die IAA war einst das Schaufenster der deutschen Automobilindustrie. Doch dieses Mal richtet sich der Blick auch bei vielen deutschen Besuchern vor allem auf Modelle aus einem ganz anderen Land: China. Denn diese können sich durchaus sehen lassen, schreibt Julia Fiedler, die sich die Präsentationsshows in München angesehen hat.
Die chinesische Konkurrenz punktet nicht nur preislich, sondern neben funktionierender IT auch mit schnittigem Design und exzellenter Verarbeitung. Das Zittern der einstigen Platzhirsche hat begonnen.
Nicht besser ist die Stimmung in München unter deutschen Autozulieferern. Auch sie zählten zu den Schwergewichten. Doch auch hier holt die Konkurrenz aus Fernost im Zuge der Elektrifizierung spürbar auf. Und die Zeit drängt, warnt Carsten Hübner in seiner Analyse. Wer sich bei der Transformation vom Verbrenner zur E-Mobilität nicht beeilt, dem geht auch der finanzielle Spielraum rasch verloren. “China Speed” bestimmt die IAA in München.
Wer hat den größeren Stand – Volkswagen oder BYD? Das lässt sich ohne Maßband nicht so leicht sagen. In den Münchner Messehallen vollzieht sich vor den Augen des Fachpublikums eine Zeitenwende. BYD stellt sein Premierenfahrzeug Seal vor einem riesigen Screen vor, der Naturspektakel zeigt. Im Cockpit weckt das drehbare Mega-Display den Spieltrieb der Messebesucher. Die sportliche Mittelklasse-Limousine, die mit dem Tesla Model 3 vergleichbar ist, ist den ganzen Tag über umringt von Menschen.
VW hingegen hat seine nur mäßig beliebten ID-Modelle mitgebracht. Die elektrische Zukunftsvision der Marke steht hinter einer Absperrung in zweiter Reihe: Der schnittige GTI Concept ist bisher nur ein Konzeptfahrzeug, als ein reines Ausstellungsstück, um Ideen zu präsentieren. VW will mit ihm Emotionen wecken, Tradition und Jugenderinnerungen sollen als Selling Point dienen. Das nehmen viele Besucher als Sinnbild für die Autoindustrie wahr- die einen angriffslustig, die anderen klammern sich an vergangene Erfolge.
Der ernüchternde Eindruck in den Messehallen täuscht zwar. Denn ein großer Teil der Messe ist in die Innenstadt gewandert, als “Open Space”. Die Leistungsschau der deutschen Autoindustrie ist nun zum Teil ein riesiges Straßenfest und es gibt es sie noch: Die gewohnt gewaltigen Messestände. Aber obwohl Volkswagen am Odeonsplatz mit einem zweiten Stand dicker auffährt, steht gleich gegenüber ebenfalls ein zweiter Stand der Chinesen von BYD.
Im Vorfeld der Messe zeigten sich die CEOs der deutschen Autounternehmen noch gelassen. Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender von BMW, drückte es in einem Handelsblatt-Interview so aus: “Ambition ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Erfolg”, sagte er. Erst müsse sich zeigen, wie gut die neuen Spieler die Bedürfnisse und den Geschmack der europäischen Kunden treffen.
Zipse hegt Zweifel, ob etwa digitale Dienstleistungen der chinesischen Konkurrenz schon auf hiesige Anforderungen ausgelegt oder die “komplexen Prozesse für Vertrieb, Service und die Versorgung mit Ersatzteilen eingespielt sind “In der Autoindustrie muss man sich in sehr vielen Punkten beweisen – gerade in einem neuen Markt.” Doch es stellt sich sofort auch die Frage, wie lange solche Beschwichtigungen bei Unternehmen mit einer so steilen Lernkurve wie BYD und Nio Bestand haben.
Den Geschmack des deutschen Publikums scheinen einige der chinesischen Hersteller jedenfalls zu treffen. Ein Erstkontakt mit der Spezies chinesisches E-Auto am Stand von XPeng (gesprochen: Xiaopeng) sieht so aus: Zwei junge Ingenieure eines deutschen Premiumherstellers steigen in die sportliche Limousine XPeng P7 High Performance. Durch nach oben aufschwingende Flügeltüren.
Als Erstes fällt der Blick auf das riesige Display im Cockpit, dann wird das hochwertige Leder der Sitze angefasst. Es ist mit leuchtend grünen Ziernähten abgesteppt, in der gleichen Farbe kommen auch die Gurte daher. Türen werden mehrmals zugeschlagen: Toller Klang! Auf Türverkleidungen geklopft: unterschäumt und kein billiges Plastik! Am Sitz entdecken die beiden eine kleine Falte im Leder. Und am Armaturenbrett fühlt sich eine Kante beim Entlangfahren mit dem Finger von unten nicht ganz sauber an.
Das Fazit der beiden ist positiv – vor allem, als sie den Preis für das Fahrzeug hören, das es ab 2024 in Deutschland gibt: Los geht’s bei 59.000 Euro. Leistung: 473 PS, Flügeltüren kosten allerdings extra. Ein von der Fahrzeugklasse und Qualität vergleichbares Modell von Mercedes, die EQE Limousine, würde bei etwas geringerer Motorisierung fast 90.000 Euro kosten. Hier ist nichts billig, sagt einer der beiden jungen Männer, das ist definitiv kein “Made in China”. Doch, ist es. Aber: Bei “Made in China” müssen wir vielleicht künftig umdenken.
Der ADAC hat die chinesischen Hersteller, die in Deutschland bereits erhältlich sind, getestet. Darunter MG Motors, BYD, Aiways und Nio. Das Urteil des ADAC-Experten für E-Mobilität, Matthias Vogt, fällt grundsätzlich positiv aus. “Die qualitative Verarbeitung erwies sich als sehr ordentlich. Viele Fahrzeuge von etablierten Marken werden in China gefertigt und hier verkauft. Die Qualität in den Werken ist also durchaus gut, da haben wir keine negativen Auffälligkeiten gefunden. Was zum Teil mich selber überrascht hat, war die Wertanmutung der Materialien.” Und auch die Fahreigenschaften seien gut.
Aber: Gerade, wenn es an Hochgeschwindigkeitsfahrstabilitäten geht und Ausweichtests würde man schon “noch mal ein Quäntchen Unterschied zu der etablierten Konkurrenz” finden, so der Tester. “Das sind dann aber wirklich Nuancen, wo erfahrene Autofahrer oder Autotester Unterschiede wahrnehmen.”
Vor allem bei der Sicherheit habe sich viel getan. Während der erste Crashtest vor knapp 20 Jahren an der Crashwand gescheitert sei, lägen die Chinesen nun auf hohem Niveau. “Die passive Sicherheit ist gut, aber auch in der aktiven Sicherheit, also mit Assistenzsystemen, sind sie ziemlich gut ausgestattet. Im Alltag nerven jedoch bei vielen chinesischen Fahrzeugen die ganzen Warntöne und Piepser, die eingebaut sind.”
Ein Bedenken teilt der ADAC-Experte mit BMW-CEO Zipse: “Wie viele Werkstätten gibt es? Wie weit muss ich fahren zu einer Reparatur? Wie kundenfreundlich agiert dann der Händler, wie ist die Ersatzteilversorgung? Das sind alles Dinge, die tatsächlich im Alltag nerven können”.
Hui Zhang, Europachef von Nio, spricht fließend Deutsch. Er hat seinen Master in Deutschland gemacht und jahrelang für deutsche Unternehmen gearbeitet. In Startup-Manier nimmt Hui Zhang auf einem kleinen Hocker neben einem Kaffeestand Platz und berichtet von der Strategie des chinesischen Autoherstellers, der auch gerne mal als chinesischer Tesla gehandelt wird.
Nio ist seit 2022 auf dem deutschen Markt, mit drei Premium-Modellen. Die ersten Schritte nach Deutschland machte das Unternehmen bereits 2015, mit einem Design-Headquarter in München. Im vergangenen Jahr wurde dort zudem ein Fahrzeugentwicklungsteam aufgebaut, in Berlin in diesem Sommer das Nio Berlin Innovation Center eröffnet. Hier werden auch die Anpassungen der Modelle für Europa geplant.
Warum der Fokus auf Deutschland? Das habe mit der Talentsuche zu tun, antwortet Hui Zhang. “Ingenieure aus Deutschland sind in der Autoindustrie weltweit berühmt“, so Zhang weiter. “Wo wir Talente finden, da bauen wir unsere Ingenieur-Center. Viele Silicon-Valley-Unternehmen wie Amazon, oder Microsoft haben ja schließlich auch einen Campus in Berlin”. Für die deutsche Autobaukunst bedeutet das: Sie lebt weiter – aber in Zukunft vielleicht immer öfter in chinesischen Autos.
Bei seiner Deutschland-Strategie setzt Nio unter anderem auf eine eigene Lade-Infrastruktur. Der Nio-Spezialität sind Battery Swap Stations, an denen man innerhalb von fünf Minuten die gesamte Batterie austauscht, statt das Auto an die Ladesäule zu hängen. Insgesamt hat das Unternehmen bisher 1.800 solcher Stationen installiert, größtenteils in China, ein Millionenaufwand. Hohe Investments in die Infrastruktur möchte Nio auch in Europa tätigen – ein Beweis für die langfristigen Ambitionen des Unternehmens.
Bisher gibt es noch nicht viele der Wechselstationen, drei in Deutschland, 26 in Europa. Bis Ende des Jahres sollen es 100 sein. Die Nutzer werden nicht Schlange stehen müssen: Von Januar bis Juli 2023 wurden in Deutschland nur 394 Nios zugelassen. Hui Zhang denkt dennoch groß: “Wir haben zwei Fabriken in China mit circa 300.000 Einheiten Produktionskapazität. Wir haben die Kapazitäten, um mehr Autos abzusetzen.”
Und das soll über die Nio-Häuser funktionieren, Autohäuser im Stil von Pop-up-Stores in Fußgängerzonen, die auch Community-Events und Coworking-Spaces anbieten. Es gibt sie bereits in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf, bald folgt der Hamburger Standort. Und über Firmenkooperationen: Man spreche mit einigen Unternehmen, um im Premium-Dienstwagensegment Fuß zu fassen.
Chinas Schwergewicht BYD, das inzwischen mehr als fünf Millionen Fahrzeuge produziert hat, setzt derweil auf einen starken Kooperationspartner: Der Autovermieter Sixt hat im vergangenen Jahr angekündigt, bis 2028 insgesamt 100.000 BYD-Autos anschaffen zu wollen. Bevor Sixt im größeren Stil Fahrzeuge einkaufe, mache sich die Autovermietung selbstverständlich mit der Qualität vertraut, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage von Table.Media. Von der sei man bei BYD überzeugt. Auch wie sich BYD beim Absatz entwickelt habe, zeuge durchaus davon, dass das Unternehmen ein ernst zu nehmender Akteur sei.
Für den Hersteller aus China wiederum ist die Kooperation eine gute Strategie, um einen Fuß in den Markt zu bekommen. Denn über Sixt lernen potenzielle Käufer die Fahrzeuge kennen und haben die Möglichkeit, sie zu testen. Der Bekanntheitsgrad ist noch ein Problem, gibt Penny Peng, Marketingdirektorin für Europa, zu. Laut Statistik des Kraftfahrtbundesamtes verzeichnet BYD für Januar bis Juli 2023 schlappe 632 Zulassungen in Deutschland. Verkauft werden BYDs über etablierte Autohändler, die auch Service und Ersatzteilversorgung übernehmen.
BYD wurde 1995 als Batteriehersteller gegründet, 1998 eröffnete das Unternehmen einen Standort in den Niederlanden und vertrieb zunächst Elektro-Busse für den Stadtverkehr. 2021 stellte BYD den ersten Pkw für den europäischen Markt auf der Automesse in Paris vor, inzwischen gibt es in Deutschland sechs Modelle. Der “Dolphin” ist schon ab 36.000 Euro zu haben und damit eines der günstigsten E-Autos auf dem deutschen Markt. “Weil sich unsere Strategie um die Batterietechnologie herum entwickelt hat, sind wir kein reines Auto-Unternehmen”, sagt Penny Peng. “Wir verstehen das gesamte Ökosystem, weil wir die Batterie, den Motor und die Motorsteuerung selbst herstellen.”
Kooperationen bietet BYD anderen Herstellern gerne an, sagt Peng. Mit Toyota etwa habe man bereits ein Fahrzeug entwickelt und dafür die gesamte Plattform geliefert. Das Ergebnis einer Kooperation mit Mercedes-Benz im Jahr 2011 steht am Stand – oder besser die Neuauflage: Der Denza floppte, Mercedes reduzierte seinen Anteil am Joint Venture auf zehn Prozent. Nun hat BYD den Premium-Van als D9 neu aufgelegt, es soll bereits viele Vorbestellungen geben.
Bisher sind chinesische Autos in Deutschland noch Exoten. Laut Kraftfahrtbundesamt lag ihr Anteil an den Neuzulassungen von Januar bis Juli 2023 bei 0,9 Prozent oder 15.364 Fahrzeugen. Die meisten entfielen übrigens auf MG Motors. Auch wenn das wenig klingt: Im Vergleich zu 2022 stieg der Absatz um 126 Prozent. Und es könnte noch mehr werden.
Laut einer aktuellen McKinsey-Studie sind Fahrzeugkäufer nicht so loyal wie es sich die etablierten Hersteller in Deutschland erhoffen. Ganze 51 Prozent würden demnach für die richtigen Assistenzsysteme die Marke wechseln. Laut Professor Andreas Herrmann vom Institut für Mobilität der Universität St. Gallen haben die chinesischen Hersteller deswegen eine gute Position im Markt, weil sie viele digitale Features im Entertainmentbereich bieten. “Die denken ihr Auto sozusagen immer vom Digitalen und nicht von der Hardware her, und deshalb traue ich denen in vielen Segmenten des Marktes enorme Wachstumsmöglichkeiten zu.”
Bei einem Panel auf der IAA drückt es einer der Redner so aus: “Mobility is a given”. Herrmann stimmt zu: “Die Mobilität ist sozusagen die Basisleistung, die ist sowieso da, die wird von jedem angeboten. Und die Differenzierung macht dann das Digitale. Und da sind die Chinesen auch deswegen sehr gut, weil sie diese Branchengrenzen überspringen und sehr stark mit den Tech-Konzernen wie Huawei, Baidu und so weiter kooperieren.” Anders als die deutschen Hersteller, die bei ihren Entertainmentsystemen auf Eigengewächse setzen, die mit dem gewohnten hohen Standard von Alexa und Co oft nicht mithalten können.
Die deutschen Hersteller müssten zudem ihren Optimierungstrieb abbauen, resümiert Professor Herrmann. “So ein deutsches Auto ist sicherlich in allen Belangen ausgetestet, ist nahezu fehlerfrei.” Und chinesische Fahrzeuge mögen in der Software noch Anfälligkeiten haben. Aber die könne man updaten, so der Professor. “Das ist eine ganz andere Mentalität, wie man an Autobau herangeht.” Für die deutschen Hersteller sei die Herangehensweise der Chinesen “eine enorme Herausforderung.”
Ein Besucher bei der IAA fasst es so zusammen: Bei den jungen chinesischen Unternehmen gibt es nicht nur schlankere Strukturen als bei den riesigen deutschen Autokonzernen. Ihre Gründer sind heute hier in München und bringen eine Vision mit. Die Gründer der deutschen Hersteller dagegen hängen auf Bildern im Museum.
Die IAA Mobility spiegelt das Ausmaß des Umbruchs für die Automobilzulieferer in Richtung der E-Mobilität wider. Die deutschen Zulieferer stecken in diesem Prozess zwischen Baum und Borke – und kämpfen sich durch eine unwirtliche Transformationslandschaft. Denn auch wenn Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental noch immer die Top-100-Liste der größten Automobilzulieferer anführen – die Marge stimmt trotz steigender Umsätze seit Jahren nicht mehr. Der Strategieberatung Berylls zufolge lag sie 2022 im Schnitt bei mageren 3,5 Prozent.
Dafür gibt es drei Hauptgründe: Erstens die stark gestiegenen Erzeugerpreise. So mussten die deutschen Zulieferer im Jahr 2022 Preissteigerungen bei Löhnen, Energie und Rohstoffen von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften, die sie kaum an die Hersteller weitergeben konnten. Zweitens machen sich zunehmend der Fachkräftemangel und steigende Zinsen bemerkbar.
Hinzu kommt, drittens, dass viele deutsche Zulieferer – ebenso wie ihre Kunden – erst am Anfang des Wandels stehen. Das bedeutet, dass ein hoher Investitionsbedarf auf geringe Stückzahlen trifft, was sich zwangsläufig negativ auf die Marge auswirkt. Die chinesischen und koreanischen Wettbewerber sowie Tesla profitieren bereits von ersten Skaleneffekten, die sich aus ihrer starken Marktposition in China und bei Batterien insgesamt ergeben. Die Batterie macht noch bis zu 40 Prozent der Produktionskosten eines Elektroautos aus.
Die niedrigen Margen wiederum erschweren die Umstrukturierung. Denn die Transformation kostet viel Geld – und die Zulieferer haben es laut der Strategieberatung Oliver Wyman zufolge oft unnötig schwer, an frisches Kapital zu kommen. Grund seien die seit der Coronakrise rapide gesunkenen Ratings der Branche, die sich bis heute nicht erholt hätten. Selbst führende Unternehmen erreichten nicht einmal das Niveau BB+.
“Mit diesem Rating, das als spekulativ gilt, hat die deutsche Zulieferindustrie bei Banken einen äußerst schweren Stand – und das oft zu Unrecht”, sagt Lutz Jäde, Leiter für Turnaround & Restructuring in Europa bei Oliver Wyman. Zwar gebe es Unternehmen, die unzureichend auf die Herausforderungen reagiert hätten oder deren Geschäftsmodell gefährdet sei. “Aber viele der Unternehmen sind hochprofitabel, systemrelevante Innovationstreiber und gut aufgestellt für die Transformation in Richtung Elektromobilität.”
Das bestätigt auch Helena Wisbert, Direktorin des Center Automotive Research (CAR). Zulieferer, die früh auf Technologien wie die immer wichtiger werdende Sensorik oder Elektromotoren gesetzt haben, seien gut unterwegs und zum Teil Innovationsführer, sagt sie. “Bei mittelständischen Zulieferern, die sich auf Zulieferteile für Verbrennerfahrzeuge spezialisiert haben und jetzt die Transformation finanziell nicht stemmen können, wird die Luft in den nächsten Jahren hingegen dünn.” Die Folgen sind spürbar. Zwischen 2018 und 2022 haben die Zulieferer 37.000 Arbeitsplätze verloren. Heute liegt die Zahl der Beschäftigten im Jahresdurchschnitt bei knapp 274.000.
Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) lobt dennoch die Transformationsanstrengungen der Branche. “Die Zulieferindustrie ist Treiber des Wandels und gleichzeitig liefert sie Spitzenprodukte für die aktuellen Produkte”, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Laut VDA wird die deutsche Automobilindustrie von 2023 bis 2027 weltweit rund 250 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Hinzu kämen 130 Milliarden Euro für den Neu- und Umbau von Fabriken. “Das unterstreicht den Willen, klimaneutrale Mobilität schnellstmöglich Realität werden zu lassen.”
Anton Pieper, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) hält das nicht für ausreichend. “Nur wenn Mobilitätswende und Rohstoffwende zusammen gedacht werden, kann die E-Mobilität ein nachhaltiger Baustein bei der Transformation des Verkehrssektors werden.” Denn die Herstellung der Batterien gehe mit gravierenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einher, vor allem in Ländern des globalen Südens. “Hinzu kommt, dass Recyclingkapazitäten noch nicht weit ausgebaut sind, auch wenn es zunehmend Recyclinganlagen für Batterien in Europa gibt.”
Ein soeben erschienener Econpol Policy Brief des Münchner Ifo-Instituts fällt deutlich optimistischer aus. Das gilt insbesondere für den Qualifikationsstand und die Innovationspotenziale. Demnach ist der Anteil der Beschäftigten, die für Elektromotoren oder Batteriezellen qualifiziert sind, in Deutschland höher als in Frankreich, Italien, Spanien oder den USA. Auch bei “grünen” Patenten in der Elektromobilität oder beim Brennstoffzellenantrieb liege Deutschland weit vor allen anderen Wirtschaftsnationen.
Grundlage der Untersuchung waren Patentanmeldungen in der EU, Japan und den USA sowie die Profile von mehr als einer halben Million Beschäftigten der Automobilindustrie im Online-Netzwerk LinkedIn. Mitautor Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums Industrieökonomik und Neue Technologien, sieht darin einen klaren Beleg dafür, dass die deutsche Automobilindustrie nicht nur bei Verbrennungsmotoren, sondern auch bei der Elektromobilität ganz vorne mitspielt.
China hat die internationale Gemeinschaft angesichts zunehmender Spannungen in der Asien-Pazifik-Region vor einer Eskalation gewarnt. “Gegenwärtig ist es sehr wichtig, sich gegen Parteinahme, Blockkonfrontation und einen neuen Kalten Krieg zu stemmen”, sagte Ministerpräsident Li Qiang am Mittwoch auf einem Treffen der südostasiatischen Staatengruppe Asean und China.
Auf dem Gipfel in der indonesischen Hauptstadt Jakarta stand insbesondere die Besorgnis über Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer im Fokus. Kurz vor dem Gipfel hatte Peking eine Karte mit einer “Zehn-Strich-Linie” veröffentlicht, die eine Ausweitung des von China beanspruchten Gebiets im Südchinesischen Meer zeigt. Mehrere Asean-Mitglieder hatten die chinesischen Ansprüche zurückgewiesen. Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos sagte, dass sein Land keinen Konflikt suche. Wenn die Souveränität der Philippinen herausgefordert werde, habe sein Land aber die Pflicht, darauf zu reagieren.
Die Asean-Staaten hätten diese Woche mit China über die Beschleunigung der Verhandlungen über einen seit langem diskutierten Verhaltenskodex für die Wasserstraße gesprochen, sagte Retno Marsudi, Außenministerin des Gastgeberlandes Indonesien. Das Thema sei auch während des Asean-Japan-Gipfels zur Sprache gekommen. Dabei seien sich die Staats- und Regierungschefs darüber einig gewesen, “wie wichtig es sei, die Lage in der Region zuträglich zu halten, insbesondere auf der koreanischen Halbinsel und auch im Südchinesischen Meer”, sagte sie.
Im Entwurf der Abschlusserklärung des Asean-China-Gipfels war die Rede, dass die Staatengemeinschaft “die Stabilität im maritimen Bereich in unserer Region stärken … und neue Initiativen zu diesem Zweck erkunden” müsse. Lina Alexandra, eine politische Analystin beim Thinktank CSIS, sagte, der Entwurf sei “sehr schwach in Bezug auf die Probleme des Südchinesischen Meeres”. Die Analystin erklärte, die Philippinen hätten die Geduld mit den Asean-Staaten verloren, wenn es um den Umgang mit Chinas Präsenz in der Region ginge.
Am Rande des Gipfels kündigte Li die Förderung einer erweiterten Zusammenarbeit mit Indonesien an. Am Mittwoch nahm Li am Probebetrieb der ersten Hochgeschwindigkeitsstrecke des südostasiatischen Landes teil. Die von China finanzierte 142 Kilometer lange Eisenbahnstrecke verbindet Jakarta mit der Stadt Bandung. Der indonesische Minister Luhut Pandjaitan sagte Reportern, er diskutiere einen weiteren Ausbau der Strecke bis nach Surabaya am östlichen Ende der Insel Java. rtr/ari
Chinesische Staatsmedien kündigen eine verstärkte Konjunkturförderung an. Die Regierung könne die Immobilienbranche unterstützen und mehr Geld für Infrastrukturprojekte ausgeben, schrieb am Mittwoch die Zeitung China Daily. Zeitgleich brachte sie einen Artikel, der eine Anregung des Konsums als Weg aus der Wirtschaftsschwäche aufzeigt. Auch der Propagandasender CCTV griff das Thema neuer Konjunkturprogramme auf, hier aber mit einem Fokus auf der Belebung der Privatwirtschaft.
Die China Daily zitiert zwar vor allem Ökonomen mit der Ankündigung dieser Szenarien. Ein solcher Artikel über Erwartungen an das Regierungshandeln würde in der kontrollierten Presse nicht ohne konkrete Pläne im Hintergrund erscheinen. Der Ökonom Michael Pettis von der Denkfabrik Carnegie Endowment hält die Medienberichte daher für deutliche Vorboten weiterer Wirtschaftsmaßnahmen.
Beobachter haben mit Verwunderung registriert, wie passiv sich Peking gegenüber den zum Teil steil abstürzenden Konjunkturindikatoren verhält. Als Grund gilt der Entschluss, den Schuldenberg der Gebietskörperschaften nicht weiter anwachsen zu lassen. fin
Die chinesische Führung verbietet einem Zeitungsbericht zufolge Staatsbediensteten die Nutzung ausländischer Smartphones. Beschäftigte einiger Behörden dürften Apple iPhones und Geräte einiger anderer Hersteller nicht mehr an den Arbeitsplatz bringen, schrieb das Wall Street Journal unter Berufung auf Insider. Allerdings sei unklar, wie viele Bedienstete diese Anordnung erhalten hätten und welche Anbieter neben Apple betroffen seien. Die chinesischen Behörden waren für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Die Volksrepublik hat in den vergangenen Jahren wegen Datenschutz-Bedenken einige neue Gesetze verabschiedet. Parallel dazu rief sie heimische Firmen dazu auf, die Abhängigkeit von ausländischen Technologien zu reduzieren.
Gleichzeitig verboten westliche Staaten die Produkte einiger chinesischer Firmen wegen möglicher Spionage durch die Regierung in Peking. Bekanntestes Beispiel hierfür ist Tiktok. Staatsbedienstete dürfen die Kurzvideo-App nicht auf ihren Diensthandys nutzen. rtr/flee
Heftige Regenfälle von den Ausläufern des Taifuns Haikui haben im Südosten Chinas zu großflächigen Überschwemmungen geführt. Städte in der Provinz Fujian mussten den U-Bahn-Verkehr einstellen, Schulen schließen und Bewohner in Sicherheit bringen, wie die Behörden am Mittwoch mitteilten. Mehr als 36.000 Menschen wurden aus ihren Häusern gebracht.
Meteorologen zufolge brachen die Niederschläge in der Nacht einen Zwölf-Jahres-Rekord in der Stadt Fuzhou und lösten offizielle Warnungen aus, dass 49 Stauseen die Hochwassergrenze überschritten hätten.
In Fujian wurden sechs weitere Städte, darunter Putian und Quanzhou, als von Sturzfluten und Erdrutschen bedroht eingestuft. Die Provinzregierung hat die lokalen Behörden angewiesen, sich auf die Evakuierung der voraussichtlich am stärksten betroffenen Gebiete vorzubereiten. Die Regenfälle in den zentralen und südlichen Teilen Fujians sollen noch bis Freitag anhalten.
Medienberichten zufolge waren die Niederschläge stärker als bei Taifun Doksuri. Dieser fegte Ende Juli über die Provinz hinweg und verursachte mit sintflutartigen Regenfällen Überschwemmungen. Mehrere Menschen starben, Hunderttausende mussten evakuiert werden. Die direkten wirtschaftlichen Schäden wurden auf rund zwei Milliarden Dollar geschätzt. rtr/flee
“Ihr wollt mich ja nur zum Weinen bringen”, sagte Tony Leung bei den 80. Internationalen Filmfestspielen von Venedig, als ihm von Regisseur Ang Lee ein Goldener Löwe für sein Lebenswerk überreicht wurde. Als er die Trophäe dann in den Armen hielt, konnte er seine Tränen tatsächlich nicht mehr zurückhalten. Mit 61 Jahren ist Leung der jüngste Filmschaffende, der jemals diese Ehrung erhielt. Er steht nun in illustrer Runde mit Kino-Giganten wie Hayao Miyazaki, Clint Eastwood und Martin Scorsese.
Tony Leung Chiu-wai, wie er mit vollem Namen heißt, eine Legende zu nennen, ist auf keinen Fall übertrieben. Kaum ein anderer Schauspieler hat solch eine vielfältige Filmografie vorzuweisen. Vom opulenten Martial-Arts-Drama bis hin zur melancholischen Arthouse-Produktion hat er fast alles gemeistert, was es im Fach des Method-Acting zu meistern gibt. Er ist einer der wenigen asiatischen Schauspieler, dessen Gesicht selbst Menschen kennen, die sich nicht sonderlich fürs asiatische Kino interessieren. Leung arbeitete eng mit Ang Lee und Wong Kar-wai zusammen, deren Filme auch in Europa und den USA als Klassiker des modernen Kinos gelten. Zu Leungs bekanntesten Werken zählen hier etwa “Lust, Caution”, “In the Mood for Love” und “Chungking Express”.
Besonders verbunden fühlt sich Leung bis heute mit dem Kino seiner Heimat Hongkong, wie er in Venedig abermals bekräftigte: “Ich bin so dankbar, in Hongkong aufgewachsen und später von der Hongkonger Filmindustrie gefördert worden zu sein”, sagte Leung sichtlich bewegt zum Publikum. “Ich möchte diese Ehre auch mit all den wunderbaren Menschen teilen, mit denen ich in den letzten 41 Jahren zusammengearbeitet habe, denn dies ist auch ein Tribut an sie – und natürlich an das Hongkonger Kino.”
Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Niemand wurde bei den Hongkong Film Awards so oft mit dem Preis in der Kategorie “Bester Schauspieler” ausgezeichnet wie Leung.
Leung wurde 1962 in einfache Verhältnisse geboren. Sein Vater, der Manager eines Nachtclubs, verließ die Familie als Leung sieben war – ein Verlust, der seinen introvertierten Charakter noch verstärkte. Als junger Mann arbeitete Leung als Haushaltsgeräteverkäufer. Seine Karriere als Schauspieler begann erst, nachdem sein guter Freund, der spätere Star-Regisseur Stephen Chow, ihn dazu drängte, sich beim lokalen Sender TVB als Comedy-Darsteller zu bewerben. Anfang der 1990er-Jahre brillierte Leung dann unter anderem in den John-Woo-Thrillern “Bullet in the Head” und “Hard Boiled”, die auch Quentin Tarantino immer wieder als prägend für sein eigenes Schaffen pries.
Wie viele andere Schauspieler aus Hongkong versuchte Leung sich in den 1990ern an einer Musikerkarriere und sang süßlichen Mando-und Cantopop. Fast hätte er die Schauspielerei damals an den Nagel gehängt, erzählte er später in Interviews. Erst seine Begegnung mit Wong Kar-wai entfachte erneut das Feuer. Bei ihm durfte Leung wortkarge, aber hochkomplexe Rollen spielen. Zusammen drehten sie sieben Filme, die Leung zu einem international gefeierten Charakterdarsteller machten.
In China, Hongkong und Taiwan gilt Leung heute gleichermaßen als Ikone, was vielleicht auch daran liegt, dass er sich niemals in Hollywood angebiedert hat. In Taiwan ist der tiefgläubige Buddhist vor allem für seine Hauptrolle in Hou Hsiao-hsiens Film “A City of Sadness” hochgeachtet, der 1989 taiwanische Identitätsfragen verhandelte und in diesem Jahr in restaurierter Fassung mit großem Medienecho neu aufgelegt wurde.
Der taiwanische Regisseur Ang lee sagte über Leung, er könne mit einem Blick mehr kommunizieren als andere Schauspieler in langen Monologen. Aus politischen Debatten hielt er sich dagegen stets heraus. Auch seine seit vielen Jahren stabile Beziehung mit der Schauspielerin Carina Lau Kar-ling ersparte ihm Skandale in der Regenbogenpresse.
Vor wenigen Wochen war Leung überraschend in einem Muskvideo der jungen K-Pop-Gruppe NewJeans zu sehen. Sein Auftritt dauerte nur ein paar Sekunden. Dennoch ging das Video sofort viral. Leungs Ruhm scheint auch bei der neuen Generation gesichert, sein Lebenswerk trotz Lifetime-Award noch lange nicht abgeschlossen. Fabian Peltsch
Richard Tsoi ist neuer Vize-Direktor der Nichtregierungsorganisation China Labour Bulletin. Die NGO setzt sich für die Rechte der Arbeitnehmer in der Volksrepublik ein. Sie hat ihren Sitz in Hongkong und wurde dort 1994 von dem Arbeiter-Aktivisten Han Dongfang gegründet. Tsoi arbeitete zuvor als Sprecher für die Hongkonger Koalition zur Überwachung des öffentlichen Verkehrs und der Versorgungsunternehmen.
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Dieser Kater hat es zu Berühmtheit geschafft. Als haarigster Mitarbeiter des Papier-Ladens im Bund Financial Center in Shanghai hat er sogar seinen eigenen Tisch-Kalender. Fans können auch Poster erwerben. Der Kater soll als Streuner-Kätzchen in dem Laden gelandet sein. Die Belegschaft hat ihn seither durchgefüttert.
die IAA war einst das Schaufenster der deutschen Automobilindustrie. Doch dieses Mal richtet sich der Blick auch bei vielen deutschen Besuchern vor allem auf Modelle aus einem ganz anderen Land: China. Denn diese können sich durchaus sehen lassen, schreibt Julia Fiedler, die sich die Präsentationsshows in München angesehen hat.
Die chinesische Konkurrenz punktet nicht nur preislich, sondern neben funktionierender IT auch mit schnittigem Design und exzellenter Verarbeitung. Das Zittern der einstigen Platzhirsche hat begonnen.
Nicht besser ist die Stimmung in München unter deutschen Autozulieferern. Auch sie zählten zu den Schwergewichten. Doch auch hier holt die Konkurrenz aus Fernost im Zuge der Elektrifizierung spürbar auf. Und die Zeit drängt, warnt Carsten Hübner in seiner Analyse. Wer sich bei der Transformation vom Verbrenner zur E-Mobilität nicht beeilt, dem geht auch der finanzielle Spielraum rasch verloren. “China Speed” bestimmt die IAA in München.
Wer hat den größeren Stand – Volkswagen oder BYD? Das lässt sich ohne Maßband nicht so leicht sagen. In den Münchner Messehallen vollzieht sich vor den Augen des Fachpublikums eine Zeitenwende. BYD stellt sein Premierenfahrzeug Seal vor einem riesigen Screen vor, der Naturspektakel zeigt. Im Cockpit weckt das drehbare Mega-Display den Spieltrieb der Messebesucher. Die sportliche Mittelklasse-Limousine, die mit dem Tesla Model 3 vergleichbar ist, ist den ganzen Tag über umringt von Menschen.
VW hingegen hat seine nur mäßig beliebten ID-Modelle mitgebracht. Die elektrische Zukunftsvision der Marke steht hinter einer Absperrung in zweiter Reihe: Der schnittige GTI Concept ist bisher nur ein Konzeptfahrzeug, als ein reines Ausstellungsstück, um Ideen zu präsentieren. VW will mit ihm Emotionen wecken, Tradition und Jugenderinnerungen sollen als Selling Point dienen. Das nehmen viele Besucher als Sinnbild für die Autoindustrie wahr- die einen angriffslustig, die anderen klammern sich an vergangene Erfolge.
Der ernüchternde Eindruck in den Messehallen täuscht zwar. Denn ein großer Teil der Messe ist in die Innenstadt gewandert, als “Open Space”. Die Leistungsschau der deutschen Autoindustrie ist nun zum Teil ein riesiges Straßenfest und es gibt es sie noch: Die gewohnt gewaltigen Messestände. Aber obwohl Volkswagen am Odeonsplatz mit einem zweiten Stand dicker auffährt, steht gleich gegenüber ebenfalls ein zweiter Stand der Chinesen von BYD.
Im Vorfeld der Messe zeigten sich die CEOs der deutschen Autounternehmen noch gelassen. Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender von BMW, drückte es in einem Handelsblatt-Interview so aus: “Ambition ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Erfolg”, sagte er. Erst müsse sich zeigen, wie gut die neuen Spieler die Bedürfnisse und den Geschmack der europäischen Kunden treffen.
Zipse hegt Zweifel, ob etwa digitale Dienstleistungen der chinesischen Konkurrenz schon auf hiesige Anforderungen ausgelegt oder die “komplexen Prozesse für Vertrieb, Service und die Versorgung mit Ersatzteilen eingespielt sind “In der Autoindustrie muss man sich in sehr vielen Punkten beweisen – gerade in einem neuen Markt.” Doch es stellt sich sofort auch die Frage, wie lange solche Beschwichtigungen bei Unternehmen mit einer so steilen Lernkurve wie BYD und Nio Bestand haben.
Den Geschmack des deutschen Publikums scheinen einige der chinesischen Hersteller jedenfalls zu treffen. Ein Erstkontakt mit der Spezies chinesisches E-Auto am Stand von XPeng (gesprochen: Xiaopeng) sieht so aus: Zwei junge Ingenieure eines deutschen Premiumherstellers steigen in die sportliche Limousine XPeng P7 High Performance. Durch nach oben aufschwingende Flügeltüren.
Als Erstes fällt der Blick auf das riesige Display im Cockpit, dann wird das hochwertige Leder der Sitze angefasst. Es ist mit leuchtend grünen Ziernähten abgesteppt, in der gleichen Farbe kommen auch die Gurte daher. Türen werden mehrmals zugeschlagen: Toller Klang! Auf Türverkleidungen geklopft: unterschäumt und kein billiges Plastik! Am Sitz entdecken die beiden eine kleine Falte im Leder. Und am Armaturenbrett fühlt sich eine Kante beim Entlangfahren mit dem Finger von unten nicht ganz sauber an.
Das Fazit der beiden ist positiv – vor allem, als sie den Preis für das Fahrzeug hören, das es ab 2024 in Deutschland gibt: Los geht’s bei 59.000 Euro. Leistung: 473 PS, Flügeltüren kosten allerdings extra. Ein von der Fahrzeugklasse und Qualität vergleichbares Modell von Mercedes, die EQE Limousine, würde bei etwas geringerer Motorisierung fast 90.000 Euro kosten. Hier ist nichts billig, sagt einer der beiden jungen Männer, das ist definitiv kein “Made in China”. Doch, ist es. Aber: Bei “Made in China” müssen wir vielleicht künftig umdenken.
Der ADAC hat die chinesischen Hersteller, die in Deutschland bereits erhältlich sind, getestet. Darunter MG Motors, BYD, Aiways und Nio. Das Urteil des ADAC-Experten für E-Mobilität, Matthias Vogt, fällt grundsätzlich positiv aus. “Die qualitative Verarbeitung erwies sich als sehr ordentlich. Viele Fahrzeuge von etablierten Marken werden in China gefertigt und hier verkauft. Die Qualität in den Werken ist also durchaus gut, da haben wir keine negativen Auffälligkeiten gefunden. Was zum Teil mich selber überrascht hat, war die Wertanmutung der Materialien.” Und auch die Fahreigenschaften seien gut.
Aber: Gerade, wenn es an Hochgeschwindigkeitsfahrstabilitäten geht und Ausweichtests würde man schon “noch mal ein Quäntchen Unterschied zu der etablierten Konkurrenz” finden, so der Tester. “Das sind dann aber wirklich Nuancen, wo erfahrene Autofahrer oder Autotester Unterschiede wahrnehmen.”
Vor allem bei der Sicherheit habe sich viel getan. Während der erste Crashtest vor knapp 20 Jahren an der Crashwand gescheitert sei, lägen die Chinesen nun auf hohem Niveau. “Die passive Sicherheit ist gut, aber auch in der aktiven Sicherheit, also mit Assistenzsystemen, sind sie ziemlich gut ausgestattet. Im Alltag nerven jedoch bei vielen chinesischen Fahrzeugen die ganzen Warntöne und Piepser, die eingebaut sind.”
Ein Bedenken teilt der ADAC-Experte mit BMW-CEO Zipse: “Wie viele Werkstätten gibt es? Wie weit muss ich fahren zu einer Reparatur? Wie kundenfreundlich agiert dann der Händler, wie ist die Ersatzteilversorgung? Das sind alles Dinge, die tatsächlich im Alltag nerven können”.
Hui Zhang, Europachef von Nio, spricht fließend Deutsch. Er hat seinen Master in Deutschland gemacht und jahrelang für deutsche Unternehmen gearbeitet. In Startup-Manier nimmt Hui Zhang auf einem kleinen Hocker neben einem Kaffeestand Platz und berichtet von der Strategie des chinesischen Autoherstellers, der auch gerne mal als chinesischer Tesla gehandelt wird.
Nio ist seit 2022 auf dem deutschen Markt, mit drei Premium-Modellen. Die ersten Schritte nach Deutschland machte das Unternehmen bereits 2015, mit einem Design-Headquarter in München. Im vergangenen Jahr wurde dort zudem ein Fahrzeugentwicklungsteam aufgebaut, in Berlin in diesem Sommer das Nio Berlin Innovation Center eröffnet. Hier werden auch die Anpassungen der Modelle für Europa geplant.
Warum der Fokus auf Deutschland? Das habe mit der Talentsuche zu tun, antwortet Hui Zhang. “Ingenieure aus Deutschland sind in der Autoindustrie weltweit berühmt“, so Zhang weiter. “Wo wir Talente finden, da bauen wir unsere Ingenieur-Center. Viele Silicon-Valley-Unternehmen wie Amazon, oder Microsoft haben ja schließlich auch einen Campus in Berlin”. Für die deutsche Autobaukunst bedeutet das: Sie lebt weiter – aber in Zukunft vielleicht immer öfter in chinesischen Autos.
Bei seiner Deutschland-Strategie setzt Nio unter anderem auf eine eigene Lade-Infrastruktur. Der Nio-Spezialität sind Battery Swap Stations, an denen man innerhalb von fünf Minuten die gesamte Batterie austauscht, statt das Auto an die Ladesäule zu hängen. Insgesamt hat das Unternehmen bisher 1.800 solcher Stationen installiert, größtenteils in China, ein Millionenaufwand. Hohe Investments in die Infrastruktur möchte Nio auch in Europa tätigen – ein Beweis für die langfristigen Ambitionen des Unternehmens.
Bisher gibt es noch nicht viele der Wechselstationen, drei in Deutschland, 26 in Europa. Bis Ende des Jahres sollen es 100 sein. Die Nutzer werden nicht Schlange stehen müssen: Von Januar bis Juli 2023 wurden in Deutschland nur 394 Nios zugelassen. Hui Zhang denkt dennoch groß: “Wir haben zwei Fabriken in China mit circa 300.000 Einheiten Produktionskapazität. Wir haben die Kapazitäten, um mehr Autos abzusetzen.”
Und das soll über die Nio-Häuser funktionieren, Autohäuser im Stil von Pop-up-Stores in Fußgängerzonen, die auch Community-Events und Coworking-Spaces anbieten. Es gibt sie bereits in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf, bald folgt der Hamburger Standort. Und über Firmenkooperationen: Man spreche mit einigen Unternehmen, um im Premium-Dienstwagensegment Fuß zu fassen.
Chinas Schwergewicht BYD, das inzwischen mehr als fünf Millionen Fahrzeuge produziert hat, setzt derweil auf einen starken Kooperationspartner: Der Autovermieter Sixt hat im vergangenen Jahr angekündigt, bis 2028 insgesamt 100.000 BYD-Autos anschaffen zu wollen. Bevor Sixt im größeren Stil Fahrzeuge einkaufe, mache sich die Autovermietung selbstverständlich mit der Qualität vertraut, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage von Table.Media. Von der sei man bei BYD überzeugt. Auch wie sich BYD beim Absatz entwickelt habe, zeuge durchaus davon, dass das Unternehmen ein ernst zu nehmender Akteur sei.
Für den Hersteller aus China wiederum ist die Kooperation eine gute Strategie, um einen Fuß in den Markt zu bekommen. Denn über Sixt lernen potenzielle Käufer die Fahrzeuge kennen und haben die Möglichkeit, sie zu testen. Der Bekanntheitsgrad ist noch ein Problem, gibt Penny Peng, Marketingdirektorin für Europa, zu. Laut Statistik des Kraftfahrtbundesamtes verzeichnet BYD für Januar bis Juli 2023 schlappe 632 Zulassungen in Deutschland. Verkauft werden BYDs über etablierte Autohändler, die auch Service und Ersatzteilversorgung übernehmen.
BYD wurde 1995 als Batteriehersteller gegründet, 1998 eröffnete das Unternehmen einen Standort in den Niederlanden und vertrieb zunächst Elektro-Busse für den Stadtverkehr. 2021 stellte BYD den ersten Pkw für den europäischen Markt auf der Automesse in Paris vor, inzwischen gibt es in Deutschland sechs Modelle. Der “Dolphin” ist schon ab 36.000 Euro zu haben und damit eines der günstigsten E-Autos auf dem deutschen Markt. “Weil sich unsere Strategie um die Batterietechnologie herum entwickelt hat, sind wir kein reines Auto-Unternehmen”, sagt Penny Peng. “Wir verstehen das gesamte Ökosystem, weil wir die Batterie, den Motor und die Motorsteuerung selbst herstellen.”
Kooperationen bietet BYD anderen Herstellern gerne an, sagt Peng. Mit Toyota etwa habe man bereits ein Fahrzeug entwickelt und dafür die gesamte Plattform geliefert. Das Ergebnis einer Kooperation mit Mercedes-Benz im Jahr 2011 steht am Stand – oder besser die Neuauflage: Der Denza floppte, Mercedes reduzierte seinen Anteil am Joint Venture auf zehn Prozent. Nun hat BYD den Premium-Van als D9 neu aufgelegt, es soll bereits viele Vorbestellungen geben.
Bisher sind chinesische Autos in Deutschland noch Exoten. Laut Kraftfahrtbundesamt lag ihr Anteil an den Neuzulassungen von Januar bis Juli 2023 bei 0,9 Prozent oder 15.364 Fahrzeugen. Die meisten entfielen übrigens auf MG Motors. Auch wenn das wenig klingt: Im Vergleich zu 2022 stieg der Absatz um 126 Prozent. Und es könnte noch mehr werden.
Laut einer aktuellen McKinsey-Studie sind Fahrzeugkäufer nicht so loyal wie es sich die etablierten Hersteller in Deutschland erhoffen. Ganze 51 Prozent würden demnach für die richtigen Assistenzsysteme die Marke wechseln. Laut Professor Andreas Herrmann vom Institut für Mobilität der Universität St. Gallen haben die chinesischen Hersteller deswegen eine gute Position im Markt, weil sie viele digitale Features im Entertainmentbereich bieten. “Die denken ihr Auto sozusagen immer vom Digitalen und nicht von der Hardware her, und deshalb traue ich denen in vielen Segmenten des Marktes enorme Wachstumsmöglichkeiten zu.”
Bei einem Panel auf der IAA drückt es einer der Redner so aus: “Mobility is a given”. Herrmann stimmt zu: “Die Mobilität ist sozusagen die Basisleistung, die ist sowieso da, die wird von jedem angeboten. Und die Differenzierung macht dann das Digitale. Und da sind die Chinesen auch deswegen sehr gut, weil sie diese Branchengrenzen überspringen und sehr stark mit den Tech-Konzernen wie Huawei, Baidu und so weiter kooperieren.” Anders als die deutschen Hersteller, die bei ihren Entertainmentsystemen auf Eigengewächse setzen, die mit dem gewohnten hohen Standard von Alexa und Co oft nicht mithalten können.
Die deutschen Hersteller müssten zudem ihren Optimierungstrieb abbauen, resümiert Professor Herrmann. “So ein deutsches Auto ist sicherlich in allen Belangen ausgetestet, ist nahezu fehlerfrei.” Und chinesische Fahrzeuge mögen in der Software noch Anfälligkeiten haben. Aber die könne man updaten, so der Professor. “Das ist eine ganz andere Mentalität, wie man an Autobau herangeht.” Für die deutschen Hersteller sei die Herangehensweise der Chinesen “eine enorme Herausforderung.”
Ein Besucher bei der IAA fasst es so zusammen: Bei den jungen chinesischen Unternehmen gibt es nicht nur schlankere Strukturen als bei den riesigen deutschen Autokonzernen. Ihre Gründer sind heute hier in München und bringen eine Vision mit. Die Gründer der deutschen Hersteller dagegen hängen auf Bildern im Museum.
Die IAA Mobility spiegelt das Ausmaß des Umbruchs für die Automobilzulieferer in Richtung der E-Mobilität wider. Die deutschen Zulieferer stecken in diesem Prozess zwischen Baum und Borke – und kämpfen sich durch eine unwirtliche Transformationslandschaft. Denn auch wenn Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental noch immer die Top-100-Liste der größten Automobilzulieferer anführen – die Marge stimmt trotz steigender Umsätze seit Jahren nicht mehr. Der Strategieberatung Berylls zufolge lag sie 2022 im Schnitt bei mageren 3,5 Prozent.
Dafür gibt es drei Hauptgründe: Erstens die stark gestiegenen Erzeugerpreise. So mussten die deutschen Zulieferer im Jahr 2022 Preissteigerungen bei Löhnen, Energie und Rohstoffen von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften, die sie kaum an die Hersteller weitergeben konnten. Zweitens machen sich zunehmend der Fachkräftemangel und steigende Zinsen bemerkbar.
Hinzu kommt, drittens, dass viele deutsche Zulieferer – ebenso wie ihre Kunden – erst am Anfang des Wandels stehen. Das bedeutet, dass ein hoher Investitionsbedarf auf geringe Stückzahlen trifft, was sich zwangsläufig negativ auf die Marge auswirkt. Die chinesischen und koreanischen Wettbewerber sowie Tesla profitieren bereits von ersten Skaleneffekten, die sich aus ihrer starken Marktposition in China und bei Batterien insgesamt ergeben. Die Batterie macht noch bis zu 40 Prozent der Produktionskosten eines Elektroautos aus.
Die niedrigen Margen wiederum erschweren die Umstrukturierung. Denn die Transformation kostet viel Geld – und die Zulieferer haben es laut der Strategieberatung Oliver Wyman zufolge oft unnötig schwer, an frisches Kapital zu kommen. Grund seien die seit der Coronakrise rapide gesunkenen Ratings der Branche, die sich bis heute nicht erholt hätten. Selbst führende Unternehmen erreichten nicht einmal das Niveau BB+.
“Mit diesem Rating, das als spekulativ gilt, hat die deutsche Zulieferindustrie bei Banken einen äußerst schweren Stand – und das oft zu Unrecht”, sagt Lutz Jäde, Leiter für Turnaround & Restructuring in Europa bei Oliver Wyman. Zwar gebe es Unternehmen, die unzureichend auf die Herausforderungen reagiert hätten oder deren Geschäftsmodell gefährdet sei. “Aber viele der Unternehmen sind hochprofitabel, systemrelevante Innovationstreiber und gut aufgestellt für die Transformation in Richtung Elektromobilität.”
Das bestätigt auch Helena Wisbert, Direktorin des Center Automotive Research (CAR). Zulieferer, die früh auf Technologien wie die immer wichtiger werdende Sensorik oder Elektromotoren gesetzt haben, seien gut unterwegs und zum Teil Innovationsführer, sagt sie. “Bei mittelständischen Zulieferern, die sich auf Zulieferteile für Verbrennerfahrzeuge spezialisiert haben und jetzt die Transformation finanziell nicht stemmen können, wird die Luft in den nächsten Jahren hingegen dünn.” Die Folgen sind spürbar. Zwischen 2018 und 2022 haben die Zulieferer 37.000 Arbeitsplätze verloren. Heute liegt die Zahl der Beschäftigten im Jahresdurchschnitt bei knapp 274.000.
Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) lobt dennoch die Transformationsanstrengungen der Branche. “Die Zulieferindustrie ist Treiber des Wandels und gleichzeitig liefert sie Spitzenprodukte für die aktuellen Produkte”, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Laut VDA wird die deutsche Automobilindustrie von 2023 bis 2027 weltweit rund 250 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Hinzu kämen 130 Milliarden Euro für den Neu- und Umbau von Fabriken. “Das unterstreicht den Willen, klimaneutrale Mobilität schnellstmöglich Realität werden zu lassen.”
Anton Pieper, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) hält das nicht für ausreichend. “Nur wenn Mobilitätswende und Rohstoffwende zusammen gedacht werden, kann die E-Mobilität ein nachhaltiger Baustein bei der Transformation des Verkehrssektors werden.” Denn die Herstellung der Batterien gehe mit gravierenden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt einher, vor allem in Ländern des globalen Südens. “Hinzu kommt, dass Recyclingkapazitäten noch nicht weit ausgebaut sind, auch wenn es zunehmend Recyclinganlagen für Batterien in Europa gibt.”
Ein soeben erschienener Econpol Policy Brief des Münchner Ifo-Instituts fällt deutlich optimistischer aus. Das gilt insbesondere für den Qualifikationsstand und die Innovationspotenziale. Demnach ist der Anteil der Beschäftigten, die für Elektromotoren oder Batteriezellen qualifiziert sind, in Deutschland höher als in Frankreich, Italien, Spanien oder den USA. Auch bei “grünen” Patenten in der Elektromobilität oder beim Brennstoffzellenantrieb liege Deutschland weit vor allen anderen Wirtschaftsnationen.
Grundlage der Untersuchung waren Patentanmeldungen in der EU, Japan und den USA sowie die Profile von mehr als einer halben Million Beschäftigten der Automobilindustrie im Online-Netzwerk LinkedIn. Mitautor Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums Industrieökonomik und Neue Technologien, sieht darin einen klaren Beleg dafür, dass die deutsche Automobilindustrie nicht nur bei Verbrennungsmotoren, sondern auch bei der Elektromobilität ganz vorne mitspielt.
China hat die internationale Gemeinschaft angesichts zunehmender Spannungen in der Asien-Pazifik-Region vor einer Eskalation gewarnt. “Gegenwärtig ist es sehr wichtig, sich gegen Parteinahme, Blockkonfrontation und einen neuen Kalten Krieg zu stemmen”, sagte Ministerpräsident Li Qiang am Mittwoch auf einem Treffen der südostasiatischen Staatengruppe Asean und China.
Auf dem Gipfel in der indonesischen Hauptstadt Jakarta stand insbesondere die Besorgnis über Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer im Fokus. Kurz vor dem Gipfel hatte Peking eine Karte mit einer “Zehn-Strich-Linie” veröffentlicht, die eine Ausweitung des von China beanspruchten Gebiets im Südchinesischen Meer zeigt. Mehrere Asean-Mitglieder hatten die chinesischen Ansprüche zurückgewiesen. Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos sagte, dass sein Land keinen Konflikt suche. Wenn die Souveränität der Philippinen herausgefordert werde, habe sein Land aber die Pflicht, darauf zu reagieren.
Die Asean-Staaten hätten diese Woche mit China über die Beschleunigung der Verhandlungen über einen seit langem diskutierten Verhaltenskodex für die Wasserstraße gesprochen, sagte Retno Marsudi, Außenministerin des Gastgeberlandes Indonesien. Das Thema sei auch während des Asean-Japan-Gipfels zur Sprache gekommen. Dabei seien sich die Staats- und Regierungschefs darüber einig gewesen, “wie wichtig es sei, die Lage in der Region zuträglich zu halten, insbesondere auf der koreanischen Halbinsel und auch im Südchinesischen Meer”, sagte sie.
Im Entwurf der Abschlusserklärung des Asean-China-Gipfels war die Rede, dass die Staatengemeinschaft “die Stabilität im maritimen Bereich in unserer Region stärken … und neue Initiativen zu diesem Zweck erkunden” müsse. Lina Alexandra, eine politische Analystin beim Thinktank CSIS, sagte, der Entwurf sei “sehr schwach in Bezug auf die Probleme des Südchinesischen Meeres”. Die Analystin erklärte, die Philippinen hätten die Geduld mit den Asean-Staaten verloren, wenn es um den Umgang mit Chinas Präsenz in der Region ginge.
Am Rande des Gipfels kündigte Li die Förderung einer erweiterten Zusammenarbeit mit Indonesien an. Am Mittwoch nahm Li am Probebetrieb der ersten Hochgeschwindigkeitsstrecke des südostasiatischen Landes teil. Die von China finanzierte 142 Kilometer lange Eisenbahnstrecke verbindet Jakarta mit der Stadt Bandung. Der indonesische Minister Luhut Pandjaitan sagte Reportern, er diskutiere einen weiteren Ausbau der Strecke bis nach Surabaya am östlichen Ende der Insel Java. rtr/ari
Chinesische Staatsmedien kündigen eine verstärkte Konjunkturförderung an. Die Regierung könne die Immobilienbranche unterstützen und mehr Geld für Infrastrukturprojekte ausgeben, schrieb am Mittwoch die Zeitung China Daily. Zeitgleich brachte sie einen Artikel, der eine Anregung des Konsums als Weg aus der Wirtschaftsschwäche aufzeigt. Auch der Propagandasender CCTV griff das Thema neuer Konjunkturprogramme auf, hier aber mit einem Fokus auf der Belebung der Privatwirtschaft.
Die China Daily zitiert zwar vor allem Ökonomen mit der Ankündigung dieser Szenarien. Ein solcher Artikel über Erwartungen an das Regierungshandeln würde in der kontrollierten Presse nicht ohne konkrete Pläne im Hintergrund erscheinen. Der Ökonom Michael Pettis von der Denkfabrik Carnegie Endowment hält die Medienberichte daher für deutliche Vorboten weiterer Wirtschaftsmaßnahmen.
Beobachter haben mit Verwunderung registriert, wie passiv sich Peking gegenüber den zum Teil steil abstürzenden Konjunkturindikatoren verhält. Als Grund gilt der Entschluss, den Schuldenberg der Gebietskörperschaften nicht weiter anwachsen zu lassen. fin
Die chinesische Führung verbietet einem Zeitungsbericht zufolge Staatsbediensteten die Nutzung ausländischer Smartphones. Beschäftigte einiger Behörden dürften Apple iPhones und Geräte einiger anderer Hersteller nicht mehr an den Arbeitsplatz bringen, schrieb das Wall Street Journal unter Berufung auf Insider. Allerdings sei unklar, wie viele Bedienstete diese Anordnung erhalten hätten und welche Anbieter neben Apple betroffen seien. Die chinesischen Behörden waren für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Die Volksrepublik hat in den vergangenen Jahren wegen Datenschutz-Bedenken einige neue Gesetze verabschiedet. Parallel dazu rief sie heimische Firmen dazu auf, die Abhängigkeit von ausländischen Technologien zu reduzieren.
Gleichzeitig verboten westliche Staaten die Produkte einiger chinesischer Firmen wegen möglicher Spionage durch die Regierung in Peking. Bekanntestes Beispiel hierfür ist Tiktok. Staatsbedienstete dürfen die Kurzvideo-App nicht auf ihren Diensthandys nutzen. rtr/flee
Heftige Regenfälle von den Ausläufern des Taifuns Haikui haben im Südosten Chinas zu großflächigen Überschwemmungen geführt. Städte in der Provinz Fujian mussten den U-Bahn-Verkehr einstellen, Schulen schließen und Bewohner in Sicherheit bringen, wie die Behörden am Mittwoch mitteilten. Mehr als 36.000 Menschen wurden aus ihren Häusern gebracht.
Meteorologen zufolge brachen die Niederschläge in der Nacht einen Zwölf-Jahres-Rekord in der Stadt Fuzhou und lösten offizielle Warnungen aus, dass 49 Stauseen die Hochwassergrenze überschritten hätten.
In Fujian wurden sechs weitere Städte, darunter Putian und Quanzhou, als von Sturzfluten und Erdrutschen bedroht eingestuft. Die Provinzregierung hat die lokalen Behörden angewiesen, sich auf die Evakuierung der voraussichtlich am stärksten betroffenen Gebiete vorzubereiten. Die Regenfälle in den zentralen und südlichen Teilen Fujians sollen noch bis Freitag anhalten.
Medienberichten zufolge waren die Niederschläge stärker als bei Taifun Doksuri. Dieser fegte Ende Juli über die Provinz hinweg und verursachte mit sintflutartigen Regenfällen Überschwemmungen. Mehrere Menschen starben, Hunderttausende mussten evakuiert werden. Die direkten wirtschaftlichen Schäden wurden auf rund zwei Milliarden Dollar geschätzt. rtr/flee
“Ihr wollt mich ja nur zum Weinen bringen”, sagte Tony Leung bei den 80. Internationalen Filmfestspielen von Venedig, als ihm von Regisseur Ang Lee ein Goldener Löwe für sein Lebenswerk überreicht wurde. Als er die Trophäe dann in den Armen hielt, konnte er seine Tränen tatsächlich nicht mehr zurückhalten. Mit 61 Jahren ist Leung der jüngste Filmschaffende, der jemals diese Ehrung erhielt. Er steht nun in illustrer Runde mit Kino-Giganten wie Hayao Miyazaki, Clint Eastwood und Martin Scorsese.
Tony Leung Chiu-wai, wie er mit vollem Namen heißt, eine Legende zu nennen, ist auf keinen Fall übertrieben. Kaum ein anderer Schauspieler hat solch eine vielfältige Filmografie vorzuweisen. Vom opulenten Martial-Arts-Drama bis hin zur melancholischen Arthouse-Produktion hat er fast alles gemeistert, was es im Fach des Method-Acting zu meistern gibt. Er ist einer der wenigen asiatischen Schauspieler, dessen Gesicht selbst Menschen kennen, die sich nicht sonderlich fürs asiatische Kino interessieren. Leung arbeitete eng mit Ang Lee und Wong Kar-wai zusammen, deren Filme auch in Europa und den USA als Klassiker des modernen Kinos gelten. Zu Leungs bekanntesten Werken zählen hier etwa “Lust, Caution”, “In the Mood for Love” und “Chungking Express”.
Besonders verbunden fühlt sich Leung bis heute mit dem Kino seiner Heimat Hongkong, wie er in Venedig abermals bekräftigte: “Ich bin so dankbar, in Hongkong aufgewachsen und später von der Hongkonger Filmindustrie gefördert worden zu sein”, sagte Leung sichtlich bewegt zum Publikum. “Ich möchte diese Ehre auch mit all den wunderbaren Menschen teilen, mit denen ich in den letzten 41 Jahren zusammengearbeitet habe, denn dies ist auch ein Tribut an sie – und natürlich an das Hongkonger Kino.”
Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Niemand wurde bei den Hongkong Film Awards so oft mit dem Preis in der Kategorie “Bester Schauspieler” ausgezeichnet wie Leung.
Leung wurde 1962 in einfache Verhältnisse geboren. Sein Vater, der Manager eines Nachtclubs, verließ die Familie als Leung sieben war – ein Verlust, der seinen introvertierten Charakter noch verstärkte. Als junger Mann arbeitete Leung als Haushaltsgeräteverkäufer. Seine Karriere als Schauspieler begann erst, nachdem sein guter Freund, der spätere Star-Regisseur Stephen Chow, ihn dazu drängte, sich beim lokalen Sender TVB als Comedy-Darsteller zu bewerben. Anfang der 1990er-Jahre brillierte Leung dann unter anderem in den John-Woo-Thrillern “Bullet in the Head” und “Hard Boiled”, die auch Quentin Tarantino immer wieder als prägend für sein eigenes Schaffen pries.
Wie viele andere Schauspieler aus Hongkong versuchte Leung sich in den 1990ern an einer Musikerkarriere und sang süßlichen Mando-und Cantopop. Fast hätte er die Schauspielerei damals an den Nagel gehängt, erzählte er später in Interviews. Erst seine Begegnung mit Wong Kar-wai entfachte erneut das Feuer. Bei ihm durfte Leung wortkarge, aber hochkomplexe Rollen spielen. Zusammen drehten sie sieben Filme, die Leung zu einem international gefeierten Charakterdarsteller machten.
In China, Hongkong und Taiwan gilt Leung heute gleichermaßen als Ikone, was vielleicht auch daran liegt, dass er sich niemals in Hollywood angebiedert hat. In Taiwan ist der tiefgläubige Buddhist vor allem für seine Hauptrolle in Hou Hsiao-hsiens Film “A City of Sadness” hochgeachtet, der 1989 taiwanische Identitätsfragen verhandelte und in diesem Jahr in restaurierter Fassung mit großem Medienecho neu aufgelegt wurde.
Der taiwanische Regisseur Ang lee sagte über Leung, er könne mit einem Blick mehr kommunizieren als andere Schauspieler in langen Monologen. Aus politischen Debatten hielt er sich dagegen stets heraus. Auch seine seit vielen Jahren stabile Beziehung mit der Schauspielerin Carina Lau Kar-ling ersparte ihm Skandale in der Regenbogenpresse.
Vor wenigen Wochen war Leung überraschend in einem Muskvideo der jungen K-Pop-Gruppe NewJeans zu sehen. Sein Auftritt dauerte nur ein paar Sekunden. Dennoch ging das Video sofort viral. Leungs Ruhm scheint auch bei der neuen Generation gesichert, sein Lebenswerk trotz Lifetime-Award noch lange nicht abgeschlossen. Fabian Peltsch
Richard Tsoi ist neuer Vize-Direktor der Nichtregierungsorganisation China Labour Bulletin. Die NGO setzt sich für die Rechte der Arbeitnehmer in der Volksrepublik ein. Sie hat ihren Sitz in Hongkong und wurde dort 1994 von dem Arbeiter-Aktivisten Han Dongfang gegründet. Tsoi arbeitete zuvor als Sprecher für die Hongkonger Koalition zur Überwachung des öffentlichen Verkehrs und der Versorgungsunternehmen.
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Dieser Kater hat es zu Berühmtheit geschafft. Als haarigster Mitarbeiter des Papier-Ladens im Bund Financial Center in Shanghai hat er sogar seinen eigenen Tisch-Kalender. Fans können auch Poster erwerben. Der Kater soll als Streuner-Kätzchen in dem Laden gelandet sein. Die Belegschaft hat ihn seither durchgefüttert.