Table.Briefing: China

Hildebrandt: Aufholbedarf bei Kundenwünschen + Fitnessboom in Generation U-40

  • AHK-Chef Jens Hildebrandt im CEO-Talk
  • Sport und Ernährung werden als Lifestyle-Trend wichtiger
  • Feste Quarantäne-Zentren für Einreisende geplant
  • Stromverknappung beschäftigt Außenhandelskammern
  • Peking schickt Kampfjets in Taiwans Luftraum
  • USA sieht Handelsabkommen nicht umgesetzt
  • Litauens Parlament stimmt Handelsbüro in Taipeh zu
  • Ausblick auf das heutige Programm des Asia Berlin Summit 2021
  • Im Portrait: Didi Kirsten Tatlow – China-kritische Analystin
  • Zur Sprache über 手把件 – shǒubǎjiàn – Handspielzeug
Liebe Leserin, lieber Leser,

einige nennen es teuflisch, andere genial: das Geschäftsmodell von Fitnessstudios. Denn wer kennt es nicht: Man meldet sich an, geht ein paar Monate regelmäßig hin, doch dann siegt der berühmte “Schweinehund”. Aber die Mitgliedschaft kündigt man auch nicht. Der Fitness-Boom ist auch an China nicht vorbeigegangen. Die junge Generation gibt immer mehr Geld für Mitgliedschaften, Fitness-Apps, Ausrüstung und die richtige Ernährung aus. Der Milliarden-Markt wird durch die Ziele der KP, die Bevölkerung sportlicher zu machen, weiter befeuert, berichten Jörn Petring und Gregor Koppenburg.

Jens Hildebrandt, Chef der AHK in Peking schildert im CEO-Talk mit Frank Sieren die Herausforderungen, vor denen deutsche Unternehmen in China stehen: Reisebeschränkungen wegen Corona, Wettbewerbs- und Innovationsdruck durch chinesische Konkurrenten. Er ruft dazu auf, von Pekings staatlicher Förderung und den mutigen Start-Up-Unternehmen der Volksrepublik zu lernen. Sein Motto: “Risiken eingehen und einfach mal was Neues wagen“. Deutschen Unternehmen rät er, sich flexibler und schneller auf chinesische Kundenwünsche einzustellen. In den Bereichen der Industrieautomatisierung und Dekarbonisierung gäbe es noch viel Wachstumspotenzial für Deutschlands “Hidden Champions”.

Unseren Leser:innen in Europa wünschen wir einen guten Start in die neue Arbeitswoche – und denjenigen in China weiterhin entspannte freie Tage in der Golden Week.

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Interview

“Es geht zunehmend auch um das Management von Risiken”

Jens Hildebrandt AHK Peking
Jens Hildebrandt, Chef der AHK in Peking

Jens Hildebrandt, 43, hat sein Berufsleben einer Frage gewidmet: Wie können deutsche Unternehmen in China erfolgreich sein? Das hat ihn schon während des Sinologie- und Politikstudiums in Leipzig, Peking und Hongkong interessiert. Seit 2007 ist er im Netzwerk der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) unterwegs. Hildebrandt war Leiter des Ostasien-Referats des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin. Als Leiter des AHK-Büros in Guangzhou wurde ihm dann klar, wie die Volksrepublik die Zukunft gestalten will. Seit 2018 ist Hildebrandt AHK-Chef und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer für Nordchina in Peking. Seit 2020 außerdem Asien-Pazifik-Koordinator des Asien-Pazifik-Ausschusses (APA) der Deutschen Wirtschaft. Die Corona-Pandemie stellte ihn zuletzt vor ganz neue Herausforderungen.

Herr Hildebrandt, infolge der Corona-Pandemie hat die AHK Charter-Flüge nach China organisiert. Wie ist die Idee zu den Flügen entstanden, die ja weiterhin der wichtigste Weg sind, um aus Deutschland nach China zu gelangen?

Wie viele Ideen ist auch diese aus der Not entstanden. Im Frühjahr 2020 haben die deutschen Unternehmen ihre Mitarbeiter und deren Familien nicht mehr nach China reinbekommen. China hatte ja wegen Corona seine Grenzen weitgehend dichtgemacht. Also haben wir nach einer pragmatischen Lösung gesucht und verschiedene Konzepte gemeinsam mit der Botschaft durchgespielt.

Dabei ging es vor allem um zwei Fragen, die wir gegeneinander abwägen mussten: Wie können wir den chinesischen Behörden ein Gefühl der Sicherheit bei ihrer Null-Prozent-Infektionsstrategie vermitteln? Und: Wie können wir die Einreise für die Deutschen dennoch ermöglichen und so angenehm wie möglich gestalten? Damals haben wir uns allerdings noch nicht vorstellen können, dass diese Reiseeinschränkungen für so lange Zeit in Kraft sein würden. In diesem Jahr haben wir bereits sechs Charterflüge nach China bringen können. Im vergangenen Jahr waren es 14. 

Dennoch konnten Sie nur einen Teil der Menschen nach China holen, die eigentlich nach China müssten. 

Ja. Nur in ganz dringenden Fällen bekommen Deutsche ein Visum. Die Reiserestriktionen bereiten unseren Unternehmen immer größere Kopfschmerzen. Sie verhindern weitere Investitionen und Kooperationen. Maschinen stehen still, weil die Ingenieure, die sie warten oder installieren, nicht ins Land kommen. Die Lage wird immer komplizierter. Zahlreiche chinesische Unternehmen sagen inzwischen: Es tut uns leid. Wenn ihr es nicht schafft, eure Ingenieure reinzubekommen, dann müssen wir leider zu chinesischen Wettbewerbern wechseln. Die können uns vor Ort versorgen. 

Wann wird sich das ändern?

Es sieht nicht so aus, dass es sich vor den Olympischen Winterspielen in der Nähe von Peking Anfang nächsten Jahres noch ändern wird. Der Volkskongress, das chinesische Parlament, wird danach im März tagen und im Herbst nächsten Jahres steht ein wichtiger Parteitag an. Ich habe Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass China davor große Lockerungen einführen wird bei den Restriktionen. Andererseits kann sich China nicht auf Dauer von der Außenwelt abschließen, zumal der Binnenkonsum eben noch nicht ganz auf das Vor-Corona-Niveau zurückgekehrt ist. 

Allerdings konnte kein anderes Land so schnell zur wirtschaftlichen Normalität zurückkehren. Im vergangenen Jahr war China die einzige große Volkswirtschaft weltweit, die positive Wachstumszahlen schreiben konnte. Und auch dieses Jahr sieht es gut aus.

Ja. Die Frage ist nur, wie nachhaltig ist eine Politik, die jedes Mal, wenn es einen kleinen Ausbruch gibt, in den lokalen Lockdown geht und landesweit die Reisebeschränkungen verschärft. Es trifft ja nicht nur ausländische Unternehmen. Zahlreiche chinesische Unternehmen haben internationale Strategien, die zentral für ihr Geschäft sind. Auch denen fehlt der weltweite Austausch sehr. Gleichzeitig ist das Konsumentenvertrauen in die Covid-Politik noch nicht zurückgekehrt und beschert im Einzelhandelsabsatz schwache Zahlen.

Steckt auch ein wenig Absicht dahinter? Nach dem Motto: Jetzt machen wir aus der Not eine Tugend und schauen mal, wie weit China alleine kommt?

Da ist etwas dran. Allerdings ist das nur eines der Ziele Pekings. Ein anderes wichtiges Ziel: Man möchte ein ausreichend hohes Wirtschaftswachstum erreichen. Und ich bin sicher, dass man in einem solchen Test nicht mehr zulassen würde, sodass das Wachstum stark einbricht. Mein Eindruck ist deshalb: In der chinesischen Politik setzt sich allmählich die Einsicht durch, dass es ohne Austausch nicht geht, wenn China sein Wachstum halten will.

Das wiederum bedeutet: China wird gleichzeitig vom Partner immer mehr zum Wettbewerber. 

Darauf müssen wir uns einstellen. Auch, wenn das in Deutschland zuweilen auf Unverständnis stößt. Wir müssen lernen, zu verstehen, dass China nie nur das eine oder das andere ist. Diejenigen, die China nur für einen Wettbewerber halten oder gar einen Rivalen, schüren Ängste. Diejenigen, die in China nur einen Partner sehen, sind naiv. Dies auszubalancieren wird eine immer größere Herausforderung auch für uns, zumal China noch lange unser wichtigster Zukunftsmarkt sein wird. Für die Unternehmen, aber auch für uns, die Auslandshandelskammern. 

Was müssen wir im Umgang mit China sonst noch lernen? 

In Deutschland hat man erstens noch nicht in vollem Umfang verstanden, welche tiefgreifende Innovationsschübe China schon heute hervorbringt. Und zweitens: Dass Staat und Wirtschaft so eng verwoben sind, hat nicht nur Nachteile, Stichwort “Staatswirtschaft”, sondern eben auch Vorteile, Stichwort “staatliche Innovationsförderung”. Aus Sicht der Wettbewerbssituation ist das schlecht, da eine zu starke Subventionierung chinesischer Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bedeutet. Dagegen partizipieren und profitieren deutsche Unternehmen auch hier von der Wirtschaftskraft, die die Innovation hervorbringt. Gleichzeitig entstehen eben Firmen, die uns auch in den Branchen, in denen wir noch stark sind, überholen wollen. 

Dass haben Sie hautnah erlebt, als sie einige Jahre in Guangzhou im Süden Chinas gearbeitet haben. Eine Region, die als das neue Silicon Valley gilt. 

Was man nie mehr vergisst, wenn man dort gelebt hat, ist die Geschwindigkeit, mit der China immer innovativer wird. Das können wir uns im Westen kaum vorstellen. Und es sind nicht nur die Unternehmen und Forschungseinrichtungen, sondern auch die Kunden mit ihren Wünschen und Vorlieben. Da reagieren unsere Unternehmen teils noch zu langsam.

Meine Zeit in Südchina hat mir jedenfalls die Augen geöffnet. Die Mischung aus kluger staatlicher Förderung und mutigen, schnellen Start-up-Unternehmern ist einmalig. Diese Mischung ist zwar ein chinesisches Modell, aber wir sollten sie uns dennoch genauer anschauen und versuchen, davon zu lernen. Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund: Wie kann der Staat in Deutschland Innovation unterstützen? Und wie können die Unternehmen selbst in ihren Innovationszyklen schneller und wendiger werden?

Was fehlt der deutschen Wirtschaft noch?

Es ist vor allem dieser Try-and-Error-Spirit, den wir noch ausbauen könnten: Risiken eingehen. Einfach mal was Neues wagen. Den Mut haben, auch mal was falsch zu machen und dann dafür auch die zeitlichen und finanziellen Kosten zu akzeptieren, als Teil eines Entwicklungsprozesses. Dieser Spirit ist in China verbreiteter als in den USA. Und in den USA verbreiteter als Europa. An dieser Stelle können wir noch nachbessern. 

Wie sind Sie eigentlich nach China gekommen?

Ich war mit 18 Jahren auf einem Schüleraustausch in Japan. Da hat mich die asiatische Kultur zu interessieren begonnen. Aber Japan steckte zu dieser Zeit in einer tiefen Rezession und war ziemlich angeschlagen. Ich habe dann geschaut, welche Länder in der Region Entwicklungspotenzial haben und bin, wen wundert es, auf China gestoßen. Also habe ich Sinologie zu studieren begonnen …

… ein Nischenfach. Damit sind Sie doch bestimmt auf große Skepsis gestoßen in ihrer Umgebung. Warum haben Sie weitergemacht?

Ja, das war so. Ich habe aber nicht aufgehört, weil ich fand, dass “Nische” nicht die angemessene Bezeichnung ist, um China zu beschreiben. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich China entwickelt, war mir schnell klar, dass es in allen strategischen globalen Fragen, keinen Weg vorbei an China gibt. Wir werden immer enger mit China zusammenarbeiten müssen und sich mit China zu beschäftigen, wird immer spannender. 

Sie haben als Kind die DDR noch erlebt. War das nicht ein Grund, sich nicht mit China zu beschäftigen? 

Ich war damals noch zu jung, um jetzt einen Systemvergleich anzustellen. Ich war ja zwölf als die Mauer aufging. Ich kann mich eigentlich nur noch an die roten Parolen erinnern, die es ja hier in China auch noch gibt. Mit Sprüchen wie: “Tragt dazu bei, eure Stadt schöner zu gestalten. Viele Grüße, die Kommunistische Partei.”

Kann man die Systeme vergleichen?

Kann man. Die Frage ist nur, was das bringt. Das wirtschaftliche System der DDR hat am Ende dazu geführt, dass sich die DDR selbst abgeschafft hat. Das kann man von China ja nicht wirklich behaupten. 

Und politisch?

Da würde ich mich eher auf die Eigenheiten des chinesischen Systems konzentrieren wollen: Es ist ein autoritäres System, dass sich zunehmend auf eine Person konzentriert, die die Zügel auch in der Partei wieder anzieht. 

Der Spielraum der Zivilgesellschaft wird also kleiner? 

Es war schon ein anderes in Peking als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal zum Studieren hier war. Es war natürlich weniger entwickelt, allerdings andererseits auch viel freier in seiner Kreativität, in der Kunstszene, der Musikszene. Vieles ist verschwunden. Und die, die geblieben sind, agieren viel vorsichtiger. Kurz: Das Leben ist heute komfortabler als vor 20 Jahren, aber es hat deutlich an Freiheit und Flexibilität eingebüßt. Die Einschränkungen der Zivilgesellschaft gehen Hand in Hand mit dem nun größeren Spielraum der Parteiführung. 

Also folgt der wirtschaftlichen Öffnung nicht die politische Öffnung? 

Leider nicht. Den Trend gab es früher einmal, aber den sehe ich nun für die nächste 20 Jahre nicht. Der Staat und die Partei haben die Zügel zunehmend fest in der Hand und solange es ihnen weiterhin gelingt, Wohlstandszuwachs für die Bevölkerung zu erzielen, wird das China, wie wir es kennen, weiter existieren. 

Haben Sie angesichts der politischen Entwicklung Ihre Entscheidung je bereut, Sinologie zu studieren?

Nein, mein Job macht mir viel Spaß. Ich lerne viel. Jeden Tag müssen wir uns hier in der Kammer von neuem fragen: Wie hat sich die Lage in diesem schnell wachsenden Land verändert. Mit wem müssen wir zu welchem Thema sprechen? Wer ist zuständig? Wer ist nicht zuständig, hat aber Einfluss? Und welchen Ton schlagen wir bei wem an?

Wird es nun riskanter in China zu investieren?

Das kann man so pauschal nicht sagen: Die Ausgangslage ist für die Unternehmen komplizierter als vor 20 oder 30 Jahren, da eine Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen im vollen Gange ist. Es geht nicht nur mehr um wirtschaftlichen Erfolg und Chancen, sondern zunehmend auch um das Management von Risiken. Chancen und Abhängigkeiten sind zwei Seiten einer Medaille. Die Frage ist: Wie kann ich Chancen nutzen und gleichzeitig die Abhängigkeiten überschaubar bleiben lassen. Das ist eine besonders schwierige Frage in Branchen wie dem Maschinenbau oder der Autoindustrie, bei denen rund 30 Prozent des weltweiten Geschäftes in China liegen. Tendenz steigend. Die Unternehmen werden auf jeden Fall mehr in Risiko- und Compliance-Management investieren müssen.

Welche Fragen stellen sich da?

Eine lautet, ob chinesische oder westliche Unternehmen gleichbehandelt werden – Stichwort “Dual Circulation” – und wie lange und in welcher Weise deutsche Unternehmen von dem Aufstieg Chinas profitieren.

Und?

Wir werden Einschnitte in manche Branchen haben – vor allem in sicherheitsrelevanten Bereichen. In anderen Industrien werden sich neue Möglichkeiten öffnen. Vor 20 Jahren hatten ausländische Unternehmen einen Marktanteil von 60 Prozent. Inzwischen wird der Markt von chinesischen Playern kontrolliert. Wir liefern allenfalls noch zu. Im Bereich der Industrieautomatisierung und Dekarbonisierung andererseits, da tun sich noch große Chancen auf. China ist und bleibt für die meisten Branchen der Wachstumsmarkt der Zukunft. 

Noch ist VW der erfolgreichste Autohersteller Chinas. Wird das so bleiben?

Das hängt von der Innovationskraft der Autohersteller generell ab und im Besonderen von der Frage, wie schnell es ihnen gelingen wird, sich auf die chinesischen Kundenwünsche einzustellen. Das ist je generell ein wunder Punkt, bei dem deutsche Unternehmen noch nachlegen müssen. Klar ist: die chinesischen Wettbewerber holen auf. Schneller als wir alle geglaubt haben und noch glauben. Gleichzeitig gilt, die deutschen Unternehmen scheuen keinen Wettbewerb, solange er fair ist und alle Marktteilnehmer sich an die gleichen Regeln halten müssen.

Leidet der Ruf der deutschen Wirtschaft in China angesichts der politischen Spannungen? 

Der Ruf der deutschen Wirtschaft ist ausgezeichnet. Wir haben hier in den vergangenen 30 Jahren über eine Million Arbeitsplätze geschaffen, haben zum Wachstum der chinesischen Wirtschaft beigetragen. Vor allem der deutsche Mittelstand ist hoch angesehen. Die Hidden Champions werden mit dem Label “Made in Germany” eng verbunden. Auch im Chinageschäft sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Wir haben über 5.000 deutsche Unternehmen hier in China. Die allermeisten sind kleine und mittelständische Unternehmen. Made in Germany hat also weiterhin einen guten Ruf, obwohl der Ruf des Westens insgesamt vor allem in den vergangenen zwei Jahren doch schon an Kraft verloren hat.

Die Wahrnehmung Chinas in Deutschland und im Westen insgesamt hat sich hingegen verändert. Man ist kritischer, skeptischer geworden gegenüber China.

Das ist so. Dazu trägt China sicher auch selbst bei, aber vor allem fehlt uns der Austausch in den vergangenen Jahren. Die Reisen von Entscheidern, von Politikern, hohen Beamten und CEOs auf beiden Seiten fehlen. Aber auch die Reisen auf der Arbeitsebene. Das führt dazu, dass das gegenseitige Verständnis abnimmt. Das ist ein ernstes Problem. Das Bild voneinander wird zunehmend von Befürchtungen, ja sogar Ängsten, geprägt, die sich verstärken, weil man noch so wenig übereinander weiß. 

Welche Rolle spielt dabei die Innenpolitik Chinas, die die Zügel anzieht?

Diese Politik macht es nicht einfacher und führt neben dem geringeren Austausch und dem geringer werdenden Wissen übereinander auch noch dazu, dass der Spagat zwischen wirtschaftlichem Erfolg und politischen Risiken für ausländische Unternehmen vor Ort immer größer wird. Der Instrumentenkasten der chinesischen Regierung, um sich handelspolitisch wehren zu können, wächst mit jedem Monat. Und der Konflikt mit den USA ist noch längst nicht vom Tisch, genauso wenig wie die Reibungen mit der Europäischen Union. 

Das klingt nicht sehr zuversichtlich. Was können deutsche Unternehmen in dieser Lage machen?

Für die Unternehmen ist das schwierig. Sie können nur wenig ändern. Aber sie müssen ein umfassenderes Risikomanagement betreiben, weil die politischen Konflikte immer stärker ins Geschäft hineinstrahlen. Klar ist: China lässt sich immer weniger gefallen und die USA wollen ihre Macht nicht teilen. Europa und Deutschland werden zunehmend ihre eigenen Interessen definieren und verteidigen. Die Frage, die sich die Unternehmen nun stellen müssen: Was könnte das für mein Geschäft bedeuten? Zumal China wahrscheinlich noch sehr lange der wichtigste Wachstumsmarkt und der wichtigste Handelspartner der Deutschen bleiben wird. Die Unternehmen arbeiten an neuen China-Strategien für die nächsten fünf bis zehn Jahre.   

In Deutschland beginnen gerade die Koalitionsverhandlungen. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?

Aus Sicht der Wirtschaft: Dass sie erst einmal einen Dialog mit der deutschen Wirtschaft über China führt, um sich über die jeweiligen Entwicklungsziele auszutauschen. Wichtig ist auch, festzulegen, welche Kooperationen mit China wir in Zukunft weiter betreiben wollen und welche vielleicht nicht und was unsere Ziele dabei sind. Gleichzeitig braucht es mehr Dialog und klare Spielregeln im Umgang mit China. Dazu gehört auch, rote Linien zu setzen. Aber die roten Linien dürfen kein politischer Selbstzweck sein oder nur dazu dienen, innenpolitische Stimmungen zu bedienen. Sie sollten vor allem ein Ziel haben, sich mit einer Frage beschäftigen: Wie können beide Seiten nachhaltiger zusammenarbeiten?

Das ganze Interview können Sie hier als Video sehen.

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Analyse

Training wird trendy – Mehr Apps und gezielte Kurse

Wer vor 20 Jahren in einer chinesischen Stadt ein Fitnessstudio betrat, fand dort hauptsächlich wacklige Trainingsmaschinen und ein paar Männer, die auf Hantelbänken rauchend fern schauten. Doch die Sportlandschaft in China hat sich stark verändert. Der Markt generiert mittlerweile jährlich etwa sieben Milliarden US-Dollar und weist in den letzten fünf Jahren ein stetiges Wachstum von 4,4 Prozent auf. In den letzten 20 Jahren ist die Anzahl der Fitnessstudios in China dabei von 500 auf knapp 50.000 angestiegen. Fitness-Apps wie Keep, Bohe Jiankang oder Xunji bauen eine Online-Sport-Community auf. Auch Livestreaming-Plattformen springen auf den Zug auf. Die Videoplattformen rekrutieren auf Hochtouren Online-Persönlichkeiten, die Fitness-Videokanäle anbieten.

Die Generation U-40 fängt gerade erst an

“Doch zu sagen, dass Sporttreiben ein neues Phänomen in China wäre, ist falsch”, sagt Feline Wang, lizenzierte Trainerin und sogenannte Key Opinion Leaderin (Online-Influencer mit Expertenwissen) mit mehr als 300.000 Followern. “Es ist nur neu für Leute bis etwa 40 Jahre.” Was sie beschreibt, ist die Generation der Ein-Kind-Politik, die von ihren Eltern einen besonders ausgeprägten Fokus auf Ausbildung und schulische Leistungen in die Wiege gelegt bekommen hat. Die schulischen Leistungen standen im Vordergrund und Sport war keine Priorität.

Anders ist es bei den Senioren. Die Parks sind voll von älteren Menschen, die in kleinen, eigens von den Stadtregierungen dafür angelegten Fitnessparks Klimmzüge machen, Tischtennis spielen oder auf Plätzen bei lauter Musik Tänze veranstalten.

Viele von den Jüngeren haben zwar einen guten Job, aber oft bezahlen sie heute den Preis dafür, dass sie ihr Leben lang nichts für ihren Körper getan haben. Sie haben Rückenschmerzen, Haltungsschäden oder im schlimmsten Fall sogar einen so ungesunden Lebenswandel, dass mit Anfang 40 schon Freunde an Herzinfarkten gestorben sind”, sagt Feline Wang.

Wangs Werdegang als Key Opinion Leaderin zeichnet die Entwicklung der Sportbegeisterung der neuen Generation ziemlich genau nach. “Vor vier Jahren fing ich mit dem Training an und postete Videos davon online. Ohne dass ich jemals aktiv versucht hätte, Bekanntheit zu erreichen, habe ich es auf 300.000 Follower gebracht.” Verträge mit Online-Streamingplattformen wie Bilibili folgten. “Die Plattformen und Anbieter von Fitnessprodukten kamen auf mich zu. Sie haben Fitness als Markt erkannt und haben dringend nach Persönlichkeiten gesucht, die diesen Lifestyle auf ihren Plattformen verkörpern konnten.”

Der große Unterschied zwischen den älteren, die immer noch Sport machen, und den jüngeren, die gerade erst damit anfangen, ist die Zahlungsbereitschaft. Während die älteren Semester in abgewetzten Jogginganzügen in Parks Sport macht, kauft die jüngere Generation fleißig Fitnessgeräte, Sportkleidung, Schuhe und investiert auch in Personal Training oder Mitgliedschaften bei Online-Kursen oder Fitness Apps. Weniger zahlungskräftige Kunden wie Studenten, die für die Sportanforderungen für ihre Zhongkao (Mittelschulprüfung) bestehen müssen, oder Berufsanfänger behelfen sich mit günstigeren Angeboten wie Fitness-Apps oder Gruppenangeboten.

Know-how der Trainer wächst

Constantin Colberg hat Fitness-Studios in Deutschland und China aufgebaut. Sein Studio Colberg Fitness im Pekinger Central Business District zieht sowohl ausländische als auch chinesische Kunden aus der ganzen Stadt an. Er kennt die Anforderungen und Ziele gut, die chinesische Kunden von deutschen unterscheiden. “Der größte Unterschied zwischen einem deutschen Kunden und einem chinesischen ist eigentlich das Vorwissen. Speziell chinesische Frauen haben oft wenig bis gar keine Erfahrung mit Zugmaschinen oder Gewichten.”

Auch bei den Trainern gibt es in China noch Entwicklungsspielraum. Fundierte Ausbildung und Erfahrung sind oft noch Mangelware. “Die Qualität der Trainer in China variiert mindestens genauso wie bei uns in Deutschland,” sagt Colberg. “Es gibt erfahrene und wenig erfahrene. Wobei der Anteil der sehr erfahrenen Trainer in China fast unaufspürbar ist.

Doch mit der wachsenden Nachfrage steigt auch der Anspruch der Kunden an Qualität. Heute werden Trainer nur noch selten ohne entsprechende Lizenzen beschäftigt. “Die chinesischen Trainer werden besser und spezialisierter. Es gibt unterschiedlichste Trainerlizenzen, wie Rehabilitation und Schwangerschaftstraining. Aber noch lange nicht in der Breite wie sie in Deutschland oder den USA existiert. Da ist es noch ein weiter Weg.”

Und auch die Preise für Mitgliedschaften steigen mit dem Qualitätsanspruch der Kunden. Eine Mitgliedschaft von 6.000 RMB (ca. 800 Euro) im Jahr sind keine Seltenheit. Zu viel für viele junge Berufsanfänger oder Studenten.

“Der Wirkliche Boom liegt in der Ernährung”

Constantin Colberg sieht den Boom besonders im Bereich der gesunden Ernährung. “Wenn man fit leben und essen, aber nicht selbst kochen will, kann man das in China sehr bequem machen. Produkte gibt es genug.”

Besonders auf dem Vormarsch sind gesunde, zuckerfreie Snacks, die viel Eiweiß enthalten. Dabei sind chinesische Kunden der zahlungsfähigen Mittelschicht durchaus auch bereit, viel Geld für ausländische Produkte auszugeben. Importierte Eiweißprodukte wie die britische Marke Myprotein erfreuen sich großer Beliebtheit und sind dabei Nutznießer einer durch Nahrungsmittelskandale und Etikettenschwindel immer noch verbreiteten Misstrauen gegenüber chinesischen Produkten.

Mehr Apps und mehr Spezialisierung

Für die Zukunft rechnen sowohl Wang als auch Colberg mit weiterem Zuwachs. Die neue Marschrichtung der Regierung, die Bevölkerung sportlicher zu machen, unterstützen diese Sichtweise. Eine Gesellschaft von gestählten Gewichthebern sagen sie aber nicht voraus: “Die meisten Chinesen sind nicht so sehr hinter großen Muskelbergen her”, sagt Colberg. Der Großteil der Leute sucht nach genereller Fitness und Gesundheit.

“Dafür braucht man nicht ins Gym zu gehen”, erklärt Feline Wang. “Das kann man auch mit einer Fitnessapp erreichen. Es ist auch billiger und man kann es zu Hause machen”. Daher sieht sie das größte Wachstumspotenzial im Bereich der Fitness-Apps und bei Online-Kursen. Auch die Coronakrise hat diesen Trend noch angeschoben.

Colberg sieht das ähnlich. In seiner Zukunftsvision wird es neben vielen Online Angeboten aber auch noch weiter große Nachfrage nach spezialisierten Fitnessstudios wie beispielsweise für Kampfsport, Yoga oder Bodybuilding geben. Eins ist aber sicher: Rauchend ferngesehen wird in Zukunft in chinesischen Gyms nicht mehr. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

  • Sport

News

China baut Quarantäne-Zentren für Einreisende

Chinas Gesundheitsbehörden haben die Städte der Volksrepublik angewiesen, Quarantäne-Zentren für Einreisende aus dem Ausland zu errichten, wie die South China Morning Post berichtet. Demnach sollen die Stadtregierungen für Quarantänezwecke nicht mehr auf Hotels zurückgreifen, sondern gesonderte Quartiere einrichten. Dafür sei dem Bericht zufolge eine Quote von 20 Betten pro 10.000 Einwohnern der Städte vorgesehen.

Die zentralisierte Quarantäne von Einreisenden spiele eine wichtige Rolle, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verhindern, wird ein hochrangiger Gesundheitsbeamter zitiert. Vor allem große Küstenstädte, die viele Ankünfte verzeichnen, sollten große Anlagen errichten, so der Bericht.

In Guangzhou am Perlfluss wird in Kürze ein großes Quarantäne-Zentrum mit mehr als 5.000 Betten eröffnet, so die SCMP. Das Zentrum werde “kontaktlosen Service” anbieten, Drohnen und Roboter würden Essen liefern und die Zimmer desinfizieren. Eine Erweiterung sei schon geplant. Will die 18-Millionen-Einwohner-Stadt die Quote von 20 Betten pro 10.000 Einwohner erzielen, muss sie über 37.000 Räume bereitstellen. In Shenzhen soll demnach ein ähnliches Zentrum errichtet werden. Die Volksrepublik fährt weiterhin eine Null-Toleranz-Strategie gegen die Corona-Pandemie. nib

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Stromverknappung: Handelskammern fordern mehr Transparenz

Die EU-Handelskammer in China hat angesichts der anhaltenden Stromausfälle vor allem im Osten des Landes mehr Transparenz bei künftigen Elektrizitätsverknappungen gefordert. Sie empfahl den Behörden, so bald wie möglich Zeitpläne und Details zu den Energiesparmaßnahmen der kommenden Monate zu veröffentlichen, damit sich Unternehmen darauf einstellen können. Firmen und Produktionsanlagen, die bereits energieeffizient seien, sollten auf Basis eines wissenschaftlichen Ansatzes von künftigen Stromverknappungen ausgenommen werden, schlägt die Kammer vor. Vonseiten der Regierung müsse das Tempo der Energiewende besser gesteuert werden: Die EU-Kammer empfehle nachdrücklich, ein Gleichgewicht zwischen Energiesicherheit und Chinas langfristigen Klimazielen durch “realistische Ansätze und nachhaltige Strategien in koordinierter Form” zu erreichen.

In den vergangenen Wochen hatten Stromengpässe in mehreren ostchinesischen Provinzen zu stillstehenden Produktionsbändern und Stromausfällen in privaten Haushalten geführt (China.Table berichtete) – oft ohne Vorwarnung, wie die EU-Kammer kritisiert. “Den jüngsten willkürlichen Maßnahmen lokaler Behörden mangelte es an Transparenz und Kohärenz und es fehlte zudem an Rechtsgrundlagen.” Die Maßnahmen gefährdeten die Geschäftstätigkeit von Unternehmen in China “ernsthaft, schaffen kurzfristige Sicherheitsrisiken – insbesondere in der Chemie- und Gesundheitsindustrie – und untergraben mittel- bis langfristig das Geschäftsvertrauen”, kritisierte die Kammer.

Auch die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) hatte sich nach eigenen Angaben an das chinesische Handelsministerium (MOFCOM) sowie an die Behörden auf Provinz- und Stadtebene gewandt, um die “kritische Situation und die Folgen für die Fertigungsaktivitäten deutscher Unternehmen” hervorzuheben. Dabei sei eine transparente Informationspolitik und mehr Vorlaufzeit gefordert worden, um eine “ordnungsgemäße Produktionsplanung” zu ermöglichen.

Gründe dafür, dass der Strom abgeschaltet wird, gibt es mehrere. Nach wie vor kommt er in der Volksrepublik zu zwei Dritteln aus Kohlekraftwerken. Kohle ist zuletzt aber teuer geworden. Einige Kraftwerksbetreiber können nur noch mit großen Verlusten Strom produzieren und schalten deswegen die Anlagen lieber ab. Außerdem will die Zentralregierung in Peking den Stromverbrauch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um drei Prozent reduzieren, um seine Klimaziele zu erreichen und hat entsprechende Vorgaben an die Provinzen ausgegeben.

Die weltweiten Lieferkettenprobleme dürften sich durch die Stromabschaltungen in China noch verschärfen. Einige ausländische Analysten rechnen inzwischen damit, dass Chinas Wirtschaft wegen der Stromabschaltungen dieses Jahr weniger stark wachsen wird als gedacht. Das japanische Finanzunternehmen Nomura senkte zuletzt seine Wachstumsprognose für das letzte Quartal dieses Jahres in China von 4,4 auf drei Prozent. Wie lange die Stromkürzungen noch anhalten werden, ist nicht klar. ari

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Chinesische Kampfjets in Taiwans Luftraum

Zum chinesischen Nationalfeiertag hat Chinas Militär zwei Tage in Folge eine Rekordzahl von Flugzeugen in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ) geschickt. 39 Militärmaschinen seien im Luftraum des Inselstaats unterwegs gewesen, 20 am Samstag nahe der Pratas-Inseln (Dongsha-Inseln) und weitere 19 in der Nacht zum Sonntag, teilte das Verteidigungsministerium in Taipeh auf Twitter mit – so viele wie nie zuvor. Es hatte sich demnach zumeist um Maschinen vom Typ J-17 und SU-30 gehandelt.

Taiwanische Kampfflugzeuge seien aufgestiegen, um die chinesischen Flugzeuge zu vertreiben. Flugabwehrsysteme seien zur Überwachung aktiviert worden, so das Ministerium. Auch vier chinesische H-6-Bomber waren laut dem Ministerium im Luftraum. Die H-6-Bomber können Atomwaffen tragen. Premierminister Su Tseng-chang verurteilte das Vorgehen Pekings Medienberichten zufolge als widerrechtlich und sagte, China unterhöhle den Frieden in der Region. Außenminister Joseph Wu nannte die Aktionen “bedrohlich”.

Die Aktion vonseiten der Volksrepublik erfolgte nur wenige Tage vor dem Nationalfeiertag Taiwans: Dieser wird am 10. Oktober begangen. Vorgesehen sind Berichten zufolge eine Rede von Präsidentin Tsai Ing-wen und eine Militärparade in Taipeh, bei der auch Kampfjets präsentiert werden sollen. ari

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  • Militär
  • Taiwan

USA: Peking hält Handelsabkommen nicht ein

Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai wird einem Medienbericht zufolge am Montag bekannt geben, dass China das sogenannte Phase-1-Handelsabkommen nicht einhält. Die Volksrepublik hätte laut der Vereinbarung über einen Zeitraum von zwei Jahren zusätzliche US-Waren im Wert von mehr als 200 Milliarden US-Dollar kaufen sollen, wie der Fernsehsender CNBC berichtete. China sei dieser Zusage aber nicht nachgekommen. Tai prüft dem Bericht zufolge nun mögliche Maßnahmen gegen China wegen der Nichteinhaltung, einschließlich möglicher zusätzlicher Zölle. Die Handelsbeauftragte wird sich demnach dazu in ihrer heutigen Rede äußern.

Das Phase-1-Abkommen wurde 2019 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump unterzeichnet. Die Vereinbarung sollte einen bestehenden Handelskonflikt zwischen den USA und China lösen. In dem Abkommen war demnach vorgesehen, dass China seine Käufe von US-Agrar- und Industriegütern, Energie und Dienstleistungen innerhalb von zwei Jahren bis Ende 2021 um 200 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum Niveau von 2017 erhöht.

Das ist dem Medienbericht zufolge aber nicht passiert: Chinas Käufe von US-Exporten umfassten bis August dieses Jahres geschätzt nur 62 Prozent des Ziels aus dem Handelsabkommen, wie der US-Forscher Chad Bown vom Peterson Institute for International Economics in Washington der Nachrichtenagentur Reuters sagte.

Tai hatte Reuters zufolge seit ihrem Amtsantritt im März eine Überprüfung der chinesischen Handelspolitik Washingtons durchgeführt. US-Präsident Joe Biden hatte Zölle auf chinesische Importe beibehalten, die sein Amtsvorgänger Trump verhängt hatte (China.Table berichtete). Die Biden-Regierung hat bisher jedoch nur wenig darüber bekannt gegeben, wie Washington beispielsweise mit Chinas Subventionierungen umgehen möchte. ari

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Litauen gibt grünes Licht für Handelsbüro in Taiwan

Litauens Parlament hat die Gesetzesgrundlage zur Einrichtung eines Handelsbüros in Taiwan geschaffen. Das Parlament habe Gesetze verabschiedet, die die Einrichtung litauischer Handelsbüros in Staaten ermöglichen, in denen es keine diplomatischen Vertretungen gebe, teilte Litauens Wirtschaftsministerin Ausrine Armonaite auf Twitter mit. Das schließe auch Taiwan mit ein.

Die Abstimmung fällt inmitten eines diplomatischen Konflikts zwischen der Volksrepublik und dem EU-Staat um Vertretungen in Litauen und Taiwan. Hintergrund ist ein Streit um den Status von Taiwan. Das baltische Land hatte der Regierung in Taipeh erlaubt, eine “Taiwanische Vertretung” in der Hauptstadt zu eröffnen. Peking ist verärgert (China.Table berichtete) und stellte zuletzt den Frachtverkehr über Eisenbahn nach Litauen ein.

In Deutschland gibt es lediglich eine “Taipeh-Vertretung” ohne Erwähnung des Landesnamens in der offiziellen Bezeichnung. Eine “Taiwanische Vertretung” in der EU ist eine sichtbare diplomatische Aufwertung. Handelsvertretungen der EU-Staaten in Taiwan gibt es bereits mehrere, für Deutschland beispielsweise die AHK.

Die Thematik wird auch in zweiten Sitzungswoche des Europaparlaments im Oktober eine Rolle spielen: Das EU-Parlament stimmt dann erstmals über einen Bericht zu den EU-Taiwan-Beziehungen ab. Darin wird auch die Einrichtung “einer taiwanesische Repräsentanz in Litauen” begrüßt und die Reaktion aus Peking verurteilt. In dem für die EU-Kommission nicht bindenden Bericht wird zudem vorgeschlagen, den Namen des Europäischen Wirtschafts- und Handelsbüros (European Economic and Trade Office, kurz EETO) in “Büro der Europäischen Union in Taiwan” (“European Union Office in Taiwan”) zu ändern, “um den breiten Umfang unserer Verbindungen widerzuspiegeln”, wie es in dem Papier heißt. ari

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AsiaBerlin Summit 2021

4. – 10. Oktober
Organisiert vom Berliner Senat & Asia Berlin Forum e.V.

Wir freuen uns, die Leserschaft des China.Table auf den Asia Berlin Summit 2021 aufmerksam zu machen, der vom 04. bis zum 10. Oktober stattfinden wird. Das Forum möchte Startup-Ökosysteme Asiens und Europas miteinander vernetzen.

Anbei finden Sie das heutige Programm. Um an den Veranstaltungen teilzunehmen, registrieren Sie sich hier. Veranstaltungsorte heute sind die EDGE Workspaces, Invalidenstr. 65, 10557 Berlin. Der hybride Summit nutzt die Brella App, wählen Sie sich hier ein, nachdem Sie sich registriert haben.

TODAY’S PROGRAM

10:00 AM: Welcome and Opening, Martin Rodeck and Rainer Seider, EDGE

10:20 AM: Opening Panel: Corporates meets StartUp, Speaker: T. Nayak (Useristics), N. Pütz (Ratepay GmbH)C. Neike (Siemens), T. Saueressig (SAP SE), EDGE

11:35 AM: Startups as driver of innovation and digitalization of the German economy, Speaker: R. Hermann (GTAI), G. Miczaika (Auxxo), N. Yoneyama (SBI), EDGE

12:00 PM: China Mid-Autumn Festival, Olymoics and Tourism Promotion, Video – Chinese Culture Center Berlin, Online

12:00 PM: Cambodia Tourism Promotion, Video – Royal Embassy of Cambodia, Online

12:00 PM: Exhibition: Young-Jae Lee in collaboration with KDK – Korean Emotions meet the spirit of Bauhaus, Royal Embassy of Cambodia, Gallery Damdam

12:00 PM: Nepal Short Films and Tourism Promotion, Video – Embassy of Nepal, Online

12:15 PM: Panel: Female Investors building bridges, Speaker: Y. Clit (Startupgrind China), M. Baum (WLOUNGE), R. Xie (Plug and Play China), R. See (She loves Tech), EDGE

02:00 PM: Panel: Learning from the Bridgemaker: Internationalization and expansion done right, Speaker: K. Zietlow (GTAI), T. Mack (German Entrepreneurship), T. Ammelburg (TechCode Berlin), D. Dutta (AsiaBerlin), V. Hoffmann (Humboldt Innovation), EDGE

02:50 PM: Panel: Innovation Hunger: Finding inspiration in interculturality, Speaker: M. Baum (WLOUNGE), M. Roßbander (SIEMENS AG), S. Borkar (Mahindra Group India), N.Wagner (Rehau New Adventures), N. Yoneyama (SBI), EDGE

03:05 PM: Keynote: From Streets to Offices: Unblocking LGBTQI Talent, Speaker: A. Lam, EDGE

03:15 PM: Panel: Startups and Enterprises – Discussing LGBTQ ERGs, Speaker: Athena Lam, M.V. Serunyogi (Zalando) L. Gillon (Modality Group) A. Kunad (SAP SE), Yan Fan (Code Chrysalis), EDGE

03:40 PM: Keynote ZhongguancunScience Park, an interface between universities and industy, Speaker: Yi Zhao (Zhongguancun Science Park Innovation Alliance in Deutschland e.V.), EDGE

04:30 PM: Panel “Mind the Gap” Stories of female innovators creating a ripple effect, Speaker: D. Schmechel (Themis Digital), S.A. Sternik (Peri Tech), L. Matz (FinMarie & Zuper GmbH) A. Singh (VC-SheCapita) A. Gandikota (AsiaBerlin), EDGE

04:30 PM: Startup stories – success and fuck-ups, Speaker: L. Li (U Impact), P. Singh (PLATONIC) A. Kruse (RYTL GmbH), L. Frigani (Exaloan), D. Dutta (AsiaBerlin), EDGE

05:15 PM: Keynote: Diversity and cities as an eco-system, Speaker: A. Friedrich, EDGE

05:50 PM: Panel: Multiple-partner programs – a win or a curse for startup growth, Speaker: P. Anam (The Gene Box), M. Steinbuch (36C Venture Startup Studio), E. Wang (36 Kr Global), I. J. Uzunovski (betahaus), EDGE

05:55 PM: Panel: Government, politics, and their role for innocation and scalability in Asia, Speaker: M. Baum (WLOUNGE) S. Yang-Schmidt (Cassandra Foresight), EDGE

06:30 PM: Closing Remarks + FireSide Chat: Insides in Berlin’s startup landscape, Speaker: Norbert Herrmann and Rainer Seider, EDGE

06:45 PM: Evening Reception, EDGE

Presseschau

Chinese planes fly over Taiwan defence zone in second day of record show of force THE GUARDIAN
China tightens political control of internet giants INDEPENDENT (PAY)
Chinese Citizen Journalist Who Documented Covid-19 in Wuhan Resurfaces After 600 Days WSJ (PAY)
Barriers used during black terror removed from HK official buildings, marking return to safety amid National Day celebrations GLOBAL TIMES (STAATSMEDIUM)
Drohende Evergrande-Pleite: Chinas Fußball-Rekordmeister steckt mit drin TAGESSCHAU
China sperrt Studenten und Forscher aus – warten sie vergebens auf eine Rückkehr? NZZ (PAY)
Klimaschutz in China: “Kohlestrom rechnet sich immer weniger” ZEIT
Chinas Ex-Justizminister unter Korruptionsverdacht N-TV
Mikko Huotari: China könnte mit Grünen und FDP nicht mehr nur als Partner gesehen werden DLF

Portrait

Didi Kirsten Tatlow – Wissenschaftlerin und Journalistin

Didi Kirsten Tatlow
Journalistin und Senior Fellow des Asienprogramms der DGAP

Didi Kirsten Tatlow (54) wuchs in Hongkong auf – direkt in der Nachbarschaft eines riesigen Landes. Von klein auf kam sie mit ihrem großen Nachbarn China in Berührung. Es wurde ihre Berufung: “China war meine Welt und der Grund, Journalistin zu werden.” Denn “Europa hat China nie sehr gut verstanden und tut es noch immer nicht”.

Tatlow ist Senior Fellow im Asienprogramm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Täglich beobachtet sie Chinas wachsende Rolle und dessen Einfluss im Weltgeschehen, seine aktuellen Verhandlungen mit den Taliban, die enge Verbindung zu Pakistan und seine gefährliche Rolle bei der Nuklearforschung. “Als ich mit meiner Arbeit begann, war ich naiv. Inzwischen bin ich kritisch.” 

Zu kritisch, werfen ihr viele vor. Doch Tatlows Blick beruht auf jahrelanger Erfahrung, einem Leben in China, Hongkong, Taiwan und einem Job, der von Gefahren geprägt war. “Europa mag die Augen weitgehend verschließen, doch ich kann es nicht.”             

Nach ihrem Chinesisch- und Politik-Studium in London, arbeitete Tatlow 23 Jahre lang als Journalistin in Asien und Europa, schrieb für chinesische und ausländische Medien, enthüllte Organhandel und Serienmörder. Sie gewann den Human Rights Press Award von Amnesty International, dem Foreign Correspondent’s Club Hongkong und der Hong Kong Journalists Association. Die Arbeit für ihre Heimatzeitung South China Morning Post brachte sie in ernste Konflikte mit Pekings Regierung. Als Korrespondentin der New York Times, wurde sie endgültig zur Zielscheibe der chinesischen Behörden.

Heute lebt sie mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Berlin. Nach einem Jahr Fellowship bei MERICS begann Tatlow 2018 mit dem Projekt, das sie “China in Europa” nennt und für das sie sich mit den Netzwerken der Volksrepublik in Europa befasst. Als Co-Autorin und Mitherausgeberin des Buches “China’s Quest for Foreign Technology: Beyond Espionage” wirft sie einen Blick auf die chinesischen Machtstrukturen und Spionagetechniken. “Wir als Europa haben die Aufgabe, vorsichtig, aber auch kritisch und couragiert die Situation in der Volksrepublik anzusprechen und zu analysieren. Denn es ist ein Einparteienstaat mit tyrannischer Tradition und dem Vorhaben Nummer-1-Staat der Welt zu werden.”

Tatlows Fokus liegt auf dem Technologietransfer und den wirtschaftlichen Strukturen zwischen China und Europa. Die Abhängigkeit von der Volksrepublik beunruhigt sie sehr. “Eine große wirtschaftliche Interessengruppe in Deutschland verteidigt und unterstützt China und übersieht damit viele politische und menschenrechtliche Themen.” Dabei schaue man über die eigene Verantwortung hinweg: China verletze Menschenrechte in Taiwan, in Tibet, Xinjiang und Hongkong, im eigenen Land, aber auch international. “Ich verstehe nicht, wieso man so wenig tut. Doch es muss sich etwas ändern. China greift längst nicht mehr nur innerhalb seiner Grenzen ein, sondern weit darüber hinaus.”

Tatlow fordert ein Umdenken und Verstehen, als Journalistin, China-Expertin, in Hongkong Geborene und als Mutter. “In welcher Welt werden unsere Kinder aufwachsen? Wir entscheiden, ob es in einer demokratischen sein wird.” Oder in einer Welt, die durch die KP China maßgeblich mitbeeinflusst wird. Lisa Marie Jordan

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  • Merics

Personalien

Michael Laha wird Fellow bei Merics. Beim China-Think-tank wird er über Innovationspolitik, die Rolle Chinas in den transatlantischen Beziehungen und Chinas Governance-Modell forschen. Zuvor war Laha beim Asia Society Center, wo er zu den US-chinesischen Beziehungen arbeitete. Bei der Asia Society war er zuletzt Senior Program Officer.

Zur Sprache

shǒubǎjiàn 手把件 – Handspielzeug

手把件 – shǒubǎjiàn – Handspielzeug

Erinnert sich noch jemand an Fidget-Spinner? Diese kleinen Kreisel mit Kugellager, die zwischen den Fingern gedreht werden? Ab 2017 kreiselte sich das Handspielzeug mit Suchtfaktor durch Einzelhandels- und Onlineshoppingsortimente weltweit. In Europa bekam man es damals an jeder Straßenecke. Manche Schulen in Deutschland sahen sich gar gezwungen, offiziell ein Fidget-Spinner-Verbot fürs Klassenzimmer auszusprechen. Doch auch vor Erwachsenen machte der “Zappelphilippkreisel” (das englische fidget bedeutet “zappeln, Zappelphilipp”) keinen Halt: die Fingerwirbel wurden als therapeutisches Anti-Stress-Gadget angepriesen, sollten die Hände beruhigen oder einfach für Ablenkung und weniger Langeweile im Alltag sorgen – Handspielzeuge mit Wellnessfaktor also.

Und in China? Da konnte man über den “neuen Trend” nur müde lächeln. Hier nämlich kennt man solche Handspielzeuge schon seit Jahrhunderten, und zwar unter dem Namen 手把件 shǒubǎjiàn – “Dinge zum Greifen für die Hand”. 

Wer auf Chinas Straßen oder im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, wird immer wieder Menschen – vor allem ältere Semester – entdecken, die die seltsamsten Gegenstände zwischen ihren Fingern wenden: zum Beispiele Jadefigürchen oder an einer Schnur aufgefädelte Kügelchen. Zu den Klassikern zählen aber insbesondere getrocknete Walnüsse und Flaschenkürbisse. Im Chinesischen gibt es sogar einen eigenen Begriff für diese Fingerspielerei, nämlich 文玩 wénwán – “kultiviertes Spiel(zeug)”.

Moment mal: Erwachsene, die minutenlang Nüsse und Kürbisse däumeln? Kann das gesund sein? Ja, kann es. Zumindest aus Warte der Traditionellen Chinesischen Medizin (中医 zhōngyī). Der seltsam anmutenden Marotte wird nämlich eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt: durch das Reiben, Drehen und leichte Drücken der Handspielzeuge sollen die vielen Akupunkturpunkte (穴位 xuéwèi) auf den Handflächen stimuliert werden. Und diese sind wiederum mit den Energiekanälen des gesamten Körpers und vieler innerer Organe verbunden. Durch die Stimulation öffnen sich diese Energiebahnen, Stauungen werden gelöst und die Blutzirkulation im ganzen Körper wird angeregt.

Wallnuss-Däumeln bereits in der Ming-Dynastie

Die Tradition des Walnussdrehens (文玩核桃 wénwán hétao) soll sogar bis in die Ming-Dynastie (1368-1644) zurückgehen. Ursprünglich entwickelten wohl zunächst Spieler von Saiteninstrumenten am Kaiserhof diese Handübung, um die Flexibilität ihrer Finger zu trainieren. Walnüsse erwiesen sich deshalb als besonders geeignetes Trainingsgerät, weil sie im Winter nicht zu kalt und im Sommer nicht zu trocken waren. Durch die Benutzung nahmen die Nüsse außerdem eine schöne, rötliche Färbung an. Mit der Zeit fanden schließlich auch immer mehr andere Menschen Gefallen an der Gewohnheit der Hofmusiker.

Durch die Popularisierung setze schließlich ein regelrechtes Wetteifern um die schönsten Nüsse ein. Bis heute zeichnet sich ein gutes Handwalnusspaar durch eine sorgfältig aufeinander abgestimmte Größe, eine dicke und robuste Schale, möglichst vielfältig verzweigte und tiefe Furchen und eine ansehnliche Symmetrie aus.

Ein weiterer beliebter Klassiker ist das Spielen mit getrockneten Flaschenkürbissen (文玩葫芦 wénwán húlu), auch als Kalebassenfrucht bekannt. Ihre chinesische Bezeichnung 葫芦 (húlu) erinnert lautlich an das Wort 福禄 (fúlù) für “Glück und Reichtum”, was die goldgelben Trockenfrüchte bis heute zu einem beliebten Begleiter macht.

Doch natürlich hat sich von Peking bis Berlin unter jungen Leuten längst ein anderes “shǒubǎjiàn” durchgesetzt: das Handy. Wenn Ihnen also das nächste Mal jemand das Handydäumeln madig machen möchte, berufen Sie sich doch einfach auf die Traditionelle Chinesische Medizin. Worauf schon die alten Chinesen schworen, kann schließlich so falsch nicht sein.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • AHK-Chef Jens Hildebrandt im CEO-Talk
    • Sport und Ernährung werden als Lifestyle-Trend wichtiger
    • Feste Quarantäne-Zentren für Einreisende geplant
    • Stromverknappung beschäftigt Außenhandelskammern
    • Peking schickt Kampfjets in Taiwans Luftraum
    • USA sieht Handelsabkommen nicht umgesetzt
    • Litauens Parlament stimmt Handelsbüro in Taipeh zu
    • Ausblick auf das heutige Programm des Asia Berlin Summit 2021
    • Im Portrait: Didi Kirsten Tatlow – China-kritische Analystin
    • Zur Sprache über 手把件 – shǒubǎjiàn – Handspielzeug
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    einige nennen es teuflisch, andere genial: das Geschäftsmodell von Fitnessstudios. Denn wer kennt es nicht: Man meldet sich an, geht ein paar Monate regelmäßig hin, doch dann siegt der berühmte “Schweinehund”. Aber die Mitgliedschaft kündigt man auch nicht. Der Fitness-Boom ist auch an China nicht vorbeigegangen. Die junge Generation gibt immer mehr Geld für Mitgliedschaften, Fitness-Apps, Ausrüstung und die richtige Ernährung aus. Der Milliarden-Markt wird durch die Ziele der KP, die Bevölkerung sportlicher zu machen, weiter befeuert, berichten Jörn Petring und Gregor Koppenburg.

    Jens Hildebrandt, Chef der AHK in Peking schildert im CEO-Talk mit Frank Sieren die Herausforderungen, vor denen deutsche Unternehmen in China stehen: Reisebeschränkungen wegen Corona, Wettbewerbs- und Innovationsdruck durch chinesische Konkurrenten. Er ruft dazu auf, von Pekings staatlicher Förderung und den mutigen Start-Up-Unternehmen der Volksrepublik zu lernen. Sein Motto: “Risiken eingehen und einfach mal was Neues wagen“. Deutschen Unternehmen rät er, sich flexibler und schneller auf chinesische Kundenwünsche einzustellen. In den Bereichen der Industrieautomatisierung und Dekarbonisierung gäbe es noch viel Wachstumspotenzial für Deutschlands “Hidden Champions”.

    Unseren Leser:innen in Europa wünschen wir einen guten Start in die neue Arbeitswoche – und denjenigen in China weiterhin entspannte freie Tage in der Golden Week.

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Interview

    “Es geht zunehmend auch um das Management von Risiken”

    Jens Hildebrandt AHK Peking
    Jens Hildebrandt, Chef der AHK in Peking

    Jens Hildebrandt, 43, hat sein Berufsleben einer Frage gewidmet: Wie können deutsche Unternehmen in China erfolgreich sein? Das hat ihn schon während des Sinologie- und Politikstudiums in Leipzig, Peking und Hongkong interessiert. Seit 2007 ist er im Netzwerk der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) unterwegs. Hildebrandt war Leiter des Ostasien-Referats des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Berlin. Als Leiter des AHK-Büros in Guangzhou wurde ihm dann klar, wie die Volksrepublik die Zukunft gestalten will. Seit 2018 ist Hildebrandt AHK-Chef und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer für Nordchina in Peking. Seit 2020 außerdem Asien-Pazifik-Koordinator des Asien-Pazifik-Ausschusses (APA) der Deutschen Wirtschaft. Die Corona-Pandemie stellte ihn zuletzt vor ganz neue Herausforderungen.

    Herr Hildebrandt, infolge der Corona-Pandemie hat die AHK Charter-Flüge nach China organisiert. Wie ist die Idee zu den Flügen entstanden, die ja weiterhin der wichtigste Weg sind, um aus Deutschland nach China zu gelangen?

    Wie viele Ideen ist auch diese aus der Not entstanden. Im Frühjahr 2020 haben die deutschen Unternehmen ihre Mitarbeiter und deren Familien nicht mehr nach China reinbekommen. China hatte ja wegen Corona seine Grenzen weitgehend dichtgemacht. Also haben wir nach einer pragmatischen Lösung gesucht und verschiedene Konzepte gemeinsam mit der Botschaft durchgespielt.

    Dabei ging es vor allem um zwei Fragen, die wir gegeneinander abwägen mussten: Wie können wir den chinesischen Behörden ein Gefühl der Sicherheit bei ihrer Null-Prozent-Infektionsstrategie vermitteln? Und: Wie können wir die Einreise für die Deutschen dennoch ermöglichen und so angenehm wie möglich gestalten? Damals haben wir uns allerdings noch nicht vorstellen können, dass diese Reiseeinschränkungen für so lange Zeit in Kraft sein würden. In diesem Jahr haben wir bereits sechs Charterflüge nach China bringen können. Im vergangenen Jahr waren es 14. 

    Dennoch konnten Sie nur einen Teil der Menschen nach China holen, die eigentlich nach China müssten. 

    Ja. Nur in ganz dringenden Fällen bekommen Deutsche ein Visum. Die Reiserestriktionen bereiten unseren Unternehmen immer größere Kopfschmerzen. Sie verhindern weitere Investitionen und Kooperationen. Maschinen stehen still, weil die Ingenieure, die sie warten oder installieren, nicht ins Land kommen. Die Lage wird immer komplizierter. Zahlreiche chinesische Unternehmen sagen inzwischen: Es tut uns leid. Wenn ihr es nicht schafft, eure Ingenieure reinzubekommen, dann müssen wir leider zu chinesischen Wettbewerbern wechseln. Die können uns vor Ort versorgen. 

    Wann wird sich das ändern?

    Es sieht nicht so aus, dass es sich vor den Olympischen Winterspielen in der Nähe von Peking Anfang nächsten Jahres noch ändern wird. Der Volkskongress, das chinesische Parlament, wird danach im März tagen und im Herbst nächsten Jahres steht ein wichtiger Parteitag an. Ich habe Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass China davor große Lockerungen einführen wird bei den Restriktionen. Andererseits kann sich China nicht auf Dauer von der Außenwelt abschließen, zumal der Binnenkonsum eben noch nicht ganz auf das Vor-Corona-Niveau zurückgekehrt ist. 

    Allerdings konnte kein anderes Land so schnell zur wirtschaftlichen Normalität zurückkehren. Im vergangenen Jahr war China die einzige große Volkswirtschaft weltweit, die positive Wachstumszahlen schreiben konnte. Und auch dieses Jahr sieht es gut aus.

    Ja. Die Frage ist nur, wie nachhaltig ist eine Politik, die jedes Mal, wenn es einen kleinen Ausbruch gibt, in den lokalen Lockdown geht und landesweit die Reisebeschränkungen verschärft. Es trifft ja nicht nur ausländische Unternehmen. Zahlreiche chinesische Unternehmen haben internationale Strategien, die zentral für ihr Geschäft sind. Auch denen fehlt der weltweite Austausch sehr. Gleichzeitig ist das Konsumentenvertrauen in die Covid-Politik noch nicht zurückgekehrt und beschert im Einzelhandelsabsatz schwache Zahlen.

    Steckt auch ein wenig Absicht dahinter? Nach dem Motto: Jetzt machen wir aus der Not eine Tugend und schauen mal, wie weit China alleine kommt?

    Da ist etwas dran. Allerdings ist das nur eines der Ziele Pekings. Ein anderes wichtiges Ziel: Man möchte ein ausreichend hohes Wirtschaftswachstum erreichen. Und ich bin sicher, dass man in einem solchen Test nicht mehr zulassen würde, sodass das Wachstum stark einbricht. Mein Eindruck ist deshalb: In der chinesischen Politik setzt sich allmählich die Einsicht durch, dass es ohne Austausch nicht geht, wenn China sein Wachstum halten will.

    Das wiederum bedeutet: China wird gleichzeitig vom Partner immer mehr zum Wettbewerber. 

    Darauf müssen wir uns einstellen. Auch, wenn das in Deutschland zuweilen auf Unverständnis stößt. Wir müssen lernen, zu verstehen, dass China nie nur das eine oder das andere ist. Diejenigen, die China nur für einen Wettbewerber halten oder gar einen Rivalen, schüren Ängste. Diejenigen, die in China nur einen Partner sehen, sind naiv. Dies auszubalancieren wird eine immer größere Herausforderung auch für uns, zumal China noch lange unser wichtigster Zukunftsmarkt sein wird. Für die Unternehmen, aber auch für uns, die Auslandshandelskammern. 

    Was müssen wir im Umgang mit China sonst noch lernen? 

    In Deutschland hat man erstens noch nicht in vollem Umfang verstanden, welche tiefgreifende Innovationsschübe China schon heute hervorbringt. Und zweitens: Dass Staat und Wirtschaft so eng verwoben sind, hat nicht nur Nachteile, Stichwort “Staatswirtschaft”, sondern eben auch Vorteile, Stichwort “staatliche Innovationsförderung”. Aus Sicht der Wettbewerbssituation ist das schlecht, da eine zu starke Subventionierung chinesischer Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bedeutet. Dagegen partizipieren und profitieren deutsche Unternehmen auch hier von der Wirtschaftskraft, die die Innovation hervorbringt. Gleichzeitig entstehen eben Firmen, die uns auch in den Branchen, in denen wir noch stark sind, überholen wollen. 

    Dass haben Sie hautnah erlebt, als sie einige Jahre in Guangzhou im Süden Chinas gearbeitet haben. Eine Region, die als das neue Silicon Valley gilt. 

    Was man nie mehr vergisst, wenn man dort gelebt hat, ist die Geschwindigkeit, mit der China immer innovativer wird. Das können wir uns im Westen kaum vorstellen. Und es sind nicht nur die Unternehmen und Forschungseinrichtungen, sondern auch die Kunden mit ihren Wünschen und Vorlieben. Da reagieren unsere Unternehmen teils noch zu langsam.

    Meine Zeit in Südchina hat mir jedenfalls die Augen geöffnet. Die Mischung aus kluger staatlicher Förderung und mutigen, schnellen Start-up-Unternehmern ist einmalig. Diese Mischung ist zwar ein chinesisches Modell, aber wir sollten sie uns dennoch genauer anschauen und versuchen, davon zu lernen. Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund: Wie kann der Staat in Deutschland Innovation unterstützen? Und wie können die Unternehmen selbst in ihren Innovationszyklen schneller und wendiger werden?

    Was fehlt der deutschen Wirtschaft noch?

    Es ist vor allem dieser Try-and-Error-Spirit, den wir noch ausbauen könnten: Risiken eingehen. Einfach mal was Neues wagen. Den Mut haben, auch mal was falsch zu machen und dann dafür auch die zeitlichen und finanziellen Kosten zu akzeptieren, als Teil eines Entwicklungsprozesses. Dieser Spirit ist in China verbreiteter als in den USA. Und in den USA verbreiteter als Europa. An dieser Stelle können wir noch nachbessern. 

    Wie sind Sie eigentlich nach China gekommen?

    Ich war mit 18 Jahren auf einem Schüleraustausch in Japan. Da hat mich die asiatische Kultur zu interessieren begonnen. Aber Japan steckte zu dieser Zeit in einer tiefen Rezession und war ziemlich angeschlagen. Ich habe dann geschaut, welche Länder in der Region Entwicklungspotenzial haben und bin, wen wundert es, auf China gestoßen. Also habe ich Sinologie zu studieren begonnen …

    … ein Nischenfach. Damit sind Sie doch bestimmt auf große Skepsis gestoßen in ihrer Umgebung. Warum haben Sie weitergemacht?

    Ja, das war so. Ich habe aber nicht aufgehört, weil ich fand, dass “Nische” nicht die angemessene Bezeichnung ist, um China zu beschreiben. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich China entwickelt, war mir schnell klar, dass es in allen strategischen globalen Fragen, keinen Weg vorbei an China gibt. Wir werden immer enger mit China zusammenarbeiten müssen und sich mit China zu beschäftigen, wird immer spannender. 

    Sie haben als Kind die DDR noch erlebt. War das nicht ein Grund, sich nicht mit China zu beschäftigen? 

    Ich war damals noch zu jung, um jetzt einen Systemvergleich anzustellen. Ich war ja zwölf als die Mauer aufging. Ich kann mich eigentlich nur noch an die roten Parolen erinnern, die es ja hier in China auch noch gibt. Mit Sprüchen wie: “Tragt dazu bei, eure Stadt schöner zu gestalten. Viele Grüße, die Kommunistische Partei.”

    Kann man die Systeme vergleichen?

    Kann man. Die Frage ist nur, was das bringt. Das wirtschaftliche System der DDR hat am Ende dazu geführt, dass sich die DDR selbst abgeschafft hat. Das kann man von China ja nicht wirklich behaupten. 

    Und politisch?

    Da würde ich mich eher auf die Eigenheiten des chinesischen Systems konzentrieren wollen: Es ist ein autoritäres System, dass sich zunehmend auf eine Person konzentriert, die die Zügel auch in der Partei wieder anzieht. 

    Der Spielraum der Zivilgesellschaft wird also kleiner? 

    Es war schon ein anderes in Peking als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal zum Studieren hier war. Es war natürlich weniger entwickelt, allerdings andererseits auch viel freier in seiner Kreativität, in der Kunstszene, der Musikszene. Vieles ist verschwunden. Und die, die geblieben sind, agieren viel vorsichtiger. Kurz: Das Leben ist heute komfortabler als vor 20 Jahren, aber es hat deutlich an Freiheit und Flexibilität eingebüßt. Die Einschränkungen der Zivilgesellschaft gehen Hand in Hand mit dem nun größeren Spielraum der Parteiführung. 

    Also folgt der wirtschaftlichen Öffnung nicht die politische Öffnung? 

    Leider nicht. Den Trend gab es früher einmal, aber den sehe ich nun für die nächste 20 Jahre nicht. Der Staat und die Partei haben die Zügel zunehmend fest in der Hand und solange es ihnen weiterhin gelingt, Wohlstandszuwachs für die Bevölkerung zu erzielen, wird das China, wie wir es kennen, weiter existieren. 

    Haben Sie angesichts der politischen Entwicklung Ihre Entscheidung je bereut, Sinologie zu studieren?

    Nein, mein Job macht mir viel Spaß. Ich lerne viel. Jeden Tag müssen wir uns hier in der Kammer von neuem fragen: Wie hat sich die Lage in diesem schnell wachsenden Land verändert. Mit wem müssen wir zu welchem Thema sprechen? Wer ist zuständig? Wer ist nicht zuständig, hat aber Einfluss? Und welchen Ton schlagen wir bei wem an?

    Wird es nun riskanter in China zu investieren?

    Das kann man so pauschal nicht sagen: Die Ausgangslage ist für die Unternehmen komplizierter als vor 20 oder 30 Jahren, da eine Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen im vollen Gange ist. Es geht nicht nur mehr um wirtschaftlichen Erfolg und Chancen, sondern zunehmend auch um das Management von Risiken. Chancen und Abhängigkeiten sind zwei Seiten einer Medaille. Die Frage ist: Wie kann ich Chancen nutzen und gleichzeitig die Abhängigkeiten überschaubar bleiben lassen. Das ist eine besonders schwierige Frage in Branchen wie dem Maschinenbau oder der Autoindustrie, bei denen rund 30 Prozent des weltweiten Geschäftes in China liegen. Tendenz steigend. Die Unternehmen werden auf jeden Fall mehr in Risiko- und Compliance-Management investieren müssen.

    Welche Fragen stellen sich da?

    Eine lautet, ob chinesische oder westliche Unternehmen gleichbehandelt werden – Stichwort “Dual Circulation” – und wie lange und in welcher Weise deutsche Unternehmen von dem Aufstieg Chinas profitieren.

    Und?

    Wir werden Einschnitte in manche Branchen haben – vor allem in sicherheitsrelevanten Bereichen. In anderen Industrien werden sich neue Möglichkeiten öffnen. Vor 20 Jahren hatten ausländische Unternehmen einen Marktanteil von 60 Prozent. Inzwischen wird der Markt von chinesischen Playern kontrolliert. Wir liefern allenfalls noch zu. Im Bereich der Industrieautomatisierung und Dekarbonisierung andererseits, da tun sich noch große Chancen auf. China ist und bleibt für die meisten Branchen der Wachstumsmarkt der Zukunft. 

    Noch ist VW der erfolgreichste Autohersteller Chinas. Wird das so bleiben?

    Das hängt von der Innovationskraft der Autohersteller generell ab und im Besonderen von der Frage, wie schnell es ihnen gelingen wird, sich auf die chinesischen Kundenwünsche einzustellen. Das ist je generell ein wunder Punkt, bei dem deutsche Unternehmen noch nachlegen müssen. Klar ist: die chinesischen Wettbewerber holen auf. Schneller als wir alle geglaubt haben und noch glauben. Gleichzeitig gilt, die deutschen Unternehmen scheuen keinen Wettbewerb, solange er fair ist und alle Marktteilnehmer sich an die gleichen Regeln halten müssen.

    Leidet der Ruf der deutschen Wirtschaft in China angesichts der politischen Spannungen? 

    Der Ruf der deutschen Wirtschaft ist ausgezeichnet. Wir haben hier in den vergangenen 30 Jahren über eine Million Arbeitsplätze geschaffen, haben zum Wachstum der chinesischen Wirtschaft beigetragen. Vor allem der deutsche Mittelstand ist hoch angesehen. Die Hidden Champions werden mit dem Label “Made in Germany” eng verbunden. Auch im Chinageschäft sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Wir haben über 5.000 deutsche Unternehmen hier in China. Die allermeisten sind kleine und mittelständische Unternehmen. Made in Germany hat also weiterhin einen guten Ruf, obwohl der Ruf des Westens insgesamt vor allem in den vergangenen zwei Jahren doch schon an Kraft verloren hat.

    Die Wahrnehmung Chinas in Deutschland und im Westen insgesamt hat sich hingegen verändert. Man ist kritischer, skeptischer geworden gegenüber China.

    Das ist so. Dazu trägt China sicher auch selbst bei, aber vor allem fehlt uns der Austausch in den vergangenen Jahren. Die Reisen von Entscheidern, von Politikern, hohen Beamten und CEOs auf beiden Seiten fehlen. Aber auch die Reisen auf der Arbeitsebene. Das führt dazu, dass das gegenseitige Verständnis abnimmt. Das ist ein ernstes Problem. Das Bild voneinander wird zunehmend von Befürchtungen, ja sogar Ängsten, geprägt, die sich verstärken, weil man noch so wenig übereinander weiß. 

    Welche Rolle spielt dabei die Innenpolitik Chinas, die die Zügel anzieht?

    Diese Politik macht es nicht einfacher und führt neben dem geringeren Austausch und dem geringer werdenden Wissen übereinander auch noch dazu, dass der Spagat zwischen wirtschaftlichem Erfolg und politischen Risiken für ausländische Unternehmen vor Ort immer größer wird. Der Instrumentenkasten der chinesischen Regierung, um sich handelspolitisch wehren zu können, wächst mit jedem Monat. Und der Konflikt mit den USA ist noch längst nicht vom Tisch, genauso wenig wie die Reibungen mit der Europäischen Union. 

    Das klingt nicht sehr zuversichtlich. Was können deutsche Unternehmen in dieser Lage machen?

    Für die Unternehmen ist das schwierig. Sie können nur wenig ändern. Aber sie müssen ein umfassenderes Risikomanagement betreiben, weil die politischen Konflikte immer stärker ins Geschäft hineinstrahlen. Klar ist: China lässt sich immer weniger gefallen und die USA wollen ihre Macht nicht teilen. Europa und Deutschland werden zunehmend ihre eigenen Interessen definieren und verteidigen. Die Frage, die sich die Unternehmen nun stellen müssen: Was könnte das für mein Geschäft bedeuten? Zumal China wahrscheinlich noch sehr lange der wichtigste Wachstumsmarkt und der wichtigste Handelspartner der Deutschen bleiben wird. Die Unternehmen arbeiten an neuen China-Strategien für die nächsten fünf bis zehn Jahre.   

    In Deutschland beginnen gerade die Koalitionsverhandlungen. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?

    Aus Sicht der Wirtschaft: Dass sie erst einmal einen Dialog mit der deutschen Wirtschaft über China führt, um sich über die jeweiligen Entwicklungsziele auszutauschen. Wichtig ist auch, festzulegen, welche Kooperationen mit China wir in Zukunft weiter betreiben wollen und welche vielleicht nicht und was unsere Ziele dabei sind. Gleichzeitig braucht es mehr Dialog und klare Spielregeln im Umgang mit China. Dazu gehört auch, rote Linien zu setzen. Aber die roten Linien dürfen kein politischer Selbstzweck sein oder nur dazu dienen, innenpolitische Stimmungen zu bedienen. Sie sollten vor allem ein Ziel haben, sich mit einer Frage beschäftigen: Wie können beide Seiten nachhaltiger zusammenarbeiten?

    Das ganze Interview können Sie hier als Video sehen.

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    Analyse

    Training wird trendy – Mehr Apps und gezielte Kurse

    Wer vor 20 Jahren in einer chinesischen Stadt ein Fitnessstudio betrat, fand dort hauptsächlich wacklige Trainingsmaschinen und ein paar Männer, die auf Hantelbänken rauchend fern schauten. Doch die Sportlandschaft in China hat sich stark verändert. Der Markt generiert mittlerweile jährlich etwa sieben Milliarden US-Dollar und weist in den letzten fünf Jahren ein stetiges Wachstum von 4,4 Prozent auf. In den letzten 20 Jahren ist die Anzahl der Fitnessstudios in China dabei von 500 auf knapp 50.000 angestiegen. Fitness-Apps wie Keep, Bohe Jiankang oder Xunji bauen eine Online-Sport-Community auf. Auch Livestreaming-Plattformen springen auf den Zug auf. Die Videoplattformen rekrutieren auf Hochtouren Online-Persönlichkeiten, die Fitness-Videokanäle anbieten.

    Die Generation U-40 fängt gerade erst an

    “Doch zu sagen, dass Sporttreiben ein neues Phänomen in China wäre, ist falsch”, sagt Feline Wang, lizenzierte Trainerin und sogenannte Key Opinion Leaderin (Online-Influencer mit Expertenwissen) mit mehr als 300.000 Followern. “Es ist nur neu für Leute bis etwa 40 Jahre.” Was sie beschreibt, ist die Generation der Ein-Kind-Politik, die von ihren Eltern einen besonders ausgeprägten Fokus auf Ausbildung und schulische Leistungen in die Wiege gelegt bekommen hat. Die schulischen Leistungen standen im Vordergrund und Sport war keine Priorität.

    Anders ist es bei den Senioren. Die Parks sind voll von älteren Menschen, die in kleinen, eigens von den Stadtregierungen dafür angelegten Fitnessparks Klimmzüge machen, Tischtennis spielen oder auf Plätzen bei lauter Musik Tänze veranstalten.

    Viele von den Jüngeren haben zwar einen guten Job, aber oft bezahlen sie heute den Preis dafür, dass sie ihr Leben lang nichts für ihren Körper getan haben. Sie haben Rückenschmerzen, Haltungsschäden oder im schlimmsten Fall sogar einen so ungesunden Lebenswandel, dass mit Anfang 40 schon Freunde an Herzinfarkten gestorben sind”, sagt Feline Wang.

    Wangs Werdegang als Key Opinion Leaderin zeichnet die Entwicklung der Sportbegeisterung der neuen Generation ziemlich genau nach. “Vor vier Jahren fing ich mit dem Training an und postete Videos davon online. Ohne dass ich jemals aktiv versucht hätte, Bekanntheit zu erreichen, habe ich es auf 300.000 Follower gebracht.” Verträge mit Online-Streamingplattformen wie Bilibili folgten. “Die Plattformen und Anbieter von Fitnessprodukten kamen auf mich zu. Sie haben Fitness als Markt erkannt und haben dringend nach Persönlichkeiten gesucht, die diesen Lifestyle auf ihren Plattformen verkörpern konnten.”

    Der große Unterschied zwischen den älteren, die immer noch Sport machen, und den jüngeren, die gerade erst damit anfangen, ist die Zahlungsbereitschaft. Während die älteren Semester in abgewetzten Jogginganzügen in Parks Sport macht, kauft die jüngere Generation fleißig Fitnessgeräte, Sportkleidung, Schuhe und investiert auch in Personal Training oder Mitgliedschaften bei Online-Kursen oder Fitness Apps. Weniger zahlungskräftige Kunden wie Studenten, die für die Sportanforderungen für ihre Zhongkao (Mittelschulprüfung) bestehen müssen, oder Berufsanfänger behelfen sich mit günstigeren Angeboten wie Fitness-Apps oder Gruppenangeboten.

    Know-how der Trainer wächst

    Constantin Colberg hat Fitness-Studios in Deutschland und China aufgebaut. Sein Studio Colberg Fitness im Pekinger Central Business District zieht sowohl ausländische als auch chinesische Kunden aus der ganzen Stadt an. Er kennt die Anforderungen und Ziele gut, die chinesische Kunden von deutschen unterscheiden. “Der größte Unterschied zwischen einem deutschen Kunden und einem chinesischen ist eigentlich das Vorwissen. Speziell chinesische Frauen haben oft wenig bis gar keine Erfahrung mit Zugmaschinen oder Gewichten.”

    Auch bei den Trainern gibt es in China noch Entwicklungsspielraum. Fundierte Ausbildung und Erfahrung sind oft noch Mangelware. “Die Qualität der Trainer in China variiert mindestens genauso wie bei uns in Deutschland,” sagt Colberg. “Es gibt erfahrene und wenig erfahrene. Wobei der Anteil der sehr erfahrenen Trainer in China fast unaufspürbar ist.

    Doch mit der wachsenden Nachfrage steigt auch der Anspruch der Kunden an Qualität. Heute werden Trainer nur noch selten ohne entsprechende Lizenzen beschäftigt. “Die chinesischen Trainer werden besser und spezialisierter. Es gibt unterschiedlichste Trainerlizenzen, wie Rehabilitation und Schwangerschaftstraining. Aber noch lange nicht in der Breite wie sie in Deutschland oder den USA existiert. Da ist es noch ein weiter Weg.”

    Und auch die Preise für Mitgliedschaften steigen mit dem Qualitätsanspruch der Kunden. Eine Mitgliedschaft von 6.000 RMB (ca. 800 Euro) im Jahr sind keine Seltenheit. Zu viel für viele junge Berufsanfänger oder Studenten.

    “Der Wirkliche Boom liegt in der Ernährung”

    Constantin Colberg sieht den Boom besonders im Bereich der gesunden Ernährung. “Wenn man fit leben und essen, aber nicht selbst kochen will, kann man das in China sehr bequem machen. Produkte gibt es genug.”

    Besonders auf dem Vormarsch sind gesunde, zuckerfreie Snacks, die viel Eiweiß enthalten. Dabei sind chinesische Kunden der zahlungsfähigen Mittelschicht durchaus auch bereit, viel Geld für ausländische Produkte auszugeben. Importierte Eiweißprodukte wie die britische Marke Myprotein erfreuen sich großer Beliebtheit und sind dabei Nutznießer einer durch Nahrungsmittelskandale und Etikettenschwindel immer noch verbreiteten Misstrauen gegenüber chinesischen Produkten.

    Mehr Apps und mehr Spezialisierung

    Für die Zukunft rechnen sowohl Wang als auch Colberg mit weiterem Zuwachs. Die neue Marschrichtung der Regierung, die Bevölkerung sportlicher zu machen, unterstützen diese Sichtweise. Eine Gesellschaft von gestählten Gewichthebern sagen sie aber nicht voraus: “Die meisten Chinesen sind nicht so sehr hinter großen Muskelbergen her”, sagt Colberg. Der Großteil der Leute sucht nach genereller Fitness und Gesundheit.

    “Dafür braucht man nicht ins Gym zu gehen”, erklärt Feline Wang. “Das kann man auch mit einer Fitnessapp erreichen. Es ist auch billiger und man kann es zu Hause machen”. Daher sieht sie das größte Wachstumspotenzial im Bereich der Fitness-Apps und bei Online-Kursen. Auch die Coronakrise hat diesen Trend noch angeschoben.

    Colberg sieht das ähnlich. In seiner Zukunftsvision wird es neben vielen Online Angeboten aber auch noch weiter große Nachfrage nach spezialisierten Fitnessstudios wie beispielsweise für Kampfsport, Yoga oder Bodybuilding geben. Eins ist aber sicher: Rauchend ferngesehen wird in Zukunft in chinesischen Gyms nicht mehr. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

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    China baut Quarantäne-Zentren für Einreisende

    Chinas Gesundheitsbehörden haben die Städte der Volksrepublik angewiesen, Quarantäne-Zentren für Einreisende aus dem Ausland zu errichten, wie die South China Morning Post berichtet. Demnach sollen die Stadtregierungen für Quarantänezwecke nicht mehr auf Hotels zurückgreifen, sondern gesonderte Quartiere einrichten. Dafür sei dem Bericht zufolge eine Quote von 20 Betten pro 10.000 Einwohnern der Städte vorgesehen.

    Die zentralisierte Quarantäne von Einreisenden spiele eine wichtige Rolle, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verhindern, wird ein hochrangiger Gesundheitsbeamter zitiert. Vor allem große Küstenstädte, die viele Ankünfte verzeichnen, sollten große Anlagen errichten, so der Bericht.

    In Guangzhou am Perlfluss wird in Kürze ein großes Quarantäne-Zentrum mit mehr als 5.000 Betten eröffnet, so die SCMP. Das Zentrum werde “kontaktlosen Service” anbieten, Drohnen und Roboter würden Essen liefern und die Zimmer desinfizieren. Eine Erweiterung sei schon geplant. Will die 18-Millionen-Einwohner-Stadt die Quote von 20 Betten pro 10.000 Einwohner erzielen, muss sie über 37.000 Räume bereitstellen. In Shenzhen soll demnach ein ähnliches Zentrum errichtet werden. Die Volksrepublik fährt weiterhin eine Null-Toleranz-Strategie gegen die Corona-Pandemie. nib

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    Stromverknappung: Handelskammern fordern mehr Transparenz

    Die EU-Handelskammer in China hat angesichts der anhaltenden Stromausfälle vor allem im Osten des Landes mehr Transparenz bei künftigen Elektrizitätsverknappungen gefordert. Sie empfahl den Behörden, so bald wie möglich Zeitpläne und Details zu den Energiesparmaßnahmen der kommenden Monate zu veröffentlichen, damit sich Unternehmen darauf einstellen können. Firmen und Produktionsanlagen, die bereits energieeffizient seien, sollten auf Basis eines wissenschaftlichen Ansatzes von künftigen Stromverknappungen ausgenommen werden, schlägt die Kammer vor. Vonseiten der Regierung müsse das Tempo der Energiewende besser gesteuert werden: Die EU-Kammer empfehle nachdrücklich, ein Gleichgewicht zwischen Energiesicherheit und Chinas langfristigen Klimazielen durch “realistische Ansätze und nachhaltige Strategien in koordinierter Form” zu erreichen.

    In den vergangenen Wochen hatten Stromengpässe in mehreren ostchinesischen Provinzen zu stillstehenden Produktionsbändern und Stromausfällen in privaten Haushalten geführt (China.Table berichtete) – oft ohne Vorwarnung, wie die EU-Kammer kritisiert. “Den jüngsten willkürlichen Maßnahmen lokaler Behörden mangelte es an Transparenz und Kohärenz und es fehlte zudem an Rechtsgrundlagen.” Die Maßnahmen gefährdeten die Geschäftstätigkeit von Unternehmen in China “ernsthaft, schaffen kurzfristige Sicherheitsrisiken – insbesondere in der Chemie- und Gesundheitsindustrie – und untergraben mittel- bis langfristig das Geschäftsvertrauen”, kritisierte die Kammer.

    Auch die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) hatte sich nach eigenen Angaben an das chinesische Handelsministerium (MOFCOM) sowie an die Behörden auf Provinz- und Stadtebene gewandt, um die “kritische Situation und die Folgen für die Fertigungsaktivitäten deutscher Unternehmen” hervorzuheben. Dabei sei eine transparente Informationspolitik und mehr Vorlaufzeit gefordert worden, um eine “ordnungsgemäße Produktionsplanung” zu ermöglichen.

    Gründe dafür, dass der Strom abgeschaltet wird, gibt es mehrere. Nach wie vor kommt er in der Volksrepublik zu zwei Dritteln aus Kohlekraftwerken. Kohle ist zuletzt aber teuer geworden. Einige Kraftwerksbetreiber können nur noch mit großen Verlusten Strom produzieren und schalten deswegen die Anlagen lieber ab. Außerdem will die Zentralregierung in Peking den Stromverbrauch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um drei Prozent reduzieren, um seine Klimaziele zu erreichen und hat entsprechende Vorgaben an die Provinzen ausgegeben.

    Die weltweiten Lieferkettenprobleme dürften sich durch die Stromabschaltungen in China noch verschärfen. Einige ausländische Analysten rechnen inzwischen damit, dass Chinas Wirtschaft wegen der Stromabschaltungen dieses Jahr weniger stark wachsen wird als gedacht. Das japanische Finanzunternehmen Nomura senkte zuletzt seine Wachstumsprognose für das letzte Quartal dieses Jahres in China von 4,4 auf drei Prozent. Wie lange die Stromkürzungen noch anhalten werden, ist nicht klar. ari

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    Chinesische Kampfjets in Taiwans Luftraum

    Zum chinesischen Nationalfeiertag hat Chinas Militär zwei Tage in Folge eine Rekordzahl von Flugzeugen in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ) geschickt. 39 Militärmaschinen seien im Luftraum des Inselstaats unterwegs gewesen, 20 am Samstag nahe der Pratas-Inseln (Dongsha-Inseln) und weitere 19 in der Nacht zum Sonntag, teilte das Verteidigungsministerium in Taipeh auf Twitter mit – so viele wie nie zuvor. Es hatte sich demnach zumeist um Maschinen vom Typ J-17 und SU-30 gehandelt.

    Taiwanische Kampfflugzeuge seien aufgestiegen, um die chinesischen Flugzeuge zu vertreiben. Flugabwehrsysteme seien zur Überwachung aktiviert worden, so das Ministerium. Auch vier chinesische H-6-Bomber waren laut dem Ministerium im Luftraum. Die H-6-Bomber können Atomwaffen tragen. Premierminister Su Tseng-chang verurteilte das Vorgehen Pekings Medienberichten zufolge als widerrechtlich und sagte, China unterhöhle den Frieden in der Region. Außenminister Joseph Wu nannte die Aktionen “bedrohlich”.

    Die Aktion vonseiten der Volksrepublik erfolgte nur wenige Tage vor dem Nationalfeiertag Taiwans: Dieser wird am 10. Oktober begangen. Vorgesehen sind Berichten zufolge eine Rede von Präsidentin Tsai Ing-wen und eine Militärparade in Taipeh, bei der auch Kampfjets präsentiert werden sollen. ari

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    USA: Peking hält Handelsabkommen nicht ein

    Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai wird einem Medienbericht zufolge am Montag bekannt geben, dass China das sogenannte Phase-1-Handelsabkommen nicht einhält. Die Volksrepublik hätte laut der Vereinbarung über einen Zeitraum von zwei Jahren zusätzliche US-Waren im Wert von mehr als 200 Milliarden US-Dollar kaufen sollen, wie der Fernsehsender CNBC berichtete. China sei dieser Zusage aber nicht nachgekommen. Tai prüft dem Bericht zufolge nun mögliche Maßnahmen gegen China wegen der Nichteinhaltung, einschließlich möglicher zusätzlicher Zölle. Die Handelsbeauftragte wird sich demnach dazu in ihrer heutigen Rede äußern.

    Das Phase-1-Abkommen wurde 2019 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump unterzeichnet. Die Vereinbarung sollte einen bestehenden Handelskonflikt zwischen den USA und China lösen. In dem Abkommen war demnach vorgesehen, dass China seine Käufe von US-Agrar- und Industriegütern, Energie und Dienstleistungen innerhalb von zwei Jahren bis Ende 2021 um 200 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum Niveau von 2017 erhöht.

    Das ist dem Medienbericht zufolge aber nicht passiert: Chinas Käufe von US-Exporten umfassten bis August dieses Jahres geschätzt nur 62 Prozent des Ziels aus dem Handelsabkommen, wie der US-Forscher Chad Bown vom Peterson Institute for International Economics in Washington der Nachrichtenagentur Reuters sagte.

    Tai hatte Reuters zufolge seit ihrem Amtsantritt im März eine Überprüfung der chinesischen Handelspolitik Washingtons durchgeführt. US-Präsident Joe Biden hatte Zölle auf chinesische Importe beibehalten, die sein Amtsvorgänger Trump verhängt hatte (China.Table berichtete). Die Biden-Regierung hat bisher jedoch nur wenig darüber bekannt gegeben, wie Washington beispielsweise mit Chinas Subventionierungen umgehen möchte. ari

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    Litauen gibt grünes Licht für Handelsbüro in Taiwan

    Litauens Parlament hat die Gesetzesgrundlage zur Einrichtung eines Handelsbüros in Taiwan geschaffen. Das Parlament habe Gesetze verabschiedet, die die Einrichtung litauischer Handelsbüros in Staaten ermöglichen, in denen es keine diplomatischen Vertretungen gebe, teilte Litauens Wirtschaftsministerin Ausrine Armonaite auf Twitter mit. Das schließe auch Taiwan mit ein.

    Die Abstimmung fällt inmitten eines diplomatischen Konflikts zwischen der Volksrepublik und dem EU-Staat um Vertretungen in Litauen und Taiwan. Hintergrund ist ein Streit um den Status von Taiwan. Das baltische Land hatte der Regierung in Taipeh erlaubt, eine “Taiwanische Vertretung” in der Hauptstadt zu eröffnen. Peking ist verärgert (China.Table berichtete) und stellte zuletzt den Frachtverkehr über Eisenbahn nach Litauen ein.

    In Deutschland gibt es lediglich eine “Taipeh-Vertretung” ohne Erwähnung des Landesnamens in der offiziellen Bezeichnung. Eine “Taiwanische Vertretung” in der EU ist eine sichtbare diplomatische Aufwertung. Handelsvertretungen der EU-Staaten in Taiwan gibt es bereits mehrere, für Deutschland beispielsweise die AHK.

    Die Thematik wird auch in zweiten Sitzungswoche des Europaparlaments im Oktober eine Rolle spielen: Das EU-Parlament stimmt dann erstmals über einen Bericht zu den EU-Taiwan-Beziehungen ab. Darin wird auch die Einrichtung “einer taiwanesische Repräsentanz in Litauen” begrüßt und die Reaktion aus Peking verurteilt. In dem für die EU-Kommission nicht bindenden Bericht wird zudem vorgeschlagen, den Namen des Europäischen Wirtschafts- und Handelsbüros (European Economic and Trade Office, kurz EETO) in “Büro der Europäischen Union in Taiwan” (“European Union Office in Taiwan”) zu ändern, “um den breiten Umfang unserer Verbindungen widerzuspiegeln”, wie es in dem Papier heißt. ari

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    AsiaBerlin Summit 2021

    4. – 10. Oktober
    Organisiert vom Berliner Senat & Asia Berlin Forum e.V.

    Wir freuen uns, die Leserschaft des China.Table auf den Asia Berlin Summit 2021 aufmerksam zu machen, der vom 04. bis zum 10. Oktober stattfinden wird. Das Forum möchte Startup-Ökosysteme Asiens und Europas miteinander vernetzen.

    Anbei finden Sie das heutige Programm. Um an den Veranstaltungen teilzunehmen, registrieren Sie sich hier. Veranstaltungsorte heute sind die EDGE Workspaces, Invalidenstr. 65, 10557 Berlin. Der hybride Summit nutzt die Brella App, wählen Sie sich hier ein, nachdem Sie sich registriert haben.

    TODAY’S PROGRAM

    10:00 AM: Welcome and Opening, Martin Rodeck and Rainer Seider, EDGE

    10:20 AM: Opening Panel: Corporates meets StartUp, Speaker: T. Nayak (Useristics), N. Pütz (Ratepay GmbH)C. Neike (Siemens), T. Saueressig (SAP SE), EDGE

    11:35 AM: Startups as driver of innovation and digitalization of the German economy, Speaker: R. Hermann (GTAI), G. Miczaika (Auxxo), N. Yoneyama (SBI), EDGE

    12:00 PM: China Mid-Autumn Festival, Olymoics and Tourism Promotion, Video – Chinese Culture Center Berlin, Online

    12:00 PM: Cambodia Tourism Promotion, Video – Royal Embassy of Cambodia, Online

    12:00 PM: Exhibition: Young-Jae Lee in collaboration with KDK – Korean Emotions meet the spirit of Bauhaus, Royal Embassy of Cambodia, Gallery Damdam

    12:00 PM: Nepal Short Films and Tourism Promotion, Video – Embassy of Nepal, Online

    12:15 PM: Panel: Female Investors building bridges, Speaker: Y. Clit (Startupgrind China), M. Baum (WLOUNGE), R. Xie (Plug and Play China), R. See (She loves Tech), EDGE

    02:00 PM: Panel: Learning from the Bridgemaker: Internationalization and expansion done right, Speaker: K. Zietlow (GTAI), T. Mack (German Entrepreneurship), T. Ammelburg (TechCode Berlin), D. Dutta (AsiaBerlin), V. Hoffmann (Humboldt Innovation), EDGE

    02:50 PM: Panel: Innovation Hunger: Finding inspiration in interculturality, Speaker: M. Baum (WLOUNGE), M. Roßbander (SIEMENS AG), S. Borkar (Mahindra Group India), N.Wagner (Rehau New Adventures), N. Yoneyama (SBI), EDGE

    03:05 PM: Keynote: From Streets to Offices: Unblocking LGBTQI Talent, Speaker: A. Lam, EDGE

    03:15 PM: Panel: Startups and Enterprises – Discussing LGBTQ ERGs, Speaker: Athena Lam, M.V. Serunyogi (Zalando) L. Gillon (Modality Group) A. Kunad (SAP SE), Yan Fan (Code Chrysalis), EDGE

    03:40 PM: Keynote ZhongguancunScience Park, an interface between universities and industy, Speaker: Yi Zhao (Zhongguancun Science Park Innovation Alliance in Deutschland e.V.), EDGE

    04:30 PM: Panel “Mind the Gap” Stories of female innovators creating a ripple effect, Speaker: D. Schmechel (Themis Digital), S.A. Sternik (Peri Tech), L. Matz (FinMarie & Zuper GmbH) A. Singh (VC-SheCapita) A. Gandikota (AsiaBerlin), EDGE

    04:30 PM: Startup stories – success and fuck-ups, Speaker: L. Li (U Impact), P. Singh (PLATONIC) A. Kruse (RYTL GmbH), L. Frigani (Exaloan), D. Dutta (AsiaBerlin), EDGE

    05:15 PM: Keynote: Diversity and cities as an eco-system, Speaker: A. Friedrich, EDGE

    05:50 PM: Panel: Multiple-partner programs – a win or a curse for startup growth, Speaker: P. Anam (The Gene Box), M. Steinbuch (36C Venture Startup Studio), E. Wang (36 Kr Global), I. J. Uzunovski (betahaus), EDGE

    05:55 PM: Panel: Government, politics, and their role for innocation and scalability in Asia, Speaker: M. Baum (WLOUNGE) S. Yang-Schmidt (Cassandra Foresight), EDGE

    06:30 PM: Closing Remarks + FireSide Chat: Insides in Berlin’s startup landscape, Speaker: Norbert Herrmann and Rainer Seider, EDGE

    06:45 PM: Evening Reception, EDGE

    Presseschau

    Chinese planes fly over Taiwan defence zone in second day of record show of force THE GUARDIAN
    China tightens political control of internet giants INDEPENDENT (PAY)
    Chinese Citizen Journalist Who Documented Covid-19 in Wuhan Resurfaces After 600 Days WSJ (PAY)
    Barriers used during black terror removed from HK official buildings, marking return to safety amid National Day celebrations GLOBAL TIMES (STAATSMEDIUM)
    Drohende Evergrande-Pleite: Chinas Fußball-Rekordmeister steckt mit drin TAGESSCHAU
    China sperrt Studenten und Forscher aus – warten sie vergebens auf eine Rückkehr? NZZ (PAY)
    Klimaschutz in China: “Kohlestrom rechnet sich immer weniger” ZEIT
    Chinas Ex-Justizminister unter Korruptionsverdacht N-TV
    Mikko Huotari: China könnte mit Grünen und FDP nicht mehr nur als Partner gesehen werden DLF

    Portrait

    Didi Kirsten Tatlow – Wissenschaftlerin und Journalistin

    Didi Kirsten Tatlow
    Journalistin und Senior Fellow des Asienprogramms der DGAP

    Didi Kirsten Tatlow (54) wuchs in Hongkong auf – direkt in der Nachbarschaft eines riesigen Landes. Von klein auf kam sie mit ihrem großen Nachbarn China in Berührung. Es wurde ihre Berufung: “China war meine Welt und der Grund, Journalistin zu werden.” Denn “Europa hat China nie sehr gut verstanden und tut es noch immer nicht”.

    Tatlow ist Senior Fellow im Asienprogramm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Täglich beobachtet sie Chinas wachsende Rolle und dessen Einfluss im Weltgeschehen, seine aktuellen Verhandlungen mit den Taliban, die enge Verbindung zu Pakistan und seine gefährliche Rolle bei der Nuklearforschung. “Als ich mit meiner Arbeit begann, war ich naiv. Inzwischen bin ich kritisch.” 

    Zu kritisch, werfen ihr viele vor. Doch Tatlows Blick beruht auf jahrelanger Erfahrung, einem Leben in China, Hongkong, Taiwan und einem Job, der von Gefahren geprägt war. “Europa mag die Augen weitgehend verschließen, doch ich kann es nicht.”             

    Nach ihrem Chinesisch- und Politik-Studium in London, arbeitete Tatlow 23 Jahre lang als Journalistin in Asien und Europa, schrieb für chinesische und ausländische Medien, enthüllte Organhandel und Serienmörder. Sie gewann den Human Rights Press Award von Amnesty International, dem Foreign Correspondent’s Club Hongkong und der Hong Kong Journalists Association. Die Arbeit für ihre Heimatzeitung South China Morning Post brachte sie in ernste Konflikte mit Pekings Regierung. Als Korrespondentin der New York Times, wurde sie endgültig zur Zielscheibe der chinesischen Behörden.

    Heute lebt sie mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Berlin. Nach einem Jahr Fellowship bei MERICS begann Tatlow 2018 mit dem Projekt, das sie “China in Europa” nennt und für das sie sich mit den Netzwerken der Volksrepublik in Europa befasst. Als Co-Autorin und Mitherausgeberin des Buches “China’s Quest for Foreign Technology: Beyond Espionage” wirft sie einen Blick auf die chinesischen Machtstrukturen und Spionagetechniken. “Wir als Europa haben die Aufgabe, vorsichtig, aber auch kritisch und couragiert die Situation in der Volksrepublik anzusprechen und zu analysieren. Denn es ist ein Einparteienstaat mit tyrannischer Tradition und dem Vorhaben Nummer-1-Staat der Welt zu werden.”

    Tatlows Fokus liegt auf dem Technologietransfer und den wirtschaftlichen Strukturen zwischen China und Europa. Die Abhängigkeit von der Volksrepublik beunruhigt sie sehr. “Eine große wirtschaftliche Interessengruppe in Deutschland verteidigt und unterstützt China und übersieht damit viele politische und menschenrechtliche Themen.” Dabei schaue man über die eigene Verantwortung hinweg: China verletze Menschenrechte in Taiwan, in Tibet, Xinjiang und Hongkong, im eigenen Land, aber auch international. “Ich verstehe nicht, wieso man so wenig tut. Doch es muss sich etwas ändern. China greift längst nicht mehr nur innerhalb seiner Grenzen ein, sondern weit darüber hinaus.”

    Tatlow fordert ein Umdenken und Verstehen, als Journalistin, China-Expertin, in Hongkong Geborene und als Mutter. “In welcher Welt werden unsere Kinder aufwachsen? Wir entscheiden, ob es in einer demokratischen sein wird.” Oder in einer Welt, die durch die KP China maßgeblich mitbeeinflusst wird. Lisa Marie Jordan

    • China Strategie 2022
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    • Merics

    Personalien

    Michael Laha wird Fellow bei Merics. Beim China-Think-tank wird er über Innovationspolitik, die Rolle Chinas in den transatlantischen Beziehungen und Chinas Governance-Modell forschen. Zuvor war Laha beim Asia Society Center, wo er zu den US-chinesischen Beziehungen arbeitete. Bei der Asia Society war er zuletzt Senior Program Officer.

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    shǒubǎjiàn 手把件 – Handspielzeug

    手把件 – shǒubǎjiàn – Handspielzeug

    Erinnert sich noch jemand an Fidget-Spinner? Diese kleinen Kreisel mit Kugellager, die zwischen den Fingern gedreht werden? Ab 2017 kreiselte sich das Handspielzeug mit Suchtfaktor durch Einzelhandels- und Onlineshoppingsortimente weltweit. In Europa bekam man es damals an jeder Straßenecke. Manche Schulen in Deutschland sahen sich gar gezwungen, offiziell ein Fidget-Spinner-Verbot fürs Klassenzimmer auszusprechen. Doch auch vor Erwachsenen machte der “Zappelphilippkreisel” (das englische fidget bedeutet “zappeln, Zappelphilipp”) keinen Halt: die Fingerwirbel wurden als therapeutisches Anti-Stress-Gadget angepriesen, sollten die Hände beruhigen oder einfach für Ablenkung und weniger Langeweile im Alltag sorgen – Handspielzeuge mit Wellnessfaktor also.

    Und in China? Da konnte man über den “neuen Trend” nur müde lächeln. Hier nämlich kennt man solche Handspielzeuge schon seit Jahrhunderten, und zwar unter dem Namen 手把件 shǒubǎjiàn – “Dinge zum Greifen für die Hand”. 

    Wer auf Chinas Straßen oder im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, wird immer wieder Menschen – vor allem ältere Semester – entdecken, die die seltsamsten Gegenstände zwischen ihren Fingern wenden: zum Beispiele Jadefigürchen oder an einer Schnur aufgefädelte Kügelchen. Zu den Klassikern zählen aber insbesondere getrocknete Walnüsse und Flaschenkürbisse. Im Chinesischen gibt es sogar einen eigenen Begriff für diese Fingerspielerei, nämlich 文玩 wénwán – “kultiviertes Spiel(zeug)”.

    Moment mal: Erwachsene, die minutenlang Nüsse und Kürbisse däumeln? Kann das gesund sein? Ja, kann es. Zumindest aus Warte der Traditionellen Chinesischen Medizin (中医 zhōngyī). Der seltsam anmutenden Marotte wird nämlich eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt: durch das Reiben, Drehen und leichte Drücken der Handspielzeuge sollen die vielen Akupunkturpunkte (穴位 xuéwèi) auf den Handflächen stimuliert werden. Und diese sind wiederum mit den Energiekanälen des gesamten Körpers und vieler innerer Organe verbunden. Durch die Stimulation öffnen sich diese Energiebahnen, Stauungen werden gelöst und die Blutzirkulation im ganzen Körper wird angeregt.

    Wallnuss-Däumeln bereits in der Ming-Dynastie

    Die Tradition des Walnussdrehens (文玩核桃 wénwán hétao) soll sogar bis in die Ming-Dynastie (1368-1644) zurückgehen. Ursprünglich entwickelten wohl zunächst Spieler von Saiteninstrumenten am Kaiserhof diese Handübung, um die Flexibilität ihrer Finger zu trainieren. Walnüsse erwiesen sich deshalb als besonders geeignetes Trainingsgerät, weil sie im Winter nicht zu kalt und im Sommer nicht zu trocken waren. Durch die Benutzung nahmen die Nüsse außerdem eine schöne, rötliche Färbung an. Mit der Zeit fanden schließlich auch immer mehr andere Menschen Gefallen an der Gewohnheit der Hofmusiker.

    Durch die Popularisierung setze schließlich ein regelrechtes Wetteifern um die schönsten Nüsse ein. Bis heute zeichnet sich ein gutes Handwalnusspaar durch eine sorgfältig aufeinander abgestimmte Größe, eine dicke und robuste Schale, möglichst vielfältig verzweigte und tiefe Furchen und eine ansehnliche Symmetrie aus.

    Ein weiterer beliebter Klassiker ist das Spielen mit getrockneten Flaschenkürbissen (文玩葫芦 wénwán húlu), auch als Kalebassenfrucht bekannt. Ihre chinesische Bezeichnung 葫芦 (húlu) erinnert lautlich an das Wort 福禄 (fúlù) für “Glück und Reichtum”, was die goldgelben Trockenfrüchte bis heute zu einem beliebten Begleiter macht.

    Doch natürlich hat sich von Peking bis Berlin unter jungen Leuten längst ein anderes “shǒubǎjiàn” durchgesetzt: das Handy. Wenn Ihnen also das nächste Mal jemand das Handydäumeln madig machen möchte, berufen Sie sich doch einfach auf die Traditionelle Chinesische Medizin. Worauf schon die alten Chinesen schworen, kann schließlich so falsch nicht sein.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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