Table.Briefing: China

Interview Jürgen Matthes + Trauer um Li Keqiang

Liebe Leserin, lieber Leser,

trotz kritischer Diskussion um eine zu große Abhängigkeit investieren deutsche Unternehmen wieder kräftig in der Volksrepublik, De-Risking hin oder her. Das ist nicht das einzige, was uns Sorgen machen sollte, sagt der Ökonom und China-Experte Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln im Interview mit Amelie Richter. “Wir sehen, dass Unternehmen den chinesischen Markt zunehmend mit der Produktion vor Ort bedienen wollen – und nicht mit Exporten aus Deutschland.” Und das bedeute dann am Ende mehr chinesische Arbeitsplätze und weniger deutsche.

China bleibt ein großer und attraktiver Markt. Und China legt den Unternehmen, deren Technologie es braucht, noch immer den roten Teppich aus, sagt Matthes. “Firmen, die nicht mehr gebraucht werden, müssen stattdessen damit rechnen, dass ihnen zunehmend Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.”

China trauert derweil weiter um den ehemaligen Premier Li Keqiang. In den Staatsmedien ist von großer Sympathie für den Verstorbenen jedoch wenig zu spüren. Dort postete man vor allem Phrasen und ging nach dem versprochenen Nachruf geradezu abrupt zum Tagesgeschehen über, was vor allem bedeutet, wieder die Pläne und Erfolge Xi Jinpings zu feiern.

Den kargen Worten von offizieller Seite zum Trotz kamen in Lis Heimatstadt Hefei hunderte Menschen zusammen, um Trauerkränze abzulegen. In den sozialen Medien erinnerten viele an Lis Einsatz im Kampf gegen den Smog oder an seine Sorge für die wirtschaftlichen Nöte des Volkes nach der Corona-Pandemie. Öffentliche Kritik an Xis Regierung blieben jedoch jenseits spitzer, und schnell wieder gelöschter Kommentare aus. Bisher sieht es nicht so aus, als werde Lis Tod zur Projektionsfläche für Unzufriedenheit, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.

Ihr
Fabian Peltsch
Bild von Fabian  Peltsch

Analyse

“Trotz China-Debatte wird dort mehr investiert”

Jürgen Matthes ist China-Experte am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.

Herr Matthes, für das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) haben Sie sich die deutschen Direktinvestitionen in China genauer angesehen. Was haben Sie dabei herausgefunden? 

Wir haben gesehen, dass deutsche Unternehmen bislang in diesem Jahr weiterhin in hohem Maß in die Volksrepublik zusätzlich investiert haben. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres sprechen wir von 10,3 Milliarden Euro. Die deutschen Direktinvestitionen nach China entsprechen damit 16,4 Prozent der gesamten deutschen Direktinvestitionsströme ins Ausland. Es gab diesen Run bereits in den letzten zwei, drei Jahren. Das höchste Niveau der neuen Investitionen hatten wir im vergangenen Jahr erreicht. Anders als man vielleicht erwarten mag, angesichts der kritischer gewordenen Diskussion um China, sehen wir also keine Abnahme bei den Direktinvestitionen oder gar einen Rückzug aus China. Im Gegenteil, es wird noch mehr in China investiert. 

Fließt also immer mehr Unternehmenskapital von Deutschland nach China? 

Das kann man wiederum so nicht sagen. Die zusätzlichen Direktinvestitionen in China setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Der starke Treiber der vergangenen Jahre ist vor allem, dass überwiegend die in China erwirtschafteten Gewinne dort geblieben und in neue Investitionen geflossen sind. Das war zuletzt also die Hauptquelle und weniger neues Kapital aus Deutschland. 

Wie erklären Sie den noch verstärkten Drang nach China trotz der Warnungen der Politik?

Das sagen uns die Zahlen der Deutschen Bundesbank leider nicht. Aus anderen Studien wissen wir aber, dass es gewisse Unterschiede gibt, je nachdem, ob man auf Großunternehmen schaut oder eher auf mittelständische Unternehmen. Es scheint so zu sein, dass verschiedene Großunternehmen noch kräftig weiter in China investieren. Mittelständische Firmen, zumindest einige von ihnen, werden bei China aber offenbar vorsichtiger. 

Der Großteil der Direktinvestitionen ist also Geld, das in China erwirtschaftet wurde. Bleiben die Gewinne komplett dort? 

Nein. Wir haben im vergangenen Jahr mit anderen Partnern eine Studie erstellt, die gezeigt hat, dass ein durchaus relevanter Anteil der in China erzielten Gewinne in den letzten zehn Jahren nach Deutschland zurückgeflossen ist. Aktuelle Zahlen haben wir dazu bedauerlicherweise nur eingeschränkt, weil die Bundesbank aufgrund sehr restriktiver Geheimhaltungsvorschriften die relevanten Zahlen nicht preisgeben darf. Das erschwert eine objektive Analyse unserer wirtschaftlichen Abhängigkeiten von China und sollte politisch überdacht werden. 

Nach Ihrer aktuellen Studie sieht es ja aber eher so aus, als blieben die Gewinne zunehmend dort. 

Ja, diese Tendenz scheint zu bestehen. Vor allem macht uns aber eine andere Entwicklung Sorgen: Wir sehen, dass Unternehmen den chinesischen Markt zunehmend mit der Produktion vor Ort bedienen wollen – und nicht mit Exporten aus Deutschland. Das bedeutet am Ende mehr chinesische Arbeitsplätze und weniger deutsche. Unternehmen gehen zudem mit der neuesten Technologie nach China und nutzen die Volksrepublik zunehmend als Brückenkopf, um von dort nach Asien zu exportieren. Auch das hat mittelfristig das Potenzial, dem Standort Deutschland zu schaden im Vergleich zu einem Szenario, in dem die Nachfrage in China und Asien überwiegend über Exporte von hier aus bedient wird. 

Also nichts mit De-Risking, wofür Bundesregierung und EU-Kommission plädieren? 

China entwickelt sich wirtschaftlich in diesem Jahr nicht so, wie man das erwartet hat. Trotzdem bleibt China ein großer und attraktiver Markt. Es wird zunehmend in China für China produziert, in China für China geforscht. Die Firmen beziehen in China zunehmend auch Vorleistungen, indem sie beispielsweise die Zulieferer-Strukturen lokalisieren. Viele deutsche Firmen dort haben offenbar die Strategie, ihr China-Geschäft stärker zu isolieren, auch um sich von Unwägbarkeiten der Geopolitik, und von Handelskriegen weniger abhängig zu machen. So wünschenswert das einerseits ist, so sehr hat es andererseits das Potenzial, unsere eigene Volkswirtschaft zu schwächen. China droht aus dieser Perspektive zum Gewinner des Handelskriegs mit den USA zu werden. 

Dass sich die Firmen gegen geopolitische Risiken absichern wollen, klingt ja erstmal nachvollziehbar. 

Für die Firmen schon. Aber das geoökonomische Problem dabei ist, dass Produktion und Forschung dort der Volksrepublik dabei hilft, sich mittelfristig stärker unabhängig vom Ausland zu machen. Da tut sich eine gewisse Divergenz auf zwischen der individuellen Rationalität der Unternehmen und dem volkswirtschaftlichen Nutzen ihrer Aktivitäten. Betriebswirtschaftlich ist das Verhalten der Firmen unter den gegebenen Rahmenbedingungen sinnvoll und nachvollziehbar. Aber gesamtwirtschaftlich und politisch gesehen erscheint es problematisch, wenn deutsche Firmen China bei seiner Strategie helfen, wirtschaftlich und technologisch unabhängiger vom Ausland zu werden. Das ist zweifellos ein großes Dilemma für die Politik. Gravierend wird es, wenn deutsche Technologie letztlich dabei hilft, dass China seine militärischen Fähigkeiten weiter ausbauen kann. 

Denken Sie, der Trend hin zu mehr China wird so bleiben? 

Das hängt davon ab, wie sich China weiterentwickelt. Wenn die Immobilienkrise noch breitere Kreise zieht oder der Zugriff der Kommunistischen Partei in vielen Bereichen immer stärker wird, dann dürften sich die Wachstumsperspektiven in China für längere Zeit verdüstern. Die gegenwärtige Verunsicherung unter den deutschen Firmen in China würde dann sicherlich noch stärker werden und es gäbe vermutlich mehr Rückzugtendenzen. Sollte sich China aber doch freistrampeln und konjunkturell wieder kräftig erholen, sieht es anders aus. Dann werden viele deutsche Unternehmen dort sicherlich weiter investieren und gute Geschäfte machen wollen.  

Ist das nicht naiv? 

Es gibt das Risiko, dass in fünf oder in zehn Jahren immer mehr Unternehmen Schwierigkeiten in China bekommen. Eine gewisse Tendenz dazu haben wir ja bereits gesehen. China legt den Unternehmen, deren Technologie gebraucht wird, zwar wieder den roten Teppich aus. Firmen, die nicht mehr gebraucht werden, müssen stattdessen damit rechnen, dass ihnen zunehmend Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Das Problem dabei ist: Je mehr China technologisch aufholt, desto größer wird der Anteil der Firmen in der zweiten Gruppe. Man kann den Firmen – das muss ich noch mal klar sagen – wirtschaftlich kein Fehlverhalten vorwerfen. Das sind die Rahmenbedingungen, die wir den Firmen gesetzt haben. Und unter diesen Rahmenbedingungen optimieren Sie ihre betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Deswegen ist es so wichtig, dass in der China-Strategie steht: Die Unternehmen sollen sich darauf vorbereiten, dass sie im Fall eines geopolitischen Konflikts die Verluste, die dann in China entstehen dürften, nicht auf den Steuerzahler abwälzen können. Das ist eine ordnungspolitisch sehr wichtige Ansage. 

Die Strategie hat das Risiko also schon klar formuliert. Viel reale Wirkung hat es aber offenbar nicht. Muss die Politik den Unternehmen konkret mehr helfen?

Wichtig wären mehr Freihandelsabkommen der EU mit anderen asiatischen Staaten. Wir brauchen zudem das Abkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten. Es geht also um mehr Handel mit anderen Schwellenländern, die hinreichend groß sind. Zwar gilt: Kein anderes Schwellenland kommt allein an die Volksrepublik heran. Aber alle zusammengenommen können uns beim De-Risking helfen und ein Ersatzpotenzial für etwas weniger Handel mit China bieten. Deshalb ist es so wichtig, die Partnerschaften mit diesen Ländern schnell und konsequent auszubauen.  

Wie sieht es denn mit den anderen asiatischen Ländern im Vergleich aus? 

Auch dort steigen die deutschen Direktinvestitionen tendenziell, aber nicht stärker als die nach China. Anteilsmäßig ist hier also keine Verschiebung und kein De-Risking bislang sichtbar.  

Würden Sie sagen, dass die Direktinvestitionen für das Gesamtbild der Abhängigkeit von China stehen, oder muss man das differenzierter sehen? 

Wir reden bislang ja nur über die Abhängigkeit von Firmen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit hat aber verschiedene Facetten. Die These, dass China generell so wahnsinnig wichtig für unser Wachstum gewesen ist, die hat nicht wirklich Hand und Fuß. Das ist ein falsches Narrativ, das aber in den Medien immer wieder gespielt wird. Wenn wir die Empirie und die Zahlen sprechen lassen, zeigt sich gesamtwirtschaftlich zumindest ein anderes Bild: Nur etwa drei Prozent der deutschen Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt vom Export nach China ab. 

Drei Prozent klingt nicht viel. 

Drei Prozent sind viel weniger, als die allermeisten Menschen vermutlich schätzen würden. Weil die öffentliche Debatte geprägt ist von den hohen chinesischen Umsatzanteilen von manchen deutschen Unternehmen. Diese Zahlen beeinflussen vermutlich auch unser Bild von der deutschen Exportabhängigkeit von China. Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass hinter den drei Prozent mehr als eine Million Arbeitsplätze stehen. Drei Prozent sind also nicht nichts, aber es ist trotzdem eine viel geringere Abhängigkeit, als wir denken. 

Ist die Abhängigkeitsdebatte von China also letztlich überzogen? 

Das ist leider nicht so. Denn wir sind vor allem auf der Importseite sehr abhängig von China. Das gilt zwar nicht für die gesamtwirtschaftliche Sicht, aber umso mehr für teils sehr hohe Einfuhranteile Chinas bei einzelnen Produkten. Dazu gehören nicht nur seltene Erden. Sondern das sind auch elektronische Bauteile, chemische und pharmazeutische Grundstoffe. Wenn die Bundesregierung es ernst meint, dann ist De-Risking an dieser Importabhängigkeit nötig. Denn bei Produkten, die unverzichtbar sind und die wir kurzfristig nicht aus anderen Quellen bekommen, sind wir erpressbar. In einem potenziellen Taiwan-Konfliktfall fällt uns diese Abhängigkeit auf die Füße und begrenzt unsere politische Handlungsfähigkeit. Daher liegt vor allem hier hoher und dringender Handlungsbedarf. 

Jürgen Matthes ist Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut für Deutsche Wirtschaft in Köln. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben China die Globalisierung, Europäische Integration (Euro und EU) und das deutsche Exportmodell.

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Bürger bekunden ihre Trauer um Li Keqiang

Die Titelseite der Volkszeitung vom Samstag.

Der Tod des chinesischen Ex-Premiers Li Keqiang hat landesweit Trauerbekundungen ausgelöst. In seinem Heimatort in der Provinz Anhui sowie in der Hauptstadt von Anhui, Hefei, kamen Menschen zusammen; einige legten Blumen ab. Hier hatte Li als Jugendlicher gewohnt. Auch in anderen Städten legten Bürger Blumen unter Lis Bild. Aus Peking gab es dagegen keine Berichte von Versammlungen zu Ehren Lis. Offenbar sind sie hier verboten, weil sie politisch zu brisant sind.

Die Trauerbezeugungen, obwohl nicht überraschend, luden viele Kommentatoren zu Interpretationen ein. “Die Massentrauer um Li Keqiang gilt auch einem China, das nicht hat sollen sein“, schreibt die Menschenrechtsaktivistin Wang Yaqiu von der Organisation Freedom House in Washington. Die Trauernden zeigten die große Sympathie für eine Führungspersönlichkeit, die versucht hat, China zu einem besseren Ort zu machen, daran aber gescheitert ist. “Darin zeigt sich auch Unzufriedenheit mit Xi und Verzweiflung mit Chinas Zukunft.”

“Letzte Bremse am irren Zug”

Ein X-Thread des Schriftstellers Hao Qun vergleicht Li ausdrücklich mit Hu Yaobang. Hu war in den 1980er-Jahren Generalsekretär der KP. Er stand für Reformen. Sein Tod 1989 war ein Mitauslöser der Studentenproteste. Li habe als die “letzte Bremse an dem irren Zug” des China unter Xi Jinping gegolten.

Das sind allerdings Stimmen von Exilanten, die sich einen tiefgreifenden Wandel in China herbeisehnen und nun auch die Trauer um Li diesem Muster folgend interpretieren. Bisher gibt es keine Anzeichen für eine Massenbewegung, die sich gegen die Herrschaft der KP richtet, und es gibt keine Berichte über öffentliche Kritik an Xi.

Gesundheitlich angeschlagen

Li war in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Alter von 68 Jahren gestorben. China.Table hat ihm am Freitagmittag eine Reihe von Artikeln gewidmet:

Li hatte in den vergangenen Jahren bereits gesundheitliche Probleme und wirkte nach Berichten von Gesprächspartnern des Premiers zuweilen angeschlagen. Manchmal musste er sich zwischen zwei Terminen ausruhen.

Volkszeitung würdigt Li vor allem mit Phrasen

Während Chinas Staatsmedien sich am Freitag noch zurückhielten, veröffentlichte die Volkszeitung in ihrer Samstagsausgabe einen Nachruf auf der Titelseite. Der Text besteht aber vor allem aus einer Aufzählung seiner Karrierestationen plus Phrasen über seinen Kampf für den Kommunismus. “Genosse Li Keqiang ist unsterblich!”, endet die Volkszeitung ihren Nachruf.

Auf der Website der Volkszeitung stand der Beitrag aber nur kurz oben, um dann gleich wieder von Berichten über die Aktivitäten Xi Jinpings verdrängt zu werden. Am Sonntag ging es auf der Homepage dann vor allem um einen von Xi angeleierten Politbüro-Entschluss, den “Gemeinschaftssinn zu stärken”; der Artikel über Li Keqiang fand sich nicht mehr im sichtbaren Bereich. Die Führung will offenbar signalisieren, dass dem Tod Lis nicht zu viel Aufmerksamkeit beschieden ist.

Behörden zensieren politische Äußerungen

Im Netz waren reine Beileidsbekundungen erlaubt. Doch schon Li-Zitate, die sich als Kritik am derzeitigen Kurs der Regierung lesen lassen, wurden zensiert. “China Öffnung geht weiter, genauso wie der Yangzi und der Gelbe Fluss niemals rückwärts fließen” – das ging den Meinungswächtern dann doch zu weit. Auch die Nennung als “guter Premier” ist schon jenseits der roten Linie, schließlich hatte Xi ihn politisch kaltgestellt. Hinweise auf seinen plötzlichen Tod waren ebenfalls online nicht erwünscht, offenbar um Verschwörungstheorien über eine Ermordung Lis keinen Raum zu lassen.

Die große Trauer um den Premier, der von Xi politisch an den Rand gedrängt wurde, erklärt sich auch aus Anerkennung für seine Politik. So habe er den Kampf gegen den Smog angeführt, sagt Katja Drinhausen, Leiterin des Forschungsbereichs Innenpolitik und Gesellschaft beim Forschungsinstitut Merics. Er nahm auch die wirtschaftlichen Sorgen von Unternehmern und Bürgern ernst, während Xi vor allem Erfolge verkünden ließ.

Li war ein populärer Politiker

Dennoch hält es Drinhausen nach jetzigem Stand für wenig wahrscheinlich, dass die Trauer um Li außer Kontrolle gerät. “Li Keqiang hatte nie ein so hohes öffentliches Ansehen wie Hu Yaobang, oder ein volksnahes Image wie sein Vorgänger Wen Jiabao.”

Angesichts von Xi Jinpings Dominanz und fehlender alternativer Figuren sei aber durchaus denkbar, dass Li doch noch zur Projektionsfläche für Unzufriedenheit und Sorgen werde. “Denn die wirtschaftlichen und persönlichen Einbußen von Xis Null-Covid-Politik sind in China noch lange nicht überwunden.” Es sei davon auszugehen, dass sich der gesamte Sicherheits- und Zensurapparat in Alarmbereitschaft befinde, so Drinhausen.

  • Li Keqiang
  • Menschenrechte
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News

Xi und Biden wollen sich bereits im November treffen

Xi Biden
Joe Biden und Xi Jinping

US-Präsident Joe Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping werden sich im November in San Francisco treffen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AP aus gut unterrichteten Kreisen. Beide Seiten hätten demnach während der Unterredung des chinesischen Außenministers Wang Yi am Freitag mit seinem US-Amtskollegen Antony Blinken und dem nationalen Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, eine grundsätzliche Vereinbarung über eine Zusammenkunft Bidens und Xis getroffen. Das Treffen soll im Rahmen des Gipfels der Asien-Pazifik-Staaten (Apec) im kommenden Monat stattfinden.

Biden und Xi haben sich zuletzt im November 2022 am Rande des Gipfels der G20-Staaten auf der indonesischen Insel Bali getroffen. Das US-chinesische Verhältnis gilt als angespannt. Zum Abschluss seiner US-Reise sagte Wang Yi: “Der Weg nach San Francisco ist nicht glatt und kann nicht dem Autopiloten überlassen werden.”

Am Sonntag hat derweil das dreitägige Xiangshan-Forum für Militärdiplomatie begonnen – dieses Mal ohne einen chinesischen Verteidigungsminister. Die chinesische Führung hatte vergangenen Dienstag den seit zwei Monaten abgetauchten Verteidigungsminister Li Shangfu offiziell entlassen. Gegen ihn wird wegen Korruption ermittelt. Ein direkter Nachfolger wurde zunächst nicht genannt. Militärs, die ranghöher sind als der Verteidigungsminister, sind stattdessen für Li beim Xiangshan Forum eingesprungen.

China hofft, auf dem Forum die Teilnehmer für die Politik und Vorstellungen von Präsident Xi Jinping sensibilisieren zu können, sowie Entwicklungsländer enger an sich zu binden. Auch Russland soll in den Mittelpunkt der Veranstaltung gestellt werden. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist in der Tagesordnung des Forums als erster Gastredner bei der Eröffnungsfeier am Montag aufgeführt.

Auch das US-Verteidigungsministerium hat eine kleine Delegation entsandt. Wie zwei der teilnehmenden Diplomaten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärten, bietet das Forum die seltene Gelegenheit, mit hochrangigen chinesischen Verteidigungspolitikern und Militärs in Kontakt zu treten, um Vertrauen aufzubauen, das in Krisenzeiten von Nutzen ist. flee/rtr

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Roboter-Bauer Franka Emika: Mögliche Übernahme aus China

Foxconn
Foxconn Logo

Chinesische Investoren planen laut einem Bericht des Spiegel die Übernahme des insolventen Münchener Roboter-Bauers Franka Emika. Demnach soll einer der großen potenziellen Bieter, das Unternehmen Agile Robots aus München, unter chinesischer Kontrolle stehen. Der Verdacht wurde von der Beteiligungsgesellschaft Schoeller, aufgeworfen, einem Mitbewerber um die Übernahme.

Deren Gründer, Christoph und Martin Schoeller, haben sich demnach in einem Schreiben an das Bundeswirtschaftsministerium gewandt, um den Verkauf von Franka Emika an Agile zu verhindern. “Wir müssen davon ausgehen, dass es sich bei Agile faktisch um ein durch in China ansässige Gesellschaften und Institutionen kontrolliertes Unternehmen handelt“, erklären die Brüder dort. Investoren der Agile Robots AG seien unter anderem die Firma Foxconn Industrial mit Sitz in China sowie ein ebenfalls dort registrierter Fonds der Venture-Capital-Firma Sequoia. Von den sieben Mitgliedern des Aufsichtsrats seien sechs chinesische Staatsbürger. Produziert werde vornehmlich in Peking und Shenzhen.

Damit erscheine eine “faktische Veräußerung dieser einzigartigen Hochtechnologie in die Volksrepublik China” als wahrscheinlich. Eine solche Veräußerung sei nach den Vorschriften der deutschen Investitionskontrolle zu untersagen, heißt es weiter in dem Brief. Ein Ministeriumssprecher wollte sich bislang nicht zu dem Fall äußern, weil “schützenswerte Geschäftsgeheimnisse betroffen sind”. Ein Sprecher von Agile gibt sich laut dem Spiegel-Bericht gelassen: “Basierend auf der Erfahrung aus einer ganzen Reihe grenzüberschreitender Transaktionen der vergangenen Jahre erwartet Agile Robots auch im aktuellen Fall keine regulatorischen Hürden für einen solchen Zusammenschluss.” fpe

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Hongkong verweigert Visum für kritische Wissenschaftlerin

Chinese University of Hong Kong CUHK Webseite

Hongkong hat einer Wissenschaftlerin, die zum Tiananmen-Massaker forscht, das Visum verweigert. Die kanadische Geschichtsprofessorin Rowena He kann damit ihre Lehrtätigkeit an der Chinesischen Universität Hongkong (CUHK) nicht weiter ausüben. Wie die Financial Times am Freitag berichtete, sei He von der Universität “mit sofortiger Wirkung” entlassen worden, wobei die CUHK das abgelehnte Visum durch die städtische Einwanderungsbehörde als Grund angab.

Beobachter werten das verweigerte Visum als Folge des Nationalen Sicherheitsgesetzes, mit dem Peking die bürgerlichen Freiheiten in der Stadt seit den Protesten im Jahr 2019 zunehmend beschränkt. Auch die Hochschulbildung leidet unter den verschärften Kontrollen, schreibt die Financial Times. Eine wachsende Zahl von Akademikern habe Hongkong bereits verlassen.

Auch He erklärte, die Ablehnung ihres Visums symbolisiere “die Verschlechterung der intellektuellen Freiheit in Hongkong”. Eines ihrer Bücher zum Thema Tiananmen wurde bereits im Mai aus öffentlichen Bibliotheken entfernt. “Man hat mir von Anfang an gesagt, ich solle nicht über Tiananmen arbeiten”, erklärt He, die in China zur Welt kam. “Es würde nicht ohne einen Preis kommen. Dieses Mal ist der Preis das Ende meines akademischen Lebens in Hongkong.” fpe

  • Hongkong
  • Menschenrechte
  • Nationales Sicherheitsgesetz
  • Tiananmen-Massaker

Presseschau

China’s foreign minister met with Secretary of State Blinken NPR
China’s foreign minister says Xi-Biden meeting in San Francisco would not be “smooth-sailing” ABC NEWS
California governor’s trip shows US-China engagement is still possible on a state level ABC NEWS
Antarktis-Kommission: Russland und China blockieren Einrichtung neuer Schutzgebiete DEUTSCHLANDFUNK
G7 calls for immediate repeal of bans on Japanese food, pressing China REUTERS
Der Konflikt zwischen den USA und China blockiert Deeskalation in Nahost HANDELSBLATT
India-US relationship destined to deepened as long as China is challenger says Indian-American experts TIMES OF INDIA
China-Expertin Simona Grano ist verhalten optimistisch: Tauwetter zwischen USA und China – kehrt eine neue Ära der Entspannung ein? BLICK
Hundreds of mourners lay flowers at late Premier’s Li Keqiang’s childhood residence in eastern China APNEWS
Im Visier des Drachen – Wie China seinen Einfluss in der Welt ausbaut HANDELSBLATT
Zensiert: Punk und Kunst in China NDR
Lemke will gemeinsam mit China das Plastikproblem lösen FAZ
Educated Gen Zers in China are choosing not to work. It could be a problem for the US economy BUSINESS INSIDER
China statt made in Germany: Taugt Deutschland noch als Autostandort? N-TV
Trotz US-Sanktionen: Der modernste Flash-Speicher kommt aus China GOLEM
China approves the world’s first flying taxi HINDUSTAN TIMES
Geheime Sponsoren, ein spektakulärer Neubau und kommunistische Pioniere: zu Besuch beim Weltkongress für Science-Fiction in China NZZ
China: Warum eine riesige Rolltreppe für Diskussionen sorgt STERN

Heads

James B. Cunningham – Ex-US-Diplomat kämpft für Hongkongs Freiheit 

Der ehemalige US-Diplomat James Blair Cunningham ist heute Vorsitzender der US-Menschenrechtsorganisation Committee for Freedom in Hongkong (CFHK).

Afghanistan, Israel, Hongkong – die diplomatische Karriere von James Blair Cunningham führte den US-Amerikaner dreißig Jahre lang rund um die Welt. Auch dieser Tage, als pensionierter Diplomat, bleibt er weiterhin wichtiger Beobachter des Weltgeschehens. Als Vorsitzender des Committee for Freedom in Hongkong (CFHK) begleitet er die Spannungen zwischen Hongkongs Freiheitsbestrebungen und der immer größeren Kontrolle durch Volksrepublik. 

Cunningham studierte Psychologie und Politikwissenschaften an der Maxwell School of Citizenship and Public Affairs der Syracuse University. 1990 begleitete er die US-Mission bei den Vereinten Nationen nach der irakischen Invasion Kuwaits. Zwei Jahre später verschob sich sein Fokus auf Europa. In seine Amtszeit als Direktor des Office of European Security and Political Affairs des State Department fielen der Bosnien-Krieg und Abrüstungsvorhaben in Osteuropa.

Anfang der 2000er-Jahre begann der Spitzendiplomat seine Karriere als Botschafter: Zuerst 2001 kommissarisch als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, ab 2005 übernahm er drei Jahre lang die Position des Generalkonsuls in Hongkong und Macau. Darauf folgten Stationen als US-Botschafter in Israel und bis 2014 in Afghanistan. Danach schied er aus dem diplomatischen Dienst aus.

Seither ist Cunningham als Berater tätig, sowie als Lehrbeauftragter an seiner Alma Mater Syracuse University und seit 2015 als Non-Resident Senior Fellow bei der Denkfabrik Atlantic Council.

Demokratische Staaten sollen Flagge beziehen

2021 übernahm er den Vorstandsposten des CFHK. Die Organisation hat ihren Sitz in den USA und kämpft für den Erhalt der Freiheitsrechte in Hongkong. “Hongkong war einst ein leuchtendes Beispiel für globales Unternehmertum, sein Erfolg ein Beweis dafür, was eine freie Gesellschaft, verbunden mit einer offenen und einladenden Wirtschaft, erreichen kann”, schrieb Cunningham im Online- Medium “Conservative Home”. “Heute ist Hongkong nur noch ein Schatten seiner selbst, erdrückt vom Gewicht der autoritären Macht der Kommunistischen Partei Chinas.” 

Der Diplomat sieht in Chinas Vorgehen gegen Hongkong und pro-demokratische Aktivisten eine Vorschau für Chinas politische Zukunft. Aus Cunninghams Sicht müssen andere Staaten daher Flagge zeigen: “Demokratische Regierungen auf der ganzen Welt müssen eine Entscheidung treffen. Sie können die Verfolgung von Lai (dem Verleger Jimmy Lai, d. Red.) und vielen anderen in Hongkong als schreiendes Unrecht anprangern, oder sie können schweigen und sich mitschuldig machen”, schreibt Cunningham.

Vor dem US-Senatsunterausschuss für Finanzhandel beschrieb Cunningham die Lage Hongkongs 2021 als die Folge chinesischer Machtdemonstration: “Peking hatte es nicht nötig, die Kontrolle über Hongkong zu übernehmen und das vermeintlich hohe Maß an Autonomie, das es versprochen hatte, auszuschalten, um der Stadt Stabilität zurückzugeben.”

Ursache dafür ist in seinen Augen vor allem eines: Chinas Unsicherheit. “Die Tatsache, dass China dies aus Angst und vielleicht auch aus Ungeduld getan hat, erinnert daran, wie leicht sich Peking dem politischen Dialog entziehen und die Achtung der internationalen Gemeinschaft missachten kann.” Svenja Schlicht

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Personalien

Zhong Ren wird Direktor der Sinopec-Gruppe. Zuvor war er leitender Angestellter bei Sinochem Holdings, dem Öl-, Gas- und Chemiekonglomerat, das aus der Fusion der Sinochem Group und ChemChina hervorgegangen ist. In Zukunft wird Zhong zudem auch als stellvertretender Parteisekretär des Erdgas- und Mineralölunternehmens fungieren.

Tang Dengjie wurde zum Sekretär der Kommunistischen Partei in der nordchinesischen Provinz Shanxi ernannt. Mit dieser Ernennung bekleidet Tang, der zuletzt als Chinas Minister für zivile Angelegenheiten tätig war, nun den höchsten politischen Posten in einer wichtigen kohleproduzierenden Provinz.

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Dessert

Glückliche Übergabe: Am Donnerstag feierten die Astronauten der chinesischen “Tiangong”-Raumstation die Ablöse durch die drei eben per Raumschiff eingetroffenen Astronauten der “Shenzhou-17″-Mission. Die neue Besatzung unter dem Kommando des erfahrenen Astronauten Tang Hongbo wird sich rund sechs Monate im All aufhalten, um wissenschaftliche Versuche durchzuführen und einer kommenden Mondmission Chinas den Weg zu ebnen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    trotz kritischer Diskussion um eine zu große Abhängigkeit investieren deutsche Unternehmen wieder kräftig in der Volksrepublik, De-Risking hin oder her. Das ist nicht das einzige, was uns Sorgen machen sollte, sagt der Ökonom und China-Experte Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln im Interview mit Amelie Richter. “Wir sehen, dass Unternehmen den chinesischen Markt zunehmend mit der Produktion vor Ort bedienen wollen – und nicht mit Exporten aus Deutschland.” Und das bedeute dann am Ende mehr chinesische Arbeitsplätze und weniger deutsche.

    China bleibt ein großer und attraktiver Markt. Und China legt den Unternehmen, deren Technologie es braucht, noch immer den roten Teppich aus, sagt Matthes. “Firmen, die nicht mehr gebraucht werden, müssen stattdessen damit rechnen, dass ihnen zunehmend Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.”

    China trauert derweil weiter um den ehemaligen Premier Li Keqiang. In den Staatsmedien ist von großer Sympathie für den Verstorbenen jedoch wenig zu spüren. Dort postete man vor allem Phrasen und ging nach dem versprochenen Nachruf geradezu abrupt zum Tagesgeschehen über, was vor allem bedeutet, wieder die Pläne und Erfolge Xi Jinpings zu feiern.

    Den kargen Worten von offizieller Seite zum Trotz kamen in Lis Heimatstadt Hefei hunderte Menschen zusammen, um Trauerkränze abzulegen. In den sozialen Medien erinnerten viele an Lis Einsatz im Kampf gegen den Smog oder an seine Sorge für die wirtschaftlichen Nöte des Volkes nach der Corona-Pandemie. Öffentliche Kritik an Xis Regierung blieben jedoch jenseits spitzer, und schnell wieder gelöschter Kommentare aus. Bisher sieht es nicht so aus, als werde Lis Tod zur Projektionsfläche für Unzufriedenheit, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.

    Ihr
    Fabian Peltsch
    Bild von Fabian  Peltsch

    Analyse

    “Trotz China-Debatte wird dort mehr investiert”

    Jürgen Matthes ist China-Experte am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.

    Herr Matthes, für das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) haben Sie sich die deutschen Direktinvestitionen in China genauer angesehen. Was haben Sie dabei herausgefunden? 

    Wir haben gesehen, dass deutsche Unternehmen bislang in diesem Jahr weiterhin in hohem Maß in die Volksrepublik zusätzlich investiert haben. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres sprechen wir von 10,3 Milliarden Euro. Die deutschen Direktinvestitionen nach China entsprechen damit 16,4 Prozent der gesamten deutschen Direktinvestitionsströme ins Ausland. Es gab diesen Run bereits in den letzten zwei, drei Jahren. Das höchste Niveau der neuen Investitionen hatten wir im vergangenen Jahr erreicht. Anders als man vielleicht erwarten mag, angesichts der kritischer gewordenen Diskussion um China, sehen wir also keine Abnahme bei den Direktinvestitionen oder gar einen Rückzug aus China. Im Gegenteil, es wird noch mehr in China investiert. 

    Fließt also immer mehr Unternehmenskapital von Deutschland nach China? 

    Das kann man wiederum so nicht sagen. Die zusätzlichen Direktinvestitionen in China setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Der starke Treiber der vergangenen Jahre ist vor allem, dass überwiegend die in China erwirtschafteten Gewinne dort geblieben und in neue Investitionen geflossen sind. Das war zuletzt also die Hauptquelle und weniger neues Kapital aus Deutschland. 

    Wie erklären Sie den noch verstärkten Drang nach China trotz der Warnungen der Politik?

    Das sagen uns die Zahlen der Deutschen Bundesbank leider nicht. Aus anderen Studien wissen wir aber, dass es gewisse Unterschiede gibt, je nachdem, ob man auf Großunternehmen schaut oder eher auf mittelständische Unternehmen. Es scheint so zu sein, dass verschiedene Großunternehmen noch kräftig weiter in China investieren. Mittelständische Firmen, zumindest einige von ihnen, werden bei China aber offenbar vorsichtiger. 

    Der Großteil der Direktinvestitionen ist also Geld, das in China erwirtschaftet wurde. Bleiben die Gewinne komplett dort? 

    Nein. Wir haben im vergangenen Jahr mit anderen Partnern eine Studie erstellt, die gezeigt hat, dass ein durchaus relevanter Anteil der in China erzielten Gewinne in den letzten zehn Jahren nach Deutschland zurückgeflossen ist. Aktuelle Zahlen haben wir dazu bedauerlicherweise nur eingeschränkt, weil die Bundesbank aufgrund sehr restriktiver Geheimhaltungsvorschriften die relevanten Zahlen nicht preisgeben darf. Das erschwert eine objektive Analyse unserer wirtschaftlichen Abhängigkeiten von China und sollte politisch überdacht werden. 

    Nach Ihrer aktuellen Studie sieht es ja aber eher so aus, als blieben die Gewinne zunehmend dort. 

    Ja, diese Tendenz scheint zu bestehen. Vor allem macht uns aber eine andere Entwicklung Sorgen: Wir sehen, dass Unternehmen den chinesischen Markt zunehmend mit der Produktion vor Ort bedienen wollen – und nicht mit Exporten aus Deutschland. Das bedeutet am Ende mehr chinesische Arbeitsplätze und weniger deutsche. Unternehmen gehen zudem mit der neuesten Technologie nach China und nutzen die Volksrepublik zunehmend als Brückenkopf, um von dort nach Asien zu exportieren. Auch das hat mittelfristig das Potenzial, dem Standort Deutschland zu schaden im Vergleich zu einem Szenario, in dem die Nachfrage in China und Asien überwiegend über Exporte von hier aus bedient wird. 

    Also nichts mit De-Risking, wofür Bundesregierung und EU-Kommission plädieren? 

    China entwickelt sich wirtschaftlich in diesem Jahr nicht so, wie man das erwartet hat. Trotzdem bleibt China ein großer und attraktiver Markt. Es wird zunehmend in China für China produziert, in China für China geforscht. Die Firmen beziehen in China zunehmend auch Vorleistungen, indem sie beispielsweise die Zulieferer-Strukturen lokalisieren. Viele deutsche Firmen dort haben offenbar die Strategie, ihr China-Geschäft stärker zu isolieren, auch um sich von Unwägbarkeiten der Geopolitik, und von Handelskriegen weniger abhängig zu machen. So wünschenswert das einerseits ist, so sehr hat es andererseits das Potenzial, unsere eigene Volkswirtschaft zu schwächen. China droht aus dieser Perspektive zum Gewinner des Handelskriegs mit den USA zu werden. 

    Dass sich die Firmen gegen geopolitische Risiken absichern wollen, klingt ja erstmal nachvollziehbar. 

    Für die Firmen schon. Aber das geoökonomische Problem dabei ist, dass Produktion und Forschung dort der Volksrepublik dabei hilft, sich mittelfristig stärker unabhängig vom Ausland zu machen. Da tut sich eine gewisse Divergenz auf zwischen der individuellen Rationalität der Unternehmen und dem volkswirtschaftlichen Nutzen ihrer Aktivitäten. Betriebswirtschaftlich ist das Verhalten der Firmen unter den gegebenen Rahmenbedingungen sinnvoll und nachvollziehbar. Aber gesamtwirtschaftlich und politisch gesehen erscheint es problematisch, wenn deutsche Firmen China bei seiner Strategie helfen, wirtschaftlich und technologisch unabhängiger vom Ausland zu werden. Das ist zweifellos ein großes Dilemma für die Politik. Gravierend wird es, wenn deutsche Technologie letztlich dabei hilft, dass China seine militärischen Fähigkeiten weiter ausbauen kann. 

    Denken Sie, der Trend hin zu mehr China wird so bleiben? 

    Das hängt davon ab, wie sich China weiterentwickelt. Wenn die Immobilienkrise noch breitere Kreise zieht oder der Zugriff der Kommunistischen Partei in vielen Bereichen immer stärker wird, dann dürften sich die Wachstumsperspektiven in China für längere Zeit verdüstern. Die gegenwärtige Verunsicherung unter den deutschen Firmen in China würde dann sicherlich noch stärker werden und es gäbe vermutlich mehr Rückzugtendenzen. Sollte sich China aber doch freistrampeln und konjunkturell wieder kräftig erholen, sieht es anders aus. Dann werden viele deutsche Unternehmen dort sicherlich weiter investieren und gute Geschäfte machen wollen.  

    Ist das nicht naiv? 

    Es gibt das Risiko, dass in fünf oder in zehn Jahren immer mehr Unternehmen Schwierigkeiten in China bekommen. Eine gewisse Tendenz dazu haben wir ja bereits gesehen. China legt den Unternehmen, deren Technologie gebraucht wird, zwar wieder den roten Teppich aus. Firmen, die nicht mehr gebraucht werden, müssen stattdessen damit rechnen, dass ihnen zunehmend Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Das Problem dabei ist: Je mehr China technologisch aufholt, desto größer wird der Anteil der Firmen in der zweiten Gruppe. Man kann den Firmen – das muss ich noch mal klar sagen – wirtschaftlich kein Fehlverhalten vorwerfen. Das sind die Rahmenbedingungen, die wir den Firmen gesetzt haben. Und unter diesen Rahmenbedingungen optimieren Sie ihre betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Deswegen ist es so wichtig, dass in der China-Strategie steht: Die Unternehmen sollen sich darauf vorbereiten, dass sie im Fall eines geopolitischen Konflikts die Verluste, die dann in China entstehen dürften, nicht auf den Steuerzahler abwälzen können. Das ist eine ordnungspolitisch sehr wichtige Ansage. 

    Die Strategie hat das Risiko also schon klar formuliert. Viel reale Wirkung hat es aber offenbar nicht. Muss die Politik den Unternehmen konkret mehr helfen?

    Wichtig wären mehr Freihandelsabkommen der EU mit anderen asiatischen Staaten. Wir brauchen zudem das Abkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten. Es geht also um mehr Handel mit anderen Schwellenländern, die hinreichend groß sind. Zwar gilt: Kein anderes Schwellenland kommt allein an die Volksrepublik heran. Aber alle zusammengenommen können uns beim De-Risking helfen und ein Ersatzpotenzial für etwas weniger Handel mit China bieten. Deshalb ist es so wichtig, die Partnerschaften mit diesen Ländern schnell und konsequent auszubauen.  

    Wie sieht es denn mit den anderen asiatischen Ländern im Vergleich aus? 

    Auch dort steigen die deutschen Direktinvestitionen tendenziell, aber nicht stärker als die nach China. Anteilsmäßig ist hier also keine Verschiebung und kein De-Risking bislang sichtbar.  

    Würden Sie sagen, dass die Direktinvestitionen für das Gesamtbild der Abhängigkeit von China stehen, oder muss man das differenzierter sehen? 

    Wir reden bislang ja nur über die Abhängigkeit von Firmen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit hat aber verschiedene Facetten. Die These, dass China generell so wahnsinnig wichtig für unser Wachstum gewesen ist, die hat nicht wirklich Hand und Fuß. Das ist ein falsches Narrativ, das aber in den Medien immer wieder gespielt wird. Wenn wir die Empirie und die Zahlen sprechen lassen, zeigt sich gesamtwirtschaftlich zumindest ein anderes Bild: Nur etwa drei Prozent der deutschen Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt vom Export nach China ab. 

    Drei Prozent klingt nicht viel. 

    Drei Prozent sind viel weniger, als die allermeisten Menschen vermutlich schätzen würden. Weil die öffentliche Debatte geprägt ist von den hohen chinesischen Umsatzanteilen von manchen deutschen Unternehmen. Diese Zahlen beeinflussen vermutlich auch unser Bild von der deutschen Exportabhängigkeit von China. Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass hinter den drei Prozent mehr als eine Million Arbeitsplätze stehen. Drei Prozent sind also nicht nichts, aber es ist trotzdem eine viel geringere Abhängigkeit, als wir denken. 

    Ist die Abhängigkeitsdebatte von China also letztlich überzogen? 

    Das ist leider nicht so. Denn wir sind vor allem auf der Importseite sehr abhängig von China. Das gilt zwar nicht für die gesamtwirtschaftliche Sicht, aber umso mehr für teils sehr hohe Einfuhranteile Chinas bei einzelnen Produkten. Dazu gehören nicht nur seltene Erden. Sondern das sind auch elektronische Bauteile, chemische und pharmazeutische Grundstoffe. Wenn die Bundesregierung es ernst meint, dann ist De-Risking an dieser Importabhängigkeit nötig. Denn bei Produkten, die unverzichtbar sind und die wir kurzfristig nicht aus anderen Quellen bekommen, sind wir erpressbar. In einem potenziellen Taiwan-Konfliktfall fällt uns diese Abhängigkeit auf die Füße und begrenzt unsere politische Handlungsfähigkeit. Daher liegt vor allem hier hoher und dringender Handlungsbedarf. 

    Jürgen Matthes ist Leiter des Clusters Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut für Deutsche Wirtschaft in Köln. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben China die Globalisierung, Europäische Integration (Euro und EU) und das deutsche Exportmodell.

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    Bürger bekunden ihre Trauer um Li Keqiang

    Die Titelseite der Volkszeitung vom Samstag.

    Der Tod des chinesischen Ex-Premiers Li Keqiang hat landesweit Trauerbekundungen ausgelöst. In seinem Heimatort in der Provinz Anhui sowie in der Hauptstadt von Anhui, Hefei, kamen Menschen zusammen; einige legten Blumen ab. Hier hatte Li als Jugendlicher gewohnt. Auch in anderen Städten legten Bürger Blumen unter Lis Bild. Aus Peking gab es dagegen keine Berichte von Versammlungen zu Ehren Lis. Offenbar sind sie hier verboten, weil sie politisch zu brisant sind.

    Die Trauerbezeugungen, obwohl nicht überraschend, luden viele Kommentatoren zu Interpretationen ein. “Die Massentrauer um Li Keqiang gilt auch einem China, das nicht hat sollen sein“, schreibt die Menschenrechtsaktivistin Wang Yaqiu von der Organisation Freedom House in Washington. Die Trauernden zeigten die große Sympathie für eine Führungspersönlichkeit, die versucht hat, China zu einem besseren Ort zu machen, daran aber gescheitert ist. “Darin zeigt sich auch Unzufriedenheit mit Xi und Verzweiflung mit Chinas Zukunft.”

    “Letzte Bremse am irren Zug”

    Ein X-Thread des Schriftstellers Hao Qun vergleicht Li ausdrücklich mit Hu Yaobang. Hu war in den 1980er-Jahren Generalsekretär der KP. Er stand für Reformen. Sein Tod 1989 war ein Mitauslöser der Studentenproteste. Li habe als die “letzte Bremse an dem irren Zug” des China unter Xi Jinping gegolten.

    Das sind allerdings Stimmen von Exilanten, die sich einen tiefgreifenden Wandel in China herbeisehnen und nun auch die Trauer um Li diesem Muster folgend interpretieren. Bisher gibt es keine Anzeichen für eine Massenbewegung, die sich gegen die Herrschaft der KP richtet, und es gibt keine Berichte über öffentliche Kritik an Xi.

    Gesundheitlich angeschlagen

    Li war in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Alter von 68 Jahren gestorben. China.Table hat ihm am Freitagmittag eine Reihe von Artikeln gewidmet:

    Li hatte in den vergangenen Jahren bereits gesundheitliche Probleme und wirkte nach Berichten von Gesprächspartnern des Premiers zuweilen angeschlagen. Manchmal musste er sich zwischen zwei Terminen ausruhen.

    Volkszeitung würdigt Li vor allem mit Phrasen

    Während Chinas Staatsmedien sich am Freitag noch zurückhielten, veröffentlichte die Volkszeitung in ihrer Samstagsausgabe einen Nachruf auf der Titelseite. Der Text besteht aber vor allem aus einer Aufzählung seiner Karrierestationen plus Phrasen über seinen Kampf für den Kommunismus. “Genosse Li Keqiang ist unsterblich!”, endet die Volkszeitung ihren Nachruf.

    Auf der Website der Volkszeitung stand der Beitrag aber nur kurz oben, um dann gleich wieder von Berichten über die Aktivitäten Xi Jinpings verdrängt zu werden. Am Sonntag ging es auf der Homepage dann vor allem um einen von Xi angeleierten Politbüro-Entschluss, den “Gemeinschaftssinn zu stärken”; der Artikel über Li Keqiang fand sich nicht mehr im sichtbaren Bereich. Die Führung will offenbar signalisieren, dass dem Tod Lis nicht zu viel Aufmerksamkeit beschieden ist.

    Behörden zensieren politische Äußerungen

    Im Netz waren reine Beileidsbekundungen erlaubt. Doch schon Li-Zitate, die sich als Kritik am derzeitigen Kurs der Regierung lesen lassen, wurden zensiert. “China Öffnung geht weiter, genauso wie der Yangzi und der Gelbe Fluss niemals rückwärts fließen” – das ging den Meinungswächtern dann doch zu weit. Auch die Nennung als “guter Premier” ist schon jenseits der roten Linie, schließlich hatte Xi ihn politisch kaltgestellt. Hinweise auf seinen plötzlichen Tod waren ebenfalls online nicht erwünscht, offenbar um Verschwörungstheorien über eine Ermordung Lis keinen Raum zu lassen.

    Die große Trauer um den Premier, der von Xi politisch an den Rand gedrängt wurde, erklärt sich auch aus Anerkennung für seine Politik. So habe er den Kampf gegen den Smog angeführt, sagt Katja Drinhausen, Leiterin des Forschungsbereichs Innenpolitik und Gesellschaft beim Forschungsinstitut Merics. Er nahm auch die wirtschaftlichen Sorgen von Unternehmern und Bürgern ernst, während Xi vor allem Erfolge verkünden ließ.

    Li war ein populärer Politiker

    Dennoch hält es Drinhausen nach jetzigem Stand für wenig wahrscheinlich, dass die Trauer um Li außer Kontrolle gerät. “Li Keqiang hatte nie ein so hohes öffentliches Ansehen wie Hu Yaobang, oder ein volksnahes Image wie sein Vorgänger Wen Jiabao.”

    Angesichts von Xi Jinpings Dominanz und fehlender alternativer Figuren sei aber durchaus denkbar, dass Li doch noch zur Projektionsfläche für Unzufriedenheit und Sorgen werde. “Denn die wirtschaftlichen und persönlichen Einbußen von Xis Null-Covid-Politik sind in China noch lange nicht überwunden.” Es sei davon auszugehen, dass sich der gesamte Sicherheits- und Zensurapparat in Alarmbereitschaft befinde, so Drinhausen.

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    News

    Xi und Biden wollen sich bereits im November treffen

    Xi Biden
    Joe Biden und Xi Jinping

    US-Präsident Joe Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping werden sich im November in San Francisco treffen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AP aus gut unterrichteten Kreisen. Beide Seiten hätten demnach während der Unterredung des chinesischen Außenministers Wang Yi am Freitag mit seinem US-Amtskollegen Antony Blinken und dem nationalen Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, eine grundsätzliche Vereinbarung über eine Zusammenkunft Bidens und Xis getroffen. Das Treffen soll im Rahmen des Gipfels der Asien-Pazifik-Staaten (Apec) im kommenden Monat stattfinden.

    Biden und Xi haben sich zuletzt im November 2022 am Rande des Gipfels der G20-Staaten auf der indonesischen Insel Bali getroffen. Das US-chinesische Verhältnis gilt als angespannt. Zum Abschluss seiner US-Reise sagte Wang Yi: “Der Weg nach San Francisco ist nicht glatt und kann nicht dem Autopiloten überlassen werden.”

    Am Sonntag hat derweil das dreitägige Xiangshan-Forum für Militärdiplomatie begonnen – dieses Mal ohne einen chinesischen Verteidigungsminister. Die chinesische Führung hatte vergangenen Dienstag den seit zwei Monaten abgetauchten Verteidigungsminister Li Shangfu offiziell entlassen. Gegen ihn wird wegen Korruption ermittelt. Ein direkter Nachfolger wurde zunächst nicht genannt. Militärs, die ranghöher sind als der Verteidigungsminister, sind stattdessen für Li beim Xiangshan Forum eingesprungen.

    China hofft, auf dem Forum die Teilnehmer für die Politik und Vorstellungen von Präsident Xi Jinping sensibilisieren zu können, sowie Entwicklungsländer enger an sich zu binden. Auch Russland soll in den Mittelpunkt der Veranstaltung gestellt werden. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist in der Tagesordnung des Forums als erster Gastredner bei der Eröffnungsfeier am Montag aufgeführt.

    Auch das US-Verteidigungsministerium hat eine kleine Delegation entsandt. Wie zwei der teilnehmenden Diplomaten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärten, bietet das Forum die seltene Gelegenheit, mit hochrangigen chinesischen Verteidigungspolitikern und Militärs in Kontakt zu treten, um Vertrauen aufzubauen, das in Krisenzeiten von Nutzen ist. flee/rtr

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    Roboter-Bauer Franka Emika: Mögliche Übernahme aus China

    Foxconn
    Foxconn Logo

    Chinesische Investoren planen laut einem Bericht des Spiegel die Übernahme des insolventen Münchener Roboter-Bauers Franka Emika. Demnach soll einer der großen potenziellen Bieter, das Unternehmen Agile Robots aus München, unter chinesischer Kontrolle stehen. Der Verdacht wurde von der Beteiligungsgesellschaft Schoeller, aufgeworfen, einem Mitbewerber um die Übernahme.

    Deren Gründer, Christoph und Martin Schoeller, haben sich demnach in einem Schreiben an das Bundeswirtschaftsministerium gewandt, um den Verkauf von Franka Emika an Agile zu verhindern. “Wir müssen davon ausgehen, dass es sich bei Agile faktisch um ein durch in China ansässige Gesellschaften und Institutionen kontrolliertes Unternehmen handelt“, erklären die Brüder dort. Investoren der Agile Robots AG seien unter anderem die Firma Foxconn Industrial mit Sitz in China sowie ein ebenfalls dort registrierter Fonds der Venture-Capital-Firma Sequoia. Von den sieben Mitgliedern des Aufsichtsrats seien sechs chinesische Staatsbürger. Produziert werde vornehmlich in Peking und Shenzhen.

    Damit erscheine eine “faktische Veräußerung dieser einzigartigen Hochtechnologie in die Volksrepublik China” als wahrscheinlich. Eine solche Veräußerung sei nach den Vorschriften der deutschen Investitionskontrolle zu untersagen, heißt es weiter in dem Brief. Ein Ministeriumssprecher wollte sich bislang nicht zu dem Fall äußern, weil “schützenswerte Geschäftsgeheimnisse betroffen sind”. Ein Sprecher von Agile gibt sich laut dem Spiegel-Bericht gelassen: “Basierend auf der Erfahrung aus einer ganzen Reihe grenzüberschreitender Transaktionen der vergangenen Jahre erwartet Agile Robots auch im aktuellen Fall keine regulatorischen Hürden für einen solchen Zusammenschluss.” fpe

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    Hongkong verweigert Visum für kritische Wissenschaftlerin

    Chinese University of Hong Kong CUHK Webseite

    Hongkong hat einer Wissenschaftlerin, die zum Tiananmen-Massaker forscht, das Visum verweigert. Die kanadische Geschichtsprofessorin Rowena He kann damit ihre Lehrtätigkeit an der Chinesischen Universität Hongkong (CUHK) nicht weiter ausüben. Wie die Financial Times am Freitag berichtete, sei He von der Universität “mit sofortiger Wirkung” entlassen worden, wobei die CUHK das abgelehnte Visum durch die städtische Einwanderungsbehörde als Grund angab.

    Beobachter werten das verweigerte Visum als Folge des Nationalen Sicherheitsgesetzes, mit dem Peking die bürgerlichen Freiheiten in der Stadt seit den Protesten im Jahr 2019 zunehmend beschränkt. Auch die Hochschulbildung leidet unter den verschärften Kontrollen, schreibt die Financial Times. Eine wachsende Zahl von Akademikern habe Hongkong bereits verlassen.

    Auch He erklärte, die Ablehnung ihres Visums symbolisiere “die Verschlechterung der intellektuellen Freiheit in Hongkong”. Eines ihrer Bücher zum Thema Tiananmen wurde bereits im Mai aus öffentlichen Bibliotheken entfernt. “Man hat mir von Anfang an gesagt, ich solle nicht über Tiananmen arbeiten”, erklärt He, die in China zur Welt kam. “Es würde nicht ohne einen Preis kommen. Dieses Mal ist der Preis das Ende meines akademischen Lebens in Hongkong.” fpe

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    • Tiananmen-Massaker

    Presseschau

    China’s foreign minister met with Secretary of State Blinken NPR
    China’s foreign minister says Xi-Biden meeting in San Francisco would not be “smooth-sailing” ABC NEWS
    California governor’s trip shows US-China engagement is still possible on a state level ABC NEWS
    Antarktis-Kommission: Russland und China blockieren Einrichtung neuer Schutzgebiete DEUTSCHLANDFUNK
    G7 calls for immediate repeal of bans on Japanese food, pressing China REUTERS
    Der Konflikt zwischen den USA und China blockiert Deeskalation in Nahost HANDELSBLATT
    India-US relationship destined to deepened as long as China is challenger says Indian-American experts TIMES OF INDIA
    China-Expertin Simona Grano ist verhalten optimistisch: Tauwetter zwischen USA und China – kehrt eine neue Ära der Entspannung ein? BLICK
    Hundreds of mourners lay flowers at late Premier’s Li Keqiang’s childhood residence in eastern China APNEWS
    Im Visier des Drachen – Wie China seinen Einfluss in der Welt ausbaut HANDELSBLATT
    Zensiert: Punk und Kunst in China NDR
    Lemke will gemeinsam mit China das Plastikproblem lösen FAZ
    Educated Gen Zers in China are choosing not to work. It could be a problem for the US economy BUSINESS INSIDER
    China statt made in Germany: Taugt Deutschland noch als Autostandort? N-TV
    Trotz US-Sanktionen: Der modernste Flash-Speicher kommt aus China GOLEM
    China approves the world’s first flying taxi HINDUSTAN TIMES
    Geheime Sponsoren, ein spektakulärer Neubau und kommunistische Pioniere: zu Besuch beim Weltkongress für Science-Fiction in China NZZ
    China: Warum eine riesige Rolltreppe für Diskussionen sorgt STERN

    Heads

    James B. Cunningham – Ex-US-Diplomat kämpft für Hongkongs Freiheit 

    Der ehemalige US-Diplomat James Blair Cunningham ist heute Vorsitzender der US-Menschenrechtsorganisation Committee for Freedom in Hongkong (CFHK).

    Afghanistan, Israel, Hongkong – die diplomatische Karriere von James Blair Cunningham führte den US-Amerikaner dreißig Jahre lang rund um die Welt. Auch dieser Tage, als pensionierter Diplomat, bleibt er weiterhin wichtiger Beobachter des Weltgeschehens. Als Vorsitzender des Committee for Freedom in Hongkong (CFHK) begleitet er die Spannungen zwischen Hongkongs Freiheitsbestrebungen und der immer größeren Kontrolle durch Volksrepublik. 

    Cunningham studierte Psychologie und Politikwissenschaften an der Maxwell School of Citizenship and Public Affairs der Syracuse University. 1990 begleitete er die US-Mission bei den Vereinten Nationen nach der irakischen Invasion Kuwaits. Zwei Jahre später verschob sich sein Fokus auf Europa. In seine Amtszeit als Direktor des Office of European Security and Political Affairs des State Department fielen der Bosnien-Krieg und Abrüstungsvorhaben in Osteuropa.

    Anfang der 2000er-Jahre begann der Spitzendiplomat seine Karriere als Botschafter: Zuerst 2001 kommissarisch als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, ab 2005 übernahm er drei Jahre lang die Position des Generalkonsuls in Hongkong und Macau. Darauf folgten Stationen als US-Botschafter in Israel und bis 2014 in Afghanistan. Danach schied er aus dem diplomatischen Dienst aus.

    Seither ist Cunningham als Berater tätig, sowie als Lehrbeauftragter an seiner Alma Mater Syracuse University und seit 2015 als Non-Resident Senior Fellow bei der Denkfabrik Atlantic Council.

    Demokratische Staaten sollen Flagge beziehen

    2021 übernahm er den Vorstandsposten des CFHK. Die Organisation hat ihren Sitz in den USA und kämpft für den Erhalt der Freiheitsrechte in Hongkong. “Hongkong war einst ein leuchtendes Beispiel für globales Unternehmertum, sein Erfolg ein Beweis dafür, was eine freie Gesellschaft, verbunden mit einer offenen und einladenden Wirtschaft, erreichen kann”, schrieb Cunningham im Online- Medium “Conservative Home”. “Heute ist Hongkong nur noch ein Schatten seiner selbst, erdrückt vom Gewicht der autoritären Macht der Kommunistischen Partei Chinas.” 

    Der Diplomat sieht in Chinas Vorgehen gegen Hongkong und pro-demokratische Aktivisten eine Vorschau für Chinas politische Zukunft. Aus Cunninghams Sicht müssen andere Staaten daher Flagge zeigen: “Demokratische Regierungen auf der ganzen Welt müssen eine Entscheidung treffen. Sie können die Verfolgung von Lai (dem Verleger Jimmy Lai, d. Red.) und vielen anderen in Hongkong als schreiendes Unrecht anprangern, oder sie können schweigen und sich mitschuldig machen”, schreibt Cunningham.

    Vor dem US-Senatsunterausschuss für Finanzhandel beschrieb Cunningham die Lage Hongkongs 2021 als die Folge chinesischer Machtdemonstration: “Peking hatte es nicht nötig, die Kontrolle über Hongkong zu übernehmen und das vermeintlich hohe Maß an Autonomie, das es versprochen hatte, auszuschalten, um der Stadt Stabilität zurückzugeben.”

    Ursache dafür ist in seinen Augen vor allem eines: Chinas Unsicherheit. “Die Tatsache, dass China dies aus Angst und vielleicht auch aus Ungeduld getan hat, erinnert daran, wie leicht sich Peking dem politischen Dialog entziehen und die Achtung der internationalen Gemeinschaft missachten kann.” Svenja Schlicht

    • Hongkong
    • Menschenrechte

    Personalien

    Zhong Ren wird Direktor der Sinopec-Gruppe. Zuvor war er leitender Angestellter bei Sinochem Holdings, dem Öl-, Gas- und Chemiekonglomerat, das aus der Fusion der Sinochem Group und ChemChina hervorgegangen ist. In Zukunft wird Zhong zudem auch als stellvertretender Parteisekretär des Erdgas- und Mineralölunternehmens fungieren.

    Tang Dengjie wurde zum Sekretär der Kommunistischen Partei in der nordchinesischen Provinz Shanxi ernannt. Mit dieser Ernennung bekleidet Tang, der zuletzt als Chinas Minister für zivile Angelegenheiten tätig war, nun den höchsten politischen Posten in einer wichtigen kohleproduzierenden Provinz.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Glückliche Übergabe: Am Donnerstag feierten die Astronauten der chinesischen “Tiangong”-Raumstation die Ablöse durch die drei eben per Raumschiff eingetroffenen Astronauten der “Shenzhou-17″-Mission. Die neue Besatzung unter dem Kommando des erfahrenen Astronauten Tang Hongbo wird sich rund sechs Monate im All aufhalten, um wissenschaftliche Versuche durchzuführen und einer kommenden Mondmission Chinas den Weg zu ebnen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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