Table.Briefing: China

E-Autobauer hadern mit hiesigen Vertriebsmodellen + Architektur und nationale Identität

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Sonntag die glänzend polierten Schlitten im örtlichen Autohaus durch die Scheiben des Ausstellungsraums anschauen und selbst mal vom Neuwagen ab Fabrik träumen – das ist fast schon deutsches Kulturgut. Das gewohnte Autohaus als Vertriebsweg Nummer 1 ist für die chinesischen Hersteller jedoch nur eine eher unbeliebte Option, da sie mit vielen Hürden verbunden ist.

Sie suchen nach anderen Wegen, ihre E-Autos an die deutsche Kundschaft zu bringen, schreibt Julia Fiedler. Bisher läuft das allerdings noch nicht immer glatt: Die Schwierigkeiten der Hersteller beim Vertrieb beruhen auf kulturellen Unterschieden – und auch die deutsche Bürokratie haben viele unterschätzt. Bald dürften die Verkäufe jedoch anziehen. Nicht zuletzt wegen neu gedachter Vertriebshäuser, die gleichzeitig auch Co-working-Space und Hang-out-Spot sind.

In China prallen in den Metropolen moderne Hochhausbauten und alte Tempel aufeinander. Die Architektur dort müsse modern sein und gleichzeitig die jahrtausendealte Kultur widerspiegeln, erklärt GMP-Architekt Stephan Schütz. Er war bereits an etlichen prestigeträchtigen Bauprojekten im Reich der Mitte beteiligt. Im Gespräch mit Christian Domke Seidel berichtet er, wie er bei seinen Projekten in China die Suche nach einer nationalen Identität erlebt. Und: Er ist sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis chinesische Baufirmen auch in Deutschland aktiv werden. 

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Analyse

Chinesische Autohersteller kämpfen auf dem deutschen Markt mit Vertriebsproblemen

Auto-Vetrieb mit chinesischer Charakteristik: Ein Community-Space des Herstellers Nio in Yantai in der Provinz Shandong.

Der Container ist angelandet, die Autos abgeladen: 3.000 nagelneue BYD-Elektroautos stehen in Bremerhaven bereit. Die Qualität und der Preis stimmt. Auch die Führung in Peking hat die Hersteller zum Export angehalten, da sie chinesische E-Autos als eine Art positive Visitenkarte für die Volksrepublik sieht. Und die deutschen Kunden: Sie wollen günstige E-Autos. Besonders jüngere Käufer sind auf die Marke bezogen experimentierfreudig, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Doch chinesisches Auto und deutscher Kunde finden bisher nicht so recht zusammen. Das liegt vor allem auch an Anlaufschwierigkeiten beim Vertrieb. Während das gute alte Autohaus in Deutschland immer noch Kontaktpunkt Nummer eins ist, setzen einige chinesische Marken auf den Direktvertrieb. Andere möchten gerne auf die Flächen etablierter Händler, diese sind mit den unbekannten Marken aber überfordert. Flottenbetreiber wiederum scheuen das Risiko. Und dennoch stehen die chinesischen Marken kurz vor dem Durchbruch, sagen Experten.

BYD und MG setzen auf deutsche Vertriebsmodelle

In der Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamtes ist die SAIC-Marke MG die ungeschlagene Nummer eins unter den chinesischen Herstellern: 21.232 Fahrzeuge wurden von Januar bis Dezember 2023 zugelassen. MG setzt auf die traditionelle Art des Autovertriebs in Deutschland. Die Marke hat über mehrere Jahre konsequent ein Sales- und Servicenetz aufgebaut. Dazu gehören Shop-in-Shop-Lösungen und inzwischen auch eigene Showrooms. Die Volumina pro Verkaufsstandort sind gut.

Auch für Great Wall Motors lief es 2023 mit 4.660 verkauften Fahrzeugen ordentlich. Das Unternehmen aus Hebei, 1984 gegründet und Chinas erster privater Automobilhersteller, holte früh die Emil Frey-Gruppe für den Vertrieb ins Boot, seines Zeichens Europas größter Autohändler und erfolgreicher Importeur, unter anderem von Mitsubishi. Emil Frey besitzt knapp 700 Standorte und vertreibt die Marken Ora und Wey von GWM. 

Ähnlich viele Fahrzeuge setzte auch BYD 2023 ab. Damit ist Chinas Marktführer noch weit entfernt vom selbst gesteckten Ziel, unter Europas Top-5-Automarken zu kommen. Aber das 2003 in Shenzhen gegründete Unternehmen ist auch erst seit Ende 2022 in Deutschland aktiv – und hat sich mit starken Partnern zusammengetan. Unter anderem mit der Autohandelskette Sternauto und mit Senger Mobility. Allerdings gibt es in Deutschland bisher nur 25 Standorte für Verkauf und Service. Ebenfalls ein Erfolg für BYD: Sixt will bis 2028 insgesamt 100.000 Fahrzeuge der Chinesen abnehmen.

Nio-Häuser: Moderner Direktvertrieb wie in China

Andere Hersteller setzen auf eine andere Art des Vertriebs, der sich vermeintlich einfacher aufsetzen lässt und auch Vertriebskosten spart: Der Direktvertrieb übers Internet. So verkauft zum Beispiel Nio seine Fahrzeuge. Die Nio-Häuser in Deutschland sind den Stores in China nachempfunden. Denn anders als bei uns ist es in Metropolen wie Peking und Shanghai schon länger üblich, Fahrzeuge in schicken Stores im Innenstadtbereich auszustellen.

Das Nio-Haus in Berlin liegt in unmittelbarer Nähe der Einkaufsmeile Kurfürstendamm und lädt Passanten dazu ein, auf drei Etagen die Autos und den Nio-Lifestyle zu erleben. Während der beeindruckende Supersportwagen EP9 von den hereinkommenden Passanten nur mit ein wenig Abstand bestaunt werden kann, darf man sich in die Modelle ET5 oder ET7 auch hineinsetzen. In der Tiefgarage stehen Fahrzeuge nach Terminvereinbarung auch für eine Probefahrt bereit. 

Doch die Marke will auch das Community-Gefühl transportieren, das sie in China erfolgreich aufgebaut hat. Im Untergeschoss des Nio-Hauses gibt es daher einen Kickertisch, es werden Vorträge und Yoga angeboten, buchbar über die Nio-App. Im Obergeschoss warten kostenlose Coworking-Arbeitsplätze und eine Lounge mit Bücherregal, in der man auf gemütlichen Sofas direkt gegenüber der Gedächtniskirche das bunte Treiben betrachten kann. Die Atmosphäre ist elegant und einladend. Die Zulassungszahlen von Nio blieben im Jahr 2023 allerdings hinter den Erwartungen zurück. 

Die erste Welle zahlt das Lehrgeld

Das Konzept sei überhaupt nicht schlecht, sagt Frederik Gollob, Partner bei der Markteintrittsberatung QÌ Advisory, der als Leiter der Händlernetzentwicklung bei Mercedes-Benz in China selbst mehrere derartige Spaces – Mercedes-me Stores – mit aufgebaut hat. Die niedrigen Verkäufe spiegeln aus seiner Sicht die “Vertriebshölle” wider, durch die first mover unter den chinesischen Automobilherstellern aktuell hindurchwandern. Sie zahlen das Lehrgeld, während die zweite Welle an Herstellern es bereits leichter haben wird. Die nächsten Marken können aus den Erfahrungen der Vorreiter lernen.  Zudem werden auch die Kunden sich bereits an die Idee, eine chinesische Marke zu kaufen, gewöhnt haben.

Laut Gollob ist es für die Chinesen deshalb essentiell, den Vertrieb in Deutschland zu verstehen. Hier helfen zwei Zahlen: 36.420 Autohäuser und Kfz-Werkstätten, 434.000 Beschäftigte – so riesig ist die Infrastruktur für Verkauf, Wartung und Reparatur von Autos in Deutschland. Auch wenn es Oldschool ist – viele Deutsche vertrauen bei einer großen Investition wie einem Auto noch immer dem familienbetriebenen Autohändler im Ort, mit dem man bei allen automobilen Fragen und Sorgen noch immer gemeinsam eine Lösung gefunden hat. Doch den kleinen Händler am Ortseingang gibt es in China nicht. Daher ist die deutsche Vertriebslandschaft für chinesische Marken ungewohnt.

Bürokratie und Risikoermittlung werden unterschätzt

Ebenfalls wichtig für chinesische Marken: Bereit zu sein für langwierige bürokratische Prozesse. Viele Fahrzeuge in Deutschland werden nicht gekauft, sondern geleast, oder über Flottenbetreiber abgenommen. Doch hierbei gilt es, Risiken zu managen. Daher müssen aufwendige Schadenseinstufungen und Restwerteinschätzungen vorgenommen werden. Das braucht Zeit. Viele chinesische Hersteller hätten das unterschätzt, sagt Gollob. Eine Abkürzung könne man hier nicht nehmen.

Wie sehr und wie schnell die Verkäufe für chinesische Hersteller in Deutschland anziehen werden, hängt aber nicht nur von den Marken selbst, sondern auch von einer weiteren wichtigen Gruppe ab: Den Autohändlern. Bevor ein Vertrag mit einer Marke geschlossen wird und die Fahrzeuge wertvollen Platz auf der Verkaufsfläche einnehmen, analysieren Händlergruppen genau, auf welche Marken es sich zu setzen lohnt. Doch für viele ist die schiere Fülle an neuen, hierzulande noch vollkommen unbekannten Autobauern, ein Buch mit sieben Siegeln. Welche Hersteller sind verlässlich, auch was die Versorgung mit Ersatzteilen angeht? Bei welchen muss man befürchten, dass sie bald wieder pleite gehen?

Provinzen unterstützen lokale Marken

Was das Risiko angeht, kann man zwischen den staatlichen chinesischen Automobilherstellern wie zum Beispiel SAIC, und den rein privaten unterscheiden, zu denen meist die jüngeren E-Auto-Startups gehören, sagt Daniel Kirchert, Automobilexperte mit knapp 20 Jahren Erfahrung in Führungspositionen bei internationalen Automobilherstellern in China und Gründer des Startups Noyo Mobility, einer digitalen Vertriebsplattform, auf der vor allem chinesische Hersteller ihre E-Autos in Europa verkaufen können.

“Nur eine Handvoll der “traditionellen” Original Equipment Manufacturer (OEM) in China, also derjenigen die 20 Jahre oder älter sind, ist privat”, sagt Kirchert. “Dazu gehören zum Beispiel BYD oder Geely. Der Großteil der OEMs sind staatseigene Konzerne: Dongfeng, FAW und Changan sind unter der Zentralregierung und alle anderen unter Provinzregierungen. Bei den großen Provinzunternehmen ist es nicht wahrscheinlich, dass sie pleitegehen oder sich konsolidieren, weil starke lokale Interessen dahinterstehen.”

Denn jede Provinz will ihre automobile Erfolgsgeschichte, und wird sich das auch was kosten lassen – ob es marktwirtschaftlich sinnvoll ist, oder nicht, sagt Kirchert. “Ich glaube, dass bei einer Konsolidierung am Ende 25 oder 35 Unternehmen übrigbleiben werden, einfach weil jede der 32 Provinzen Chinas alles dafür tun wird, ihre eigene Automobilindustrie am Laufen zu halten.”

EU-Zölle und Imageprobleme erschweren die Zusammenarbeit

Am stationären Handel kommt kein Autohersteller vorbei, reine Online-Distribution wird mit den deutschen Kunden nicht funktionieren, sagt Christian Voßkamp, einer der Geschäftsführer der Bleker Gruppe, die 14 Autohäuser betreibt. Die Bedingungen dafür seien aktuell optimal. Denn bei vielen Autohändlern werden Flächen frei, weil traditionelle Hersteller wie der Stellantis-Konzern ihre Vorgaben für Ausstellungsflächen verkleinert hätten. Sein Unternehmen sei bisher jedoch erst von einem chinesischen Hersteller angesprochen worden, wundert sich Voßkamp.

Ob er mit einem chinesischen Hersteller zusammenarbeiten würde, da ist sich der Autohändler indes noch nicht sicher: Durch mögliche EU-Strafzölle ist das Risiko für die Zusammenarbeit mit chinesischen Autoherstellern aktuell schwer abschätzbar. Zudem fürchtet Voßkamp einen Negativ-Image-Transfer. Denn obwohl er sich nicht intensiv mit China beschäftigt, wird er von der Medienberichterstattung verunsichert. Was, wenn die Kunden aufgrund politischer Entwicklungen keine chinesischen Autos mehr kaufen? “Wenn ich mir Ladas auf die Fläche gestellt hätte, hätte ich jetzt ein Problem,” sagt Voßkamp.

Hausaufgaben für neue Player

Damit die chinesischen Autohersteller erfolgreich auf dem deutschen Markt Fuß fassen, hält Berater Gollob folgende Schritte für erforderlich:

  • Die Wahl des passenden Distributionsmodells sowie das Aufsetzen einer passenden Infrastruktur, also Agenten- / Händlernetze, Ersatzteilversorgung und Service.
  • Ein Governance-Modell, das der chinesischen Firma einerseits und einem europäischem Management-Stil andererseits gerecht wird. Am Negativbeispiel Great Wall Motors sei deutlich geworden, dass hier Schäden entstehen können. Aufgrund von Differenzen mit dem Management hatten viele Mitarbeiter am Standort in München gekündigt.
  • Die chinesischen Hersteller müssen ihre Hausaufgaben machen. Strategische Themen wie zum Beispiel langfristig stabile lokale Partnerschaften aber auch operative Herausforderungen wie Schadenseinstufung und Restwerteinschätzung wurden von einigen beim Market Entry unterschätzt.

Eins ist für den Automobilexperten jedoch klar: “Die Chinesen haben lange angekündigt, dass sie auf unserem Markt erfolgreich sein wollen, sie haben in Fünf-Jahresplänen immer wieder darauf hingewiesen: Wir werden euch nicht mit Verbrennungsmotor angreifen, sondern mit einem neuem Antriebsstrang. Wenn einer ankündigt, was er tut, und dann auch noch sehr präzise, und dann Jahr für Jahr seine Ziele erreicht, dann muss man davon ausgehen, dass auch das Gesamtziel erreicht wird.”

Ob es ein “Tsunami” sein wird, der kommt, bleibt abzuwarten. Aber es ist davon auszugehen, dass die Autoverkäufe chinesischer Hersteller auch in Deutschland bald in Schwung kommen.

  • Autoindustrie
  • BYD
  • Elektromobilität
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  • Xpeng
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Interview

GMP-Architekt Schütz: “Das Bauen im Westen und im Osten hat sich angeglichen, die Geschwindigkeit in China wurde gedrosselt”

Architekt Stephan Schütz war in China an bedeutenden Bauprojekten beteiligt.

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell in China?  

Die Bandbreite erstreckt sich von Projekten für die öffentliche Hand – also Bahnhöfen, Museen, Sportstätten und einigem mehr – bis zu privaten und halbprivaten Investoren, für die wir Büro- und Geschäftskomplexe inklusive Hochhausprojekte entwerfen und planen. Um ein besonders herausragendes Beispiel zu nennen: In Zhengzhou bauen wir derzeit ein Nationalmuseum für die Kultur des Gelben Flusses. Es ist als landschaftlicher Park vollständig in die Flussauenlandschaft eingebettet. 

Mao sagte: “China ist ein weißes Blatt, auf das sich die schönsten Schriftzeichen pinseln lassen.” Welche Pinselstriche haben Sie im Stadtbild hinterlassen, auf die Sie besonders stolz sind? 

Das ist das Zitat eines Revolutionärs, der die weiße Leinwand als metaphorische Projektionsfläche seiner Visionen betrachtet. Als Architekt sehe ich das anders. Wir arbeiten in einer Jahrtausende alten Kultur, also in einem komplexen kontextuellen Rahmen. 

Wie berücksichtigen Sie das bei Ihrer Arbeit? 

Ich nehme ein Beispiel, nämlich die Erweiterung des Chinesischen Nationalmuseums am Platz des Himmlischen Friedens. Wir hatten es mit einem Bau aus den 1950er-Jahren zu tun, der unter Mao Zedong errichtet wurde. Jedes chinesische Schulkind kennt dieses Museum und seine Architektur. Mir ist während der Arbeit an diesem Projekt bewusst geworden, wie stark die Chinesen ihre eigene Geschichte und das daraus entstandene historische Narrativ verinnerlicht haben und wie sehr aus diesem Wissen die Suche nach einer nationalen Identität erwächst. All dies mussten wir bei unserer Arbeit berücksichtigen.

Wie denkt man sich als Europäer in das chinesische Narrativ hinein? 

Voraussetzung ist die Bereitschaft zum Dialog. Beim Nationalmuseum hatten wir ein chinesisches Partnerbüro, ohne dessen Mitwirkung wir vermutlich gescheitert wären. Durch unsere Kooperation konnten wir schwierige Situationen im Projektverlauf meistern, wie zum Beispiel Einlassungen von höherer Stelle, unseren Wettbewerbsentwurf zu modifizieren. Hintergrund war, dass um das Jahr 2005 in China eine Aufbruchsstimmung herrschte, die unter anderem dazu führte, dass zahlreiche ausländische Architekturbüros spektakuläre Entwürfe präsentierten. Die Vorgabe der Politik war aber, dass am Platz des Himmlischen Friedens keine rein westlich geprägte Architektur entstehen sollte, sondern etwas, das mit einem Bewusstsein für dessen Bedeutung das Bestehende fortschreibt. Nur eben mit zeitgemäßen Mitteln.  

Das von GMP entworfene Grand Theater in Qingdao.

Erlebt man als deutsches Architekturbüro Vorteile beim Bau in China? Vor allem in Bezug auf die Geschwindigkeit und die Vorschriften? 

In Bezug auf Geschwindigkeit hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Als wir vor zehn oder zwanzig Jahren ein Opernhaus, einen Bahnhof oder einen Flughafen planten, war damit stets die Erwartung einer “Landmarke” verbunden, welche die Identität des Ortes prägen sollte. Viele dieser Großbauten wurden in atemberaubender Geschwindigkeit fertiggestellt. Heute haben sich die Aufgaben teilweise verschoben. Sie sind kleinteiliger geworden und die Vorbereitung der Projekte ist intensiver und präziser. Das Bauen im Westen und im Osten hat sich angeglichen, die Geschwindigkeit in China wurde gedrosselt.  

Hat die Krise in der Immobilienbranche diesen Wandel beschleunigt? 

Die Tatsache, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung in China verlangsamt, führt aus meiner Sicht geradewegs zu Zweifeln, ob das kometenhafte Wachstum der einzige Weg ist. Das Land tut gut daran, einen moderateren Kurs im Bereich der Stadtentwicklung einzuschlagen, der sich stärker an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert. 

Was bedeutet das für deutsche Architekturbüros in China?  

In China wird mittlerweile sehr viel qualitätvoller gebaut als früher – das ist das Ergebnis von “Learning by Doing” in für uns unvorstellbaren Größenordnungen. Die Volksrepublik hat über die letzten Jahrzehnte eine enorme Kapazität in der Bauindustrie aufgebaut: Jedes zweite Haus, das weltweit gebaut wird, wird in China errichtet. Die Frage, ob wir durch eine nachhaltigere Stadtentwicklung und alternative Bauweisen den dringend notwendigen Schritt in Bezug auf Klimawandel und Ressourcenschonung machen, wird in China entschieden. Deswegen ist es enorm wichtig, dass wir unsere Erfahrung und unser Fachwissen in diesem Gebiet einbringen. Die Risiken halte ich für überschaubar. Wir geben zwar unser Wissen großzügig preis, aber die Chancen überwiegen.  

Werden chinesische Bauunternehmen auch nach Deutschland kommen? 

Chinesische Bauunternehmen arbeiten mittlerweile international und das werden sie ausweiten. In Deutschland sind sie bislang wenig aktiv, aber das ist lediglich eine Frage der Zeit.  

Würden Sie sagen, dass in China mittlerweile einheimische Architekturbüros bevorzugt werden? 

Immer, wenn ein chinesisches Architekturunternehmen bei einem großen öffentlichen Verfahren den Zuschlag erhält, ist es leicht zu glauben, dass dies aus politischen Erwägungen heraus geschieht. Da aber sämtliche Bauvorhaben einer gewissen Größenordnung über Wettbewerbe vergeben werden, sehen wir anhand der Entscheidungen, dass auch ausländische Büros sich weiterhin durchsetzen können. 

Stephan Schütz ist Executive Partner beim Architekturbüro GMP, Gerkan, Marg und Partner. China ist für sie zu einer Art Schmuckschatulle geworden. Einige architektonisch einzigartige Bauwerke in der Volksrepublik stammen von ihren Schreibtischen. Darunter das Grand Theater in Qingdao oder das Bürohaus CYTS Plaza. Noch in diesem Jahr eröffnet außerdem das Yellow River Nationalmuseum in Zhengzhou. An all diesen Werken war Schütz beteiligt.

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News

EU-Lieferkettengesetz vor dem Aus: Keine Mehrheit bei den EU-Mitgliedsstaaten

Das geplante EU-Lieferkettengesetz hat erneut keine ausreichende Mehrheit unter den Mitgliedstaaten gefunden. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch mit. “Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen und werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen”. Damit ist offen, ob über das Vorhaben, das merkliche Auswirkungen auf den Handel mit China haben könnte, nochmal neu verhandelt werden muss, obwohl es im Dezember eigentlich bereits einen Kompromiss zwischen Unterhändlern der beiden EU-Institutionen gegeben hatte.

Mit dem Gesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Im Falle Chinas beträfe das vor allem die Region Xinjiang und möglicherweise auch andere Regionen, in denen uigurische Zwangsarbeiter eingesetzt werden. Generell müssen größere Unternehmen einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. In der Bundesregierung drängte auch die FDP darauf, dass Deutschland dem Vorhaben nicht zustimmt. ari

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  • Handel

China will erneut in der Ukraine-Krise vermitteln

China entsendet diese Woche erneut seinen ranghohen Diplomaten Li Hui, um bei einer Lösung zur Beendigung des Ukraine-Krieges zu vermitteln. Wie das Außenministerium in Peking am Mittwoch mitteilte, reist Pekings Sondergesandter für Euroasien von Samstag an in die Ukraine, nach Russland und zu EU-Vertretern. Auch Termine in Brüssel, Polen, Frankreich und Deutschland sind geplant.

Bei der Reise handele es sich um “die zweite Runde der Pendeldiplomatie zur Förderung einer politischen Lösung der ukrainischen Krise”, erklärte Außenamtssprecherin Mao Ning. In den vergangenen zwei Jahren habe China seine Friedensbemühungen nie aufgegeben und nie aufgehört, für Gespräche zu werben. Li Hui war bereits im vergangenen Mai für Gespräche in die Ukraine und nach Moskau gereist, jedoch ohne sichtbare Fortschritte. Sämtliche Gespräche fanden damals hinter verschlossenen Türen statt

Bereits im Februar 2023 hatte China ein Positionspapier zum Krieg in der Ukraine vorgelegt, in dem es die Achtung der Souveränität, einen Waffenstillstand und die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen forderte. Kritiker zweifeln jedoch nach wie vor an Pekings unparteiischen Absichten. Chinas strategische Interessen in diesem Konflikt lägen viel stärker bei Russland als in der Ukraine. fpe

  • Ukraine-Krieg

Taipeh sichtet elf chinesische Kriegsschiffe und zahlreiche Kampfflugzeuge

Elf chinesische Marineschiffe sind in der Nähe Taiwans gesichtet worden. Das meldete das taiwanische Verteidigungsministerium am Mittwoch. Zudem habe China 30 Kampfflugzeuge und einen Überwachungsballon in den Luftraum um die demokratisch regierte Insel geschickt. Die Zahl sei ungewöhnlich hoch, erklärte Taiwans Verteidigungsministerium. In einem 24-Stunden-Fenster käme es üblicherweise zur Sichtung von vier bis sechs Schiffen.

Das erhöhte Aufkommen hängt vermutlich mit einem Vorfall Mitte Februar zusammen. Damals war ein Schnellboot chinesischer Fischer unerlaubt in ein Sperrgebiet in taiwanische Gewässer eingedrungen. Bei der Flucht vor der Küstenwache war es unweit der taiwanisch regierten Kinmen-Inseln gekentert, die nur wenige Kilometer vom chinesischen Festland entfernt liegt. Zwei der vier Fischer kamen dabei ums Leben. Nach chinesischen Medienberichten war das Boot gerammt worden – nach taiwanischen Angaben ging die Küstenwache dabei rechtmäßig vor. Die Regierung in Peking sprach von einem “bösartigen Vorfall” und kündigte verstärkte Patrouillen in den Gewässern rund um Taiwan an. fpe

  • Taiwan

Pazifikstaat Tuvalu steht weiter an der Seite Taiwans

Auch mit neuer Regierung steht Tuvalu weiterhin zu Taiwan. Am Mittwoch bekräftigte Feleti Teo, der Regierungschef des Pazifikstaats, die “langfristigen und dauerhaften besonderen Beziehungen” seines Lands zu Taiwan. Tuvalu ist einer von nur zwölf Staaten, die offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan aufrechterhalten. Auf der Insel leben rund 11.000 Menschen.

Die neue, am Montag nach der Wahl ins Amt eingeführte Regierung des 61 Jahre alten Juristen erklärte zudem, “die Optionen neu zu bewerten”, um die Beziehungen zu Taiwan “zu stärken und zu verbessern” und eine “dauerhaftere und für beide Seiten vorteilhafte Beziehung” aufzubauen. Das taiwanische Außenministerium erklärte seinerseits, dass der stellvertretende Chefdiplomat Tien Chung-kwang in Kürze mit einer Delegation nach Tuvalu reisen werde.

Peking versucht, seinen Einfluss in der Pazifik-Region auszubauen, indem es sich dortigen Inselstaaten wie Samoa, Tonga oder Vanuatu als Partner präsentiert. Die Haltung Tuvalus kritisierte Außenamtssprecherin Mao Ning mit der Bemerkung, dass Taiwan-freundliche Länder Beschlüsse “im Sinne ihrer langfristigen Interessen” treffen sollten. fpe

  • Pazifik

Liquidationsantrag gegen Immobilienentwickler Country Garden

Chinas größtem privaten Immobilienentwickler Country Garden droht wegen ausbleibender Kreditzahlungen die Insolvenz. Ein Gläubiger, Ever Credit Limited, habe einen entsprechenden Antrag gegen das Unternehmen gestellt, teilte Country Garden am Mittwoch in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse mit, wo der Konzern gelistet ist. Es gehe um die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 1,6 Milliarden Hongkong-Dollar (rund 188 Millionen Euro). Das Gericht setzt die erste Anhörung für den 17. Mai fest, wie aus einer Börsenmitteilung von Country Garden vom Mittwoch hervorgeht.

Man werde sich der Petition “energisch widersetzen”, teilte der Konzern mit. “Die radikalen Maßnahmen eines einzelnen Gläubigers werden keine signifikanten Auswirkungen auf die garantierte Lieferung von Gebäuden, den normalen Betrieb und die allgemeine Umstrukturierung der Auslandsschulden unseres Unternehmens haben”, sagte Country Garden der Nachrichtenagentur Reuters. Die Aktien von Country Garden brachen am Mittwoch um rund zwölf Prozent ein.

Ende Januar hatte ein Hongkonger Gericht die Abwicklung von China Evergrande angeordnet, der mit über 300 Milliarden Dollar am höchsten verschuldeten Immobiliengesellschaft der Welt. Ökonomen haben schon vor Jahren vor Überhitzung des chinesischen Immobilienmarktes gewarnt. Auf den Immobiliensektor entfällt rund ein Fünftel der jährlichen Wirtschaftsleistung Chinas. rtr/fpe

  • Immobilienmarkt

VW-Software-Tochter Cariad ernennt neuen China-Chef

Volkswagen hat für seine Software-Tochter Cariad in China einen neuen Chef ernannt. Am Freitag werde Frank Han, der vom chinesischen Autobauer Changan kommt, die Leitung übernehmen, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Han, der den bisherigen Softwarechef Chang Qing ablöst, soll sich auf die schnelle Integration neuer Technologien in Fahrzeuge der Volkswagen-Gruppe für den chinesischen Markt konzentrieren.

Cariad hat im vergangenen Jahr ein Joint Venture mit der chinesischen Technologiegruppe Thundersoft gegründet, um sich mehr Know-how für passgenaue Angebote zu verschaffen. Ein schwacher Absatz mit Elektroautos in China und zu langsame Software-Entwicklung sind Dauerbaustellen im Volkswagen-Konzern. Digitale Dienste sind ein zentraler Wettbewerbsfaktor in China, wo Autofahrer besonders hohe Ansprüche an die Vernetzung von Fahrzeugen stellen. fpe/rtr

  • Autoindustrie
  • Software

Presseschau

Überlebenskampf im Boom des chinesischen Automarkts HEISE
Investoren gehen auf Abstand zu Volkswagen ZEIT
Ehemaliger Huawei-Manager Frank Han soll VWs Software-Probleme in China lösen HANDELSBLATT
Geely’s EV brand Zeekr in self-driving push with redesigned 001 TECHNODE
Batterierecycling für mehr Unabhängigkeit von China FOCUS
US-Regierung verbietet Transfer von genetischen Daten nach China HANDELSBLATT
Geschäfte mit “Schmugglern”: Das erstaunliche China-Problem von Beiersdorf WIWO
China lures AI talent with hefty salary premium as demand far exceeds supply, report finds SCMP
Baidu reports modest revenue growth amid signs search engine giant’s big tilt to AI is beginning to pay off SCMP
China’s CCTV airs first AI-generated cartoon series TECHNODE
Immobilienkrise in China: Antrag auf Liquidation gegen Country Garden HANDELSBLATT
China zieht die Schlinge um die taiwanische Inselgruppe Kinmen zu NZZ
“Unglaubliche Erfahrung”: Forscher finden 240 Millionen Jahre altes Drachen-Fossil in China KREISZEITUNG

Personalien

Florian Hobelsberger hat zum Jahreswechsel den CEO-Posten bei Diehl Controls Asia mit Werken in Nanjing und Qingdao übernommen. Er war seit 2020 als CFO bei dem Elektronik-Zulieferer für Haushaltsgeräte und HVAC/R beschäftigt. Gerhard Teschl, der bisher diese Rolle innehatte, ist jetzt als CEO für Diehl Controls Americas zuständig.

Kari Hakala ist neuer Sales Marketing Manager bei Sunwell Carbon Fiber Composite Corporation (SWCFC) in Jiangsu. Er war zuvor für Swancor Highpolymer Co. in Shanghai tätig.

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Dessert

Passend zum Jahr des Drachen haben Wissenschaftler des National Museum of Scotland den Fund eines chinesischen Dinosaurierfossils bekannt gegeben, das dem mythischen Fabeltier zum Verwechseln ähnlich sieht. Die Überreste des fünf Meter langen Reptils mit dem lateinischen Namen Dinocephalosaurus orientalis wurden in der Provinz Guizhou gefunden. Das 240 Millionen Jahre alte Fossil ist erstaunlich komplett erhalten, erklären die an der Freilegung beteiligten Paläontologen aus Schottland, Deutschland, den USA und China. In der Magenregion des Meeres-Sauriers konnte man sogar versteinerte Fische finden.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    am Sonntag die glänzend polierten Schlitten im örtlichen Autohaus durch die Scheiben des Ausstellungsraums anschauen und selbst mal vom Neuwagen ab Fabrik träumen – das ist fast schon deutsches Kulturgut. Das gewohnte Autohaus als Vertriebsweg Nummer 1 ist für die chinesischen Hersteller jedoch nur eine eher unbeliebte Option, da sie mit vielen Hürden verbunden ist.

    Sie suchen nach anderen Wegen, ihre E-Autos an die deutsche Kundschaft zu bringen, schreibt Julia Fiedler. Bisher läuft das allerdings noch nicht immer glatt: Die Schwierigkeiten der Hersteller beim Vertrieb beruhen auf kulturellen Unterschieden – und auch die deutsche Bürokratie haben viele unterschätzt. Bald dürften die Verkäufe jedoch anziehen. Nicht zuletzt wegen neu gedachter Vertriebshäuser, die gleichzeitig auch Co-working-Space und Hang-out-Spot sind.

    In China prallen in den Metropolen moderne Hochhausbauten und alte Tempel aufeinander. Die Architektur dort müsse modern sein und gleichzeitig die jahrtausendealte Kultur widerspiegeln, erklärt GMP-Architekt Stephan Schütz. Er war bereits an etlichen prestigeträchtigen Bauprojekten im Reich der Mitte beteiligt. Im Gespräch mit Christian Domke Seidel berichtet er, wie er bei seinen Projekten in China die Suche nach einer nationalen Identität erlebt. Und: Er ist sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis chinesische Baufirmen auch in Deutschland aktiv werden. 

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    Amelie Richter
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    Analyse

    Chinesische Autohersteller kämpfen auf dem deutschen Markt mit Vertriebsproblemen

    Auto-Vetrieb mit chinesischer Charakteristik: Ein Community-Space des Herstellers Nio in Yantai in der Provinz Shandong.

    Der Container ist angelandet, die Autos abgeladen: 3.000 nagelneue BYD-Elektroautos stehen in Bremerhaven bereit. Die Qualität und der Preis stimmt. Auch die Führung in Peking hat die Hersteller zum Export angehalten, da sie chinesische E-Autos als eine Art positive Visitenkarte für die Volksrepublik sieht. Und die deutschen Kunden: Sie wollen günstige E-Autos. Besonders jüngere Käufer sind auf die Marke bezogen experimentierfreudig, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

    Doch chinesisches Auto und deutscher Kunde finden bisher nicht so recht zusammen. Das liegt vor allem auch an Anlaufschwierigkeiten beim Vertrieb. Während das gute alte Autohaus in Deutschland immer noch Kontaktpunkt Nummer eins ist, setzen einige chinesische Marken auf den Direktvertrieb. Andere möchten gerne auf die Flächen etablierter Händler, diese sind mit den unbekannten Marken aber überfordert. Flottenbetreiber wiederum scheuen das Risiko. Und dennoch stehen die chinesischen Marken kurz vor dem Durchbruch, sagen Experten.

    BYD und MG setzen auf deutsche Vertriebsmodelle

    In der Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamtes ist die SAIC-Marke MG die ungeschlagene Nummer eins unter den chinesischen Herstellern: 21.232 Fahrzeuge wurden von Januar bis Dezember 2023 zugelassen. MG setzt auf die traditionelle Art des Autovertriebs in Deutschland. Die Marke hat über mehrere Jahre konsequent ein Sales- und Servicenetz aufgebaut. Dazu gehören Shop-in-Shop-Lösungen und inzwischen auch eigene Showrooms. Die Volumina pro Verkaufsstandort sind gut.

    Auch für Great Wall Motors lief es 2023 mit 4.660 verkauften Fahrzeugen ordentlich. Das Unternehmen aus Hebei, 1984 gegründet und Chinas erster privater Automobilhersteller, holte früh die Emil Frey-Gruppe für den Vertrieb ins Boot, seines Zeichens Europas größter Autohändler und erfolgreicher Importeur, unter anderem von Mitsubishi. Emil Frey besitzt knapp 700 Standorte und vertreibt die Marken Ora und Wey von GWM. 

    Ähnlich viele Fahrzeuge setzte auch BYD 2023 ab. Damit ist Chinas Marktführer noch weit entfernt vom selbst gesteckten Ziel, unter Europas Top-5-Automarken zu kommen. Aber das 2003 in Shenzhen gegründete Unternehmen ist auch erst seit Ende 2022 in Deutschland aktiv – und hat sich mit starken Partnern zusammengetan. Unter anderem mit der Autohandelskette Sternauto und mit Senger Mobility. Allerdings gibt es in Deutschland bisher nur 25 Standorte für Verkauf und Service. Ebenfalls ein Erfolg für BYD: Sixt will bis 2028 insgesamt 100.000 Fahrzeuge der Chinesen abnehmen.

    Nio-Häuser: Moderner Direktvertrieb wie in China

    Andere Hersteller setzen auf eine andere Art des Vertriebs, der sich vermeintlich einfacher aufsetzen lässt und auch Vertriebskosten spart: Der Direktvertrieb übers Internet. So verkauft zum Beispiel Nio seine Fahrzeuge. Die Nio-Häuser in Deutschland sind den Stores in China nachempfunden. Denn anders als bei uns ist es in Metropolen wie Peking und Shanghai schon länger üblich, Fahrzeuge in schicken Stores im Innenstadtbereich auszustellen.

    Das Nio-Haus in Berlin liegt in unmittelbarer Nähe der Einkaufsmeile Kurfürstendamm und lädt Passanten dazu ein, auf drei Etagen die Autos und den Nio-Lifestyle zu erleben. Während der beeindruckende Supersportwagen EP9 von den hereinkommenden Passanten nur mit ein wenig Abstand bestaunt werden kann, darf man sich in die Modelle ET5 oder ET7 auch hineinsetzen. In der Tiefgarage stehen Fahrzeuge nach Terminvereinbarung auch für eine Probefahrt bereit. 

    Doch die Marke will auch das Community-Gefühl transportieren, das sie in China erfolgreich aufgebaut hat. Im Untergeschoss des Nio-Hauses gibt es daher einen Kickertisch, es werden Vorträge und Yoga angeboten, buchbar über die Nio-App. Im Obergeschoss warten kostenlose Coworking-Arbeitsplätze und eine Lounge mit Bücherregal, in der man auf gemütlichen Sofas direkt gegenüber der Gedächtniskirche das bunte Treiben betrachten kann. Die Atmosphäre ist elegant und einladend. Die Zulassungszahlen von Nio blieben im Jahr 2023 allerdings hinter den Erwartungen zurück. 

    Die erste Welle zahlt das Lehrgeld

    Das Konzept sei überhaupt nicht schlecht, sagt Frederik Gollob, Partner bei der Markteintrittsberatung QÌ Advisory, der als Leiter der Händlernetzentwicklung bei Mercedes-Benz in China selbst mehrere derartige Spaces – Mercedes-me Stores – mit aufgebaut hat. Die niedrigen Verkäufe spiegeln aus seiner Sicht die “Vertriebshölle” wider, durch die first mover unter den chinesischen Automobilherstellern aktuell hindurchwandern. Sie zahlen das Lehrgeld, während die zweite Welle an Herstellern es bereits leichter haben wird. Die nächsten Marken können aus den Erfahrungen der Vorreiter lernen.  Zudem werden auch die Kunden sich bereits an die Idee, eine chinesische Marke zu kaufen, gewöhnt haben.

    Laut Gollob ist es für die Chinesen deshalb essentiell, den Vertrieb in Deutschland zu verstehen. Hier helfen zwei Zahlen: 36.420 Autohäuser und Kfz-Werkstätten, 434.000 Beschäftigte – so riesig ist die Infrastruktur für Verkauf, Wartung und Reparatur von Autos in Deutschland. Auch wenn es Oldschool ist – viele Deutsche vertrauen bei einer großen Investition wie einem Auto noch immer dem familienbetriebenen Autohändler im Ort, mit dem man bei allen automobilen Fragen und Sorgen noch immer gemeinsam eine Lösung gefunden hat. Doch den kleinen Händler am Ortseingang gibt es in China nicht. Daher ist die deutsche Vertriebslandschaft für chinesische Marken ungewohnt.

    Bürokratie und Risikoermittlung werden unterschätzt

    Ebenfalls wichtig für chinesische Marken: Bereit zu sein für langwierige bürokratische Prozesse. Viele Fahrzeuge in Deutschland werden nicht gekauft, sondern geleast, oder über Flottenbetreiber abgenommen. Doch hierbei gilt es, Risiken zu managen. Daher müssen aufwendige Schadenseinstufungen und Restwerteinschätzungen vorgenommen werden. Das braucht Zeit. Viele chinesische Hersteller hätten das unterschätzt, sagt Gollob. Eine Abkürzung könne man hier nicht nehmen.

    Wie sehr und wie schnell die Verkäufe für chinesische Hersteller in Deutschland anziehen werden, hängt aber nicht nur von den Marken selbst, sondern auch von einer weiteren wichtigen Gruppe ab: Den Autohändlern. Bevor ein Vertrag mit einer Marke geschlossen wird und die Fahrzeuge wertvollen Platz auf der Verkaufsfläche einnehmen, analysieren Händlergruppen genau, auf welche Marken es sich zu setzen lohnt. Doch für viele ist die schiere Fülle an neuen, hierzulande noch vollkommen unbekannten Autobauern, ein Buch mit sieben Siegeln. Welche Hersteller sind verlässlich, auch was die Versorgung mit Ersatzteilen angeht? Bei welchen muss man befürchten, dass sie bald wieder pleite gehen?

    Provinzen unterstützen lokale Marken

    Was das Risiko angeht, kann man zwischen den staatlichen chinesischen Automobilherstellern wie zum Beispiel SAIC, und den rein privaten unterscheiden, zu denen meist die jüngeren E-Auto-Startups gehören, sagt Daniel Kirchert, Automobilexperte mit knapp 20 Jahren Erfahrung in Führungspositionen bei internationalen Automobilherstellern in China und Gründer des Startups Noyo Mobility, einer digitalen Vertriebsplattform, auf der vor allem chinesische Hersteller ihre E-Autos in Europa verkaufen können.

    “Nur eine Handvoll der “traditionellen” Original Equipment Manufacturer (OEM) in China, also derjenigen die 20 Jahre oder älter sind, ist privat”, sagt Kirchert. “Dazu gehören zum Beispiel BYD oder Geely. Der Großteil der OEMs sind staatseigene Konzerne: Dongfeng, FAW und Changan sind unter der Zentralregierung und alle anderen unter Provinzregierungen. Bei den großen Provinzunternehmen ist es nicht wahrscheinlich, dass sie pleitegehen oder sich konsolidieren, weil starke lokale Interessen dahinterstehen.”

    Denn jede Provinz will ihre automobile Erfolgsgeschichte, und wird sich das auch was kosten lassen – ob es marktwirtschaftlich sinnvoll ist, oder nicht, sagt Kirchert. “Ich glaube, dass bei einer Konsolidierung am Ende 25 oder 35 Unternehmen übrigbleiben werden, einfach weil jede der 32 Provinzen Chinas alles dafür tun wird, ihre eigene Automobilindustrie am Laufen zu halten.”

    EU-Zölle und Imageprobleme erschweren die Zusammenarbeit

    Am stationären Handel kommt kein Autohersteller vorbei, reine Online-Distribution wird mit den deutschen Kunden nicht funktionieren, sagt Christian Voßkamp, einer der Geschäftsführer der Bleker Gruppe, die 14 Autohäuser betreibt. Die Bedingungen dafür seien aktuell optimal. Denn bei vielen Autohändlern werden Flächen frei, weil traditionelle Hersteller wie der Stellantis-Konzern ihre Vorgaben für Ausstellungsflächen verkleinert hätten. Sein Unternehmen sei bisher jedoch erst von einem chinesischen Hersteller angesprochen worden, wundert sich Voßkamp.

    Ob er mit einem chinesischen Hersteller zusammenarbeiten würde, da ist sich der Autohändler indes noch nicht sicher: Durch mögliche EU-Strafzölle ist das Risiko für die Zusammenarbeit mit chinesischen Autoherstellern aktuell schwer abschätzbar. Zudem fürchtet Voßkamp einen Negativ-Image-Transfer. Denn obwohl er sich nicht intensiv mit China beschäftigt, wird er von der Medienberichterstattung verunsichert. Was, wenn die Kunden aufgrund politischer Entwicklungen keine chinesischen Autos mehr kaufen? “Wenn ich mir Ladas auf die Fläche gestellt hätte, hätte ich jetzt ein Problem,” sagt Voßkamp.

    Hausaufgaben für neue Player

    Damit die chinesischen Autohersteller erfolgreich auf dem deutschen Markt Fuß fassen, hält Berater Gollob folgende Schritte für erforderlich:

    • Die Wahl des passenden Distributionsmodells sowie das Aufsetzen einer passenden Infrastruktur, also Agenten- / Händlernetze, Ersatzteilversorgung und Service.
    • Ein Governance-Modell, das der chinesischen Firma einerseits und einem europäischem Management-Stil andererseits gerecht wird. Am Negativbeispiel Great Wall Motors sei deutlich geworden, dass hier Schäden entstehen können. Aufgrund von Differenzen mit dem Management hatten viele Mitarbeiter am Standort in München gekündigt.
    • Die chinesischen Hersteller müssen ihre Hausaufgaben machen. Strategische Themen wie zum Beispiel langfristig stabile lokale Partnerschaften aber auch operative Herausforderungen wie Schadenseinstufung und Restwerteinschätzung wurden von einigen beim Market Entry unterschätzt.

    Eins ist für den Automobilexperten jedoch klar: “Die Chinesen haben lange angekündigt, dass sie auf unserem Markt erfolgreich sein wollen, sie haben in Fünf-Jahresplänen immer wieder darauf hingewiesen: Wir werden euch nicht mit Verbrennungsmotor angreifen, sondern mit einem neuem Antriebsstrang. Wenn einer ankündigt, was er tut, und dann auch noch sehr präzise, und dann Jahr für Jahr seine Ziele erreicht, dann muss man davon ausgehen, dass auch das Gesamtziel erreicht wird.”

    Ob es ein “Tsunami” sein wird, der kommt, bleibt abzuwarten. Aber es ist davon auszugehen, dass die Autoverkäufe chinesischer Hersteller auch in Deutschland bald in Schwung kommen.

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    Interview

    GMP-Architekt Schütz: “Das Bauen im Westen und im Osten hat sich angeglichen, die Geschwindigkeit in China wurde gedrosselt”

    Architekt Stephan Schütz war in China an bedeutenden Bauprojekten beteiligt.

    An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell in China?  

    Die Bandbreite erstreckt sich von Projekten für die öffentliche Hand – also Bahnhöfen, Museen, Sportstätten und einigem mehr – bis zu privaten und halbprivaten Investoren, für die wir Büro- und Geschäftskomplexe inklusive Hochhausprojekte entwerfen und planen. Um ein besonders herausragendes Beispiel zu nennen: In Zhengzhou bauen wir derzeit ein Nationalmuseum für die Kultur des Gelben Flusses. Es ist als landschaftlicher Park vollständig in die Flussauenlandschaft eingebettet. 

    Mao sagte: “China ist ein weißes Blatt, auf das sich die schönsten Schriftzeichen pinseln lassen.” Welche Pinselstriche haben Sie im Stadtbild hinterlassen, auf die Sie besonders stolz sind? 

    Das ist das Zitat eines Revolutionärs, der die weiße Leinwand als metaphorische Projektionsfläche seiner Visionen betrachtet. Als Architekt sehe ich das anders. Wir arbeiten in einer Jahrtausende alten Kultur, also in einem komplexen kontextuellen Rahmen. 

    Wie berücksichtigen Sie das bei Ihrer Arbeit? 

    Ich nehme ein Beispiel, nämlich die Erweiterung des Chinesischen Nationalmuseums am Platz des Himmlischen Friedens. Wir hatten es mit einem Bau aus den 1950er-Jahren zu tun, der unter Mao Zedong errichtet wurde. Jedes chinesische Schulkind kennt dieses Museum und seine Architektur. Mir ist während der Arbeit an diesem Projekt bewusst geworden, wie stark die Chinesen ihre eigene Geschichte und das daraus entstandene historische Narrativ verinnerlicht haben und wie sehr aus diesem Wissen die Suche nach einer nationalen Identität erwächst. All dies mussten wir bei unserer Arbeit berücksichtigen.

    Wie denkt man sich als Europäer in das chinesische Narrativ hinein? 

    Voraussetzung ist die Bereitschaft zum Dialog. Beim Nationalmuseum hatten wir ein chinesisches Partnerbüro, ohne dessen Mitwirkung wir vermutlich gescheitert wären. Durch unsere Kooperation konnten wir schwierige Situationen im Projektverlauf meistern, wie zum Beispiel Einlassungen von höherer Stelle, unseren Wettbewerbsentwurf zu modifizieren. Hintergrund war, dass um das Jahr 2005 in China eine Aufbruchsstimmung herrschte, die unter anderem dazu führte, dass zahlreiche ausländische Architekturbüros spektakuläre Entwürfe präsentierten. Die Vorgabe der Politik war aber, dass am Platz des Himmlischen Friedens keine rein westlich geprägte Architektur entstehen sollte, sondern etwas, das mit einem Bewusstsein für dessen Bedeutung das Bestehende fortschreibt. Nur eben mit zeitgemäßen Mitteln.  

    Das von GMP entworfene Grand Theater in Qingdao.

    Erlebt man als deutsches Architekturbüro Vorteile beim Bau in China? Vor allem in Bezug auf die Geschwindigkeit und die Vorschriften? 

    In Bezug auf Geschwindigkeit hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Als wir vor zehn oder zwanzig Jahren ein Opernhaus, einen Bahnhof oder einen Flughafen planten, war damit stets die Erwartung einer “Landmarke” verbunden, welche die Identität des Ortes prägen sollte. Viele dieser Großbauten wurden in atemberaubender Geschwindigkeit fertiggestellt. Heute haben sich die Aufgaben teilweise verschoben. Sie sind kleinteiliger geworden und die Vorbereitung der Projekte ist intensiver und präziser. Das Bauen im Westen und im Osten hat sich angeglichen, die Geschwindigkeit in China wurde gedrosselt.  

    Hat die Krise in der Immobilienbranche diesen Wandel beschleunigt? 

    Die Tatsache, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung in China verlangsamt, führt aus meiner Sicht geradewegs zu Zweifeln, ob das kometenhafte Wachstum der einzige Weg ist. Das Land tut gut daran, einen moderateren Kurs im Bereich der Stadtentwicklung einzuschlagen, der sich stärker an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert. 

    Was bedeutet das für deutsche Architekturbüros in China?  

    In China wird mittlerweile sehr viel qualitätvoller gebaut als früher – das ist das Ergebnis von “Learning by Doing” in für uns unvorstellbaren Größenordnungen. Die Volksrepublik hat über die letzten Jahrzehnte eine enorme Kapazität in der Bauindustrie aufgebaut: Jedes zweite Haus, das weltweit gebaut wird, wird in China errichtet. Die Frage, ob wir durch eine nachhaltigere Stadtentwicklung und alternative Bauweisen den dringend notwendigen Schritt in Bezug auf Klimawandel und Ressourcenschonung machen, wird in China entschieden. Deswegen ist es enorm wichtig, dass wir unsere Erfahrung und unser Fachwissen in diesem Gebiet einbringen. Die Risiken halte ich für überschaubar. Wir geben zwar unser Wissen großzügig preis, aber die Chancen überwiegen.  

    Werden chinesische Bauunternehmen auch nach Deutschland kommen? 

    Chinesische Bauunternehmen arbeiten mittlerweile international und das werden sie ausweiten. In Deutschland sind sie bislang wenig aktiv, aber das ist lediglich eine Frage der Zeit.  

    Würden Sie sagen, dass in China mittlerweile einheimische Architekturbüros bevorzugt werden? 

    Immer, wenn ein chinesisches Architekturunternehmen bei einem großen öffentlichen Verfahren den Zuschlag erhält, ist es leicht zu glauben, dass dies aus politischen Erwägungen heraus geschieht. Da aber sämtliche Bauvorhaben einer gewissen Größenordnung über Wettbewerbe vergeben werden, sehen wir anhand der Entscheidungen, dass auch ausländische Büros sich weiterhin durchsetzen können. 

    Stephan Schütz ist Executive Partner beim Architekturbüro GMP, Gerkan, Marg und Partner. China ist für sie zu einer Art Schmuckschatulle geworden. Einige architektonisch einzigartige Bauwerke in der Volksrepublik stammen von ihren Schreibtischen. Darunter das Grand Theater in Qingdao oder das Bürohaus CYTS Plaza. Noch in diesem Jahr eröffnet außerdem das Yellow River Nationalmuseum in Zhengzhou. An all diesen Werken war Schütz beteiligt.

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    News

    EU-Lieferkettengesetz vor dem Aus: Keine Mehrheit bei den EU-Mitgliedsstaaten

    Das geplante EU-Lieferkettengesetz hat erneut keine ausreichende Mehrheit unter den Mitgliedstaaten gefunden. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch mit. “Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen und werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen”. Damit ist offen, ob über das Vorhaben, das merkliche Auswirkungen auf den Handel mit China haben könnte, nochmal neu verhandelt werden muss, obwohl es im Dezember eigentlich bereits einen Kompromiss zwischen Unterhändlern der beiden EU-Institutionen gegeben hatte.

    Mit dem Gesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Im Falle Chinas beträfe das vor allem die Region Xinjiang und möglicherweise auch andere Regionen, in denen uigurische Zwangsarbeiter eingesetzt werden. Generell müssen größere Unternehmen einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel vereinbar sind. In der Bundesregierung drängte auch die FDP darauf, dass Deutschland dem Vorhaben nicht zustimmt. ari

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    China will erneut in der Ukraine-Krise vermitteln

    China entsendet diese Woche erneut seinen ranghohen Diplomaten Li Hui, um bei einer Lösung zur Beendigung des Ukraine-Krieges zu vermitteln. Wie das Außenministerium in Peking am Mittwoch mitteilte, reist Pekings Sondergesandter für Euroasien von Samstag an in die Ukraine, nach Russland und zu EU-Vertretern. Auch Termine in Brüssel, Polen, Frankreich und Deutschland sind geplant.

    Bei der Reise handele es sich um “die zweite Runde der Pendeldiplomatie zur Förderung einer politischen Lösung der ukrainischen Krise”, erklärte Außenamtssprecherin Mao Ning. In den vergangenen zwei Jahren habe China seine Friedensbemühungen nie aufgegeben und nie aufgehört, für Gespräche zu werben. Li Hui war bereits im vergangenen Mai für Gespräche in die Ukraine und nach Moskau gereist, jedoch ohne sichtbare Fortschritte. Sämtliche Gespräche fanden damals hinter verschlossenen Türen statt

    Bereits im Februar 2023 hatte China ein Positionspapier zum Krieg in der Ukraine vorgelegt, in dem es die Achtung der Souveränität, einen Waffenstillstand und die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen forderte. Kritiker zweifeln jedoch nach wie vor an Pekings unparteiischen Absichten. Chinas strategische Interessen in diesem Konflikt lägen viel stärker bei Russland als in der Ukraine. fpe

    • Ukraine-Krieg

    Taipeh sichtet elf chinesische Kriegsschiffe und zahlreiche Kampfflugzeuge

    Elf chinesische Marineschiffe sind in der Nähe Taiwans gesichtet worden. Das meldete das taiwanische Verteidigungsministerium am Mittwoch. Zudem habe China 30 Kampfflugzeuge und einen Überwachungsballon in den Luftraum um die demokratisch regierte Insel geschickt. Die Zahl sei ungewöhnlich hoch, erklärte Taiwans Verteidigungsministerium. In einem 24-Stunden-Fenster käme es üblicherweise zur Sichtung von vier bis sechs Schiffen.

    Das erhöhte Aufkommen hängt vermutlich mit einem Vorfall Mitte Februar zusammen. Damals war ein Schnellboot chinesischer Fischer unerlaubt in ein Sperrgebiet in taiwanische Gewässer eingedrungen. Bei der Flucht vor der Küstenwache war es unweit der taiwanisch regierten Kinmen-Inseln gekentert, die nur wenige Kilometer vom chinesischen Festland entfernt liegt. Zwei der vier Fischer kamen dabei ums Leben. Nach chinesischen Medienberichten war das Boot gerammt worden – nach taiwanischen Angaben ging die Küstenwache dabei rechtmäßig vor. Die Regierung in Peking sprach von einem “bösartigen Vorfall” und kündigte verstärkte Patrouillen in den Gewässern rund um Taiwan an. fpe

    • Taiwan

    Pazifikstaat Tuvalu steht weiter an der Seite Taiwans

    Auch mit neuer Regierung steht Tuvalu weiterhin zu Taiwan. Am Mittwoch bekräftigte Feleti Teo, der Regierungschef des Pazifikstaats, die “langfristigen und dauerhaften besonderen Beziehungen” seines Lands zu Taiwan. Tuvalu ist einer von nur zwölf Staaten, die offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan aufrechterhalten. Auf der Insel leben rund 11.000 Menschen.

    Die neue, am Montag nach der Wahl ins Amt eingeführte Regierung des 61 Jahre alten Juristen erklärte zudem, “die Optionen neu zu bewerten”, um die Beziehungen zu Taiwan “zu stärken und zu verbessern” und eine “dauerhaftere und für beide Seiten vorteilhafte Beziehung” aufzubauen. Das taiwanische Außenministerium erklärte seinerseits, dass der stellvertretende Chefdiplomat Tien Chung-kwang in Kürze mit einer Delegation nach Tuvalu reisen werde.

    Peking versucht, seinen Einfluss in der Pazifik-Region auszubauen, indem es sich dortigen Inselstaaten wie Samoa, Tonga oder Vanuatu als Partner präsentiert. Die Haltung Tuvalus kritisierte Außenamtssprecherin Mao Ning mit der Bemerkung, dass Taiwan-freundliche Länder Beschlüsse “im Sinne ihrer langfristigen Interessen” treffen sollten. fpe

    • Pazifik

    Liquidationsantrag gegen Immobilienentwickler Country Garden

    Chinas größtem privaten Immobilienentwickler Country Garden droht wegen ausbleibender Kreditzahlungen die Insolvenz. Ein Gläubiger, Ever Credit Limited, habe einen entsprechenden Antrag gegen das Unternehmen gestellt, teilte Country Garden am Mittwoch in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse mit, wo der Konzern gelistet ist. Es gehe um die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 1,6 Milliarden Hongkong-Dollar (rund 188 Millionen Euro). Das Gericht setzt die erste Anhörung für den 17. Mai fest, wie aus einer Börsenmitteilung von Country Garden vom Mittwoch hervorgeht.

    Man werde sich der Petition “energisch widersetzen”, teilte der Konzern mit. “Die radikalen Maßnahmen eines einzelnen Gläubigers werden keine signifikanten Auswirkungen auf die garantierte Lieferung von Gebäuden, den normalen Betrieb und die allgemeine Umstrukturierung der Auslandsschulden unseres Unternehmens haben”, sagte Country Garden der Nachrichtenagentur Reuters. Die Aktien von Country Garden brachen am Mittwoch um rund zwölf Prozent ein.

    Ende Januar hatte ein Hongkonger Gericht die Abwicklung von China Evergrande angeordnet, der mit über 300 Milliarden Dollar am höchsten verschuldeten Immobiliengesellschaft der Welt. Ökonomen haben schon vor Jahren vor Überhitzung des chinesischen Immobilienmarktes gewarnt. Auf den Immobiliensektor entfällt rund ein Fünftel der jährlichen Wirtschaftsleistung Chinas. rtr/fpe

    • Immobilienmarkt

    VW-Software-Tochter Cariad ernennt neuen China-Chef

    Volkswagen hat für seine Software-Tochter Cariad in China einen neuen Chef ernannt. Am Freitag werde Frank Han, der vom chinesischen Autobauer Changan kommt, die Leitung übernehmen, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Han, der den bisherigen Softwarechef Chang Qing ablöst, soll sich auf die schnelle Integration neuer Technologien in Fahrzeuge der Volkswagen-Gruppe für den chinesischen Markt konzentrieren.

    Cariad hat im vergangenen Jahr ein Joint Venture mit der chinesischen Technologiegruppe Thundersoft gegründet, um sich mehr Know-how für passgenaue Angebote zu verschaffen. Ein schwacher Absatz mit Elektroautos in China und zu langsame Software-Entwicklung sind Dauerbaustellen im Volkswagen-Konzern. Digitale Dienste sind ein zentraler Wettbewerbsfaktor in China, wo Autofahrer besonders hohe Ansprüche an die Vernetzung von Fahrzeugen stellen. fpe/rtr

    • Autoindustrie
    • Software

    Presseschau

    Überlebenskampf im Boom des chinesischen Automarkts HEISE
    Investoren gehen auf Abstand zu Volkswagen ZEIT
    Ehemaliger Huawei-Manager Frank Han soll VWs Software-Probleme in China lösen HANDELSBLATT
    Geely’s EV brand Zeekr in self-driving push with redesigned 001 TECHNODE
    Batterierecycling für mehr Unabhängigkeit von China FOCUS
    US-Regierung verbietet Transfer von genetischen Daten nach China HANDELSBLATT
    Geschäfte mit “Schmugglern”: Das erstaunliche China-Problem von Beiersdorf WIWO
    China lures AI talent with hefty salary premium as demand far exceeds supply, report finds SCMP
    Baidu reports modest revenue growth amid signs search engine giant’s big tilt to AI is beginning to pay off SCMP
    China’s CCTV airs first AI-generated cartoon series TECHNODE
    Immobilienkrise in China: Antrag auf Liquidation gegen Country Garden HANDELSBLATT
    China zieht die Schlinge um die taiwanische Inselgruppe Kinmen zu NZZ
    “Unglaubliche Erfahrung”: Forscher finden 240 Millionen Jahre altes Drachen-Fossil in China KREISZEITUNG

    Personalien

    Florian Hobelsberger hat zum Jahreswechsel den CEO-Posten bei Diehl Controls Asia mit Werken in Nanjing und Qingdao übernommen. Er war seit 2020 als CFO bei dem Elektronik-Zulieferer für Haushaltsgeräte und HVAC/R beschäftigt. Gerhard Teschl, der bisher diese Rolle innehatte, ist jetzt als CEO für Diehl Controls Americas zuständig.

    Kari Hakala ist neuer Sales Marketing Manager bei Sunwell Carbon Fiber Composite Corporation (SWCFC) in Jiangsu. Er war zuvor für Swancor Highpolymer Co. in Shanghai tätig.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Passend zum Jahr des Drachen haben Wissenschaftler des National Museum of Scotland den Fund eines chinesischen Dinosaurierfossils bekannt gegeben, das dem mythischen Fabeltier zum Verwechseln ähnlich sieht. Die Überreste des fünf Meter langen Reptils mit dem lateinischen Namen Dinocephalosaurus orientalis wurden in der Provinz Guizhou gefunden. Das 240 Millionen Jahre alte Fossil ist erstaunlich komplett erhalten, erklären die an der Freilegung beteiligten Paläontologen aus Schottland, Deutschland, den USA und China. In der Magenregion des Meeres-Sauriers konnte man sogar versteinerte Fische finden.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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