
  • Das Gleiche gilt für einreisende Passagiere. Sie müssen nur noch fünf Tage in Quarantäne. Danach müssen sie aber weiterhin ihre drei Tage in Heimisolation absitzen.
  • Die Nachverfolgung von Kontakten der Kontakte wird eingestellt. Der Kreis von Sekundärkontakten war immer sehr groß, was zu erheblichem Ärger geführt hat.
  • Den Airlines droht keine Strafe mehr, wenn sie infizierte Passagiere ins Land gebracht haben.
  • Die Impfkampagne soll mehr Nachdruck erhalten.

Die Neuregelung kommt nach einer Politbürositzung unter Vorsitz von Xi Jinping. Sie scheint von ganz oben abgesegnet zu sein. Das dürfte auch nötig sein, denn sie erfolgt gegen den Trend. In Peking und Zhengzhou registrieren die Behörden Rekordzahlen von Neuinfektionen. fin

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US-Zoll blockiert Solar-Lieferungen

In US-amerikanischen Häfen hängen hunderte Solarenergiekomponenten fest. Laut Aussagen von Zollbeamten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters hat der US-Zoll zwischen dem 21. Juni und dem 25. Oktober 1.053 Lieferungen beschlagnahmt. Freigaben seien bislang nicht erteilt worden.

Grund der Blockade ist der im Juni in Kraft getretene Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA). Das US-Gesetz sieht vor, dass Importeure nachweisen müssen, dass Waren oder Bestandteile von Produkten aus der Region Xinjiang nicht in Zwangsarbeit hergestellt wurden (China.Table berichtete).

Dem Reuters-Bericht zufolge handelt es sich bei den Produkten unter anderem um Paneele und Polysiliziumzellen, die im Wesentlichen von drei chinesischen Firmen hergestellt würden: Longi Green Energy Technology, Trina Solar und JinkoSolar. Jinko erklärte in einer E-Mail, das Unternehmen arbeite mit der US-Zollbehörde daran, zu dokumentieren, dass seine Lieferungen nicht mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen. Die Firma zeige sich “zuversichtlich, dass die Lieferungen zugelassen werden”.

Der US-Zoll wollte sich laut Reuters nicht dazu äußern, wie lange die Lieferungen bereits festgehalten und wann und ob sie freigegeben würden. “Letztendlich hängt es davon ab, wie schnell ein Importeur in der Lage ist, ausreichende Unterlagen vorzulegen”, so eine Sprecherin.

Die Lieferprobleme bringen auch die Klimapolitik von US-Präsident Joe Biden ins Stocken. Er hat sich vorgenommen, in den USA möglichst schnell den Ausbau von umweltfreundlichen Energiequellen voranzutreiben. rtr

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Gesundheitsexperte wird oberster Parteisekretär von Peking

Wie Chinas Staatsmedien am Sonntag berichteten, ersetzt Yin Li den neu in den Ständigen Ausschuss berufenen Cai Qi als obersten Sekretär der Stadtverwaltung von Peking. Der 60-Jährige ist eines der 24 Mitglieder des Politbüros. Zuvor war er Parteisekretär der Provinz Fujian. Sein dortiger Nachfolger wird der 57-jährige Geophysiker Zhou Zuyi.

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas beschlossen, dass Yins Vorgänger Cai Qi nicht gleichzeitig Sekretär, ständiges Ausschussmitglied und Mitglied des Stadtkomitees der KPCh in Peking sein dürfe. Cai Qi rückte beim 20. Parteikongress überraschend in den Ständigen Ausschuss des Politbüros auf, die eigentliche Machtzentrale der KP (China.Table berichtete).

Yin gilt als Experte auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Er hat in Russland und den Vereinigten Staaten entsprechende Studiengänge absolviert. Seine Ernennung könnte ein Signal sein, dass die Parteispitze in der Hauptstadt auf einen technokratischen, wissenschaftlich basierten Führungsstil setzen möchte, um die Pandemie einzudämmen. fpe

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Presseschau

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Heads

Andreas Walther – Künstler zwischen den Kulturen

Andreas Walther sucht den interkulturellen und spirituellen Austausch zwischen Deutschland und Taiwan.

“Das Spannende an der Gesellschaft Taiwans ist, dass viele vormoderne kulturelle Inhalte und Werte erhalten geblieben sind und bis heute gelebt werden”, sagt der freischaffende Künstler Andreas Walther begeistert. Während seines Studiums an der Hochschule für Künste in Bremen knüpfte er Kontakte zu Studierenden aus Taipeh, reiste Ende der 90er-Jahre zum ersten Mal selbst nach Taiwan. “In den darauffolgenden Jahren wuchs der Wunsch, die verschiedenen Lebensweisen meiner Heimat und Fernost möglichst sinnvoll aufeinander zu beziehen.” Walther reiste immer wieder dorthin, seine künstlerischen Arbeiten sind ein Ausdruck des interkulturellen Dialogs. Seine stillen Naturfotografien erinnern mit ihren nebligen Leerstellen an chinesische Tuschemalereien.

Aber auch in den Bereichen Video, Grafik und Installation spürt Walther dem nach, was sich zwischen den Welten nicht in konkrete Worte fassen lässt, das die Kunst aber einfangen kann. “Manchmal reicht schon eine Reise ins europäische Ausland, um zu erfahren, wie sehr sich die persönliche Konstitution verändert, wenn man sich außerhalb des Vertrauten bewegt.” Diese Erfahrung der Unverbundenheit, in der sich ein Mensch im Fremden neu vernetzen kann, hält Walther für elementar. “Man kann sich vorstellen, wie tiefgreifend dieses Erleben ist, sobald man sich in einer Kultur befindet, die grundlegend mit dem Vertrauten bricht.”

Bis heute ist er ein engagierter Förderer des interkulturellen Austauschs zwischen Taiwan und Deutschland, entwickelte entsprechende kuratorische Projekte und lädt jedes Jahr taiwanische Künstlerinnen und Künstler ein, ihre Arbeiten in seiner Heimatstadt Gießen vorzustellen. Auch umgekehrt zeigt er deutsche Künstler in Taiwan. “Jede Kultur hält ihre ganz eigenen Erkenntnisse und Werte bereit, von denen in anderen Kulturen bisweilen nicht einmal eine Ahnung existiert”, sagt Walther.

In die Natur vertrauen – auch in die eigene

“Was ich persönlich in Taiwan gefunden habe, ist der Naturbegriff des Daoismus.” Der Mensch als körperliches Wesen gilt im Daoismus als Teil der Natur, die zentrale daoistische Idee geht von einem natürlichen Weg der Dinge und Wesen aus, einem Von-sich-aus-so-sein. “Für mich bedeutet das, in die Natur zu vertrauen, auch in die eigene”, sagt Walther. “An dieser Erkenntnis kann sich das Ich beruhigen, das in unserer leistungsorientierten Welt permanent aufs Neue aufgerieben wird.” Seine Werke und kuratorischen Projekte versuchen, den daoistischen Naturbegriff nach Europa zu vermitteln und die Vorrangstellung von Geist über Körper zu hinterfragen, die sich in der Moderne etabliert hat.

Polare Konstellationen wie zwischen Körper und Geist oder dem Benannten und Unbenannten sind wiederkehrende Themen in Walthers Arbeit. Auch seine konkrete Lebenswirklichkeit erzählt von diesen Gegensätzen. Er lebt zwischen Deutschland und Taiwan, ist jeweils drei bis sechs Monate im einen Land, bevor er zurück ins andere reist.

“Die größte Bereicherung ergibt sich für mich aus dem fortwährenden Wechsel zwischen den Kulturen”, sagt Walther. Dabei ist die Dauer seiner Aufenthalte bewusst gewählt: Nie taucht er so tief in die Kultur ein, dass ihre Besonderheiten für ihn alltäglich, fast unmerklich werden. “Aus der Erfahrung des steten Wechsels meiner Lebenswirklichkeiten lässt sich vieles über das ‘als Mensch in der Welt sein’ erfahren.” Svenja Napp

Personalien

René Scheerat ist Executive Assistant bei Audi China. Für die Stelle wechselt der Strategieplaner und Team Coordinator von Ingolstadt nach Peking, wo er Jürgen Unser, den Präsidenten von Audi China unterstützt.

Cordula Blochinger hat bei Steinkellner China Search die Rolle des Head of Active Talent Sourcing übernommen. Steinkellner China ist ein weltweit aktiver Headhunter mit Fokus auf den chinesischen Markt. Blochinger soll für das österreichische Unternehmen vor allem Führungskräfte in den Bereichen Automotive, Technologie, Pharma/LifeScience und Medizintechnik rekrutieren.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Zur Sprache

Codes päppeln

养码 Yǎngmǎ – Codes päppeln

Haben Sie eine fürsorgliche Ader? Oder gar ein Helfersyndrom? Dann können Sie sich in China mal richtig austoben (zumindest sprachlich). Denn im Reich der Mitte wird gepäppelt, was das Zeug hält. Verantwortlich für diesen Schmusekurs ist das Verb 养 yǎng – ein erstaunlicher Allrounder unter den Kümmerverben. Das semantische Herzstück dieses Wortchamäleons pocht im Takt deutscher Tuwörter wie “aufziehen” und “großziehen” (z.B. Kinder – 养孩子yǎng háizi). Es wird aber auch im Sinne von “halten, umsorgen, züchten” (z.B. Hund und Katz – 养狗 yǎng gǒu und 养猫 yǎng māo – oder auch Pflanze养花 yǎng huā) verstanden. Doch chinesische Päppelprofis machen hier längst noch nicht halt.

So lassen sich auf Chinesisch auch Autos und Straßen “päppeln” (养车 yǎng chē und 养路 yǎng lù) – wir würden hier wohl nüchtern von “warten” oder “instand halten” sprechen. Und wer gutes Essen liebt, der päppelt in China sogar seine Pfanne (养锅 yǎng guō) – kein Witz. Den “Haltern” von gusseisernen Woktöpfen raten chinesische Küchenprofis für das optimale Kocherlebnis zu fürsorglicher Pfannenpflege – mit speziellen Einfettungsritualen.

Auch finanziell kann auf Chinesisch gepäppelt werden – zum Beispiel wenn man sich eine Familie (unter)hält (养家 yǎngjiā) oder einen shoppingverrückten Partner (养女友 yǎng nǚyǒu oder 养男友 yǎng nányǒu “seine Freundin/seinen Freund finanziell aushalten/durchfüttern”), wenn nicht sogar eine Geliebte (养小三 yǎng xiǎosān). Der Staat päppelt derweil die Armee (养兵 yǎngbīng “eine Armee unterhalten”).

Am schönsten ist es aber wohl, sich selbst zu päppeln. Gesundheitspflege heißt auf Chinesisch “Lebenspäppelung” (养生 yǎngshēng) – und dazu zählen Wellness-Vokabeln wie Magen(darm)päppelung (养胃yǎngwèi), Augeninstandhaltung (养眼 yǎngyǎn) oder Gesichtsfürsorge (养颜 yǎngyán). Und wer sein tiefstes Inneres hegen und pflegen möchte, der päppelt am besten prophylaktisch seinen Geist (养神 yǎngshén “sich geistig erholen, innerlich abschalten”), und zwar bitte bevor der Burnout einsetzt. Sonst heißt es nämlich Krankheiten und Wunden “päppeln”, pardon: auskurieren (养病 yǎngbìng und 养伤 yǎngshāng).

Und als wäre das nicht schon genug, hat sich neuerdings auch noch ein (eher unbeliebtes) Datentierchen in den chinesischen Alltag gesellt, das auch gepäppelt werden will und täglich nach fachgerechter Pflege kreischt – der Gesundheitscode der Corona-App nämlich, auf Chinesisch 健康码 jiànkāngmǎ. Damit in der Applikation nicht plötzlich das gefürchtete Fensterchen aufpoppt (弹窗 tánchuāng), das die Bewegungsfreiheit einschränkt oder zum Coronatest abkommandiert, muss man den grünen Code in Tamagotchi-Manier hegen und pflegen (Sie erinnern sich: Tamagotchi – das waren diese eiförmigen japanischen Mini-Elektrospielzeuge, die Ende der Neunziger der letzte Schrei waren). Zur artgerechten Code-Pflege eignen sich zum Beispiel gezielte Aufenthalte in Gebieten mit geringem Covid-Risiko, eine generell code-freundliche Reisehistorie oder als letzte Option stoisches Stubenhockertum. 养码 yǎngmǎ – “den Gesundheitscode päppeln” heißt solches Vorgehen neuerdings im chinesischen Webjargon – eine weitere (ironische) Sprachblüte im Zeichen von Corona.

Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • AIIB-Vize Schuknecht über Verhältnis zu China
    • Werben für andere Wege: Habeck und Scholz in Asien
    • Xi und Biden wollen bei G20 über Taiwan sprechen
    • Quarantäne bei Einreise drastisch verkürzt
    • USA blockiert Solar-Importe
    • Yin Li wird Pekinger KP-Sekretär
    • Im Porträt: Andreas Walther – Künstler zwischen den Welten
    • Zur Sprache über gepäppelte Codes
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    “Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen”, erklärte Wirtschaftsminister Habeck gleich beim Eröffnungspodium der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft am Samstag in Singapur. Was er damit vor allem meinte, war: Um sich von einer zu großen Abhängigkeit von China freizuschwimmen, braucht Deutschland neue Partner – vor allem auch in Asien. Malte Kreuzfeldt ist in Singapur vor Ort, um sich anzusehen, wie offensiv und gleichzeitig wertebasiert die Freihandelsoffensive in der Region tatsächlich geführt werden kann. Sein Fazit: Die Mühlen der Diversifikation mahlen langsam. Ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien bleibt verhandlungstechnisch eine harte Nuss. Länder wie Pakistan oder die Philippinen erfüllen noch lange nicht die europäischen Menschenrechtsstandards. Und: Selbst, wenn Deutschland eines Tages breiter aufgestellt ist, wird China für deutsche Unternehmen enorm wichtig bleiben.

    Die Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) im Juni 2016 war die erste Gründung einer neuen globalen Institution im Stil der Weltbank seit dem Zweiten Weltkrieg. Und die erste globale Institution, die von China ausging. Seitdem gilt die stetig expandierende Institution vor allem im Westen als Werkzeug Pekings, um eigene Interessen durchzudrücken und das etablierte globale Finanzsystem um die Weltbank und den IWF zu unterhöhlen. Im Gespräch mit Frank Sieren widerspricht Ludger Schuknecht, Vizechef der AIIB, diesen Ansichten vehement. Die AIIB sei kein Deckmantel Chinas, um etwa Projekte der Neue Seidenstraße mit Schuldenfallen verwirklichen zu können. Sie sei vor allem “eine Klimabank”, die von keiner Partei, keinem Land und keiner Ländergruppe dominiert werde. Wahr sei allerdings, dass sie Schwellenländern in Asien, Afrika und Südamerika die Möglichkeit biete, sich von den USA und Europa zu emanzipieren. “Unsere Kunden haben das Lagerdenken satt”, so Schuknecht, der unter dem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble als Chefökonom tätig war.

    Übrigens: Morgen starten unsere Kollegen vom Security.Table unter der Leitung von Marco Seliger mit ihrer ersten Ausgabe. Zur Redaktion gehören auch Thomas Wiegold, Nana Brink und Viktor Funk. Sie berichten nicht nur über die Zeitwende bei der Bundeswehr, sondern analysieren auch Veränderungen der globalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Schließlich wird die Ukraine auf lange Sicht ein Konfliktgebiet sein – zudem verschieben sich die globalen Machtverhältnisse insgesamt: China versus USA, Autokratien versus Demokratien. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.

    Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die neue Woche!

    Ihr
    Fabian Peltsch
    Bild von Fabian  Peltsch

    Interview

    “Unsere Mitglieder haben das Lagerdenken satt”

    Ludger Schuknecht ist deutscher Vizedirektor der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB).
    Ludger Schuknecht ist deutscher Vizepräsident der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB).

    Herr Schuknecht, diese Woche findet der G20-Gipfel auf Bali statt. Wie sieht die AIIB als jüngste multinationale Entwicklungsbank den Gipfel? Handelt es sich um eine Quasselbude ohne echten Dialog?

    Nein, im Gegenteil: Die G20-Mitglieder müssen nach Sanktionen, Krieg und Covid wieder mehr direkt miteinander sprechen. Anders bekommen wir die globalen Probleme nicht gelöst. Darunter leidet inzwischen die Weltwirtschaft. Und je mehr die Länder und Privatunternehmen mit Krisenmanagement beschäftigt sind, desto weniger Geld und Zeit haben sie für Zukunftsprojekte in der Infrastruktur und dem Klimawandel. Deshalb ist G20 heute wichtiger denn je.

    Wie wichtig war die Scholz-Reise nach Peking vorletzte Woche dafür?

    Also ich habe diesen Besuch ausgesprochen begrüßt, weil Reden besser ist als Schweigen, nach langer Zeit ohne direkten Kontakt, vor allem vor dem G20-Gipfel. Das hat auch denjenigen in Peking geholfen, die sich dort für mehr Multilateralismus einsetzen. Nun können Deutschland und der Westen und China und Asien auf dem Gipfel schneller vorankommen.  

    Gleichzeitig könnten die Interessen derzeit nicht unterschiedlicher sein. Wo stehen Sie? Ist die AIIB die Infrastrukturbank der Chinesen?

    Nein. Sie ist die Bank unserer Mitgliedsländer mit einem Schwerpunkt Asien. Wichtig dabei: im Unterschied zu manch anderen internationalen Organisationen dominiert die AIIB keine Partei, kein Land und auch keine Ländergruppe. China hat etwa ein Viertel der Stimmanteile, die westlichen Industrieländer halten ein Viertel. Fast die Hälfte halten die asiatischen Schwellenländer mit ein paar nicht asiatischen Mitgliedern. Das bedeutet, jeder der drei braucht einen anderen, um eine Mehrheit für eine Entscheidung zu bekommen. Weder der Westen noch China können durchregieren. Ein großer Fortschritt.

    Aber machen die asiatischen Schwellenländer nicht sowieso, was China will?

    Das ist nicht unsere Erfahrung. Im Gegenteil. Die Schwellenländer suchen bei der AIIB internationale Qualitätsstandards. Die sind auch wichtig für die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Finanzpartnern. Und bei uns wird viel Wert auf den Konsens aller Mitglieder gelegt.

    Konsens – das klingt nach sehr langwierigen Prozessen?

    Im Gegenteil. Wir sind noch klein und damit sehr wendig und agil. Wir haben 460 Mitarbeiter. Die Weltbank hat etwa 16.000. Der Internationale Währungsfonds 2.700. Unsere Shareholder haben keine großen Büros hier und wir haben keine großen Büros in den jeweiligen Ländern.

    Dennoch hat China die Bank initiiert. Und es ist ja auch kein Zufall, dass sich der Hauptsitz in Peking befindet.

    Der Standort bietet sich an. China ist die zweitgrößte Weltwirtschaft der Welt. Dort sitzt aber keine internationale Institution, während die Weltbank und der IWF in Washington sitzen. Die Bank sitzt so in einer Region, in der es in den kommenden Jahrzehnten den weltweit größten Infrastrukturbedarf gibt. Eine Bank die lean, green and clean ist, also nachhaltig agiert, klein und wendig ist, dabei aber auch prinzipientreu, ist für die Region sehr wichtig.

    Die USA und Japan waren nicht begeistert von der Initiative aus Peking.

    Die Bank hat eine Marktlücke entdeckt. 105 Mitgliedsländer sprechen für sich. Davon 26 in Europa und 20 in Afrika.

    Hat nicht auch eine Rolle gespielt, dass Washington die ADB, den IWF und die Weltbank dominiert und Peking nicht mehr Macht zugestehen wollte?

    Auch das spielte eine Rolle. Und am Ende haben sie dadurch einen neuen Wettbewerber geschaffen. Das ist gut für die Kunden. Wir haben mit der AIIB gezeigt, dass im 21. Jahrhundert eine Bank hohe Standards auch dann erfüllen kann, wenn sie nicht von einer Mehrheit der westlichen Länder dominiert wird. Das ist eine wichtige Entwicklung, weil die Industrieländer ihre Dominanz in der Weltwirtschaft verlieren werden.

    Wie steht es mit dem Ziel einer “Weltwährung Yuan”?

    China hat noch keinen offenen Kapitalverkehr. Das ist einer der großen Nachteile. Auf der anderen Seite halte ich es für währungspolitisch nicht schlecht, wenn es nicht nur eine, sondern mehrere stabile, gut gemanagte Währungen gibt, ohne dass eine dominiert. Dabei spielt der Yuan eine zentrale Rolle. Denn trotz der gegenwärtigen Wirtschaftsschwäche basiert der Yuan grundsätzlich auf makroökonomischer Stabilität.

    Die AIIB wurde kurz nach der Verkündigung der Belt-and-Road-Initiative gegründet. Brauchte Peking eine internationale Bank, um unter deren Deckmantel ihre Projekte durchzuziehen?

    Wir sind kein Deckmantel, sondern wir setzten auf höchste internationale Standards. Wir sind eher eine Art TÜV für Infrastrukturprojekte.

    Wie viele BRI-Projekte hat die AIIB denn schon finanziert?

    Meines Wissens keines. Dennoch haben wir einen Einfluss auch in China. Denn es hat sich gezeigt, dass niedrigere Standards bei der Projektumsetzung zu Problemen führen, die wiederum politische Verstimmungen zwischen Peking und den jeweiligen Ländern hervorbringen können. Die möchte Peking vermeiden. Deswegen ist die AIIB auch wichtig für Peking.

    Als die Bank 2016 gegründet wurde, waren Sie der Chefökonom von Finanzminister Wolfgang Schäuble und sie haben ihn überzeugt, sich daran zu beteiligen. Hat Deutschland, was den Machtverlust der Industrieländer betrifft, nicht zu früh klein beigegeben?

    Nein. Wir haben das ganz nüchtern analysiert. Dabei sind zwei Gründe ausschlaggebend gewesen: Wir haben uns in der G7, dem Club der Industrienationen, auf Standards geeinigt. Dazu gehören zum Beispiel Check and Balance in der Governance der Bank und die Nachhaltigkeit. Diese Maßstäbe haben wir angelegt und haben bei den Verhandlungen festgestellt, die AIIB will diese Standards einhalten. Der zweite Grund lautete einfach: Dabei sein ist besser als nicht dabei zu sein. Es gibt mit der AIIB nun eine Möglichkeit mehr, unsere globalen Interessen durchzusetzen. Wir wussten zwar, dass der Westen nicht die Mehrheit hat. Aber wir wussten auch: Keine andere Gruppe hat die Mehrheit. Dennoch haben wir als viertgrößter Anteilseigner eine Führungsrolle in der Bank. Das ist angemessen als eine der wichtigsten Explorationen der Welt.

    Damit sind Sie zu einer anderen Einschätzung gekommen als die USA, die wie Japan bis heute nicht Mitglied ist.

    Ich bedauere das. Aber es war innenpolitisch vielleicht zu schwierig zu verkaufen, dass die Weltmacht USA nur Juniorpartner in dieser Bank werden konnte.

    Auf welche Produkte konzentriert die Bank sich?

    Wir sind eine Klimabank. Wir sind eine Bank, die den Privatsektor mobilisieren will und wir sind eine Bank der Connectivity in doppelter Hinsicht: Wir bauen Infrastruktur, die die Länder Asiens enger vernetzt. Wir haben als Ziel, mindestens 50 Prozent unserer Finanzierung für Klima bis 2025 zu machen. 2021 waren wir bereits bei 48 Prozent. Auch bei der Privatsektorfinanzierung wollen wir bis 2030 bei 50 Prozent sein. Da sind wir im Neugeschäft dieses Jahr bei circa 30 Prozent.

    Wie grün sind die asiatischen Finanzmärkte?  

    Sie sind auf einem erstaunlich guten Weg. Und wir versuchen, sie dabei zu unterstützen. Zum Beispiel mit unserem AIIB Asia ESG Enhanced Credit Managed Portfolio, einem 500-Millionen-Anleihe-Portfolio, das dabei helfen soll, die nachhaltigen Kapitalmärkte in Asien zu stärken. Oder das Asia Climate Bond Portfolio, das die Märkte für Klima-Anleihen entwickeln will. Es geht dabei darum, mit einem AAA-Rating im Rücken den Schwellenländern möglichst günstig Geld für private, marktbasierte aber klimafreundliche Finanzierung anbieten zu können.

    Damit sind Sie sogar ein Wettbewerber Chinas.

    Im Gegenteil, wir gehen sogar dazu über, mit chinesischen Banken zusammenzuarbeiten. Wir haben Partnerschaften nicht nur mit der deutschen KfW, sondern zum Beispiel auch mit der chinesischen Eximbank, Chinas wichtigstem internationalen Finanzierer.

    Die ist aber sicherlich nicht auf ihr Geld angewiesen.

    Stimmt. Aber wenn sie sich mit uns zusammentun und sich an unsere Standards halten, verbessern sie ihre Projekte und ihre Reputation in der Welt. Die AIIB ist gewissermaßen ihr Gütesiegel. In dieser Hinsicht ändert sich China. Die Politik achtet nun mehr auf die Qualität ihres Engagements. Da helfen wir gern. 

    Wie sieht die AIIB die Zusammenarbeit mit autokratischen Systemen?

    Grundsätzlich haben unsere Mitglieder sehr unterschiedliche politische Systeme. Da wollen wir niemand ausschließen, solange – und das ist wichtig – sich die Mitglieder an unsere Standards und Werte halten. Das bedeutet, wenn ein Land oder ein Kunde mit uns ein Solarprojekt macht, dann darf das selbstverständlich nicht mithilfe von Zwangsarbeitern oder durch andere Menschenrechtsverletzungen passieren, dazu haben sie sich verpflichtet und das wird überprüft. Wir verlangen Transparenz und wenn wir die nicht bekommen, dann machen wir das Projekt nicht. 

    Ist schon mal ein Land durchgefallen?

    Wir haben unser Geschäft mit unserem Gründungsmitglied Russland kurz nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine auf Eis gelegt. Und auch in Myanmar machen wir derzeit nichts. Nordkorea ist kein Mitglied.  

    Sie haben auch in OECD und anderen Institutionen gearbeitet. Ist es der AIIB mit ihren neuen Strukturen gelungen, ein anderes Mindset zu schaffen? Oder ist es am Ende egal, welche globale Bank einen gerade angeheuert hat?

    Wir sind aufgrund unserer Struktur gezwungen, uns in die Perspektive des jeweils anderen hineinzuversetzen. Das ist wichtig und eine Stärke auch angesichts der Pandemie, während der sich die jeweiligen Echokammern verstärkt haben. Da hat man weniger mitbekommen, wie andere denken, was deren Interessen sind, ja manchmal sogar, was deren Gefühle sind. Denn wir haben nun mal unterschiedliche Kulturen und Sensibilitäten. Vor allem unsere Mitglieder und Kunden in Asien, Afrika und Südamerika wollen sich nicht mehr entscheiden müssen zwischen den USA, Europa oder China. Sie haben das Lagerdenken satt, sondern sie wollen eine Bank, die unterschiedliche Interessen austariert und zu einer pragmatischen, professionellen Lösung kommt. Dazu gehört auch, dass man sich schon mal gegenseitig den Spiegel vorhält.

    Ludger Schuknecht ist seit 2021 Vice President und Corporate Secretary der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), der jüngsten multilateralen Entwicklungsbank mit Klima- und Asienschwerpunkt.
    105 Länder weltweit sind Mitglieder. Sie repräsentieren gut 80 Prozent der Weltbevölkerung. Die Bank ist auf die Initiative Chinas entstanden und hat ihren Sitz in Peking. Bekannt wurde Schuknecht als Chefökonom von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Co-Vorsitzender der Infrastruktur-Investment-Gruppe der G20. Zuvor war er in leitender Funktion bei der Europäischen Zentralbank (EZB), hat aber auch beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) gearbeitet.  

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    Analyse

    Habeck sucht die China-Alternative

    Wirtschaftsminister Habeck in Singapur: die Asien-Pazifik-Konferenz
    Wirtschaftsminister Habeck bei der Asien-Pazifik-Konferenz in Singapur

    Das Timing hätte kaum besser laufen können für Wirtschaftsminister Robert Habeck. Während er am Freitagabend im Regierungsflieger auf dem Weg zur Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur saß, meldeten die Koalitionsfraktionen in Berlin einen Durchbruch in der Handelspolitik: SPD, Grüne und FDP einigten sich zum einen, das lange umstrittene CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada komplett in Kraft zu setzen. Zum anderen sollen jetzt zügig neue Freihandelsabkommen mit Mexiko und Chile auf den Weg gebracht werden. Das sei “ein handelspolitischer Meilenstein”, kommentierte Habeck die Einigung, die auf seine Initiative zurückgeht.

    Bei den Freihandelskritikern, die den Grünen traditionell nahestehen, dürfte das nicht auf Begeisterung stoßen. Aber bei der exportorientierten deutschen Wirtschaft, die sich am Sonntag und Montag zur 17. Asien-Pazifik-Konferenz (APK) in Singapur versammelt, konnte der Wirtschaftsminister mit diesem Bekenntnis zum Freihandel punkten. Die Zusagen an CETA und die Ambitionen auf Abkommen mit den lateinamerikanischen Staaten zeigen aber auch: Berlin sucht derzeit intensiv nach Wegen, die weg von China führen.

    “Wir haben 30 Jahre lang diese unpolitische Sicht auf China zum Prinzip unserer Handelspolitik gemacht, jetzt gibt es eine extrem politische Sicht auf China”, sagte Habeck in Singapur. “Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen, wir brauchen andere Länder, andere Partner.” In welche Richtung sich das bewegen könnte, zeigte sich deutlich an einer Entscheidung aus Habecks Ministerium in der vergangenen Woche: Kurz vor der APK wurde angekündigt, dass Auslandsinvestitionen künftig nur noch bis zu einer Obergrenze von drei Milliarden Euro pro Unternehmen und Land staatlich abgesichert werden können und die Gebühren dafür steigen, sofern mehr als 20 Prozent der Summe auf ein Land entfallen (China.Table berichtete) – beides macht Investitionen in China schwieriger. Zudem hatte Habecks Ministerium die Beteiligung chinesischer Investoren an zwei deutschen Herstellern von Mikrochips untersagt (China.Table berichtete).

    “Unpolitischen Handel gibt es nicht mehr”

    In Singapur trat der Vizekanzler nun dem Eindruck entgegen, dass seine Politik auf einen Rückzug der Wirtschaft aus China abziele. “Niemand, der bei Sinn und Verstand ist, redet davon, dass wir die Märkte jetzt komplett isolieren müssen”, sagte Habeck am Rande der Konferenz. Statt um “Decoupling”, also eine völlige Entkopplung der Märkte, gehe es um eine stärkere Diversifizierung. Die sei aber dringend geboten. “Wir haben in bestimmten Sektoren, die sich als kritisch erweisen können, eine große Abhängigkeit von China”, sagte Habeck. Das sei kein Problem, solange die Wirtschaftsbeziehungen stabil seien. Doch das könne jetzt nicht mehr vorausgesetzt werden. “So etwas wie unpolitischen Handel gibt es nicht mehr”, sagte der Wirtschaftsminister auf dem Eröffnungspodium in Singapur.

    Bei der Suche nach Alternativen könne die Asien-Pazifik-Konferenz, die nach dreijähriger Corona-Pause erstmals wieder als Live-Event mit rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 20 Staaten stattfindet, eine wichtige Rolle spielen, sagte Habeck. “Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort.” Einen neuen Freihandelsvertrag stellte er der Region trotz der jüngsten Erfolge an anderer Stelle aber nicht in Aussicht. Bis ein Abkommen zwischen der EU und den Asean-Staaten abgeschlossen werden könne, sei es “ein zu langer Weg”, sagte Habeck. Denn dabei hätten auch “Kriterien der Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, hohen Wert”, und diese seien “noch nicht nach europäischen Standards bei all diesen Staaten gewährleistet”.

    Unterzeichnet wurde in Singapur darum – neben Kooperationsverträgen einzelner Unternehmen – nur eine Rahmenerklärung zu Nachhaltigkeit und Innovation, in der Singapur und Deutschland einen “regelmäßigen strukturierten Austausch zwischen den beiden Ministerien zu allen außenwirtschaftspolitischen Fragen” vereinbaren. Dabei scheint speziell hier der Handlungsbedarf gar nicht so groß zu sein: Nach Angaben der örtlichen Außenhandelskammer sind in dem Inselstaat mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern bereits über 1.000 deutsche Unternehmen ansässig.

    Deutsche Wirtschaft blickt positiv auf Asien-Pazifik-Region

    Und das soll nicht das Ende sein: Für die Asean-Region gibt es einer Umfrage der Auslandshandelskammer zufolge unter deutschen Unternehmen positive Wirtschaftsaussichten – positiver als die für die Volksrepublik. Im Asien-Pazifik-Raum rechnet im Durchschnitt rund jedes vierte Unternehmen (22 Prozent) mit einer stärkeren Wirtschaftsentwicklung der Länder, wie aus einer Sonderauswertung des aktuellen AHK World Business Outlook unter mehr als 500 befragten Unternehmen in der Region hervorgeht. In China erwarten demnach lediglich 14 Prozent der dort tätigen Unternehmen eine Konjunkturbelebung des Landes.

    Auch die Entwicklung des eigenen Geschäfts sehen die Unternehmen in der Asien-Pazifik-Region mit mehr Hoffnung. Fast die Hälfte der Unternehmen (44 Prozent) rechen in Asien-Pazifik für die kommenden zwölf Monate mit einer positiven Entwicklung, 17 Prozent gehen von schlechteren Geschäften aus. In China blicken der Umfrage zufolge indes nur 28 Prozent der Unternehmen optimistisch ins nächste Jahr, 23 Prozent erwarten schlechtere Geschäfte.

    “Wer sich für eine notwendige Diversifizierung nach alternativen Standorten außerhalb Chinas umsieht, findet schon jenseits der Grenzen gute Bedingungen vor. Die Region bleibt also weiterhin attraktiv für deutsche Unternehmen”, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, vor Beginn der APK in Singapur. Ein Name, der im Rahmen der Diversifizierung-Debatte immer wieder fällt, ist Vietnam.

    Scholz in Hanoi: Kooperation bei Energie und Klima

    Dorthin reiste am Sonntag Bundeskanzler Olaf Scholz. Vietnam ist die erste Station der mehrtägigen Asienreise des Bundeskanzlers, am heutigen Montag wird Scholz ebenfalls an der APK teilnehmen. Dann geht es weiter zum G20-Gipfel auf die indonesische Insel Bali. Bei dem Besuch in Hanoi steht ein Aspekt im Mittelpunkt: Welche Möglichkeiten bietet Vietnam, um die Abhängigkeit Deutschlands von China zu reduzieren.

    Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine “erleben wir eine Zeitenwende”, sagte Scholz in Hanoi laut der Nachrichtenagentur Reuters. “Als Konsequenz müssen wir unsere Absatzmärkte, unsere Lieferketten, unsere Rohstoffquellen und Produktionsstandorte erweitern, damit wir nicht von einzelnen Staaten abhängig sind. Dabei spielt Vietnam eine ganz, ganz entscheidende Rolle.” Deutschland will im Gegenzug Vietnams Weg zur Klimaneutralität unterstützen. Auch eine stärkere Kooperation im Bereich Energie sei mit Ministerpräsident Pham Minh Chinh diskutiert worden.

    Vietnam, eine sozialistische Republik mit Einparteiensystem, ist allerdings auch Paradebeispiel dafür, wie schwer eine Neuausrichtung im Indo-Pazifik-Raum werden könnte. Die Beziehungen zum großen Nachbarn China sind eng. Wie die Volksrepublik enthielt sich auch Vietnam in der Vollversammlung der Vereinten Nationen und verurteilte nicht den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Malte Kreutzfeldt/Amelie Richter 

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    News

    Xi und Biden treffen sich auf Bali

    Vor dem heutigen Gipfel-Auftakt der G20 auf der indonesischen Insel Bali kommen US-Präsident Joe Biden und Chinas Präsident Xi Jinping zu ihrem ersten bilateralen Treffen seit Bidens Amtsantritt zusammen. Das Verhältnis der zwei größten Wirtschaftsmächte der Welt ist angespannt. “Ich glaube nicht, dass sich die beiden zusammensetzen werden, um alle Differenzen oder Probleme zu lösen”, erklärte eine hohe Regierungsvertreterin der USA mit Blick auf das Treffen laut Agenturberichten. Es handele sich vielmehr um ein “strategisches, tiefgreifendes und substanzielles Gespräch”, bei dem es darum ginge, “Missverständnisse auszuräumen”. Eine gemeinsame Erklärung sei nicht geplant.

    Auf der Agenda des Treffens stehen demnach folgende Themen:

    • Der Ukraine-Krieg und Pekings Position – bislang hat China den russischen Angriff nicht klar verurteilt 
    • Der Handelskrieg und die US-Sanktionen gegenüber chinesischen Hightech-Firmen
    • Chinas Drohungen gegenüber Taiwan und die militärische Expansion Chinas im Südchinesischen Meer
    • Nordkoreas Nuklearwaffenprogramm

    Biden und Xi hatten in den vergangenen zwei Jahren fünfmal miteinander gesprochen, allerdings nur in Videokonferenzen. Als Joe Biden noch US-Vizepräsident war, haben sich die beiden jedoch mehrmals getroffen. “Ich kenne ihn gut. Er kennt mich. Ich habe mehr Zeit mit ihm verbracht als mit jedem anderen Führer der Welt”, erklärte Biden vorab zum Treffen. Es habe immer offene Diskussionen und nie Missverständnisse zwischen den beiden gegeben, was entscheidend für die Beziehungen beider Länder sei.

    Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian erklärte vorab, Peking hoffe auf eine Verbesserung der angeschlagenen Beziehungen. China suche gegenseitigen Respekt, friedliche Koexistenz und Kooperation, wolle aber entschlossen seine “legitimen Rechte und Interessen” verteidigen. Man müsse mit Differenzen angemessen umgehen und die Beziehungen wieder auf den “rechten Weg bringen”, so Zhao. fpe

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    Verkürzte Quarantäne-Zeiten trotz hoher Fallzahlen

    Chinas Nationale Gesundheitskommission hat am Samstag die höchste Zahl von Corona-Neuinfektionen seit April gemeldet. Demnach wurden rund 11.950 neue Fälle registriert – nach 10.729 Ansteckungen am Vortag. 1.504 Fälle seien symptomatisch und 10.446 Fälle seien asymptomatische Ansteckungen.

    Trotz steigender Fallzahlen hatte China die Quarantäne- und die Einreisevorschriften am Freitag gelockert. Folgende Regeländerungen gab die Gesundheitsschutzbehörde bekannt.

    • Die Isolationszeit für enge Kontaktpersonen wird von sieben auf fünf Tage verkürzt.
    • Das Gleiche gilt für einreisende Passagiere. Sie müssen nur noch fünf Tage in Quarantäne. Danach müssen sie aber weiterhin ihre drei Tage in Heimisolation absitzen.
    • Die Nachverfolgung von Kontakten der Kontakte wird eingestellt. Der Kreis von Sekundärkontakten war immer sehr groß, was zu erheblichem Ärger geführt hat.
    • Den Airlines droht keine Strafe mehr, wenn sie infizierte Passagiere ins Land gebracht haben.
    • Die Impfkampagne soll mehr Nachdruck erhalten.

    Die Neuregelung kommt nach einer Politbürositzung unter Vorsitz von Xi Jinping. Sie scheint von ganz oben abgesegnet zu sein. Das dürfte auch nötig sein, denn sie erfolgt gegen den Trend. In Peking und Zhengzhou registrieren die Behörden Rekordzahlen von Neuinfektionen. fin

    • Coronavirus
    • Gesundheit

    US-Zoll blockiert Solar-Lieferungen

    In US-amerikanischen Häfen hängen hunderte Solarenergiekomponenten fest. Laut Aussagen von Zollbeamten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters hat der US-Zoll zwischen dem 21. Juni und dem 25. Oktober 1.053 Lieferungen beschlagnahmt. Freigaben seien bislang nicht erteilt worden.

    Grund der Blockade ist der im Juni in Kraft getretene Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA). Das US-Gesetz sieht vor, dass Importeure nachweisen müssen, dass Waren oder Bestandteile von Produkten aus der Region Xinjiang nicht in Zwangsarbeit hergestellt wurden (China.Table berichtete).

    Dem Reuters-Bericht zufolge handelt es sich bei den Produkten unter anderem um Paneele und Polysiliziumzellen, die im Wesentlichen von drei chinesischen Firmen hergestellt würden: Longi Green Energy Technology, Trina Solar und JinkoSolar. Jinko erklärte in einer E-Mail, das Unternehmen arbeite mit der US-Zollbehörde daran, zu dokumentieren, dass seine Lieferungen nicht mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen. Die Firma zeige sich “zuversichtlich, dass die Lieferungen zugelassen werden”.

    Der US-Zoll wollte sich laut Reuters nicht dazu äußern, wie lange die Lieferungen bereits festgehalten und wann und ob sie freigegeben würden. “Letztendlich hängt es davon ab, wie schnell ein Importeur in der Lage ist, ausreichende Unterlagen vorzulegen”, so eine Sprecherin.

    Die Lieferprobleme bringen auch die Klimapolitik von US-Präsident Joe Biden ins Stocken. Er hat sich vorgenommen, in den USA möglichst schnell den Ausbau von umweltfreundlichen Energiequellen voranzutreiben. rtr

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    Gesundheitsexperte wird oberster Parteisekretär von Peking

    Wie Chinas Staatsmedien am Sonntag berichteten, ersetzt Yin Li den neu in den Ständigen Ausschuss berufenen Cai Qi als obersten Sekretär der Stadtverwaltung von Peking. Der 60-Jährige ist eines der 24 Mitglieder des Politbüros. Zuvor war er Parteisekretär der Provinz Fujian. Sein dortiger Nachfolger wird der 57-jährige Geophysiker Zhou Zuyi.

    Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas beschlossen, dass Yins Vorgänger Cai Qi nicht gleichzeitig Sekretär, ständiges Ausschussmitglied und Mitglied des Stadtkomitees der KPCh in Peking sein dürfe. Cai Qi rückte beim 20. Parteikongress überraschend in den Ständigen Ausschuss des Politbüros auf, die eigentliche Machtzentrale der KP (China.Table berichtete).

    Yin gilt als Experte auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Er hat in Russland und den Vereinigten Staaten entsprechende Studiengänge absolviert. Seine Ernennung könnte ein Signal sein, dass die Parteispitze in der Hauptstadt auf einen technokratischen, wissenschaftlich basierten Führungsstil setzen möchte, um die Pandemie einzudämmen. fpe

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    Presseschau

    Abhängigkeit von China: Scholz bemüht sich um engere Wirtschaftsbeziehungen mit Vietnam – Habeck trifft Kollegen aus Pakistan und den Philippinen DEUTSCHLANDFUNK
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    Iran and China Use Private Detectives to Spy on Dissidents in America NYTIMES
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    Corona-Lockdown: China lockert Maßnahmen, aber kein neuer Kurs SUEDDEUTSCHE
    China im Null-Covid-Chaos: “Frust ist tief in der Mittelschicht angekommen” KURIER
    China setzt auf Konjunkturhilfen und sieht “Aufwärtstrend” HANDELSBLATT
    Gratwanderung für deutsche Unternehmen in China BOERSEN-ZEITUNG
    Kreise: China plant zahlreiche Maßnahmen gegen Immobilienkrise T-ONLINE

    Heads

    Andreas Walther – Künstler zwischen den Kulturen

    Andreas Walther sucht den interkulturellen und spirituellen Austausch zwischen Deutschland und Taiwan.

    “Das Spannende an der Gesellschaft Taiwans ist, dass viele vormoderne kulturelle Inhalte und Werte erhalten geblieben sind und bis heute gelebt werden”, sagt der freischaffende Künstler Andreas Walther begeistert. Während seines Studiums an der Hochschule für Künste in Bremen knüpfte er Kontakte zu Studierenden aus Taipeh, reiste Ende der 90er-Jahre zum ersten Mal selbst nach Taiwan. “In den darauffolgenden Jahren wuchs der Wunsch, die verschiedenen Lebensweisen meiner Heimat und Fernost möglichst sinnvoll aufeinander zu beziehen.” Walther reiste immer wieder dorthin, seine künstlerischen Arbeiten sind ein Ausdruck des interkulturellen Dialogs. Seine stillen Naturfotografien erinnern mit ihren nebligen Leerstellen an chinesische Tuschemalereien.

    Aber auch in den Bereichen Video, Grafik und Installation spürt Walther dem nach, was sich zwischen den Welten nicht in konkrete Worte fassen lässt, das die Kunst aber einfangen kann. “Manchmal reicht schon eine Reise ins europäische Ausland, um zu erfahren, wie sehr sich die persönliche Konstitution verändert, wenn man sich außerhalb des Vertrauten bewegt.” Diese Erfahrung der Unverbundenheit, in der sich ein Mensch im Fremden neu vernetzen kann, hält Walther für elementar. “Man kann sich vorstellen, wie tiefgreifend dieses Erleben ist, sobald man sich in einer Kultur befindet, die grundlegend mit dem Vertrauten bricht.”

    Bis heute ist er ein engagierter Förderer des interkulturellen Austauschs zwischen Taiwan und Deutschland, entwickelte entsprechende kuratorische Projekte und lädt jedes Jahr taiwanische Künstlerinnen und Künstler ein, ihre Arbeiten in seiner Heimatstadt Gießen vorzustellen. Auch umgekehrt zeigt er deutsche Künstler in Taiwan. “Jede Kultur hält ihre ganz eigenen Erkenntnisse und Werte bereit, von denen in anderen Kulturen bisweilen nicht einmal eine Ahnung existiert”, sagt Walther.

    In die Natur vertrauen – auch in die eigene

    “Was ich persönlich in Taiwan gefunden habe, ist der Naturbegriff des Daoismus.” Der Mensch als körperliches Wesen gilt im Daoismus als Teil der Natur, die zentrale daoistische Idee geht von einem natürlichen Weg der Dinge und Wesen aus, einem Von-sich-aus-so-sein. “Für mich bedeutet das, in die Natur zu vertrauen, auch in die eigene”, sagt Walther. “An dieser Erkenntnis kann sich das Ich beruhigen, das in unserer leistungsorientierten Welt permanent aufs Neue aufgerieben wird.” Seine Werke und kuratorischen Projekte versuchen, den daoistischen Naturbegriff nach Europa zu vermitteln und die Vorrangstellung von Geist über Körper zu hinterfragen, die sich in der Moderne etabliert hat.

    Polare Konstellationen wie zwischen Körper und Geist oder dem Benannten und Unbenannten sind wiederkehrende Themen in Walthers Arbeit. Auch seine konkrete Lebenswirklichkeit erzählt von diesen Gegensätzen. Er lebt zwischen Deutschland und Taiwan, ist jeweils drei bis sechs Monate im einen Land, bevor er zurück ins andere reist.

    “Die größte Bereicherung ergibt sich für mich aus dem fortwährenden Wechsel zwischen den Kulturen”, sagt Walther. Dabei ist die Dauer seiner Aufenthalte bewusst gewählt: Nie taucht er so tief in die Kultur ein, dass ihre Besonderheiten für ihn alltäglich, fast unmerklich werden. “Aus der Erfahrung des steten Wechsels meiner Lebenswirklichkeiten lässt sich vieles über das ‘als Mensch in der Welt sein’ erfahren.” Svenja Napp

    Personalien

    René Scheerat ist Executive Assistant bei Audi China. Für die Stelle wechselt der Strategieplaner und Team Coordinator von Ingolstadt nach Peking, wo er Jürgen Unser, den Präsidenten von Audi China unterstützt.

    Cordula Blochinger hat bei Steinkellner China Search die Rolle des Head of Active Talent Sourcing übernommen. Steinkellner China ist ein weltweit aktiver Headhunter mit Fokus auf den chinesischen Markt. Blochinger soll für das österreichische Unternehmen vor allem Führungskräfte in den Bereichen Automotive, Technologie, Pharma/LifeScience und Medizintechnik rekrutieren.

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    Zur Sprache

    Codes päppeln

    养码 Yǎngmǎ – Codes päppeln

    Haben Sie eine fürsorgliche Ader? Oder gar ein Helfersyndrom? Dann können Sie sich in China mal richtig austoben (zumindest sprachlich). Denn im Reich der Mitte wird gepäppelt, was das Zeug hält. Verantwortlich für diesen Schmusekurs ist das Verb 养 yǎng – ein erstaunlicher Allrounder unter den Kümmerverben. Das semantische Herzstück dieses Wortchamäleons pocht im Takt deutscher Tuwörter wie “aufziehen” und “großziehen” (z.B. Kinder – 养孩子yǎng háizi). Es wird aber auch im Sinne von “halten, umsorgen, züchten” (z.B. Hund und Katz – 养狗 yǎng gǒu und 养猫 yǎng māo – oder auch Pflanze养花 yǎng huā) verstanden. Doch chinesische Päppelprofis machen hier längst noch nicht halt.

    So lassen sich auf Chinesisch auch Autos und Straßen “päppeln” (养车 yǎng chē und 养路 yǎng lù) – wir würden hier wohl nüchtern von “warten” oder “instand halten” sprechen. Und wer gutes Essen liebt, der päppelt in China sogar seine Pfanne (养锅 yǎng guō) – kein Witz. Den “Haltern” von gusseisernen Woktöpfen raten chinesische Küchenprofis für das optimale Kocherlebnis zu fürsorglicher Pfannenpflege – mit speziellen Einfettungsritualen.

    Auch finanziell kann auf Chinesisch gepäppelt werden – zum Beispiel wenn man sich eine Familie (unter)hält (养家 yǎngjiā) oder einen shoppingverrückten Partner (养女友 yǎng nǚyǒu oder 养男友 yǎng nányǒu “seine Freundin/seinen Freund finanziell aushalten/durchfüttern”), wenn nicht sogar eine Geliebte (养小三 yǎng xiǎosān). Der Staat päppelt derweil die Armee (养兵 yǎngbīng “eine Armee unterhalten”).

    Am schönsten ist es aber wohl, sich selbst zu päppeln. Gesundheitspflege heißt auf Chinesisch “Lebenspäppelung” (养生 yǎngshēng) – und dazu zählen Wellness-Vokabeln wie Magen(darm)päppelung (养胃yǎngwèi), Augeninstandhaltung (养眼 yǎngyǎn) oder Gesichtsfürsorge (养颜 yǎngyán). Und wer sein tiefstes Inneres hegen und pflegen möchte, der päppelt am besten prophylaktisch seinen Geist (养神 yǎngshén “sich geistig erholen, innerlich abschalten”), und zwar bitte bevor der Burnout einsetzt. Sonst heißt es nämlich Krankheiten und Wunden “päppeln”, pardon: auskurieren (养病 yǎngbìng und 养伤 yǎngshāng).

    Und als wäre das nicht schon genug, hat sich neuerdings auch noch ein (eher unbeliebtes) Datentierchen in den chinesischen Alltag gesellt, das auch gepäppelt werden will und täglich nach fachgerechter Pflege kreischt – der Gesundheitscode der Corona-App nämlich, auf Chinesisch 健康码 jiànkāngmǎ. Damit in der Applikation nicht plötzlich das gefürchtete Fensterchen aufpoppt (弹窗 tánchuāng), das die Bewegungsfreiheit einschränkt oder zum Coronatest abkommandiert, muss man den grünen Code in Tamagotchi-Manier hegen und pflegen (Sie erinnern sich: Tamagotchi – das waren diese eiförmigen japanischen Mini-Elektrospielzeuge, die Ende der Neunziger der letzte Schrei waren). Zur artgerechten Code-Pflege eignen sich zum Beispiel gezielte Aufenthalte in Gebieten mit geringem Covid-Risiko, eine generell code-freundliche Reisehistorie oder als letzte Option stoisches Stubenhockertum. 养码 yǎngmǎ – “den Gesundheitscode päppeln” heißt solches Vorgehen neuerdings im chinesischen Webjargon – eine weitere (ironische) Sprachblüte im Zeichen von Corona.

    Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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