unweit der taiwanischen Südküste kreisen schon wieder chinesische Kriegsschiffe, um dort die “nationale Souveränität” der Volksrepublik zu verteidigen. Wie weit Peking wirklich gehen wird, um seinen Machtanspruch über den Inselstaat durchzusetzen, wird erst die Zukunft zeigen. Ganz sicher aber werden die jüngsten Ereignisse in Afghanistan die Taiwan-Frage stark beeinflussen. Chinesische Medien haben darin bereits das Ende amerikanischer Führungsqualität erkannt.
Doch das ist Wunschdenken. Im Gegenteil dürfte die Entschlossenheit zunehmen, mit der Washington der chinesischen Expansionspolitik in der Region gegenübertritt. Geprägt von der Hindukusch-Pleite werden die USA die Häme, die sie sich – nicht nur aus China – gefallen lassen müssen, kein weiteres Mal über sich ergehen lassen wollen. Doch das nur am Rande.
Denn heute blicken wir vornehmlich auf wirtschaftliche Entwicklungen in der Volksrepublik. Beim Binnenkonsum drückt üblicherweise der Schuh. Daran ändert sich nichts, auch wenn sich die Gewohnheiten chinesischer Verbraucher während der Corona-Pandemie verändert haben. Weniger Sorgen muss sich Peking derweil um seinen innovativen Nachwuchs machen. Die Zahl an jungen, hoch bewerteten Unternehmen aus der Tech-Branche wächst so rasant wie nirgendwo sonst auf der Welt. Nur die USA haben noch mehr dieser sogenannten Einhörner in die Welt gesetzt.
Die Corona-Pandemie hat einen Trend im Verhalten chinesischer Konsumenten beschleunigt. Die außergewöhnlichen Umstände der vergangenen 18 Monate, die gekennzeichnet waren vom Kampf gegen die Verbreitung des Virus, haben beispielsweise Eiscreme, Milch oder Flaschenwasser in der Gunst der Verbraucher steigen lassen.
Eiscreme wohl deshalb, weil die chinesischen Haushalte in Zeiten der Einschränkungen mit Ausgangssperren, Quarantänevorschriften und Lockdown die heilende Wirkung der Süßigkeit für die Seele entdeckt haben. Laut dem jüngsten China Shopper Report 2021 der Beratungsgesellschaft Bain & Company, der seit nunmehr zehn Jahren das Kaufverhalten in China analysiert, zählte Eiscreme vor dem Corona-Ausbruch nicht zu jenen Produkten, die man sich gerne auch zuhause gönnte, sondern bei einem Ausflug, einem Spaziergang oder im Restaurant verzehrte. Inzwischen ist das anders, und es scheint so, als hätten chinesische Konsumenten eine neue Leidenschaft entdeckt. Denn die Verkaufszahlen bleiben kontinuierlich auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie.
Auch Milch wird deutlich stärker nachgefragt, nachdem ihr ein bekannter chinesischer Mediziner im April 2020 eine immunstärkende Wirkung nachgesagt hatte. Die Sorge um die eigene Gesundheit und die der Familie beflügelte auch den Verkauf von Flaschenwasser zum Kochen oder Trinken. Das Leitungswasser ist vielen Konsumenten nicht mehr geheuer. Zudem wird einfach mehr zu Hause gekocht und verzehrt.
Doch Corona hat nicht nur Auswirkungen darauf, was gekauft wird, sondern auch wie etwas gekauft wird. Der China Shopper Report hat für das vergangene Jahr einen deutlichen Aufschwung bei den sogenannten Gemeinschafts-Gruppenkäufen ausgemacht. Inzwischen können mehr als ein Viertel aller chinesischen Haushalte über diese Form des Vertriebs von den Anbietern direkt erreicht werden. Und das obwohl der Trend erst vor wenigen Jahre geboren wurde.
Dabei nutzt ein Anbieter eine ausgesuchte Kontaktperson, die als eine Art Vermittler in dessen selbst organisierte Gemeinde oder Gruppe kommuniziert. In der Regel geschieht das in China über den Messengerdienst WeChat, mit dem bis zu 500 Personen in eine Einkaufsgruppe integriert werden können. Erhält der Gruppenleiter ein Angebot, leitet er es weiter und kassiert eine kleine Provision, wenn sich Käufer finden. Die gesammelten Bestellungen einer Gruppe werden in der Folge dem Gruppenleiter zugestellt, der sich dann um die Verteilung kümmert.
Das Konzept des Gruppen-Einkaufs boomt in der Pandemie, weil die Anbieter bei solchen Großbestellungen erhebliche Kosten für die Logistik sparen und den Gruppen entsprechend günstigere Angebote unterbreiten können. “Der neue Vertriebsansatz wird so wichtig, dass alle großen Internetplattformen für den Einzelhandel stark in ihn investieren, um mit den Verbrauchern in Verbindung zu bleiben”, prophezeien die Analysten von Bain & Company. Internetriesen wie der Lieferdienst Meituan, die Handelsplattformen Taobao und Pinduoduo oder der Fahrdienstleister Didi haben eigens neue Geschäftsbereiche gegründet, um auf den Zug aufzuspringen. Sie wollen verhindern, dass die Versorgung chinesischer Konsumenten an ihnen vorbeiläuft, wenn Produzenten die Direktvermarktung als dauerhafte Alternative entdecken.
Ob sich die Gemeinschafts-Gruppenkäufe jedoch auch in Zukunft so rasant entwickeln können wie in den vergangenen zwei Jahren, hängt aber auch von der Regulierungswut des Staates ab. Dieser hat damit begonnen, vor allem seinen Tech-Unternehmen deren Marktmacht zu verderben. Er fürchtet, die Kontrolle und damit auch viel Geld zu verlieren. Die Gruppenkäufe haben jedoch auch eine soziale Komponente. Peking fürchtet um viele Millionen Arbeitsplätze, wenn die Logistik in der Lebensmittelindustrie so viel effizienter wird, dass viele Händler überflüssig werden. Schließlich können die Produzenten sich den Zwischenschritt über den Einzelhandel sparen. Das wäre ein kleiner, aber erfolgversprechender Baustein, um die CO2-Emissionen in der Volksrepublik zu senken.
Der Binnenkonsum zählt seit Jahr und Tag zu den Schwachstellen der chinesischen Konjunktur. Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften geben die Chinesen:innen weniger aus und sparen dafür lieber. Von einer gesunden Quote am Bruttoinlandsprodukt ist die Volksrepublik noch ein großes Stück entfernt. Sie rangiert deutlich unter 40 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland steuerte der private Konsum vor der Corona-Krise fast 53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei. In der Konsequenz steigert Peking seine Staatsausgaben und stopft mit öffentlichen Investitionen die Lücke. Dadurch steigt die Verschuldung, und auch das Risiko von Kreditausfällen nimmt deutlich zu, weil viele Investitionen unter diesen Bedingungen zu oft nicht ausreichend wirtschaftliche Rückflüsse erzeugen.
Chinas Handelsministerium fürchtet derweil, dass aufgrund der geringeren privaten Ausgaben die Wachstumsziele des Landes gefährdet sein könnten. Es hat bereits im Frühling eine Konsum-Kampagne eingeleitet. Ein staatlich konzertiertes Online-Shopping-Festival bot Inlandsprodukte wie auch Artikel aus den Partnerländern der Seidenstraßeninitiative und zahlreiche Rabattaktionen anderer Bereiche wie dem Tourismus, der Kultur oder dem Sport an. Die Investmentbank Goldman Sachs hatte zuletzt in einer Studie davor gewarnt, dass die Corona-Pandemie den Binnenkonsum deutlich drosseln würde.
Insofern sind die jüngsten Zahlen des Nationalen Statistikbüros vom Wochenanfang eine Bestätigung der Prognose. Der Einzelhandel blieb im Monat Juli deutlich hinter den Erwartungen zurück, als er ein Plus von 8,5 Prozent vermeldete, obwohl Analysten mit knapp elf Prozent gerechnet hatten. Das klingt wie Jammern auf hohem Niveau, aber durch den herben konjunkturellen Rückschlag, den die Corona-Pandemie in der Welt verursacht hat, sind vermeintlich hohe Wachstumszahlen zurzeit auch Sinnbild für die Tiefe des vorhergegangenen Absturzes.
Trotz der Pandemie hat die Zahl der “Einhörner” in China im vergangenen Jahr ein neues Hoch erreicht. Als Einhorn gelten Start-ups, die nicht älter als zehn Jahre und bereits über eine Milliarde US-Dollar wert sind. Weltweit gibt es derzeit 600 dieser besonders hoch bewerteten Jungfirmen, Tendenz steigend. Bis Mai dieses Jahres entfiel auf China ein Fünftel der globalen Einhorn-Unternehmen, so ein Bericht des globalen Management- und Beratungsriesen Accenture. Demnach gab es im Mai 2021 in China 137 Einhörner. Das sind 94 mehr als vor fünf Jahren. Die USA liegen allerdings mit 288 noch weit vorne. Der Trend ist jedoch klar. China folgt den Amerikanern auf dem Fuß, der Abstand wird kleiner.
Als besonders wichtig für neue Unternehmen erweist sich die Metropolregion rund um das Perlfluss-Delta im Süden Chinas, bestehend aus neun Städten und zwei Sonderverwaltungszonen. Megastädte wie Shenzhen, Hongkong und Macau gehören dazu. Dort leben heute bereits 86 Millionen Einwohner, also mehr als in Deutschland. Und nach dem Willen Pekings soll es bis Mitte des Jahrhunderts zu einem Wirtschaftscluster mit 100 Millionen Einwohnern werden. Die Gegend um das Perlfluss-Delta wird auch die “Greater Bay Area” (GBA) genannt.
Chinas Staatsrat hatte bereits im Februar 2019 einen detaillierten Fahrplan für die Entwicklung der Greater Bay Area vorgestellt. Die China Development Bank, der wichtigste Geldgeber des Landes, hat eine Finanzierung von 360 Milliarden Yuan (55,5 Milliarden US-Dollar) zur Unterstützung des Projekts zugesagt.
Obwohl die GBA nur 0,6 Prozent der chinesischen Landfläche und fünf Prozent der Bevölkerung ausmacht, erwirtschaftet sie zwölf Prozent von Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP), 2020 waren das 1,7 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Deutschlands BIP liegt mit weniger Einwohnern bei 3,9 Billionen US-Dollar. Das ist das 2,3-Fache. Die GBA hat also offenbar noch viel Luft nach oben.
Laut einer Studie des Immobilienmarktforschers Colliers wird sich die Wirtschaft der Metropolregion bis 2030 mehr als verdoppeln und 3,6 Billionen US-Dollar erreichen. Dann wäre sie nicht nur das wirtschaftlich größte Küsten-Gebiet der Welt, sondern würde auch Wirtschafts- und Innovationszentren wie die San Francisco Bay Area, den Großraum New York und den Großraum Tokio in den Schatten stellen. Und hätte den Rückstand auf Deutschland signifikant verringert.
Laut Angaben eines Whitepapers von WHub, einer Hongkonger Startup-Community-Plattform, sind schon heute in der GBA 43 Einhörner beheimatet, die zusammen auf einen Wert von rund 1,1 Billionen US-Dollar kommen. Sie konzentrieren sich vor allem auf fünf Schlüsselindustrien: E-Commerce, Gesundheitstechnik, Robotik, Fintech und Biotechnologie. WeBank, eine vom chinesischen Tech-Giganten Tencent gestützte Digitalbank, ist das wertvollste Startup der Region mit einer Bewertung von 18,5 Milliarden US-Dollar. Es ist auch das einzige Fintech-Unternehmen in den Top-Five, also der einzige volldigitale Finanzdienstleister.
Die vier anderen Einhörner an der Spitze sind der weltweit größte Drohnenhersteller DJI (22 Milliarden US-Dollar), der KI-Spezialist Sensetime (7,5 Milliarden US-Dollar), das Unterhaltungselektronik-Startup Meizu (5,8 Milliarden US-Dollar) und UBTech (5,5 Milliarden US-Dollar), ein Unternehmen für KI und humanoide Roboter.
Der Bericht weist auf die Schlüsselrolle Shenzhens in der Region hin: 25 der 43 Einhörner des GBA stammen demnach aus der Tech-Metropole. Auch die Hälfte der in China angemeldeten Patente entfallen auf Shenzhen. Die Stadt beherbergt mehr als 10.000 High-Tech-Unternehmen. Zudem hat sie über 80 Universitäten mit über einer Million Studenten.
Nach Shenzhen folgen Hongkong mit acht Einhörnern und Guangzhou mit sieben. Hongkong dient Start-ups nach wie vor als Sprungbrett, um sich über die GBA aufs chinesische Festland zu wagen. Eine kürzlich vom Hong Kong Trade Development Council (HKTDC) durchgeführte Studie ergab, dass 34 Prozent der Start-ups aus Hongkong bereits Geschäftsaktivitäten innerhalb des GBA unterhalten, während 43 Prozent an einer weiteren Expansion in die Region interessiert seien. “Hongkong könnte als Geschäftsdienstleistungs- und Innovationszentrum für die Greater Bay Area eine Schlüsselrolle spielen, etwa mit Schwerpunkten im Finanzbereich, im Handel und der Logistik sowie bei Rechts- und Buchhaltungsdienstleistungen”, heißt es in einem Bericht des HKTDC.
Hongkong bietet eine Reihe von Programmen an, die lokalen Start-ups helfen, die richtigen Partner in der Greater Bay Area zu finden. Dazu zählt etwa eine Initiative von InvestHK, einer für ausländische Direktinvestitionen zuständigen Regierungsbehörde, die eng mit den GBA-Städten zusammenarbeitet. Das HKTDC, eine 1966 gegründet halbstaatliche Non-Profit-Organisation, hat zu diesem Zweck eine Plattform namens GoGBA gegründet, die lokale Start-ups mit Unternehmen in der Provinz Guangdong zusammenbringt.
Die Hong Kong Science and Technology Parks Corporation (HKSTP) bietet ebenfalls Unterstützung in diesem Bereich an. Esther Wong, Geschäftsführerin von SenseTime, sagt: “Hongkong hat einzigartige Vorteile. Die Stadt verfügt über einen vitalen Talentpool mit einigen der besten Universitäten der Region und ein umfassendes Rechts- und Finanzsystem, das ein wichtiges Rückgrat für Start-ups darstellt.” Als Teil der GBA biete Hongkong einfachen Zugang zu einem der am schnellsten wachsenden Märkte und Talentpools der Welt.
Die Hafenstadt Guangzhou nordwestlich von Hongkong lockt junge Unternehmer ebenfalls, etwa mit großzügigen Zuschüssen zu den Geschäftskosten und einem günstigen Umfeld für die Kapitalbeschaffung. Im Januar 2020 kündigte die Provinz Guangdong an, im Gesamtjahr 3,1 Milliarden Yuan (480 Millionen US-Dollar) an Steuersubventionen für ausländische Fachkräfte bereitzustellen, die in der Greater Bay Area arbeiten.
Die State Administration for Market Regulation (SAMR) hat einen Entwurf für eine neue Verordnung über das Verbot des unlauteren Wettbewerbs im Internet veröffentlicht, 禁止网络不正当竞争行为规定. Sie fordert die Bevölkerung und die betroffenen Branchen auf, sich zu dem Entwurf zu äußern. Das Regelpaket soll vor allem für besseren Datenschutz sorgen. Die SAMR akzeptiert Stellungnahmen zu den Regulierungen bis zum 15. September.
An der Börse hat die Veröffentlichung des Dokuments einigen Wirbel ausgelöst. Die Aktienkurse von betroffenen Technikfirmen gingen am Dienstag deutlich herunter. Bilibili verlor sechs Prozent, Meituan drei Prozent, Alibaba 2,9 Prozent, Tencent zwei Prozent.
Den neuen Regeln zufolge sollen die Firmen keine Algorithmen mehr verwenden, um die Entscheidungen der Nutzer zu beeinflussen. Die Auswertung von großen Datenmengen, um bei den Kunden, Kaufentscheidungen herbeizuführen, ist jedoch das Kerngeschäft der Internetbranche. Unternehmen sollen auch keine irreführenden Informationen mehr über Wettbewerber verbreiten. Gewerbetreibenden ist es dem Entwurf zufolge künftig verboten, eine Belohnung für gute Bewertungen im Netz anzubieten. fin
Das chinesische Militär hat unweit der taiwanischen Südküste eine umfangreiche Übung gestartet. Einheiten der Ostverbände der Volksbefreiungsarmee 中国人民解放军东部战区, einem der fünf regionalen Kommandostützpunkte der Volksbefreiungsarmee, simulieren mit Kampfjets und Kriegsschiffen zurzeit den Ernstfall. Ein Sprecher des Stützpunktes begründete die Durchführung der Übung mit vermeintlichen Provokationen durch die USA und Taiwan, die es nötig gemacht hätten, dass China seine “nationale Souveränität verteidigen” müsse.
In der Vorwoche hatten die USA und deren Verbündeter Taiwan einen regelmäßigen Austausch zwischen den jeweiligen Küstenwachen der beiden Staaten vereinbart. Zudem hatte Washington den Verkauf eines Artillerie-Waffensystems für 750 Millionen US-Dollar an Taipeh genehmigt.
Den größten Ärger aber verursachte die angekündigte Teilnahme Taiwans am Demokratie-Gipfel im Dezember in den USA, den Präsident Joe Biden initiiert hat. Die Volksrepublik fürchtet, dass Taiwan seine Präsidentin Tsai Ing-wen in die USA schicken wird und damit durch die Amerikaner legitimiert werden könnte. Peking reklamiert Taiwan als “untrennbaren Teil” der Volksrepublik. Schon jetzt hat China die “größte diplomatische Krise in Jahrzehnten” angekündigt, sollte Tsai tatsächlich in die USA reisen.
Die Vereinigten Staaten und Taiwan hätten wiederholt “schwerwiegende falsche Signale provoziert und gesendet”, hieß es in einer Stellungnahme des chinesischen Militärs. Chinas Souveränität sei “ernsthaft verletzt worden”, Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße “ernsthaft untergraben.” grz
Die Pläne von Xiaomi, ins Fahrzeuggeschäft einzusteigen, kommen offenbar voran. Der Elektronik- und Haushaltsgerätehersteller habe sich für Peking als Standort für seine erste Autofabrik entschieden, berichtet das Portal Pandaily unter Berufung auf Auto Business Review. Xiaomi hatte bereits im März angekündigt, künftig auch intelligente Elektroautos anbieten zu wollen (China.Table berichtete). Für das chinesische Unternehmen wären Autos eine Ergänzung der langen Produktpalette vom Fitness-Tracker über Staubsauger und Reiskocher bis zur Kameradrohne. In Deutschland ist das Unternehmen vor allem für günstige Handys und PCs bekannt. Die Geräte sind konsequent untereinander vernetzt – ein Aspekt, den deutsche Anbieter oft vernachlässigen, weil sie immer noch sehr auf das physische, alleinstehende Produkt fixiert sind. fin
Ein Berufungsgericht in New York hat zum zweiten Mal eine Kartellklage gegen einen chinesischen Vitamin-C-Exporteur abgelehnt. Die beiden Richter kamen zu dem Schluss, dass die North China Pharmaceutical Group Corp (NCPC) aufgrund chinesischer Exportbestimmungen nicht für einen Verstoß gegen das US-Kartellrecht verantwortlich gemacht werden kann. Das Regelwerk in der Volksrepublik mache es dem Unternehmen unmöglich, die Bedingungen zum Export in die USA zu erfüllen. Das Gericht lehnte deshalb eine Entscheidung ab und stellte das Verfahren ein. US-Hersteller hatten auf Schadenersatz in Höhe von 147 Millionen US-Dollar geklagt.
Bis zu dem Urteil am vergangenen Montag waren allerdings 17 Jahre vergangen. Schon 2005 hatten die US-Firmen wegen angeblicher Preisabsprachen gegen drei chinesische Konkurrenten geklagt. Zwei betroffene Exporteure einigten sich damals mit den Klägern außergerichtlich auf eine Zahlung von jeweils rund 22 Millionen Dollar. NCPC setzt seinen juristischen Kampf jedoch jahrelang fort und erreichte 2016 schon einmal die Einstellung des Verfahrens. Die US-Firmen riefen in der Folge den Obersten Gerichtshof der USA an, wurden dort aber an das Berufungsgericht in New York verwiesen.
Die Richter stellten jetzt fest, dass der wahre Konflikt zwischen US-amerikanischem und chinesischem Recht existiere und verwiesen auch darauf, dass das Justizministerium seinerseits auf eine Klage verzichtet habe. Auch empfahlen die Richter den Einsatz “alternativer Mittel” wie Diplomatie, die Einbeziehung der Welthandelsorganisation oder anderer internationaler Foren, um kartellrechtliche Interessen der Vereinigten Staaten zu schützen.
In China wurde das Urteil wohlwollend aufgenommen. Rechtsexperten und Parteifunktionäre sahen in dem Erfolg der NCPC nach deren jahrelangem Rechtsstreit eine zusätzliche Motivation für andere chinesische Firmen, im Ausland ihre Interessen juristisch zu verteidigen. grz
Seit ihrer Kindheit ist sie regelmäßig in Indien, als Schülerin und Studentin verbrachte sie Zeit in China – heute beschäftigt sich Manisha Reuter beruflich mit beiden Ländern. Beim ECFR gehört es zu ihren Aufgaben, in Europa das Gespräch über China voranzutreiben. Man richte sich dabei gezielt an Menschen aus der Wirtschaft oder der Politik, die mit China zu tun hätten, aber keine Expert:innen seien. “Wir helfen dabei zu verstehen, was gerade in der China-Debatte los ist”, sagt Reuter.
Ein Thema, das die 29-Jährige momentan außerdem stark beschäftigt, ist die Indopazifik-Strategie der EU. Gemeinsam mit einem Kollegen aus Frankreich arbeitet sie an einem Bericht zu den Wahrnehmungen und Motivationen verschiedener europäischen Länder bezüglich der EU-Vorhaben im indopazifischen Raum. Ihr Interesse an Asien hat Manisha Reuter auch ihrer Familie zu verdanken: Ihre Mutter stammt aus Indien. Regelmäßig besucht sie ihre Familie im Bundesstaat Gujarat und beherrscht auch den dortigen lokalen Dialekt, Gujarati.
Als Schülerin ging sie mehrere Wochen nach Shanghai, mit einem Stipendium nahm sie an einem Sprach- und Kulturprogramm teil und war überwältigt von der Glitzerwelt der riesigen Shopping-Malls. Während ihres Studiums boxte sie ein Auslandssemester in Hongkong durch – eine der schönsten Zeiten ihres Lebens, wie sie sagt. Sie lebte in einem Wohnheim – ein geteiltes Zimmer auf acht Quadratmetern – und unternahm an den Wochenenden Wanderungen: rechts der Blick auf die idyllische Landschaft, links auf die Stadt. Sie bedauert die Entwicklungen in Hongkong. Sie habe immer geglaubt, dass sie in das Hongkong, das sie kennengelernt hat, zurückkehren könne. Aber das sei nun nicht mehr der Fall.
Es sei wichtig, im Dialog mit China zu bleiben, betont Reuter – ganz besonders, wenn es um die Klimafrage gehe. Doch gleichzeitig müssten Deutschland und die EU Grenzen aufzeigen, etwa bei Menschenrechtsverletzungen wie in Xinjiang. “Ich glaube, dass wir uns einen Gefallen tun, klare rote Linien zu ziehen und manchmal auch einfach ein bisschen mutig zu sein.”
Nicht zu unterschätzen sei dabei, welche Signalwirkung manche Entscheidungen entfalten könnten. Deutschland habe eine aktuelle Möglichkeit, ein starkes Signal zu setzen, nicht genutzt. Denn die deutsche Fregatte, die zurzeit im Indopazifik unterwegs ist, macht auch einen Freundschaftsbesuch in einem chinesischen Hafen. Sie hätte jedoch ein stärkeres Signal gesetzt, wenn sie auf den Besuch in China verzichtet hätte und stattdessen ausschließlich Häfen in Indien, Australien oder Japan angelaufen wäre. “Ich glaube, dass das ein großes Signal gewesen wäre an Partner in der Region”, sagt Reuter. In dieser Hinsicht könnten Deutschland und die EU von Indien lernen, das sich im Umgang mit China oft wenig zimperlich zeigt – etwa mit der Verbannung chinesischer Apps vom indischen Markt.
Manisha Reuter hat Politikwissenschaft und Wirtschaftspsychologie in Lüneburg studiert und ging dann nach Frankfurt (Main), wo sie ihren Master in Internationalen Studien und Friedens- und Konfliktforschung machte. Bevor sie im August 2020 zum EFCR kam, arbeitete sie für das Asien-Programm des German Marshall Funds. Ihre Chefin dort war Janka Oertel, heute Direktorin des Asien-Programms beim ECFR. Als Oertel zum ECFR wechselte, folgte Reuter ihr.
Das Gespräch mit China.Table führt Reuter kurz vor ihrem Urlaub in Österreich. Zwei Sachen hat sie sich für ihre freie Zeit vorgenommen: ein Buch lesen, “das nichts zu tun hat mit den geopolitischen Begebenheiten auf dieser Welt”. Und wandern – so wie vor ein paar Jahren in Hongkong. Sarah Schaefer
Dennis Spindler ist bei Volkswagen von der Zentrale in Wolfsburg zur Volkswagen (China) Investment in Peking gewechselt. Er arbeitet dort im Bereich Integrity and Compliance mit. Spindler hat zuvor im Controlling und in der Organisationsentwicklung gearbeitet.
Clarence Chan geht von dem kanadischen Wertpapierhaus BMO Global Asset Mangement zu China Asset Management in Hongkong. Er soll sich dort um die Weiterentwicklung des Angebots an börsengehandelten Indexfonds (ETF) kümmern.
Saisonstart: Fischerboote laufen aus dem Hafen von Putian in der Provinz Fujian aus. Zu Wochenbeginn hat hier eine vierteljährige Schonfrist für die Fische geendet. Die Provinzregierung fördert die Branche mit 700 Millionen Yuan (90 Millionen Euro) jährlich. Mit dem Geld lässt sie neue Infrastruktur für die Fangflotten bauen – so wie die Mole mit Wellenbrecher (unten im Bild). Das offizielle Ziel der Fischereibehörde: “die Menschen reich, die Umwelt gesund” machen.
unweit der taiwanischen Südküste kreisen schon wieder chinesische Kriegsschiffe, um dort die “nationale Souveränität” der Volksrepublik zu verteidigen. Wie weit Peking wirklich gehen wird, um seinen Machtanspruch über den Inselstaat durchzusetzen, wird erst die Zukunft zeigen. Ganz sicher aber werden die jüngsten Ereignisse in Afghanistan die Taiwan-Frage stark beeinflussen. Chinesische Medien haben darin bereits das Ende amerikanischer Führungsqualität erkannt.
Doch das ist Wunschdenken. Im Gegenteil dürfte die Entschlossenheit zunehmen, mit der Washington der chinesischen Expansionspolitik in der Region gegenübertritt. Geprägt von der Hindukusch-Pleite werden die USA die Häme, die sie sich – nicht nur aus China – gefallen lassen müssen, kein weiteres Mal über sich ergehen lassen wollen. Doch das nur am Rande.
Denn heute blicken wir vornehmlich auf wirtschaftliche Entwicklungen in der Volksrepublik. Beim Binnenkonsum drückt üblicherweise der Schuh. Daran ändert sich nichts, auch wenn sich die Gewohnheiten chinesischer Verbraucher während der Corona-Pandemie verändert haben. Weniger Sorgen muss sich Peking derweil um seinen innovativen Nachwuchs machen. Die Zahl an jungen, hoch bewerteten Unternehmen aus der Tech-Branche wächst so rasant wie nirgendwo sonst auf der Welt. Nur die USA haben noch mehr dieser sogenannten Einhörner in die Welt gesetzt.
Die Corona-Pandemie hat einen Trend im Verhalten chinesischer Konsumenten beschleunigt. Die außergewöhnlichen Umstände der vergangenen 18 Monate, die gekennzeichnet waren vom Kampf gegen die Verbreitung des Virus, haben beispielsweise Eiscreme, Milch oder Flaschenwasser in der Gunst der Verbraucher steigen lassen.
Eiscreme wohl deshalb, weil die chinesischen Haushalte in Zeiten der Einschränkungen mit Ausgangssperren, Quarantänevorschriften und Lockdown die heilende Wirkung der Süßigkeit für die Seele entdeckt haben. Laut dem jüngsten China Shopper Report 2021 der Beratungsgesellschaft Bain & Company, der seit nunmehr zehn Jahren das Kaufverhalten in China analysiert, zählte Eiscreme vor dem Corona-Ausbruch nicht zu jenen Produkten, die man sich gerne auch zuhause gönnte, sondern bei einem Ausflug, einem Spaziergang oder im Restaurant verzehrte. Inzwischen ist das anders, und es scheint so, als hätten chinesische Konsumenten eine neue Leidenschaft entdeckt. Denn die Verkaufszahlen bleiben kontinuierlich auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie.
Auch Milch wird deutlich stärker nachgefragt, nachdem ihr ein bekannter chinesischer Mediziner im April 2020 eine immunstärkende Wirkung nachgesagt hatte. Die Sorge um die eigene Gesundheit und die der Familie beflügelte auch den Verkauf von Flaschenwasser zum Kochen oder Trinken. Das Leitungswasser ist vielen Konsumenten nicht mehr geheuer. Zudem wird einfach mehr zu Hause gekocht und verzehrt.
Doch Corona hat nicht nur Auswirkungen darauf, was gekauft wird, sondern auch wie etwas gekauft wird. Der China Shopper Report hat für das vergangene Jahr einen deutlichen Aufschwung bei den sogenannten Gemeinschafts-Gruppenkäufen ausgemacht. Inzwischen können mehr als ein Viertel aller chinesischen Haushalte über diese Form des Vertriebs von den Anbietern direkt erreicht werden. Und das obwohl der Trend erst vor wenigen Jahre geboren wurde.
Dabei nutzt ein Anbieter eine ausgesuchte Kontaktperson, die als eine Art Vermittler in dessen selbst organisierte Gemeinde oder Gruppe kommuniziert. In der Regel geschieht das in China über den Messengerdienst WeChat, mit dem bis zu 500 Personen in eine Einkaufsgruppe integriert werden können. Erhält der Gruppenleiter ein Angebot, leitet er es weiter und kassiert eine kleine Provision, wenn sich Käufer finden. Die gesammelten Bestellungen einer Gruppe werden in der Folge dem Gruppenleiter zugestellt, der sich dann um die Verteilung kümmert.
Das Konzept des Gruppen-Einkaufs boomt in der Pandemie, weil die Anbieter bei solchen Großbestellungen erhebliche Kosten für die Logistik sparen und den Gruppen entsprechend günstigere Angebote unterbreiten können. “Der neue Vertriebsansatz wird so wichtig, dass alle großen Internetplattformen für den Einzelhandel stark in ihn investieren, um mit den Verbrauchern in Verbindung zu bleiben”, prophezeien die Analysten von Bain & Company. Internetriesen wie der Lieferdienst Meituan, die Handelsplattformen Taobao und Pinduoduo oder der Fahrdienstleister Didi haben eigens neue Geschäftsbereiche gegründet, um auf den Zug aufzuspringen. Sie wollen verhindern, dass die Versorgung chinesischer Konsumenten an ihnen vorbeiläuft, wenn Produzenten die Direktvermarktung als dauerhafte Alternative entdecken.
Ob sich die Gemeinschafts-Gruppenkäufe jedoch auch in Zukunft so rasant entwickeln können wie in den vergangenen zwei Jahren, hängt aber auch von der Regulierungswut des Staates ab. Dieser hat damit begonnen, vor allem seinen Tech-Unternehmen deren Marktmacht zu verderben. Er fürchtet, die Kontrolle und damit auch viel Geld zu verlieren. Die Gruppenkäufe haben jedoch auch eine soziale Komponente. Peking fürchtet um viele Millionen Arbeitsplätze, wenn die Logistik in der Lebensmittelindustrie so viel effizienter wird, dass viele Händler überflüssig werden. Schließlich können die Produzenten sich den Zwischenschritt über den Einzelhandel sparen. Das wäre ein kleiner, aber erfolgversprechender Baustein, um die CO2-Emissionen in der Volksrepublik zu senken.
Der Binnenkonsum zählt seit Jahr und Tag zu den Schwachstellen der chinesischen Konjunktur. Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften geben die Chinesen:innen weniger aus und sparen dafür lieber. Von einer gesunden Quote am Bruttoinlandsprodukt ist die Volksrepublik noch ein großes Stück entfernt. Sie rangiert deutlich unter 40 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland steuerte der private Konsum vor der Corona-Krise fast 53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei. In der Konsequenz steigert Peking seine Staatsausgaben und stopft mit öffentlichen Investitionen die Lücke. Dadurch steigt die Verschuldung, und auch das Risiko von Kreditausfällen nimmt deutlich zu, weil viele Investitionen unter diesen Bedingungen zu oft nicht ausreichend wirtschaftliche Rückflüsse erzeugen.
Chinas Handelsministerium fürchtet derweil, dass aufgrund der geringeren privaten Ausgaben die Wachstumsziele des Landes gefährdet sein könnten. Es hat bereits im Frühling eine Konsum-Kampagne eingeleitet. Ein staatlich konzertiertes Online-Shopping-Festival bot Inlandsprodukte wie auch Artikel aus den Partnerländern der Seidenstraßeninitiative und zahlreiche Rabattaktionen anderer Bereiche wie dem Tourismus, der Kultur oder dem Sport an. Die Investmentbank Goldman Sachs hatte zuletzt in einer Studie davor gewarnt, dass die Corona-Pandemie den Binnenkonsum deutlich drosseln würde.
Insofern sind die jüngsten Zahlen des Nationalen Statistikbüros vom Wochenanfang eine Bestätigung der Prognose. Der Einzelhandel blieb im Monat Juli deutlich hinter den Erwartungen zurück, als er ein Plus von 8,5 Prozent vermeldete, obwohl Analysten mit knapp elf Prozent gerechnet hatten. Das klingt wie Jammern auf hohem Niveau, aber durch den herben konjunkturellen Rückschlag, den die Corona-Pandemie in der Welt verursacht hat, sind vermeintlich hohe Wachstumszahlen zurzeit auch Sinnbild für die Tiefe des vorhergegangenen Absturzes.
Trotz der Pandemie hat die Zahl der “Einhörner” in China im vergangenen Jahr ein neues Hoch erreicht. Als Einhorn gelten Start-ups, die nicht älter als zehn Jahre und bereits über eine Milliarde US-Dollar wert sind. Weltweit gibt es derzeit 600 dieser besonders hoch bewerteten Jungfirmen, Tendenz steigend. Bis Mai dieses Jahres entfiel auf China ein Fünftel der globalen Einhorn-Unternehmen, so ein Bericht des globalen Management- und Beratungsriesen Accenture. Demnach gab es im Mai 2021 in China 137 Einhörner. Das sind 94 mehr als vor fünf Jahren. Die USA liegen allerdings mit 288 noch weit vorne. Der Trend ist jedoch klar. China folgt den Amerikanern auf dem Fuß, der Abstand wird kleiner.
Als besonders wichtig für neue Unternehmen erweist sich die Metropolregion rund um das Perlfluss-Delta im Süden Chinas, bestehend aus neun Städten und zwei Sonderverwaltungszonen. Megastädte wie Shenzhen, Hongkong und Macau gehören dazu. Dort leben heute bereits 86 Millionen Einwohner, also mehr als in Deutschland. Und nach dem Willen Pekings soll es bis Mitte des Jahrhunderts zu einem Wirtschaftscluster mit 100 Millionen Einwohnern werden. Die Gegend um das Perlfluss-Delta wird auch die “Greater Bay Area” (GBA) genannt.
Chinas Staatsrat hatte bereits im Februar 2019 einen detaillierten Fahrplan für die Entwicklung der Greater Bay Area vorgestellt. Die China Development Bank, der wichtigste Geldgeber des Landes, hat eine Finanzierung von 360 Milliarden Yuan (55,5 Milliarden US-Dollar) zur Unterstützung des Projekts zugesagt.
Obwohl die GBA nur 0,6 Prozent der chinesischen Landfläche und fünf Prozent der Bevölkerung ausmacht, erwirtschaftet sie zwölf Prozent von Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP), 2020 waren das 1,7 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Deutschlands BIP liegt mit weniger Einwohnern bei 3,9 Billionen US-Dollar. Das ist das 2,3-Fache. Die GBA hat also offenbar noch viel Luft nach oben.
Laut einer Studie des Immobilienmarktforschers Colliers wird sich die Wirtschaft der Metropolregion bis 2030 mehr als verdoppeln und 3,6 Billionen US-Dollar erreichen. Dann wäre sie nicht nur das wirtschaftlich größte Küsten-Gebiet der Welt, sondern würde auch Wirtschafts- und Innovationszentren wie die San Francisco Bay Area, den Großraum New York und den Großraum Tokio in den Schatten stellen. Und hätte den Rückstand auf Deutschland signifikant verringert.
Laut Angaben eines Whitepapers von WHub, einer Hongkonger Startup-Community-Plattform, sind schon heute in der GBA 43 Einhörner beheimatet, die zusammen auf einen Wert von rund 1,1 Billionen US-Dollar kommen. Sie konzentrieren sich vor allem auf fünf Schlüsselindustrien: E-Commerce, Gesundheitstechnik, Robotik, Fintech und Biotechnologie. WeBank, eine vom chinesischen Tech-Giganten Tencent gestützte Digitalbank, ist das wertvollste Startup der Region mit einer Bewertung von 18,5 Milliarden US-Dollar. Es ist auch das einzige Fintech-Unternehmen in den Top-Five, also der einzige volldigitale Finanzdienstleister.
Die vier anderen Einhörner an der Spitze sind der weltweit größte Drohnenhersteller DJI (22 Milliarden US-Dollar), der KI-Spezialist Sensetime (7,5 Milliarden US-Dollar), das Unterhaltungselektronik-Startup Meizu (5,8 Milliarden US-Dollar) und UBTech (5,5 Milliarden US-Dollar), ein Unternehmen für KI und humanoide Roboter.
Der Bericht weist auf die Schlüsselrolle Shenzhens in der Region hin: 25 der 43 Einhörner des GBA stammen demnach aus der Tech-Metropole. Auch die Hälfte der in China angemeldeten Patente entfallen auf Shenzhen. Die Stadt beherbergt mehr als 10.000 High-Tech-Unternehmen. Zudem hat sie über 80 Universitäten mit über einer Million Studenten.
Nach Shenzhen folgen Hongkong mit acht Einhörnern und Guangzhou mit sieben. Hongkong dient Start-ups nach wie vor als Sprungbrett, um sich über die GBA aufs chinesische Festland zu wagen. Eine kürzlich vom Hong Kong Trade Development Council (HKTDC) durchgeführte Studie ergab, dass 34 Prozent der Start-ups aus Hongkong bereits Geschäftsaktivitäten innerhalb des GBA unterhalten, während 43 Prozent an einer weiteren Expansion in die Region interessiert seien. “Hongkong könnte als Geschäftsdienstleistungs- und Innovationszentrum für die Greater Bay Area eine Schlüsselrolle spielen, etwa mit Schwerpunkten im Finanzbereich, im Handel und der Logistik sowie bei Rechts- und Buchhaltungsdienstleistungen”, heißt es in einem Bericht des HKTDC.
Hongkong bietet eine Reihe von Programmen an, die lokalen Start-ups helfen, die richtigen Partner in der Greater Bay Area zu finden. Dazu zählt etwa eine Initiative von InvestHK, einer für ausländische Direktinvestitionen zuständigen Regierungsbehörde, die eng mit den GBA-Städten zusammenarbeitet. Das HKTDC, eine 1966 gegründet halbstaatliche Non-Profit-Organisation, hat zu diesem Zweck eine Plattform namens GoGBA gegründet, die lokale Start-ups mit Unternehmen in der Provinz Guangdong zusammenbringt.
Die Hong Kong Science and Technology Parks Corporation (HKSTP) bietet ebenfalls Unterstützung in diesem Bereich an. Esther Wong, Geschäftsführerin von SenseTime, sagt: “Hongkong hat einzigartige Vorteile. Die Stadt verfügt über einen vitalen Talentpool mit einigen der besten Universitäten der Region und ein umfassendes Rechts- und Finanzsystem, das ein wichtiges Rückgrat für Start-ups darstellt.” Als Teil der GBA biete Hongkong einfachen Zugang zu einem der am schnellsten wachsenden Märkte und Talentpools der Welt.
Die Hafenstadt Guangzhou nordwestlich von Hongkong lockt junge Unternehmer ebenfalls, etwa mit großzügigen Zuschüssen zu den Geschäftskosten und einem günstigen Umfeld für die Kapitalbeschaffung. Im Januar 2020 kündigte die Provinz Guangdong an, im Gesamtjahr 3,1 Milliarden Yuan (480 Millionen US-Dollar) an Steuersubventionen für ausländische Fachkräfte bereitzustellen, die in der Greater Bay Area arbeiten.
Die State Administration for Market Regulation (SAMR) hat einen Entwurf für eine neue Verordnung über das Verbot des unlauteren Wettbewerbs im Internet veröffentlicht, 禁止网络不正当竞争行为规定. Sie fordert die Bevölkerung und die betroffenen Branchen auf, sich zu dem Entwurf zu äußern. Das Regelpaket soll vor allem für besseren Datenschutz sorgen. Die SAMR akzeptiert Stellungnahmen zu den Regulierungen bis zum 15. September.
An der Börse hat die Veröffentlichung des Dokuments einigen Wirbel ausgelöst. Die Aktienkurse von betroffenen Technikfirmen gingen am Dienstag deutlich herunter. Bilibili verlor sechs Prozent, Meituan drei Prozent, Alibaba 2,9 Prozent, Tencent zwei Prozent.
Den neuen Regeln zufolge sollen die Firmen keine Algorithmen mehr verwenden, um die Entscheidungen der Nutzer zu beeinflussen. Die Auswertung von großen Datenmengen, um bei den Kunden, Kaufentscheidungen herbeizuführen, ist jedoch das Kerngeschäft der Internetbranche. Unternehmen sollen auch keine irreführenden Informationen mehr über Wettbewerber verbreiten. Gewerbetreibenden ist es dem Entwurf zufolge künftig verboten, eine Belohnung für gute Bewertungen im Netz anzubieten. fin
Das chinesische Militär hat unweit der taiwanischen Südküste eine umfangreiche Übung gestartet. Einheiten der Ostverbände der Volksbefreiungsarmee 中国人民解放军东部战区, einem der fünf regionalen Kommandostützpunkte der Volksbefreiungsarmee, simulieren mit Kampfjets und Kriegsschiffen zurzeit den Ernstfall. Ein Sprecher des Stützpunktes begründete die Durchführung der Übung mit vermeintlichen Provokationen durch die USA und Taiwan, die es nötig gemacht hätten, dass China seine “nationale Souveränität verteidigen” müsse.
In der Vorwoche hatten die USA und deren Verbündeter Taiwan einen regelmäßigen Austausch zwischen den jeweiligen Küstenwachen der beiden Staaten vereinbart. Zudem hatte Washington den Verkauf eines Artillerie-Waffensystems für 750 Millionen US-Dollar an Taipeh genehmigt.
Den größten Ärger aber verursachte die angekündigte Teilnahme Taiwans am Demokratie-Gipfel im Dezember in den USA, den Präsident Joe Biden initiiert hat. Die Volksrepublik fürchtet, dass Taiwan seine Präsidentin Tsai Ing-wen in die USA schicken wird und damit durch die Amerikaner legitimiert werden könnte. Peking reklamiert Taiwan als “untrennbaren Teil” der Volksrepublik. Schon jetzt hat China die “größte diplomatische Krise in Jahrzehnten” angekündigt, sollte Tsai tatsächlich in die USA reisen.
Die Vereinigten Staaten und Taiwan hätten wiederholt “schwerwiegende falsche Signale provoziert und gesendet”, hieß es in einer Stellungnahme des chinesischen Militärs. Chinas Souveränität sei “ernsthaft verletzt worden”, Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße “ernsthaft untergraben.” grz
Die Pläne von Xiaomi, ins Fahrzeuggeschäft einzusteigen, kommen offenbar voran. Der Elektronik- und Haushaltsgerätehersteller habe sich für Peking als Standort für seine erste Autofabrik entschieden, berichtet das Portal Pandaily unter Berufung auf Auto Business Review. Xiaomi hatte bereits im März angekündigt, künftig auch intelligente Elektroautos anbieten zu wollen (China.Table berichtete). Für das chinesische Unternehmen wären Autos eine Ergänzung der langen Produktpalette vom Fitness-Tracker über Staubsauger und Reiskocher bis zur Kameradrohne. In Deutschland ist das Unternehmen vor allem für günstige Handys und PCs bekannt. Die Geräte sind konsequent untereinander vernetzt – ein Aspekt, den deutsche Anbieter oft vernachlässigen, weil sie immer noch sehr auf das physische, alleinstehende Produkt fixiert sind. fin
Ein Berufungsgericht in New York hat zum zweiten Mal eine Kartellklage gegen einen chinesischen Vitamin-C-Exporteur abgelehnt. Die beiden Richter kamen zu dem Schluss, dass die North China Pharmaceutical Group Corp (NCPC) aufgrund chinesischer Exportbestimmungen nicht für einen Verstoß gegen das US-Kartellrecht verantwortlich gemacht werden kann. Das Regelwerk in der Volksrepublik mache es dem Unternehmen unmöglich, die Bedingungen zum Export in die USA zu erfüllen. Das Gericht lehnte deshalb eine Entscheidung ab und stellte das Verfahren ein. US-Hersteller hatten auf Schadenersatz in Höhe von 147 Millionen US-Dollar geklagt.
Bis zu dem Urteil am vergangenen Montag waren allerdings 17 Jahre vergangen. Schon 2005 hatten die US-Firmen wegen angeblicher Preisabsprachen gegen drei chinesische Konkurrenten geklagt. Zwei betroffene Exporteure einigten sich damals mit den Klägern außergerichtlich auf eine Zahlung von jeweils rund 22 Millionen Dollar. NCPC setzt seinen juristischen Kampf jedoch jahrelang fort und erreichte 2016 schon einmal die Einstellung des Verfahrens. Die US-Firmen riefen in der Folge den Obersten Gerichtshof der USA an, wurden dort aber an das Berufungsgericht in New York verwiesen.
Die Richter stellten jetzt fest, dass der wahre Konflikt zwischen US-amerikanischem und chinesischem Recht existiere und verwiesen auch darauf, dass das Justizministerium seinerseits auf eine Klage verzichtet habe. Auch empfahlen die Richter den Einsatz “alternativer Mittel” wie Diplomatie, die Einbeziehung der Welthandelsorganisation oder anderer internationaler Foren, um kartellrechtliche Interessen der Vereinigten Staaten zu schützen.
In China wurde das Urteil wohlwollend aufgenommen. Rechtsexperten und Parteifunktionäre sahen in dem Erfolg der NCPC nach deren jahrelangem Rechtsstreit eine zusätzliche Motivation für andere chinesische Firmen, im Ausland ihre Interessen juristisch zu verteidigen. grz
Seit ihrer Kindheit ist sie regelmäßig in Indien, als Schülerin und Studentin verbrachte sie Zeit in China – heute beschäftigt sich Manisha Reuter beruflich mit beiden Ländern. Beim ECFR gehört es zu ihren Aufgaben, in Europa das Gespräch über China voranzutreiben. Man richte sich dabei gezielt an Menschen aus der Wirtschaft oder der Politik, die mit China zu tun hätten, aber keine Expert:innen seien. “Wir helfen dabei zu verstehen, was gerade in der China-Debatte los ist”, sagt Reuter.
Ein Thema, das die 29-Jährige momentan außerdem stark beschäftigt, ist die Indopazifik-Strategie der EU. Gemeinsam mit einem Kollegen aus Frankreich arbeitet sie an einem Bericht zu den Wahrnehmungen und Motivationen verschiedener europäischen Länder bezüglich der EU-Vorhaben im indopazifischen Raum. Ihr Interesse an Asien hat Manisha Reuter auch ihrer Familie zu verdanken: Ihre Mutter stammt aus Indien. Regelmäßig besucht sie ihre Familie im Bundesstaat Gujarat und beherrscht auch den dortigen lokalen Dialekt, Gujarati.
Als Schülerin ging sie mehrere Wochen nach Shanghai, mit einem Stipendium nahm sie an einem Sprach- und Kulturprogramm teil und war überwältigt von der Glitzerwelt der riesigen Shopping-Malls. Während ihres Studiums boxte sie ein Auslandssemester in Hongkong durch – eine der schönsten Zeiten ihres Lebens, wie sie sagt. Sie lebte in einem Wohnheim – ein geteiltes Zimmer auf acht Quadratmetern – und unternahm an den Wochenenden Wanderungen: rechts der Blick auf die idyllische Landschaft, links auf die Stadt. Sie bedauert die Entwicklungen in Hongkong. Sie habe immer geglaubt, dass sie in das Hongkong, das sie kennengelernt hat, zurückkehren könne. Aber das sei nun nicht mehr der Fall.
Es sei wichtig, im Dialog mit China zu bleiben, betont Reuter – ganz besonders, wenn es um die Klimafrage gehe. Doch gleichzeitig müssten Deutschland und die EU Grenzen aufzeigen, etwa bei Menschenrechtsverletzungen wie in Xinjiang. “Ich glaube, dass wir uns einen Gefallen tun, klare rote Linien zu ziehen und manchmal auch einfach ein bisschen mutig zu sein.”
Nicht zu unterschätzen sei dabei, welche Signalwirkung manche Entscheidungen entfalten könnten. Deutschland habe eine aktuelle Möglichkeit, ein starkes Signal zu setzen, nicht genutzt. Denn die deutsche Fregatte, die zurzeit im Indopazifik unterwegs ist, macht auch einen Freundschaftsbesuch in einem chinesischen Hafen. Sie hätte jedoch ein stärkeres Signal gesetzt, wenn sie auf den Besuch in China verzichtet hätte und stattdessen ausschließlich Häfen in Indien, Australien oder Japan angelaufen wäre. “Ich glaube, dass das ein großes Signal gewesen wäre an Partner in der Region”, sagt Reuter. In dieser Hinsicht könnten Deutschland und die EU von Indien lernen, das sich im Umgang mit China oft wenig zimperlich zeigt – etwa mit der Verbannung chinesischer Apps vom indischen Markt.
Manisha Reuter hat Politikwissenschaft und Wirtschaftspsychologie in Lüneburg studiert und ging dann nach Frankfurt (Main), wo sie ihren Master in Internationalen Studien und Friedens- und Konfliktforschung machte. Bevor sie im August 2020 zum EFCR kam, arbeitete sie für das Asien-Programm des German Marshall Funds. Ihre Chefin dort war Janka Oertel, heute Direktorin des Asien-Programms beim ECFR. Als Oertel zum ECFR wechselte, folgte Reuter ihr.
Das Gespräch mit China.Table führt Reuter kurz vor ihrem Urlaub in Österreich. Zwei Sachen hat sie sich für ihre freie Zeit vorgenommen: ein Buch lesen, “das nichts zu tun hat mit den geopolitischen Begebenheiten auf dieser Welt”. Und wandern – so wie vor ein paar Jahren in Hongkong. Sarah Schaefer
Dennis Spindler ist bei Volkswagen von der Zentrale in Wolfsburg zur Volkswagen (China) Investment in Peking gewechselt. Er arbeitet dort im Bereich Integrity and Compliance mit. Spindler hat zuvor im Controlling und in der Organisationsentwicklung gearbeitet.
Clarence Chan geht von dem kanadischen Wertpapierhaus BMO Global Asset Mangement zu China Asset Management in Hongkong. Er soll sich dort um die Weiterentwicklung des Angebots an börsengehandelten Indexfonds (ETF) kümmern.
Saisonstart: Fischerboote laufen aus dem Hafen von Putian in der Provinz Fujian aus. Zu Wochenbeginn hat hier eine vierteljährige Schonfrist für die Fische geendet. Die Provinzregierung fördert die Branche mit 700 Millionen Yuan (90 Millionen Euro) jährlich. Mit dem Geld lässt sie neue Infrastruktur für die Fangflotten bauen – so wie die Mole mit Wellenbrecher (unten im Bild). Das offizielle Ziel der Fischereibehörde: “die Menschen reich, die Umwelt gesund” machen.