im chinesischen Dienstleistungssektor herrscht zurzeit miese Stimmung. Doch am liebsten möchte man den jammernden Damen und Herren zurufen: Reißt euch mal zusammen! Ein paar Corona-Maßnahmen, die euren Interessen zuwiderlaufen, sind Kinkerlitzchen im Vergleich zu den wirklich schlechten Tagen, die so manches chinesische Elektro-Start-up erlebt!
Tatsächlich sprechen viele immer nur vom Wachstum, wenn es um grüne Mobilität in der Volksrepublik geht. Aber ein Selbstläufer sind hohe Gewinne beim Stromerbau nun wahrlich nicht, wie Christiane Kühl uns in der heutigen Ausgabe des China.Table detailliert schildert.
Apropos schlechte Tage: Die von Regulatoren getriebenen Tech-Unternehmen des Landes müssen sich auch in der Zukunft auf weitere staatliche Maßnahmen einstellen. Staatspräsident Xi Jinping höchstpersönlich sieht sein Land mit der strengen Kontrolle auf dem richtigen Weg. Beim Lieferdienst Meituan verdrehen sie deshalb wohl genervt die Augen. Dem Unternehmen droht neues Ungemach.
Dazu gibt es ein Zwischenfazit zur Arbeit des neuen chinesischen Botschafters in den USA. Von handzahm bis angriffslustig hat Qin Gang binnen weniger Wochen schon alle Kategorien der diplomatischen Klaviatur durchlaufen. Vom Grad der Autonomie, die Botschafter demokratischer Staaten von ihren Regierungen teilweise gewährt bekommen, ist der chinesische Repräsentant jedoch weit entfernt.
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Elektroautos boomen in China. Nicht einmal die Halbleiterkrise tut den Verkaufszahlen bislang einen Abbruch. Im Juli wurden 271.000 Stromer verkauft und damit 164 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Doch es sieht nicht für alle gut aus: Eine Handvoll Start-ups steht vor dem Aus, andere dümpeln mit ungewissem Schicksal vor sich hin. Byton, Faraday Future oder Iconiq waren allesamt mit großen Ambitionen angetreten, holten sogar erfahrene westliche Automanager und Designer ins Boot. Doch der Durchbruch blieb ihnen verwehrt.
Eine Schätzung der Schweizer Bank UBS geht davon aus, dass in China schon 2025 jeder vierte Neuwagen mit Batterien betrieben wird. Doch zwischen Start-up-Euphorie und Riesengewinnen auf dem wachsenden Markt stehen horrende Kosten. Nio-Gründer William Li sagte im vergangenen Jahr, dass ein Start-up mindestens 20 Milliarden Yuan (gut 2,6 Milliarden Euro) Kapital benötige, ehe es ein erstes Modell zur Serienreife bekommt. Byton verbrannte laut chinesischen Medienberichten 8,4 Milliarden Yuan, produzierte aber nur rund 200 Stück seines intelligenten E-SUV M-Byte, obwohl das Fahrzeug bei Branchenkennern gut ankam. Jetzt steht das Unternehmen – zumindest in seiner bisherigen Form – vor dem Ende.
Cui Dongshu, Generalsekretär der China Passenger Car Association (CPCA), glaubt, dass die Elektro-Firmen ihre Ausgaben besser managen müssen: “Es ist wichtig, die Kosten zu senken und das gesamte Fertigungssystem zu optimieren“, sagte Cui laut South China Morning Post. “Unternehmen müssen in der Anpassung ihrer Lieferketten geübt sein, um auf dem sich schnell verändernden chinesischen Markt zu bestehen.”
Beim Elektropionier BYD etwa sank der Gewinn aufgrund steigender Materialkosten im ersten Halbjahr um 29,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – trotz guter Absatzzahlen: Im Juli war das Unternehmen mit 50.057 verkauften Stromern und Plug-in-Hybriden E-Marktführer. BYD kann steigende Kosten aber verkraften. Start-ups, die erst ganz am Anfang stehen, können das kaum. Viele von ihnen setzen zudem bei der Entwicklung und Produktion auf besonders teure Premium-Modelle mit dem letzten Schrei an Technologie-Schnickschnack, um Städter mit soliden Einkommen als Kunden zu gewinnen. Doch das im Juli zum elften Mal in Folge meistverkaufte E-Auto des Monats war keine Luxuskarosse, sondern das Mini-E-Mobil Wuling Hongguang (China.Table berichtete) – der Stromer für den schmalen Geldbeutel.
Zur regelrechten Lachnummer verkam das hoffnungsvoll gestartete Start-up Byton, das von deutschen Ex-BMW-Managern gegründet wurde. Die chinesische Fachwebsite Carnewschina.com erklärte das Unternehmen kürzlich zur “chinesischen Auto-Seifenoper”. Das Start-up durchlief Insolvenzen, rotierte wild das Management und brachte seinen M-Byte trotz einer produktionsbereiten Fabrik in Nanjing nie in die Massenfertigung. In den vergangenen Jahren hatte sich der staatliche Autobauer FAW immer stärker bei Byton engagiert, frisches Kapital und eine Produktionslizenz eingebracht. Schrittweise sicherte sich FAW dabei allerdings auch immer mehr Kontrolle über die Firma.
Im Sommer 2020 wurden die Vorbereitungen zur Serienproduktion des M-Byte gestoppt; die meisten Topmanager um den Deutschen Daniel Kirchert gingen von Bord. Der Rettungsplan von FAW beinhaltete eine Neugestaltung des M-Byte mit billiger Technologie des Staatskonzerns. Hoffnung machte dem Unternehmen auch eine strategische Partnerschaft mit dem Elektronikkonzern Foxconn aus Taiwan. Doch die Seifenoper ging weiter: Im Frühjahr meldete die Deutschland-Tochter Insolvenz an, und FAW stellte einen Mann aus den eigenen Reihen an die Spitze des Start-ups. Sehr zum Unmut von Foxconn, das daraufhin Personal aus der Fabrik in Nanjing abzog, wie Bloomberg berichtete. Ob und wann der M-Byte kommt, ist weiter ungewiss. Immerhin identifizierte Carnewschina.com auf der Tropeninsel Hainan ein Modell bei einer Testfahrt.
Einer der Byton-Gründer war Carsten Breitfeld, der sich im Frühjahr 2019 zum Mitbewerber Iconiq absetzte. Doch auch dort erlebte er eine ähnliche Chronologie des Scheiterns wie bei Byton. Zumal auch bei Iconiq der Einstieg eines Staatskonzerns Abhilfe schaffen sollte. Das Elektro-Start-up hatte auf Automessen zunächst zwei Modelle präsentiert und erhielt im Juli 2019 über den Einstieg des staatlichen Autobauers Tianqi Meiya aus Tianjin die benötigte Produktionslizenz. Doch dann folgte lange Zeit nichts. Erst in diesem Frühjahr meldete sich das Unternehmen mit wenig spektakulären Neuigkeiten zurück und vermeldete zwei “strategische Investments” chinesischer Partner, einer davon mit Ambitionen im Bereich des autonomen Fahrens.
Ein anderer Byton-Mitgründer, Daniel Kirchert, wechselte 2020 zu Evergrande Auto, ohne zu ahnen, was ihn dort erwartete. Der Immobilienkonzern Guangzhou Evergrande, einst stolzer Namensgeber des entthronten chinesischen Fußball-Serienmeisters, hat sich mit seinem Elektro-Abenteuer an den Rand des Ruins verfrachtet.
Zu Beginn hatte die Gesundheitssparte (!) des Konzerns in das sieche Auto-Start-up Faraday Future investiert, aber konnte dessen Aus doch nicht abwenden. Fest entschlossen, auf dem Wachstumsmarkt Fuß zu fassen, übernahm Evergrande dann das schwedisch-chinesische NEVS, das aus der Traditionsmarke Saab hervorgegangen war. Bis 2022 wollte Evergrande satte 6,4 Milliarden US-Dollar in die Elektromobilität investieren und versprach sechs neue Autos der selbst gegründeten Marke Hengchi. Doch es gab Gerüchte über Probleme beim Aufbau der Produktion.
Evergrande finanzierte sein Elektro-Engagement durch Einnahmen aus dem florierenden Immobiliengeschäft. Doch diese flossen weniger stark, nachdem Peking begonnen hatte, den Sektor stärker zu regulieren, um das Risiko einer Immobilienblase einzudämmen. Evergrande konnte die wachsenden Schulden für seine Elektro-Start-ups nicht mehr zahlen, und nun häufen sich Berichte, dass der Konzern das Elektro-Geschäft abstoßen wolle. So meldete die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich Gespräche mit dem Smartphone-Hersteller Xiaomi sowie staatlich unterstützten Investmentfirmen aus Shenzhen.
Auch jenseits des Elektrosegments tun sich neue Autobauer in China schwer: Die Marken Qoros und Borgward setzten auf moderne Fabriken, ausländische Manager und verkauften akzeptable Autos. Doch so richtig kamen sie im Markt nie an; der Qoros-Absatz stagnierte, der von Borgward brach komplett ein. Das einst vom Autobauer Chery und einem Investor aus Israel gegründete Qoros gehört heute der chinesischen Firma Baoneng, die im Februar eine Reihe von Elektromodellen ankündigte. Das Revival der deutschen Traditionsmarke Borgward in China aber steht vor der Insolvenz.
Ein Lebenszeichen gab zuletzt das lange am Boden liegende Start-up Faraday Future (FF) von sich, dessen Gründer Jia Yueting 2017 vor Schulden und Betrugsvorwürfen in die USA geflohen war. Der Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq unter dem Namen Faraday Future Intelligent Electric spülte im Juli nach Medienberichten rund eine Milliarde US-Dollar in die Kasse. Mittendrin ist erneut der Byton-Gründer Carsten Breitfeld, der jetzt als Geschäftsführer die Entwicklung von Faraday Future anschieben möchte.
Das frische Kapital solle dabei helfen, das erste Modell des Unternehmens, einen Luxus-Elektro-SUV namens FF91, endlich zur Marktreife zu bringen, sagte Breitfeld der Nachrichtenagentur Reuters. Der FF91 soll in einer Fabrik im kalifornischen Hanford vom Band laufen, die Faraday Future vor einigen Jahren erworben hatte. Die Kapazität liege zunächst nur bei 10.000 Autos im Jahr. In 30 Monaten will Faraday Future mit dem FF81 ein etwas günstigeres Modell auf den Markt bringen, das bei einem Vertragsfertiger in Südkorea vom Band laufen soll. Bei FF ist es aber definitiv mit früheren, hochfliegenden Plänen eigener Gigafabriken in der Wüste Nevadas vorbei, ebenso wie mit dem geplanten Bau von Autos, die wie Raumschiffe aussehen.
Seit Anfang 2021 gibt es bereits Zuckungen des totgeglaubten FF: ein neuer CEO, auch für China, und Gerüchte über Verhandlungen mit Geely über eine Lizenzfertigung. Geely gehört auch zu den Investoren in den FF-Börsengang. Die Produktion des FF91 wird allerdings frühestens 2022 starten – damit hinkt das Unternehmen der Konkurrenz weit hinterher. Trotzdem erscheint es möglich, dass ausgerechnet das erste für tot erklärte Start-up am Ende doch noch knapp überlebt.
Mit einer Charme-Offensive in sozialen Medien hatte die Amtszeit des neuen chinesischen Botschafters Qin Gang in Washington Ende Juli begonnen. Sie schlug einen großen Bogen vom ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon und dessen bahnbrechendem China-Besuch 1972 bis zu den Olympischen Spiele in Tokio samt herzlichster Gratulation an die USA zum Gewinn der meisten Medaillen.
Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte sie am kürzlich zelebrierten ersten Geburtstag eines kleinen Pandabären. “Im vergangenen Jahr ist mit der gemeinsamen Unterstützung von Chinesen und Amerikanern ein tatkräftiger und neugieriger Bärenjunge aus dir geworden”, sagte Botschafter Qin in einer Videonachricht an das Jungtier, das vor einem Jahr im Zoo von Washington geboren wurde. Der Panda namens Xiao Qi Ji ist der Nachkomme zweier Gäste, die als Leihgabe von der chinesischen Regierung aus den Bergen Sichuans in die US-Hauptstadt umgesiedelt wurden.
All die wohlwollenden, versöhnlichen Kommentare des neuen Botschafters über den Kurznachrichtendienst Twitter waren kein Zufall. Qin Gang ist der Repräsentant der Volksrepublik in jenem Staat, den sie als führende Weltmacht ablösen möchte. Daher ist es für ihn wichtig, in seiner neuen Rolle guten Willen zu zeigen. Er muss signalisieren, dass eine Konfrontation mit den Amerikanern nicht gewünscht ist. Kernbotschaft: China und die USA – das geht auch Hand in Hand. Qin warb für eine Zusammenarbeit beider Länder zur Bekämpfung von Covid-19 und den wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Pandemie.
Dieser sanfte Einstieg in seine Amtszeit widersprach dem Image eines Wolfskriegers, das dem 55-Jährigen teilweise angeheftet wird (China.Table berichtete). Wolfskrieger heulen ihre Wut und ihren Ärger in den digitalen Äther und verbreiten Kopfschütteln in internationalen diplomatischen Kreisen. Ihr aggressives Auftreten ist das Resultat einer Anweisung von Staatspräsident Xi Jinping, der Chinas Auslandsvertreter aufgefordert hatte, “größeren Kampfgeist” zu zeigen. Qin zeigte sich anfangs dagegen lammfromm.
Doch es dauerte nur wenige Wochen, bis die chinesische Botschaft unter ihrem neuen Chef ein erstes Ausrufezeichen setzte, das Qin Gangs Angriffslust offenbarte. Thema: Sars-CoV-2. Noch ehe die US-Regierung einen Bericht ihrer Geheimdienste zum Ursprung des Coronavirus veröffentlicht hatte, ging die Botschaft mit einer Stellungnahme in die Offensive.
Sie schloss nicht nur einen möglichen Laborunfall in Wuhan, dem Ausgangspunkt der Pandemie, kategorisch aus. Erstmals wurden Chinas Diplomaten von US-Boden aus so konkret, dass sie ihrerseits die Vermutung formulierten, das Virus stamme möglicherweise aus dem US-Forschungslabor Fort Detrick im Bundesstaat Maryland oder der School of Medicine an der Universität von North Carolina. Von einer “fragwürdigen Laborbilanz” war die Rede, und von “Transparenz- und Sicherheitsproblemen”, die in den Forschungseinrichtungen aufgetreten seien.
Das stellte eine inhaltliche und rhetorische Verschärfung durch die Botschaft dar, die unter der Leitung von Qins Vorgänger Cui Tiankai auf solche Anschuldigungen verzichtet hatte. Cui hatte die These, das Virus stamme aus einem US-Militärlabor, im vergangenen Jahr noch als “absolut verrückt” bezeichnet.
Dass die Kehrtwende auf dem Mist des neuen Botschafters gewachsen ist, hält Li Mingjiang von der Rajaratnam School of International Studies (RSIS) in Singapur allerdings für ausgeschlossen. “Wir müssen den Personalwechsel als Ausdruck für Chinas offizielle Linie gegenüber den USA begreifen. Der neue Botschafter kann nicht im Geringsten von dieser Linie abweichen, sondern muss sich innerhalb der politischen Vorgaben aus Peking an der grundsätzlichen Ausrichtung orientieren”, sagt Li, der sich seit 15 Jahren mit den Beziehungen zwischen China und den USA beschäftigt. “Qin muss äußerst vorsichtig agieren. Jedes Fehlverhalten kann seiner Karriere schaden. Spielraum für sein eigenes Handeln genießt er nur in Themenfeldern, die weniger heikel sind“, so der Politologe.
Im Klartext heißt das: Grußbotschaften an Bären darf Qin so viele produzieren wie er möchte – solange sie den Verbesserungen der Beziehungen zwischen beiden Ländern guttun. Vorwürfe über die Internetseite der Botschaft zu verbreiten, dass das Coronavirus aus einem Labor in Maryland oder North Carolina stammen könne, ist demnach aber zwingend mit Peking abgeglichen.
Während die Botschafter demokratischer Staaten oft sehr selbständig handeln, sind Chinas Diplomaten eng an die Linie der Zentrale gebunden. Der Botschafter der Volksrepublik müssen sich auch in Detailfragen in Peking rückversichern. Manche Repräsentanten demokratischer Staaten sind dagegen so lange in ihrem Gastland, dass sie gleich mehrere Regierungen in ihren Heimatstaaten überdauern. Wechselnde Regierungen sind zudem stärker auf die Expertise langjähriger Diplomaten vor Ort angewiesen – so dass diese entsprechend Einfluss nehmen können auf die politische Ausrichtung. Sie neigen sogar hier und da zu Alleingängen.
Beispielweise hatte der frühere kanadische Botschafter in China, John McCallum, eigenmächtig die Position seiner Regierung unterwandert, als er die Festnahme der Huawei-Managerin Meng Wanzhou wegen Spionagevorwürfen in Kanada als “politisch motiviert” bezeichnete – und damit seine eigene Regierung brüskiert. Ein anderes Beispiel ist die ehemalige schwedische Botschafterin in Peking, Anna Lindstedt, die ohne Wissen ihrer eigenen Regierung chinesische Interessen vertrat. Lindstedt musste sich dafür im vergangenen Jahr zwar vor einem schwedischen Gericht verantworten. Sie wurde aber von der Schuld freigesprochen, ihre Zuständigkeit als Botschafterin überschritten zu haben. Man nahm Lindstedt ab, dass sie mit besten Absichten gehandelt habe, um einem schwedischen Staatsbürger aus chinesischer Haft zu verhelfen.
Diesen Freiraum maßen sich chinesische Diplomaten nicht an. Wohl auch aus Furcht davor, dass sie nicht nur ihre Karriere aufs Spiel setzen, sondern berechtigte Angst haben müssen, ihre Freiheit zu verlieren. Denn offener Dissens wird in China nicht geduldet, seine Urheber werden schnellstens isoliert – um möglicherweise aufflackernde Diskussionen um alternative Positionen bereits im Keim zu ersticken.
Qin Gang kennt die Regeln. “Die Führungsebene der Partei hat eine hohe Meinung von ihm und vertraut ihm”, sagt Politologe Li. Unter diesen Umständen spiele es nur eine untergeordnete Rolle, ob der neue Botschafter in die Kategorie Wolfskrieger passe oder nicht. “Qin wird wie sein Vorgänger Cui versuchen, den Austausch mit den USA zu fördern. Welchen Ton er dabei anschlägt, wird letztlich in Peking entschieden.“
China hat im UN-Sicherheitsrat eine Untersuchung der Tötung von Zivilisten durch die US-geführten Streitkräfte in Afghanistan gefordert. Die Aktivitäten der ausländischen Truppen in den vergangenen 20 Jahren dürften nicht “ausgelöscht werden”, sagte Chinas Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Geng Shuang, auf der Sitzung des Sicherheitsrates am Montag.
Dazu gehörten “die kriminellen Aktivitäten der Streitkräfte aus Australien und den USA” sowie die “wahllose Tötung von Zivilisten”. Mit Australien hatte China sich Ende 2020 einen wütenden Schlagabtausch geliefert, nachdem Außenamtssprecher Zhao Lijian auf Twitter ein offenbar gefälschtes Bild gepostet hatte, das angebliche Kriegsverbrechen australischer Soldaten in Afghanistan zeigte. Canberra forderte damals – vergeblich – eine Entschuldigung.
China enthielt sich zudem ebenso wie Russland bei der am Montag verabschiedeten Resolution des Sicherheitsrates zu Afghanistan. Diese verlangt, dass die Taliban allen Menschen, die das Land verlassen wollten, eine reibungslose Ausreise ermöglichen. Auch müssten sie humanitären Helfern Zugang nach Afghanistan gewähren und die Menschenrechte insbesondere von Frauen und Mädchen achten. Russland gab als Grund für die Enthaltung an, dass die Resolution nicht klar genug eine Abkehr der Taliban vom Terrorismus fordere.
Geng äußerte sich dazu nicht direkt, aber gab dem hastigen Abzug der USA nach einem Bericht der South China Morning Post schon einmal vorab die Schuld, falls der Terror in der Region wieder zunehme: “Der überstürzte Abzug ausländischer Truppen dürfte verschiedenen Terrororganisationen Gelegenheiten zu einem Comeback bieten”, sagte Geng. Trotz allem halten Beobachter eine Kooperation der USA und China zu Afghanistan aber für möglich. ck
Dem populären chinesischen Lieferservice Meituan droht neues Ungemach. Die Staatliche Verwaltung für Marktregulierung (SAMR) hat eine weitere Untersuchung gegen das Unternehmen eingeleitet. Diesmal geht es um die Übernahme des Bike-Sharing-Anbieters Mobike, die nach Angaben der Behörde nicht angemeldet gewesen war. Die SAMR versah die Einleitung des Verfahrens mit dem Hinweis, man wolle die Regulierung des Konsumentensektors weiter stärken.
Meituan, das als Onlineanbieter von Dienstleistungen und Konsumgütern im Freizeitbereich inzwischen jedes Jahr Milliardenumsätze erwirtschaftet, ist in den vergangenen Monaten wie andere große Techfirmen des Landes in die Mühlen der Regulierungsbehörden geraten. Dem Unternehmen solle in Kürze eine Geldstrafe wegen Verstößen gegen das Kartellrecht in Höhe von einer Milliarde US-Dollar auferlegt werden, wie das Wall Street Journal berichtet hatte. Als Konsequenz der strengeren staatlichen Kontrolle hat Meituan seit Februar rund 160 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren.
Betroffen von behördlichen Untersuchungen und teils empfindlichen Strafen und Auflagen waren zuletzt auch schon andere große Namen der chinesischen Tech-Szene, darunter die Alibaba Group, Tencent, JD und Suning. Am Montag bekräftigte Staatspräsident Xi Jinping noch einmal, dass sich die Volksrepublik mit ihrer jüngsten Regulierungswelle auf dem richtigen Weg befinde.
Es handle sich um eine Kampagne, um “die irrationale Expansion des Kapitals” und “barbarisches Wachstum” zu verhindern, betonte Xi vor ranghohen Funktionären. Fairer Wettbewerb sei notwendig, um den Zustand der sozialen Marktwirtschaft im Land zu verbessern und den gemeinsamen Wohlstand zu fördern. Xi warnte, die allein regierende Kommunistische Partei müsse mehr tun, um die Wirtschaft des Landes “zu führen und zu überwachen”. Dazu seien klare Regeln, effektive Regulierung und größere politische Transparenz erforderlich.
Kritiker erkennen in der Regulierung jedoch nicht nur ein Instrument, um einen ausgeglichenen Wohlstand in der Bevölkerung besser zu ermöglichen. Stattdessen nutze die chinesische Regierung ihre regulatorische Macht dazu, den wachsenden Einfluss großer privater Unternehmen in China zurückzudrängen – auch um eine zu große staatliche Abhängigkeit von privaten Firmen als Triebkraft der Wirtschaft zu vermeiden. grz
Die jüngste Welle des Coronavirus bremst die konjunkturelle Entwicklung in China. Vor allem im Dienstleistungssektor gab es angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante einen Dämpfer, wie aus dem am Dienstag veröffentlichen staatlichen Einkaufsmanagerindex (PMI) hervorgeht. Der Indexwert, der die Stimmung in größeren und staatlichen Dienstleistungsfirmen darstellt, fiel im August auf 47,5 Punkte – gegenüber 53,3 Zählern im Juli. Damit liegt das Barometer erstmals seit dem Höhepunkt der chinesischen Corona-Infektionen im Februar 2020 wieder unter der Marke von 50, die als Scheitelpunkt zwischen Drosselung und Wachstum der Konjunktur gilt. Grund sind die strengen Maßnahmen, die angesichts der jüngsten Delta-Ausbrüche verhängt worden sind.
Die Entwicklung kam für viele Beobachter überraschend. Viele Analysten hatten einen deutlich höheren Indexwert von etwa 52 Punkten erwartet. Auch im Industrie-Sektor sackte der PMI leicht um 0,3 auf 50,1 Punkte ab, hielt sich aber gerade noch über der Wachstumsschwelle.
“Die Epidemie in mehreren Provinzen und Orten war ein ziemlich großer Schock für den Dienstleistungssektor“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Vertreter des Statistikamtes. Der Commerzbank-Ökonom Hao Zhou sagte der dpa: “Offensichtlich macht die Delta-Variante die Wachstumsprognose für China unsicherer.”
Da die Virusbeschränkungen seit Ende August aber weitgehend aufgehoben seien, könnte die Stimmung in Chinas Wirtschaft bald schon wieder steigen. “Wenn es also nicht zu einem weiteren großen Virusausbruch kommt, dürfte die Wirtschaft im dritten Quartal nur einen vorübergehenden Rückschlag erlitten haben und sich im vierten Quartal wieder erholen”, sagte Hao. Er geht demnach davon aus, dass Chinas Wirtschaft in diesem Jahr um 8,4 Prozent wachsen kann. ari
Ungarns Wahlbehörde hat grünes Licht für ein Referendum über den geplanten Ableger der chinesischen Fudan-Universität in Budapest gegeben. Der Nationale Wahlausschuss hat seiner Anfrage nach einer Volksabstimmung zugestimmt, teilte der Bürgermeister der ungarischen Hauptstadt, Gergely Karácsony, über Sozialmedien mit. Konkret bedeutet das nun, dass im kommenden Monat eine Initiative zur Sammlung von 200.000 Unterschriften beginnen wird, die für die Durchführung eines Referendums erforderlich sind, erklärte Karácsony – vorausgesetzt, die Entscheidung der Behörde werde nicht noch vor Gericht angefochten.
Die Bürger und Bürgerinnen Budapests sollen gefragt werden, ob sie ein Gesetz aufheben wollen, das den Bau des Fudan-Campus erlaubt. Das entsprechende Gesetz war Anfang des Jahres vom Parlament – das von der rechtsgerichteten Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán dominiert wird – verabschiedet worden. Wegen des Fudan-Ablegers gibt es seit Beginn des Jahres öffentlichen Unmut. Im Juni hatten Tausende gegen das Projekt in der ungarischen Hauptstadt protestiert (China.Table berichtete). Budapests Bürgermeister ist auch selbst gegen den Bau.
Das umstrittene Projekt hatte die Beziehungen zwischen China und Ungarn zuletzt auch vermehrt zu einem öffentlichen Diskussionsthema gemacht (China.Table berichtete), im kommenden Jahr stehen in dem EU-Staat Wahlen an. Die Kosten für den Bau des Campus werden auf etwa 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Der größte Teil davon, rund 1,3 Milliarden Euro, sollen durch ein Darlehen einer chinesischen Bank gedeckt werden. Dies ging aus Dokumenten hervor, die das ungarische Investigativ-Portal Direkt36 im April offenlegte. ari
Schweden ist eigentlich nur ein Nebendarsteller auf der großen geopolitischen Bühne. Selten wird hierzulande über die Standpunkte des skandinavischen Staates gesprochen. Doch Schweden hat wie auch Deutschland handelspolitische Interessen. Das Verhältnis zur Volksrepublik China ist zudem immer komplexer geworden – etwa durch die Verhaftung des schwedischen Staatsbürgers und Buchhändlers Gui Minhai in Thailand vor sechs Jahren. “Politiker hier sprechen hinsichtlich der Beziehungen zu China gerne von Chancen und Herausforderungen”, sagt Björn Jerdén. Er ist Direktor des Swedish National China Centre und ein ausgewiesener China-Kenner.
Die schwedische Regierung spreche nicht über eine Eindämmung Chinas oder eine Abkopplung, sondern konzentriere sich auf die Möglichkeiten zur Wirtschaftskooperation, sagt Jerdén. Die China-Strategie des Landes von 2019 definierte diverse Aufgabenfelder für die Regierung, darunter Sicherheit, Handel, Klima, Innovation, Bildung sowie China als Akteur in der Entwicklungshilfe. Es ist eigentlich nie die Rede davon, China in die Schranken zu weisen. “Eine Sache hat sich in Schweden jedoch verändert: Dinge, die früher nur als Chancen gesehen wurden, werden nun auch als Herausforderungen betrachtet”, erklärt Jerdén. Ein Beispiel seien chinesische Investitionen in Schweden.
Eine ausgewogene Betrachtung der Vor- und Nachteile erfordert entsprechende Expertise, die Jerdén mit dem Centre liefern kann. Es hat erst im Januar die Arbeit aufgenommen, wird von der schwedischen Regierung finanziert und soll die Ministerien und Behörden mit Informationen versorgen. “Dafür braucht man Experten, die viel über China wissen und vielleicht Chinesisch sprechen, aber die zudem Expertise in einem bestimmten Bereich haben”, sagt er.
Aus seiner Sicht sei es für jedes EU-Land notwendig, so viel Wissen zu China zu sammeln wie nur möglich. Nur auf diese Weise ließe sich eine gemeinsame europäische Strategie entwickeln. “Doch es gibt keine Einheitslösung für die Wissensgenerierung. Die Situation ist in jedem Land anders, was die Regierung betrifft sowie das Zusammenspiel zwischen Regierung und Universitäten, Think-Tanks und Stiftungen”, meint Jerdén.
Jerdén selbst ist das Produkt der schwedischen Universitätsausbildung. Nach Bachelor und Master am Department of Global Political Studies der Universität in Malmö folgte der erfolgreiche Abschluss der Doktorarbeit in Stockholm. Während seiner Promotionszeit hielt er sich 2012 und 2013 als Gastwissenschaftler in Taiwan auf. Später nahm er am “China and the World Program” der Universitäten Harvard und Princeton teil. Vor seiner Ernennung zum Direktor des Swedish National China Centre arbeitete er am renommierten Institute of International Affairs in Stockholm.
In dieser Zeit erlebte Jerdén, wie das Interesse an der China-Politik in Schweden rapide zunahm. Das lag neben der allgemeinen globalpolitischen Entwicklung auch an Vorkommnissen wie der Inhaftierung des schwedischen Staatsbürgers und Publizisten Gui Minhai im Jahr 2015. “Das führte zu einer Periode der Anspannung in den Beziehungen. Ab 2018 nahm das chinesische Außenministerium über die Botschaft in Stockholm verstärkt am politischen Diskurs in Schweden teil”, erklärt Jerdén.
Damit rückte die schwedische China-Politik auch außerhalb handelsrelevanter Themen auf der Agenda nach oben. “Die Probleme führten zu der Einsicht, langfristig mehr Wissen zu China generieren zu müssen, um die Beziehungen auf gute Weise zu managen. Das China Center ist ein konkretes Resultat dieser Anstrengungen.” Constantin Eckner
Jane Golley ist als Direktorin des Australian Centre on China in the World (CIW) an der Australian National University in Canberra nach mehr als einem Jahrzehnt von ihrem Posten zurückgetreten. Golley war in diesem Jahr unter Druck geraten, nachdem sie die Behandlung uigurischer Muslime in der autonomen chinesischen Region Xinjiang nach Meinung ihrer Kritiker verharmlost hatte. Golley hatte mit Verweis auf eine anonyme Studie die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung westlicher Medien über die Internierungslager in Xinjiang in Frage gestellt und unter anderem die Zahl von einer Million inhaftierter Uiguren als übertrieben bezeichnet. Als Interimsdirektor wird Ben Hillman das CIW leiten.
Nicola Pantone and Rodolphe Larqué übernehmen das Asia-Pazifik-Kapitalmarktgeschäft bei UBS Global Wealth Management. Das Duo kommt von HSBC und Credit Suisse und folgt auf Conrad Huber, der künftig das Global Wealth Management bei UBS in China, Singapur, Indonesien und Japan verantwortet.
Ein Bambuskuchen zum zweiten Geburtstag: Die Pandakinder Pit und Paule (Bild) – mit chinesischem Namen Meng Yuan and Meng Xiang – erblickten vor genau zwei Jahren im Berliner Zoo das Licht der Welt. Ihre Eltern leben im Rahmen der deutsch-chinesischen Panda-Diplomatie für 15 Jahre in der Hauptstadt. Pit ist offenbar schon satt und hat sich verkrümelt, Paule mümmelt noch.
im chinesischen Dienstleistungssektor herrscht zurzeit miese Stimmung. Doch am liebsten möchte man den jammernden Damen und Herren zurufen: Reißt euch mal zusammen! Ein paar Corona-Maßnahmen, die euren Interessen zuwiderlaufen, sind Kinkerlitzchen im Vergleich zu den wirklich schlechten Tagen, die so manches chinesische Elektro-Start-up erlebt!
Tatsächlich sprechen viele immer nur vom Wachstum, wenn es um grüne Mobilität in der Volksrepublik geht. Aber ein Selbstläufer sind hohe Gewinne beim Stromerbau nun wahrlich nicht, wie Christiane Kühl uns in der heutigen Ausgabe des China.Table detailliert schildert.
Apropos schlechte Tage: Die von Regulatoren getriebenen Tech-Unternehmen des Landes müssen sich auch in der Zukunft auf weitere staatliche Maßnahmen einstellen. Staatspräsident Xi Jinping höchstpersönlich sieht sein Land mit der strengen Kontrolle auf dem richtigen Weg. Beim Lieferdienst Meituan verdrehen sie deshalb wohl genervt die Augen. Dem Unternehmen droht neues Ungemach.
Dazu gibt es ein Zwischenfazit zur Arbeit des neuen chinesischen Botschafters in den USA. Von handzahm bis angriffslustig hat Qin Gang binnen weniger Wochen schon alle Kategorien der diplomatischen Klaviatur durchlaufen. Vom Grad der Autonomie, die Botschafter demokratischer Staaten von ihren Regierungen teilweise gewährt bekommen, ist der chinesische Repräsentant jedoch weit entfernt.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Elektroautos boomen in China. Nicht einmal die Halbleiterkrise tut den Verkaufszahlen bislang einen Abbruch. Im Juli wurden 271.000 Stromer verkauft und damit 164 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Doch es sieht nicht für alle gut aus: Eine Handvoll Start-ups steht vor dem Aus, andere dümpeln mit ungewissem Schicksal vor sich hin. Byton, Faraday Future oder Iconiq waren allesamt mit großen Ambitionen angetreten, holten sogar erfahrene westliche Automanager und Designer ins Boot. Doch der Durchbruch blieb ihnen verwehrt.
Eine Schätzung der Schweizer Bank UBS geht davon aus, dass in China schon 2025 jeder vierte Neuwagen mit Batterien betrieben wird. Doch zwischen Start-up-Euphorie und Riesengewinnen auf dem wachsenden Markt stehen horrende Kosten. Nio-Gründer William Li sagte im vergangenen Jahr, dass ein Start-up mindestens 20 Milliarden Yuan (gut 2,6 Milliarden Euro) Kapital benötige, ehe es ein erstes Modell zur Serienreife bekommt. Byton verbrannte laut chinesischen Medienberichten 8,4 Milliarden Yuan, produzierte aber nur rund 200 Stück seines intelligenten E-SUV M-Byte, obwohl das Fahrzeug bei Branchenkennern gut ankam. Jetzt steht das Unternehmen – zumindest in seiner bisherigen Form – vor dem Ende.
Cui Dongshu, Generalsekretär der China Passenger Car Association (CPCA), glaubt, dass die Elektro-Firmen ihre Ausgaben besser managen müssen: “Es ist wichtig, die Kosten zu senken und das gesamte Fertigungssystem zu optimieren“, sagte Cui laut South China Morning Post. “Unternehmen müssen in der Anpassung ihrer Lieferketten geübt sein, um auf dem sich schnell verändernden chinesischen Markt zu bestehen.”
Beim Elektropionier BYD etwa sank der Gewinn aufgrund steigender Materialkosten im ersten Halbjahr um 29,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – trotz guter Absatzzahlen: Im Juli war das Unternehmen mit 50.057 verkauften Stromern und Plug-in-Hybriden E-Marktführer. BYD kann steigende Kosten aber verkraften. Start-ups, die erst ganz am Anfang stehen, können das kaum. Viele von ihnen setzen zudem bei der Entwicklung und Produktion auf besonders teure Premium-Modelle mit dem letzten Schrei an Technologie-Schnickschnack, um Städter mit soliden Einkommen als Kunden zu gewinnen. Doch das im Juli zum elften Mal in Folge meistverkaufte E-Auto des Monats war keine Luxuskarosse, sondern das Mini-E-Mobil Wuling Hongguang (China.Table berichtete) – der Stromer für den schmalen Geldbeutel.
Zur regelrechten Lachnummer verkam das hoffnungsvoll gestartete Start-up Byton, das von deutschen Ex-BMW-Managern gegründet wurde. Die chinesische Fachwebsite Carnewschina.com erklärte das Unternehmen kürzlich zur “chinesischen Auto-Seifenoper”. Das Start-up durchlief Insolvenzen, rotierte wild das Management und brachte seinen M-Byte trotz einer produktionsbereiten Fabrik in Nanjing nie in die Massenfertigung. In den vergangenen Jahren hatte sich der staatliche Autobauer FAW immer stärker bei Byton engagiert, frisches Kapital und eine Produktionslizenz eingebracht. Schrittweise sicherte sich FAW dabei allerdings auch immer mehr Kontrolle über die Firma.
Im Sommer 2020 wurden die Vorbereitungen zur Serienproduktion des M-Byte gestoppt; die meisten Topmanager um den Deutschen Daniel Kirchert gingen von Bord. Der Rettungsplan von FAW beinhaltete eine Neugestaltung des M-Byte mit billiger Technologie des Staatskonzerns. Hoffnung machte dem Unternehmen auch eine strategische Partnerschaft mit dem Elektronikkonzern Foxconn aus Taiwan. Doch die Seifenoper ging weiter: Im Frühjahr meldete die Deutschland-Tochter Insolvenz an, und FAW stellte einen Mann aus den eigenen Reihen an die Spitze des Start-ups. Sehr zum Unmut von Foxconn, das daraufhin Personal aus der Fabrik in Nanjing abzog, wie Bloomberg berichtete. Ob und wann der M-Byte kommt, ist weiter ungewiss. Immerhin identifizierte Carnewschina.com auf der Tropeninsel Hainan ein Modell bei einer Testfahrt.
Einer der Byton-Gründer war Carsten Breitfeld, der sich im Frühjahr 2019 zum Mitbewerber Iconiq absetzte. Doch auch dort erlebte er eine ähnliche Chronologie des Scheiterns wie bei Byton. Zumal auch bei Iconiq der Einstieg eines Staatskonzerns Abhilfe schaffen sollte. Das Elektro-Start-up hatte auf Automessen zunächst zwei Modelle präsentiert und erhielt im Juli 2019 über den Einstieg des staatlichen Autobauers Tianqi Meiya aus Tianjin die benötigte Produktionslizenz. Doch dann folgte lange Zeit nichts. Erst in diesem Frühjahr meldete sich das Unternehmen mit wenig spektakulären Neuigkeiten zurück und vermeldete zwei “strategische Investments” chinesischer Partner, einer davon mit Ambitionen im Bereich des autonomen Fahrens.
Ein anderer Byton-Mitgründer, Daniel Kirchert, wechselte 2020 zu Evergrande Auto, ohne zu ahnen, was ihn dort erwartete. Der Immobilienkonzern Guangzhou Evergrande, einst stolzer Namensgeber des entthronten chinesischen Fußball-Serienmeisters, hat sich mit seinem Elektro-Abenteuer an den Rand des Ruins verfrachtet.
Zu Beginn hatte die Gesundheitssparte (!) des Konzerns in das sieche Auto-Start-up Faraday Future investiert, aber konnte dessen Aus doch nicht abwenden. Fest entschlossen, auf dem Wachstumsmarkt Fuß zu fassen, übernahm Evergrande dann das schwedisch-chinesische NEVS, das aus der Traditionsmarke Saab hervorgegangen war. Bis 2022 wollte Evergrande satte 6,4 Milliarden US-Dollar in die Elektromobilität investieren und versprach sechs neue Autos der selbst gegründeten Marke Hengchi. Doch es gab Gerüchte über Probleme beim Aufbau der Produktion.
Evergrande finanzierte sein Elektro-Engagement durch Einnahmen aus dem florierenden Immobiliengeschäft. Doch diese flossen weniger stark, nachdem Peking begonnen hatte, den Sektor stärker zu regulieren, um das Risiko einer Immobilienblase einzudämmen. Evergrande konnte die wachsenden Schulden für seine Elektro-Start-ups nicht mehr zahlen, und nun häufen sich Berichte, dass der Konzern das Elektro-Geschäft abstoßen wolle. So meldete die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich Gespräche mit dem Smartphone-Hersteller Xiaomi sowie staatlich unterstützten Investmentfirmen aus Shenzhen.
Auch jenseits des Elektrosegments tun sich neue Autobauer in China schwer: Die Marken Qoros und Borgward setzten auf moderne Fabriken, ausländische Manager und verkauften akzeptable Autos. Doch so richtig kamen sie im Markt nie an; der Qoros-Absatz stagnierte, der von Borgward brach komplett ein. Das einst vom Autobauer Chery und einem Investor aus Israel gegründete Qoros gehört heute der chinesischen Firma Baoneng, die im Februar eine Reihe von Elektromodellen ankündigte. Das Revival der deutschen Traditionsmarke Borgward in China aber steht vor der Insolvenz.
Ein Lebenszeichen gab zuletzt das lange am Boden liegende Start-up Faraday Future (FF) von sich, dessen Gründer Jia Yueting 2017 vor Schulden und Betrugsvorwürfen in die USA geflohen war. Der Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq unter dem Namen Faraday Future Intelligent Electric spülte im Juli nach Medienberichten rund eine Milliarde US-Dollar in die Kasse. Mittendrin ist erneut der Byton-Gründer Carsten Breitfeld, der jetzt als Geschäftsführer die Entwicklung von Faraday Future anschieben möchte.
Das frische Kapital solle dabei helfen, das erste Modell des Unternehmens, einen Luxus-Elektro-SUV namens FF91, endlich zur Marktreife zu bringen, sagte Breitfeld der Nachrichtenagentur Reuters. Der FF91 soll in einer Fabrik im kalifornischen Hanford vom Band laufen, die Faraday Future vor einigen Jahren erworben hatte. Die Kapazität liege zunächst nur bei 10.000 Autos im Jahr. In 30 Monaten will Faraday Future mit dem FF81 ein etwas günstigeres Modell auf den Markt bringen, das bei einem Vertragsfertiger in Südkorea vom Band laufen soll. Bei FF ist es aber definitiv mit früheren, hochfliegenden Plänen eigener Gigafabriken in der Wüste Nevadas vorbei, ebenso wie mit dem geplanten Bau von Autos, die wie Raumschiffe aussehen.
Seit Anfang 2021 gibt es bereits Zuckungen des totgeglaubten FF: ein neuer CEO, auch für China, und Gerüchte über Verhandlungen mit Geely über eine Lizenzfertigung. Geely gehört auch zu den Investoren in den FF-Börsengang. Die Produktion des FF91 wird allerdings frühestens 2022 starten – damit hinkt das Unternehmen der Konkurrenz weit hinterher. Trotzdem erscheint es möglich, dass ausgerechnet das erste für tot erklärte Start-up am Ende doch noch knapp überlebt.
Mit einer Charme-Offensive in sozialen Medien hatte die Amtszeit des neuen chinesischen Botschafters Qin Gang in Washington Ende Juli begonnen. Sie schlug einen großen Bogen vom ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon und dessen bahnbrechendem China-Besuch 1972 bis zu den Olympischen Spiele in Tokio samt herzlichster Gratulation an die USA zum Gewinn der meisten Medaillen.
Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte sie am kürzlich zelebrierten ersten Geburtstag eines kleinen Pandabären. “Im vergangenen Jahr ist mit der gemeinsamen Unterstützung von Chinesen und Amerikanern ein tatkräftiger und neugieriger Bärenjunge aus dir geworden”, sagte Botschafter Qin in einer Videonachricht an das Jungtier, das vor einem Jahr im Zoo von Washington geboren wurde. Der Panda namens Xiao Qi Ji ist der Nachkomme zweier Gäste, die als Leihgabe von der chinesischen Regierung aus den Bergen Sichuans in die US-Hauptstadt umgesiedelt wurden.
All die wohlwollenden, versöhnlichen Kommentare des neuen Botschafters über den Kurznachrichtendienst Twitter waren kein Zufall. Qin Gang ist der Repräsentant der Volksrepublik in jenem Staat, den sie als führende Weltmacht ablösen möchte. Daher ist es für ihn wichtig, in seiner neuen Rolle guten Willen zu zeigen. Er muss signalisieren, dass eine Konfrontation mit den Amerikanern nicht gewünscht ist. Kernbotschaft: China und die USA – das geht auch Hand in Hand. Qin warb für eine Zusammenarbeit beider Länder zur Bekämpfung von Covid-19 und den wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Pandemie.
Dieser sanfte Einstieg in seine Amtszeit widersprach dem Image eines Wolfskriegers, das dem 55-Jährigen teilweise angeheftet wird (China.Table berichtete). Wolfskrieger heulen ihre Wut und ihren Ärger in den digitalen Äther und verbreiten Kopfschütteln in internationalen diplomatischen Kreisen. Ihr aggressives Auftreten ist das Resultat einer Anweisung von Staatspräsident Xi Jinping, der Chinas Auslandsvertreter aufgefordert hatte, “größeren Kampfgeist” zu zeigen. Qin zeigte sich anfangs dagegen lammfromm.
Doch es dauerte nur wenige Wochen, bis die chinesische Botschaft unter ihrem neuen Chef ein erstes Ausrufezeichen setzte, das Qin Gangs Angriffslust offenbarte. Thema: Sars-CoV-2. Noch ehe die US-Regierung einen Bericht ihrer Geheimdienste zum Ursprung des Coronavirus veröffentlicht hatte, ging die Botschaft mit einer Stellungnahme in die Offensive.
Sie schloss nicht nur einen möglichen Laborunfall in Wuhan, dem Ausgangspunkt der Pandemie, kategorisch aus. Erstmals wurden Chinas Diplomaten von US-Boden aus so konkret, dass sie ihrerseits die Vermutung formulierten, das Virus stamme möglicherweise aus dem US-Forschungslabor Fort Detrick im Bundesstaat Maryland oder der School of Medicine an der Universität von North Carolina. Von einer “fragwürdigen Laborbilanz” war die Rede, und von “Transparenz- und Sicherheitsproblemen”, die in den Forschungseinrichtungen aufgetreten seien.
Das stellte eine inhaltliche und rhetorische Verschärfung durch die Botschaft dar, die unter der Leitung von Qins Vorgänger Cui Tiankai auf solche Anschuldigungen verzichtet hatte. Cui hatte die These, das Virus stamme aus einem US-Militärlabor, im vergangenen Jahr noch als “absolut verrückt” bezeichnet.
Dass die Kehrtwende auf dem Mist des neuen Botschafters gewachsen ist, hält Li Mingjiang von der Rajaratnam School of International Studies (RSIS) in Singapur allerdings für ausgeschlossen. “Wir müssen den Personalwechsel als Ausdruck für Chinas offizielle Linie gegenüber den USA begreifen. Der neue Botschafter kann nicht im Geringsten von dieser Linie abweichen, sondern muss sich innerhalb der politischen Vorgaben aus Peking an der grundsätzlichen Ausrichtung orientieren”, sagt Li, der sich seit 15 Jahren mit den Beziehungen zwischen China und den USA beschäftigt. “Qin muss äußerst vorsichtig agieren. Jedes Fehlverhalten kann seiner Karriere schaden. Spielraum für sein eigenes Handeln genießt er nur in Themenfeldern, die weniger heikel sind“, so der Politologe.
Im Klartext heißt das: Grußbotschaften an Bären darf Qin so viele produzieren wie er möchte – solange sie den Verbesserungen der Beziehungen zwischen beiden Ländern guttun. Vorwürfe über die Internetseite der Botschaft zu verbreiten, dass das Coronavirus aus einem Labor in Maryland oder North Carolina stammen könne, ist demnach aber zwingend mit Peking abgeglichen.
Während die Botschafter demokratischer Staaten oft sehr selbständig handeln, sind Chinas Diplomaten eng an die Linie der Zentrale gebunden. Der Botschafter der Volksrepublik müssen sich auch in Detailfragen in Peking rückversichern. Manche Repräsentanten demokratischer Staaten sind dagegen so lange in ihrem Gastland, dass sie gleich mehrere Regierungen in ihren Heimatstaaten überdauern. Wechselnde Regierungen sind zudem stärker auf die Expertise langjähriger Diplomaten vor Ort angewiesen – so dass diese entsprechend Einfluss nehmen können auf die politische Ausrichtung. Sie neigen sogar hier und da zu Alleingängen.
Beispielweise hatte der frühere kanadische Botschafter in China, John McCallum, eigenmächtig die Position seiner Regierung unterwandert, als er die Festnahme der Huawei-Managerin Meng Wanzhou wegen Spionagevorwürfen in Kanada als “politisch motiviert” bezeichnete – und damit seine eigene Regierung brüskiert. Ein anderes Beispiel ist die ehemalige schwedische Botschafterin in Peking, Anna Lindstedt, die ohne Wissen ihrer eigenen Regierung chinesische Interessen vertrat. Lindstedt musste sich dafür im vergangenen Jahr zwar vor einem schwedischen Gericht verantworten. Sie wurde aber von der Schuld freigesprochen, ihre Zuständigkeit als Botschafterin überschritten zu haben. Man nahm Lindstedt ab, dass sie mit besten Absichten gehandelt habe, um einem schwedischen Staatsbürger aus chinesischer Haft zu verhelfen.
Diesen Freiraum maßen sich chinesische Diplomaten nicht an. Wohl auch aus Furcht davor, dass sie nicht nur ihre Karriere aufs Spiel setzen, sondern berechtigte Angst haben müssen, ihre Freiheit zu verlieren. Denn offener Dissens wird in China nicht geduldet, seine Urheber werden schnellstens isoliert – um möglicherweise aufflackernde Diskussionen um alternative Positionen bereits im Keim zu ersticken.
Qin Gang kennt die Regeln. “Die Führungsebene der Partei hat eine hohe Meinung von ihm und vertraut ihm”, sagt Politologe Li. Unter diesen Umständen spiele es nur eine untergeordnete Rolle, ob der neue Botschafter in die Kategorie Wolfskrieger passe oder nicht. “Qin wird wie sein Vorgänger Cui versuchen, den Austausch mit den USA zu fördern. Welchen Ton er dabei anschlägt, wird letztlich in Peking entschieden.“
China hat im UN-Sicherheitsrat eine Untersuchung der Tötung von Zivilisten durch die US-geführten Streitkräfte in Afghanistan gefordert. Die Aktivitäten der ausländischen Truppen in den vergangenen 20 Jahren dürften nicht “ausgelöscht werden”, sagte Chinas Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Geng Shuang, auf der Sitzung des Sicherheitsrates am Montag.
Dazu gehörten “die kriminellen Aktivitäten der Streitkräfte aus Australien und den USA” sowie die “wahllose Tötung von Zivilisten”. Mit Australien hatte China sich Ende 2020 einen wütenden Schlagabtausch geliefert, nachdem Außenamtssprecher Zhao Lijian auf Twitter ein offenbar gefälschtes Bild gepostet hatte, das angebliche Kriegsverbrechen australischer Soldaten in Afghanistan zeigte. Canberra forderte damals – vergeblich – eine Entschuldigung.
China enthielt sich zudem ebenso wie Russland bei der am Montag verabschiedeten Resolution des Sicherheitsrates zu Afghanistan. Diese verlangt, dass die Taliban allen Menschen, die das Land verlassen wollten, eine reibungslose Ausreise ermöglichen. Auch müssten sie humanitären Helfern Zugang nach Afghanistan gewähren und die Menschenrechte insbesondere von Frauen und Mädchen achten. Russland gab als Grund für die Enthaltung an, dass die Resolution nicht klar genug eine Abkehr der Taliban vom Terrorismus fordere.
Geng äußerte sich dazu nicht direkt, aber gab dem hastigen Abzug der USA nach einem Bericht der South China Morning Post schon einmal vorab die Schuld, falls der Terror in der Region wieder zunehme: “Der überstürzte Abzug ausländischer Truppen dürfte verschiedenen Terrororganisationen Gelegenheiten zu einem Comeback bieten”, sagte Geng. Trotz allem halten Beobachter eine Kooperation der USA und China zu Afghanistan aber für möglich. ck
Dem populären chinesischen Lieferservice Meituan droht neues Ungemach. Die Staatliche Verwaltung für Marktregulierung (SAMR) hat eine weitere Untersuchung gegen das Unternehmen eingeleitet. Diesmal geht es um die Übernahme des Bike-Sharing-Anbieters Mobike, die nach Angaben der Behörde nicht angemeldet gewesen war. Die SAMR versah die Einleitung des Verfahrens mit dem Hinweis, man wolle die Regulierung des Konsumentensektors weiter stärken.
Meituan, das als Onlineanbieter von Dienstleistungen und Konsumgütern im Freizeitbereich inzwischen jedes Jahr Milliardenumsätze erwirtschaftet, ist in den vergangenen Monaten wie andere große Techfirmen des Landes in die Mühlen der Regulierungsbehörden geraten. Dem Unternehmen solle in Kürze eine Geldstrafe wegen Verstößen gegen das Kartellrecht in Höhe von einer Milliarde US-Dollar auferlegt werden, wie das Wall Street Journal berichtet hatte. Als Konsequenz der strengeren staatlichen Kontrolle hat Meituan seit Februar rund 160 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren.
Betroffen von behördlichen Untersuchungen und teils empfindlichen Strafen und Auflagen waren zuletzt auch schon andere große Namen der chinesischen Tech-Szene, darunter die Alibaba Group, Tencent, JD und Suning. Am Montag bekräftigte Staatspräsident Xi Jinping noch einmal, dass sich die Volksrepublik mit ihrer jüngsten Regulierungswelle auf dem richtigen Weg befinde.
Es handle sich um eine Kampagne, um “die irrationale Expansion des Kapitals” und “barbarisches Wachstum” zu verhindern, betonte Xi vor ranghohen Funktionären. Fairer Wettbewerb sei notwendig, um den Zustand der sozialen Marktwirtschaft im Land zu verbessern und den gemeinsamen Wohlstand zu fördern. Xi warnte, die allein regierende Kommunistische Partei müsse mehr tun, um die Wirtschaft des Landes “zu führen und zu überwachen”. Dazu seien klare Regeln, effektive Regulierung und größere politische Transparenz erforderlich.
Kritiker erkennen in der Regulierung jedoch nicht nur ein Instrument, um einen ausgeglichenen Wohlstand in der Bevölkerung besser zu ermöglichen. Stattdessen nutze die chinesische Regierung ihre regulatorische Macht dazu, den wachsenden Einfluss großer privater Unternehmen in China zurückzudrängen – auch um eine zu große staatliche Abhängigkeit von privaten Firmen als Triebkraft der Wirtschaft zu vermeiden. grz
Die jüngste Welle des Coronavirus bremst die konjunkturelle Entwicklung in China. Vor allem im Dienstleistungssektor gab es angesichts der Ausbreitung der Delta-Variante einen Dämpfer, wie aus dem am Dienstag veröffentlichen staatlichen Einkaufsmanagerindex (PMI) hervorgeht. Der Indexwert, der die Stimmung in größeren und staatlichen Dienstleistungsfirmen darstellt, fiel im August auf 47,5 Punkte – gegenüber 53,3 Zählern im Juli. Damit liegt das Barometer erstmals seit dem Höhepunkt der chinesischen Corona-Infektionen im Februar 2020 wieder unter der Marke von 50, die als Scheitelpunkt zwischen Drosselung und Wachstum der Konjunktur gilt. Grund sind die strengen Maßnahmen, die angesichts der jüngsten Delta-Ausbrüche verhängt worden sind.
Die Entwicklung kam für viele Beobachter überraschend. Viele Analysten hatten einen deutlich höheren Indexwert von etwa 52 Punkten erwartet. Auch im Industrie-Sektor sackte der PMI leicht um 0,3 auf 50,1 Punkte ab, hielt sich aber gerade noch über der Wachstumsschwelle.
“Die Epidemie in mehreren Provinzen und Orten war ein ziemlich großer Schock für den Dienstleistungssektor“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Vertreter des Statistikamtes. Der Commerzbank-Ökonom Hao Zhou sagte der dpa: “Offensichtlich macht die Delta-Variante die Wachstumsprognose für China unsicherer.”
Da die Virusbeschränkungen seit Ende August aber weitgehend aufgehoben seien, könnte die Stimmung in Chinas Wirtschaft bald schon wieder steigen. “Wenn es also nicht zu einem weiteren großen Virusausbruch kommt, dürfte die Wirtschaft im dritten Quartal nur einen vorübergehenden Rückschlag erlitten haben und sich im vierten Quartal wieder erholen”, sagte Hao. Er geht demnach davon aus, dass Chinas Wirtschaft in diesem Jahr um 8,4 Prozent wachsen kann. ari
Ungarns Wahlbehörde hat grünes Licht für ein Referendum über den geplanten Ableger der chinesischen Fudan-Universität in Budapest gegeben. Der Nationale Wahlausschuss hat seiner Anfrage nach einer Volksabstimmung zugestimmt, teilte der Bürgermeister der ungarischen Hauptstadt, Gergely Karácsony, über Sozialmedien mit. Konkret bedeutet das nun, dass im kommenden Monat eine Initiative zur Sammlung von 200.000 Unterschriften beginnen wird, die für die Durchführung eines Referendums erforderlich sind, erklärte Karácsony – vorausgesetzt, die Entscheidung der Behörde werde nicht noch vor Gericht angefochten.
Die Bürger und Bürgerinnen Budapests sollen gefragt werden, ob sie ein Gesetz aufheben wollen, das den Bau des Fudan-Campus erlaubt. Das entsprechende Gesetz war Anfang des Jahres vom Parlament – das von der rechtsgerichteten Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán dominiert wird – verabschiedet worden. Wegen des Fudan-Ablegers gibt es seit Beginn des Jahres öffentlichen Unmut. Im Juni hatten Tausende gegen das Projekt in der ungarischen Hauptstadt protestiert (China.Table berichtete). Budapests Bürgermeister ist auch selbst gegen den Bau.
Das umstrittene Projekt hatte die Beziehungen zwischen China und Ungarn zuletzt auch vermehrt zu einem öffentlichen Diskussionsthema gemacht (China.Table berichtete), im kommenden Jahr stehen in dem EU-Staat Wahlen an. Die Kosten für den Bau des Campus werden auf etwa 1,5 Milliarden Euro geschätzt. Der größte Teil davon, rund 1,3 Milliarden Euro, sollen durch ein Darlehen einer chinesischen Bank gedeckt werden. Dies ging aus Dokumenten hervor, die das ungarische Investigativ-Portal Direkt36 im April offenlegte. ari
Schweden ist eigentlich nur ein Nebendarsteller auf der großen geopolitischen Bühne. Selten wird hierzulande über die Standpunkte des skandinavischen Staates gesprochen. Doch Schweden hat wie auch Deutschland handelspolitische Interessen. Das Verhältnis zur Volksrepublik China ist zudem immer komplexer geworden – etwa durch die Verhaftung des schwedischen Staatsbürgers und Buchhändlers Gui Minhai in Thailand vor sechs Jahren. “Politiker hier sprechen hinsichtlich der Beziehungen zu China gerne von Chancen und Herausforderungen”, sagt Björn Jerdén. Er ist Direktor des Swedish National China Centre und ein ausgewiesener China-Kenner.
Die schwedische Regierung spreche nicht über eine Eindämmung Chinas oder eine Abkopplung, sondern konzentriere sich auf die Möglichkeiten zur Wirtschaftskooperation, sagt Jerdén. Die China-Strategie des Landes von 2019 definierte diverse Aufgabenfelder für die Regierung, darunter Sicherheit, Handel, Klima, Innovation, Bildung sowie China als Akteur in der Entwicklungshilfe. Es ist eigentlich nie die Rede davon, China in die Schranken zu weisen. “Eine Sache hat sich in Schweden jedoch verändert: Dinge, die früher nur als Chancen gesehen wurden, werden nun auch als Herausforderungen betrachtet”, erklärt Jerdén. Ein Beispiel seien chinesische Investitionen in Schweden.
Eine ausgewogene Betrachtung der Vor- und Nachteile erfordert entsprechende Expertise, die Jerdén mit dem Centre liefern kann. Es hat erst im Januar die Arbeit aufgenommen, wird von der schwedischen Regierung finanziert und soll die Ministerien und Behörden mit Informationen versorgen. “Dafür braucht man Experten, die viel über China wissen und vielleicht Chinesisch sprechen, aber die zudem Expertise in einem bestimmten Bereich haben”, sagt er.
Aus seiner Sicht sei es für jedes EU-Land notwendig, so viel Wissen zu China zu sammeln wie nur möglich. Nur auf diese Weise ließe sich eine gemeinsame europäische Strategie entwickeln. “Doch es gibt keine Einheitslösung für die Wissensgenerierung. Die Situation ist in jedem Land anders, was die Regierung betrifft sowie das Zusammenspiel zwischen Regierung und Universitäten, Think-Tanks und Stiftungen”, meint Jerdén.
Jerdén selbst ist das Produkt der schwedischen Universitätsausbildung. Nach Bachelor und Master am Department of Global Political Studies der Universität in Malmö folgte der erfolgreiche Abschluss der Doktorarbeit in Stockholm. Während seiner Promotionszeit hielt er sich 2012 und 2013 als Gastwissenschaftler in Taiwan auf. Später nahm er am “China and the World Program” der Universitäten Harvard und Princeton teil. Vor seiner Ernennung zum Direktor des Swedish National China Centre arbeitete er am renommierten Institute of International Affairs in Stockholm.
In dieser Zeit erlebte Jerdén, wie das Interesse an der China-Politik in Schweden rapide zunahm. Das lag neben der allgemeinen globalpolitischen Entwicklung auch an Vorkommnissen wie der Inhaftierung des schwedischen Staatsbürgers und Publizisten Gui Minhai im Jahr 2015. “Das führte zu einer Periode der Anspannung in den Beziehungen. Ab 2018 nahm das chinesische Außenministerium über die Botschaft in Stockholm verstärkt am politischen Diskurs in Schweden teil”, erklärt Jerdén.
Damit rückte die schwedische China-Politik auch außerhalb handelsrelevanter Themen auf der Agenda nach oben. “Die Probleme führten zu der Einsicht, langfristig mehr Wissen zu China generieren zu müssen, um die Beziehungen auf gute Weise zu managen. Das China Center ist ein konkretes Resultat dieser Anstrengungen.” Constantin Eckner
Jane Golley ist als Direktorin des Australian Centre on China in the World (CIW) an der Australian National University in Canberra nach mehr als einem Jahrzehnt von ihrem Posten zurückgetreten. Golley war in diesem Jahr unter Druck geraten, nachdem sie die Behandlung uigurischer Muslime in der autonomen chinesischen Region Xinjiang nach Meinung ihrer Kritiker verharmlost hatte. Golley hatte mit Verweis auf eine anonyme Studie die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung westlicher Medien über die Internierungslager in Xinjiang in Frage gestellt und unter anderem die Zahl von einer Million inhaftierter Uiguren als übertrieben bezeichnet. Als Interimsdirektor wird Ben Hillman das CIW leiten.
Nicola Pantone and Rodolphe Larqué übernehmen das Asia-Pazifik-Kapitalmarktgeschäft bei UBS Global Wealth Management. Das Duo kommt von HSBC und Credit Suisse und folgt auf Conrad Huber, der künftig das Global Wealth Management bei UBS in China, Singapur, Indonesien und Japan verantwortet.
Ein Bambuskuchen zum zweiten Geburtstag: Die Pandakinder Pit und Paule (Bild) – mit chinesischem Namen Meng Yuan and Meng Xiang – erblickten vor genau zwei Jahren im Berliner Zoo das Licht der Welt. Ihre Eltern leben im Rahmen der deutsch-chinesischen Panda-Diplomatie für 15 Jahre in der Hauptstadt. Pit ist offenbar schon satt und hat sich verkrümelt, Paule mümmelt noch.