Table.Briefing: China

Drittes Plenum + Interview zu USA und China

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Spätherbst ein Jahr nach einem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas ist stets der Zeitpunkt des so genannten 3. Plenums des Zentralkomitees. Zwischen den nur alle fünf Jahre tagenden Parteitagen trifft sich das komplette ZK nur etwa sieben Mal; jede der durchnummerierten Plenarsitzungen findet daher auch nur alle fünf Jahre statt. Das 3. Plenum ist im KP-Kalender traditionell dasjenige, auf dem die Partei die künftige Richtung der Wirtschaftspolitik festzurrt: Mehr Öffnung oder mehr Kontrolle? Stärkung der Privatfirmen oder der Staatskonzerne?

Das anstehende 3. Plenum ist überfällig, wie Finn Mayer-Kuckuk erklärt. Dass es noch keinen Termin gebe, sei ein Signal, dass Staats- und Parteichef Xi Jinping parteiinterne Vorstellungen von Reformen ausbalancieren muss.

Das Verhältnis zwischen China und den USA steht derweil seit dem Gipfeltreffen von Xi und US-Präsident Joe Biden im Fokus. Die Hoffnung ist, dass die beiden Supermächte es endlich hinbekommen, ihre schwierigen Beziehungen zu stabilisieren. Die US-Historikerin Meredith Oyen erklärt im Interview mit Michael Radunski, welche Fehler beide Seiten gemacht haben. Und was die USA besser machen können.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche.

Ihre
Christiane Kühl
Bild von Christiane  Kühl

Analyse

Warten und Hoffen auf das 3. Plenum: Reformdebatte unter Xi

Für die Außenwelt ist derzeit völlig unklar, in welchem Umfang noch Debatten innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas stattfinden. Auch Experten können darüber nur spekulieren. Die Ereignisse rund um das bevorstehende 3. Plenum des Zentralkomitees deuten nun darauf hin, dass es in den Rängen unter Machthaber Xi Jinping zumindest wirtschaftspolitisch mehr Uneinigkeit gibt, als es den Anschein hat.

Fokuspunkt ist die Wirtschaftspolitik. Auf dritten Plenen stellt die Parteiführung traditionell wirtschaftspolitische Weichen. Vor genau zehn Jahren auf dem 3. Plenum 2013 hatte Xi einem Reformprogramm zugestimmt, das er so jedoch aus Kontrollsucht nicht umgesetzt hat. Jetzt wird der Vorwurf laut, er verschenke dadurch Chancen für eine Dynamisierung der Wirtschaft. Denn Chinas Wachstum schwächelt derzeit.

Der Mythos des 3. Plenums

Das Zentralkomitee der KP besteht aus 205 der mächtigsten Kader aus dem ganzen Land und ist der Kern der Partei. In der Regel treffen sie sich mindestens einmal im Jahr zu einer Vollversammlung: einem Plenum. Jedes Zentralkomitee besteht für die fünf Jahre zwischen zwei Parteikongressen. Derzeit ist das 20. Zentralkomitee im Amt.

Den sieben Plenen jedes Zentralkomitees ist jeweils lose eine Bedeutung zugeordnet. Auf dem 3. Plenum geht es traditionell um Wirtschaft. Die Erwartungen für ein wirtschaftliches Reformprogramm sind daher hoch. Es besteht die fast magische Vorstellung, dass ein 3. Plenum mit Marktwirtschaft, Öffnung und der Entfesselung von Kräften verbunden ist. Der Widerspruch zwischen den Erwartungen und der tatsächlichen Politik ist offensichtlich und wird offenbar in China auch diskutiert.

Indiz 1: Der Caixin-Kommentar

Ein oberflächliches Anzeichen dafür ist ein Artikel in dem Wirtschaftsportal Caixin, das in etwas abweichenden Fassungen auf Englisch und auf Chinesisch online steht. Xi wird darin indirekt kritisiert, aber der Text steht jetzt schon anderthalb Wochen lang unzensiert im Netz. Die Erwartung wäre eigentlich gewesen, dass so ein Beitrag im System Xi unmöglich wäre oder schnell gelöscht würde.

Der lange Meinungsartikel bezieht sich vor allem auf das 3. Plenum des ZK im Jahr 2013. Xis Herrschaft war noch jung, und das Zentralkomitee hatte sich in 60 Artikeln vorgenommen, dem Markt eine größere Rolle zu geben.

Die Plenen der KP Chinas, 3. Plenum, Parteikongress, Parteitag, Zentralkomitee, Politbüro

Das sind die wichtigsten Punkte des Artikels in Caixin:

  • Es gebe eine “Temperaturdifferenz” zwischen den Reformerwartungen und dem, was in den vergangenen Jahren tatsächlich passiert ist.
  • Angesichts von Überalterung, schwindendem Wachstum und dem schwachen Arbeitsmarkt sind energische Reformen überfällig. Diese Reformen dürfen nicht, wie bisher, “nur auf dem Papier existieren”. Gemeint sind mehr Marktkräfte und Dezentralisierung.
  • Dazu gehören Bürokratieabbau und eine bessere Verteilung von Befugnissen.

Die Kritik an Xi ist kaum verholen. Eine “Verteilung von Befugnissen” auf mehr Schultern ist das Gegenteil dessen, was passiert. Xi allein ist Vorsitzender all der Kommissionen, in denen sich die Macht mehr und mehr konzentriert.

Ganz bemerkenswert: In der chinesischen Fassung findet sich das Zitat: “Der Yangzi und der Gelbe Fluss fließen nicht rückwärts 长江黄河不会倒流”. Es stammt von Li Keqiang und bezieht sich auf die Reformen in China. Beiträge auf Sozialmedien mit dem Zitat wurden nach Lis Tod jedoch zensiert, weil die politischen Reformen nun einmal unter Xi zum Stillstand gekommen sind und sogar zurückgedreht wurden. Die Nennung dieses Zitats ist eine offene Provokation gegenüber den Zensoren.

Indiz 2: Das Timing

Das 3. Plenum findet häufig im November statt. Nicht diesmal, der halbe Monat ist bereits verstrichen und bisher gibt es noch keine Anzeichen für die Einberufung des Treffens. Offenbar braucht Xi mehr Zeit, um die Abstimmungen in seinem Sinne vorzubereiten.

Auch das weist zumindest darauf hin, dass nicht alles so glatt läuft, wie es von außen aussieht. Derzeit ist die Rede davon, das Plenum könne im Dezember stattfinden – oder sogar erst im Januar. Die nächste Politbüro-Sitzung, auf der das Plenum einberufen werden könnte, findet Ende November statt.

Xi will Wachstum, aber auch Kontrolle

Die Wirtschaftspolitik ist in China ein harter Faktor. Die KP definiert und legitimiert sich bekanntlich über Entwicklung und die Schaffung von Wohlstand. Derzeit befindet sich Chinas Wirtschaft jedoch in einer strukturellen Krise. Ob Xi deshalb Deregulierungen zulässt, ist jedoch fraglich.

Beispielhaft dafür stehen die Beschlüsse der Finanzarbeitskonferenz von Anfang des Monats. Xi konzentriert darin die Kontrolle über die Finanzwirtschaft auf seine Person. Eine Freigabe von Marktkräften ist nicht zu erkennen.

Widersprüche der Wirtschaftspolitik unter Xi

Die möglichen Diskussionen über die künftige Wirtschaftspolitik haben ihre Ursache also vermutlich in einem realen Dilemma zwischen verschiedenen Zielen.

  • Xi will Kontrolle über möglichst viele Aspekte des Staates. Dazu gehört ganz entscheidend die Wirtschaft. Die größte Kontrolle hat er aber in einer Kommandowirtschaft mit einer entscheidenden Rolle für Staatsbetriebe und vielen Regulierungen.
  • Die Anhänger einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik – darunter viele chinesische Ökonomen – suchen den Weg aus der Krise dagegen in Marktkräften. Viele private Akteure entscheiden darin unkoordiniert über die Verwendung von Kapital und die beste Strategie für ihre Geschäfte. Dieses Vorgehen gilt allgemein als effizienter, weil der Staat eben nicht alles wissen kann.

Marktkräfte gelten zu Unrecht als Wunderwaffe

Es besteht aber die Gefahr, dass die Anhänger einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik die kurzfristige Wirkung der Entfesselung von Marktkräften überschätzen. Es ist die Erfahrung ihrer Generation, dass auf liberale Reformen wie unter Deng Xiaoping und Zhu Rongji sofort ein Phase des Aufschwungs und unfassbarer Zugewinne an Wohlstand folgte.

Doch China hatte damals noch viel Entwicklungspotenzial, das leicht gehoben werden konnte. Abläufe und Technologien der entwickelten Länder ließen sich mit großem Effekt übertragen, schließlich war China in der Modernisierung viele Jahrzehnte zu spät dran. Viele Geschäftsmodelle und Branchen waren unbeackert. Wer zuerst kam, machte seinen Weg.

Dazu kam die Freisetzung von enorm viel Kapital, die 2009 gerade in Zeiten einer weltweiten Wirtschaftsschwäche einen neuen Boom ausgelöst hat. Doch diese Aufputschmittel wirken heute nicht mehr, sie haben sich abgenutzt.

Xi will kein Strohfeuer

Einerseits hat die Privatwirtschaft bereits eine tragende Rolle, mehr Eigeninitiative allein wird nicht so viel ändern wie vor 20 oder 40 Jahren. Tatsächlich scheinen viele junge Leute darauf zu warten, dass andere ihnen Arbeitsplätze bereitstellen.

Andererseits funktioniert das kapitalgetriebene Entwicklungsmodell mit einem Fokus auf Infrastruktur und Bau nur bis zu einem bestimmten Punkt: bis alles fertig gebaut ist, was eine Gesellschaft wirklich braucht.

Vielleicht will Xi auch deshalb kein neues Wachstum auf Pump, weil er ahnt, dass er diesmal selbst die Konsequenzen tragen muss. Schließlich hat er sich die Macht auf Lebenszeit gesichert. Wenn er ein schuldenfinanziertes Strohfeuer entfacht, muss er selbst später die Asche aufkehren.

  • KP Chinas
  • Wirtschaft
  • Xi Jinping
Translation missing.

Interview

“Die USA waren in der Taiwan-Politik unnötig provokativ”

Die China-Expertin Meredith Oyen blickt im Gespräch mit Michael Radunski durchaus kritisch auf Bidens Taiwan-Politik.
Redakteur Michael Radunski im Gespräch mit Meredith Oyen von der Universität Maryland.

Vergangene Woche haben sich Xi Jinping und Joe Biden getroffen; eines der diskutierten Themen waren die Technik-Sanktionen, die Washington gegen China verhängt hat. Versuchen die USA, Chinas Aufstieg zu stoppen?

Ich bin nicht sicher, ob die USA versuchen, Chinas Aufstieg zu stoppen. Es gibt ein Auf und Ab, inwieweit die Interessen der USA mit denen Chinas übereinstimmen. Wir hatten Phasen, in denen wir in verschiedenen Fragen strategische Partner waren. Dann gab es Zeiten, in denen wir strategische Konkurrenten waren. Jetzt befinden wir uns in einer Phase mit vielen Meinungsverschiedenheiten. Das erweckt wohl den Eindruck, dass wenn die USA Dinge im eigenen Interesse tun, dies möglicherweise gegen China gerichtet sei.

Also ein falscher Eindruck?

Es gibt sicherlich Personen in den USA, die es für wichtig erachten, den Aufstieg Chinas zu stoppen. Aber die meisten machen sich Sorgen über konkrete Punkte wie die Belt-and-Road-Initiative oder Chinas Einfluss auf den globalen Süden. Generell glaube ich nicht, dass es eine US-Politik gibt, die besagt: Lasst uns China unten halten.

Dennoch befinden sich die Beziehungen zwischen den USA und China auf einem Tiefpunkt – und Menschen auf der ganzen Welt sind sehr besorgt.

Tatsächlich ist es derzeit schwierig, nicht pessimistisch zu sein. Wir erleben einen wirklich starken Abschwung in den Beziehungen. Es ist ein wenig schockierend, wie anders es sich im Vergleich zu den frühen 2000er-Jahren anfühlt. Einige sagen bereits, wir befänden uns in einem neuen Kalten Krieg mit China. Ich teile diese Analogie nicht, weil sie zu sehr vom sowjetisch-amerikanischen Konflikt geprägt ist, und das ist nicht hilfreich.

Wie groß ist die Gefahr eines militärischen Konflikts?

Ich glaube nicht, dass die USA und China einen Krieg miteinander führen wollen. Es besteht die Einsicht, dass jeder verlieren würde. Wir haben immer noch Gemeinsamkeiten. Die größte Gefahr ist ein Unfall oder einer eskalierenden Fehlkommunikation.

In China glaubt so mancher, die Zeit sei reif, um Taiwan “nach Hause” zu holen.

Es gab schon früher Zeiten erhöhter Gefahr. Wir haben seit den 1950er-Jahren mindestens drei Krisen in der Taiwanstraße erlebt. Aber ja, heute ist die Situation tatsächlich anders. Die Taiwan-Frage hat sich dramatisch zugespitzt. China verfügt inzwischen über ein Militär, das sich teilweise auf Augenhöhe mit den USA befindet und in der Lage ist, einen noch nie dagewesenen Angriff durchzuführen. Dies ist ein Moment, in dem wir nicht einfach davon ausgehen können, dass die USA militärisch derart überlegen sind, dass China es nicht wagen würde.

Es ist also die Schuld Chinas?

Überhaupt nicht. Auch die USA tragen eine Mitschuld, da sie eine Reihe von Maßnahmen ergriffen haben, die China im Hinblick auf Taiwan als sehr provokativ empfunden hat. China hat auf diese Provokation wiederum mit eigenen Provokationen reagiert und Dinge getan, die gefährlich sind. Ich denke, dass die USA in manchen Fällen unnötig provokativ waren und ihre Taiwan-Politik unnötig unklar gehalten haben.

Inwiefern?

Aus meiner Sicht wollen die meisten Menschen in Taiwan derzeit den Status quo beibehalten und sich nicht zu weit in die eine oder andere Richtung bewegen. An diesem Punkt haben die USA aus meiner Sicht große Verwirrung darüber gestiftet, ob wir von der Ein-China-Politik eventuell abweichen – und das ist nicht sonderlich produktiv.

Warum?

China macht sich das zunutze. Wann immer Peking die Massen aufstacheln muss, kann es einfach darauf verweisen, dass die Vereinigten Staaten Taiwan unterstützen. Ich denke, wir könnten eine viel bessere Arbeit leisten, die sofort weniger provokativ wirkt, selbst, wenn wir weiterhin bestimmte Kontakte mit Taiwan haben.

Xi Jinping sagt, die USA würden China einkreisen und eindämmen. Und tatsächlich sehen wir US-Militärpatrouillen rund um die chinesische Küste und im Südchinesischen Meer. Stellen Sie sich vor, es gäbe so viele chinesische Schiffe vor der US-Küste.

Das haben wir. Chinesische Schiffe fahren gelegentlich in die Nähe von amerikanisch kontrollierten Gebieten in Alaska. Das passiert also auch umgekehrt. Aber China ist Unterzeichner des UN-Seerechts, welches Schiffsverkehr in internationalen Gewässern erlaubt, ebenso wie “Freedom of Navigation”-Fahrten im Südchinesischen Meer.

Die USA führen regelmäßig solche “Freedom of Navigation”-Fahrten durch. Mit welchem Ziel?

Der Grund, warum die Vereinigten Staaten das tun, ist einfach: Die USA sind eines der wenigen Länder, die dazu in der Lage sind. Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer sind nicht unumstritten. Und die USA sind in der Lage, die Idee der freien Schifffahrt zu verteidigen.

Sie haben eine durchaus kritische Sicht auf die US-Politik. Was könnte denn China tun, um eine weitere Eskalation zu verhindern?

Es wäre sehr hilfreich, die Anzahl von Beinahe-Unfällen zu reduzieren. Zudem ist ein direkter Dialog zwischen den Militärs nützlich. Auch Chinas Tendenz, in Bezug auf Taiwan mit derart harter Hand zu reagieren, ist nicht hilfreich. Peking könnte einen Schritt zurücktreten – und nicht immerzu eskalieren. So wie es das in der Vergangenheit gab. Doch zuletzt schickte Peking immer mehr Kampfjets über die Mittellinie der Taiwanstraße. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls, der in fatalen Folgen eskalieren könnte.

Und die USA?

Da Chinas Wirtschaft große Probleme hat, könnten die USA und China strategische Entscheidungen über Zölle treffen. Es gibt Industrien, die die USA wieder nach Hause holen wollen, was logisch und sinnvoll ist. Aber wir müssen nicht mit einem derart großen Ausmaß an Zöllen weitermachen.

Einige in China hoffen, dass nach der Wahl wieder ein republikanischer Präsident regiert, der die USA stärker nach innen wendet und China dadurch international mehr Handlungsspielraum erhält. Eine nachvollziehbare Wette?

Dieses Risiko würde ich nicht eingehen. Die USA könnten sich zwar mit dieser “America First”-Politik tatsächlich wieder stärker nach innen wenden. Aber es besteht auch die Gefahr, dass diejenigen an Einfluss gewinnen, die China für alles verantwortlich machen und China als das Zentrum des Bösen in der Welt sehen.

Also trotz aller Spannungen ein guter Zeitpunkt, um aufeinander zuzugehen?

Ich denke, dass wir unter einem demokratischen Präsidenten bessere Chancen haben, die Beziehungen zu stabilisieren. Aber Präsident Biden hat die Situation mit seiner Taiwan-Politik nicht gerade verbessert. Es müsste jemanden innerhalb der Biden-Administration geben, der bereit ist, diese Zweideutigkeiten einzufangen und die Ein-China-Politik nüchtern und klar zu bekräftigen. Ich denke, ohne das wird man keine guten Ergebnisse erzielen.

Meredith Oyen ist Historikerin mit Schwerpunkt auf den Beziehungen zwischen den USA und China. Oyen forscht als Professorin an der University of Maryland.

  • China-Sanktionen
  • Ein-China-Politik
  • Geopolitik
  • Handel
  • Militär
  • Südchinesisches Meer
  • Taiwan
  • USA

News

Muslimische Außenminister reisen zu Gesprächen über Nahost-Konflikt nach Peking

China wird am Montag und Dienstag mehrere Außenminister arabischer und islamischer Länder empfangen. Bei dem Treffen werde über die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts und die Gewährleistung des Zivilschutzes gesprochen, teilte das Außenministerium am Sonntag mit. Peking positioniert sich damit erneut als Vermittler im Gaza-Krieg, zeigt aber zugleich seine Nähe zu der arabisch-islamischen Seite des Konflikts. Über Kontakte chinesischer Vermittler zu Israel ist weiterhin nichts bekannt.

Unter anderem werden die Außenminister aus Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten, Indonesien, Palästina und die Generalsekretäre der Arabischen Liga sowie der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Peking erwartet. Anschließend wollen sie in die Hauptstädte der anderen Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats weiterreisen. Es ist ein Zeichen, dass diese Staaten China auf ihrer Seite sehen. Der Außenminister Irans ist soweit bekannt nicht Teil der Delegation. Iran unterstützt die Hamas sowie die Israel-feindliche libanesische Hisbollah-Miliz. Laut Reuters erwägt Iran allerdings keinen direkten Kriegseinstieg. ck

  • Geopolitik

Keine Einigung zwischen Taiwans KMT und TPP in der Kandidaten-Frage

Die Opposition aus konservativer Kuomintang (KMT) und der Taiwanischen Volkspartei (TPP) konnten sich am Wochenende nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Januar einigen. Eigentlich hatten beide Parteien auf Grundlage von Umfrageergebnissen und Mitgliederbefragungen eine Einigung erzielen wollen. Auf einer Pressekonferenz wollten sie das Ergebnis bekannt geben. Man habe sich nicht auf das Prozedere einigen können, hieß es zur Begründung für das Scheitern.

Beide Parteien versicherten, dass sie die Gespräche über die Auswahl eines gemeinsamen Kandidaten fortsetzen werden. Bis Freitag müssen sie ihre Differenzen beigelegt haben, denn dann endet die Anmeldefrist der Kandidaten.

Der amtierende Vizepräsident William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) will die Nachfolge von Präsidentin Tsai Ing-wen antreten, die nach acht Jahren im Amt nicht mehr zur Wahl antreten darf. Derzeit führt Lai in den Umfragen. Doch wenn sich KMT und die TPP doch noch auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, könnte es für Lai noch knapp werden. Insbesondere die KMT steht für eine China-freundlichere Politik als die DPP. Auch die TPP setzt auf eine dialogorientiertere Politik gegenüber der Volksrepublik. flee

  • Taiwan-Wahlen

Auf der Guangzhou Auto Show präsentieren sich viele E-Modelle

Die Marke HiPhi zeigt in Guangzhou ihr “Hypercar” – es hat 1.300 PS und beschleunigt in zwei Sekunden auf 100 km/h.

In Guangzhou hat am Freitag Chinas zweitgrößte Automesse eröffnet. Insgesamt 1.132 Fahrzeuge präsentieren in- und ausländische Autobauer auf der Guangzhou Auto Show, davon 469 Elektromodelle (NEV). 119 der E-Autos gehören zu ausländischen Marken. Elektroautos setzen also ihren Vormarsch auf dem chinesischen Automarkt fort.

Im Oktober näherten sich die monatlichen NEV-Verkäufe mit 956.000 Autos der Millionenmarke. Nach Angaben des Autobauerverbandes CAAM lag der Monatsabsatz 34 Prozent höher als im Oktober 2022.

Diese neuen Modelle zeigten die Marken weltweit erstmals auf der Guangzhou-Messe:

  • Marktführer BYD stellte seine neueste Antwort auf das Tesla Model Y vor. Sie heißt Sea Lion 07 – ein mittelgroßes E-Crossover, entworfen von Designchef Wolfgang Josef Egger, dem ehemaligen Chefdesigner der Audi Group.
  • Geelys Elektroauto-Marke Zeekr präsentierte ihre erste Mittelklasse-E-Limousine für das Volumensegment. Der auf einer 800-Volt-Plattform aufbauende Zeekr 007 soll für einen Preis ab 229.900 Yuan zu haben sein (29.000 Euro). Bisher vertreibt Zeekr drei Premiummodelle.
  • Li Auto stellte einen neuen Van mit sieben Sitzen namens Mega vor. Das Auto verfügt laut Technode über die weltweit schnellste Ladegeschwindigkeit unter allen Elektrofahrzeugen. Es kann mit den Qilin-Batterien der nächsten Generation von CATL bis zu 500 km pro Ladung zurücklegen – bei einer Ladezeit von 12 Minuten. Das Auto kostet stolze 600.000 Yuan (76.000 Euro) und kommt im Februar 2024 auf den Markt.
  • Knapp zwei Drittel dieses Preises (388.000 Yuan/49.000 Euro) ruft VW-Partner Xpeng für seinen neuen Familien-Van mit Namen X9 ab, der im Januar 2024 auf den Markt kommen soll.

Außerdem zeigte die neue E-Marke HiPhi den Prototypen ihres sogenannten “Hypercar” mit 960 Kilowatt Leistung und neuartiger Technologie, das nach Herstellerangaben in zwei Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen und 300 Kilometer pro Stunde schnell fahren kann. Ab 2025 soll das Gefährt in kleiner Stückzahl vom Band laufen. Hinter HiPhi steckt der Hersteller Human Horizons aus Shanghai. ck

  • Autoindustrie
  • CAAM
  • Elektromobilität

Deutsche Maschinenbauer pessimistisch

Nur noch jeder zehnte deutsche Maschinenbauer mit Aktivitäten in China beurteilt seine aktuelle Geschäftslage als gut. Das ergab die aktuelle Konjunkturufrage des Fachverbands VDMA. 43 Prozent beschrieben darin nach einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur ihre Situation als schlecht, 47 Prozent als zufriedenstellend. Im Durchschnitt rechnen die Unternehmen für das laufende Jahr mit stagnierenden Umsätzen. Sie beklagen nicht ausgelastete Kapazitäten und fehlende Aufträge.

“Das ist die schlechteste Stimmung, die wir seit dem Beginn der Umfrage im Jahr 2016 verzeichnet haben. Das Jahr 2023, eigentlich ein Jahr der Öffnung und Normalisierung, stellt unsere vor Ort ansässigen Unternehmen vor enorme Herausforderungen”, teilte die VDMA-Geschäftsführerin in China, Claudia Barkowsky, mit. Für 2024 erwarten die Firmen demnach allerdings wieder ein durchschnittliches Umsatzwachstum von vier Prozent. Mittel- und langfristig bestehe die Hoffnung, dass China ein Wachstumsmarkt bleibe. ck

  • Konjunktur
  • Maschinenbau

Alibaba sagt Auslagerung der Cloud-Sparte ab

Alibaba will seine Cloud-Sparte nicht wie geplant auslagern und separat an die Börse bringen. Grund für die Kehrtwende seien Unsicherheiten aufgrund der US-Exportbeschränkungen für hochmoderne Computerchips, teilte Alibaba mit. Alibaba-Gründer Jack Ma sehe die Lage des Konzerns weiterhin “sehr positiv”, erfuhr die South China Morning Post aus Mas Büro. Der Gründer werde auch künftig Alibaba-Aktien halten.

Laut CEO Eddie Wu Yongming werde sich die Alibaba Group Holding nun auf drei Prioritäten konzentrieren: Geschäfte mit technologiegetriebenen Internetplattformen und durch künstliche Intelligenz (KI) getriebene Technologien sowie den Aufbau globaler Handelsnetzwerke. Damit wolle man das Wachstum im kommenden Jahrzehnt vorantreiben, sagte Wu in seiner ersten Telefonkonferenz mit Analysten seit den Wechseln an der Konzernspitze im September.

Die Entscheidung Alibabas sei eine Überraschung, sagte Jon Withaar, Asien-Experte beim Vermögensverwalter Pictet. “Wir fragen uns, ob es hinter den Kulissen Probleme gibt, von denen wir nichts wissen.” Der Börsengang der Cloud-Sparte sollte Teil des größten Umbaus der Firmengeschichte von Alibaba sein. Der Konzern hatte im Frühjahr angekündigt, sich in sechs eigenständige Einheiten aufspalten zu wollen. Alibaba selbst werde künftig als Holding fungieren. Die Cloud-Sparte galt als besonders wertvoll, ihr Börsengang sollte Milliarden einbringen. Das Segment werde nun zwar vorerst nicht an die Börse gehen, aber weiterhin unabhängig arbeiten, betonte Alibaba-Mitgründer Joseph Tsai. ck/rtr

  • Alibaba
  • Technologie

Presseschau

Are the U.S. and China on a collision course? Where things stand after the Biden-Xi summit USA TODAY
A Rare Opportunity to See China’s Leader Up Close and (Sort of) Personal NY TIMES
For some Uyghur Americans, worries over detained family members loom over Biden-Xi summit NBC NEWS
Vermittlung im Nahost-Krieg: Muslimische Außenminister reisen nach China – und erst danach in die USA MERKUR
The Inconvenient Truth of Taiwan’s First Peoples FOREIGN POLICY
David Cameron’s backing of Beijing-funded development raises questions over business dealings THE GUARDIAN
Flucht aus China in die USA: Landsmann nimmt illegal Eingewanderte in New Yorker Mietshaus auf FR
Energiepolitik: China kippt – in die richtige Richtung SPIEGEL
Southern China leads way with Greater Bay Area climate funding launch pad SCMP
Containing China’s technology ecosystem will remain a US policy priority LIVEMINT
Nach dem Crackdown – Die neue Rolle der Digitalwirtschaft in China HEISE
China’s central bank issues clearing licence to MasterCard’s joint venture CHANNEL NEWS ASIA
China property crisis: developers in Shanghai offer sweeteners such as deferred down payments, free parking spaces to boost flagging sales SCMP

Heads

Gerd Boesken – Taiwans Freund in Hamburg 

Gerd Boesken ist seit 2007 Präsident des Hamburger Taiwanfreunde-Vereins “Bambusrunde”

Das erste Mal von Taiwan gehört hat Gerd Boesken ausgerechnet in einem Dominikanerkloster im westfälischen Warburg. Dort begegnete dem damals sechsjährigen Messdiener Gerd über die Jahre immer wieder ein Missionar, der von Taiwan und den “armen Heidenkindern” dort erzählte. Zu Beginn seines Studiums fuhr Boesken dann selbst das erste Mal nach für einen Sprachkurs nach Taiwan. “Ich bin damals in Taiwan, an Taiwan und in Diskussionen mit diesem Missionar erwachsen geworden”, sagt Boesken heute. Die katholische Kirche hat er hinter sich gelassen. Die Begeisterung für Taiwan ist geblieben. Er setzt sie heute als Präsident eines Hamburger Taiwan-Freundeskreises namens “Bambusrunde” fort. 

Den Hamburger Verein gibt es seit 1969. Die 230 Mitglieder wollen die Beziehungen zwischen Deutschland und Taiwan stärken – kulturell, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Dazu veranstalten sie regelmäßige Treffen mit Parteipolitikern, Senatsmitgliedern und der Taiwan-Vertretung in Berlin. Boesken ist schon seit 16 Jahren Vereinspräsident. “Unsere Mitglieder sind sehr aktiv, sowas wie Karteileichen gibt es bei uns nicht”, sagt er. Das hänge auch mit der Art der Vereinsveranstaltungen zusammen: “Bei uns ist alles sehr persönlich – wir singen und essen sehr gerne zusammen.” Im April sind 13 Mitglieder zusammen nach Taiwan geflogen. 

In seiner Studienzeit hatte Boesken zu Tempel- und Volkstheatern in Taiwan geforscht. “Als Wissenschaftler, die vielleicht unliebsame Fragen stellen, waren wir in Zeiten des Kriegsrechts dort nicht sonderlich willkommen” erinnert er sich. “In den Volkstheatern hat sich viel Widerstandsenergie Bahn gebrochen. Dass wir uns das genau anschauen, hat damals nicht jedem gefallen.” 

Taiwan ist weniger Beruf als private Leidenschaft

Hauptberuflich arbeitet Boesken heute als Übersetzer, Dolmetscher oder Berater für deutsche Firmen, die einen Weg in asiatische Märkte suchen. Taiwan taucht bei seinen Geschäftspartnern allerdings nicht auf. “Mein geschäftlicher Schwerpunkt lag immer außerhalb Taiwans”, sagt der Doktor der Sinologie.

Mit umso mehr Leidenschaft spricht er von Taiwan und der Insel Formosa: “Als die Bambusrunde vor fast 60 Jahren gegründet wurde, kannte man Taiwan in Deutschland als die wunderschöne Insel, auf der Dosenprodukte für den Toast Hawaii hergestellt wurden.” Seither hat sich viel verändert; Taiwan ist zu einem wichtigen wirtschaftlichen Partner Deutschlands geworden. Die Ampelregierung hat als erste Regierung die Unterstützung Taiwans als gleichgesinnten Partner in den Koalitionsvertrag geschrieben.  

Boesken wünscht sich allerdings mehr. “Taiwan stellt seit vierzig Jahren regelmäßig einen Antrag, dass es als Beobachter und nicht-stimmberechtigtes Mitglied bei der Weltgesundheitsorganisation WHO sein will – die Volksrepublik unterbindet das”, sagt Boesken. “Wir fordern, dass die deutsche Regierung sich dafür einsetzt, dass Taiwan auch in den Organisationen der UN vertreten ist.” Deutschland solle die Bedeutung des Inselstaats nicht unterschätzen: “Die westliche Staatengemeinschaft ist ja immer auf der Suche nach gleichgesinnten Ländern. Von allen ostasiatischen Staaten ist Taiwan in seiner Haltung am nächsten an Deutschland dran.” Svenja Schlicht

  • Sinologie
  • Taiwan

Personalien

Majka Patuzzi ist jetzt bei der Messe München Senior Market Consultant ISPO China. Dabei handelt es sich um den China-Ableger der Fachmesse für Sportartikel und Sportmode. Patuzzi betreut schon seit vielen Jahren Messe-Aktivitäten mit Chinabezug.

Laura von Baross ist bei dem Chemie- und Pharmahersteller Merck seit September Head of China & International Communications im Bereich Healthcare. Sie hat zuvor Strategiekommunikation für den Bereich Life Science betrieben.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Die Wintersportsaison hat begonnen, und damit auch der Eiskunstlauf: Hier zeigen Chinas Peng Cheng und Lei Wang beim Grand Prix im finnischen Espoo ihr Kurzprogramm im Paarlaufen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
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    Das anstehende 3. Plenum ist überfällig, wie Finn Mayer-Kuckuk erklärt. Dass es noch keinen Termin gebe, sei ein Signal, dass Staats- und Parteichef Xi Jinping parteiinterne Vorstellungen von Reformen ausbalancieren muss.

    Das Verhältnis zwischen China und den USA steht derweil seit dem Gipfeltreffen von Xi und US-Präsident Joe Biden im Fokus. Die Hoffnung ist, dass die beiden Supermächte es endlich hinbekommen, ihre schwierigen Beziehungen zu stabilisieren. Die US-Historikerin Meredith Oyen erklärt im Interview mit Michael Radunski, welche Fehler beide Seiten gemacht haben. Und was die USA besser machen können.

    Wir wünschen Ihnen einen guten Start in die Woche.

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    Christiane Kühl
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    Warten und Hoffen auf das 3. Plenum: Reformdebatte unter Xi

    Für die Außenwelt ist derzeit völlig unklar, in welchem Umfang noch Debatten innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas stattfinden. Auch Experten können darüber nur spekulieren. Die Ereignisse rund um das bevorstehende 3. Plenum des Zentralkomitees deuten nun darauf hin, dass es in den Rängen unter Machthaber Xi Jinping zumindest wirtschaftspolitisch mehr Uneinigkeit gibt, als es den Anschein hat.

    Fokuspunkt ist die Wirtschaftspolitik. Auf dritten Plenen stellt die Parteiführung traditionell wirtschaftspolitische Weichen. Vor genau zehn Jahren auf dem 3. Plenum 2013 hatte Xi einem Reformprogramm zugestimmt, das er so jedoch aus Kontrollsucht nicht umgesetzt hat. Jetzt wird der Vorwurf laut, er verschenke dadurch Chancen für eine Dynamisierung der Wirtschaft. Denn Chinas Wachstum schwächelt derzeit.

    Der Mythos des 3. Plenums

    Das Zentralkomitee der KP besteht aus 205 der mächtigsten Kader aus dem ganzen Land und ist der Kern der Partei. In der Regel treffen sie sich mindestens einmal im Jahr zu einer Vollversammlung: einem Plenum. Jedes Zentralkomitee besteht für die fünf Jahre zwischen zwei Parteikongressen. Derzeit ist das 20. Zentralkomitee im Amt.

    Den sieben Plenen jedes Zentralkomitees ist jeweils lose eine Bedeutung zugeordnet. Auf dem 3. Plenum geht es traditionell um Wirtschaft. Die Erwartungen für ein wirtschaftliches Reformprogramm sind daher hoch. Es besteht die fast magische Vorstellung, dass ein 3. Plenum mit Marktwirtschaft, Öffnung und der Entfesselung von Kräften verbunden ist. Der Widerspruch zwischen den Erwartungen und der tatsächlichen Politik ist offensichtlich und wird offenbar in China auch diskutiert.

    Indiz 1: Der Caixin-Kommentar

    Ein oberflächliches Anzeichen dafür ist ein Artikel in dem Wirtschaftsportal Caixin, das in etwas abweichenden Fassungen auf Englisch und auf Chinesisch online steht. Xi wird darin indirekt kritisiert, aber der Text steht jetzt schon anderthalb Wochen lang unzensiert im Netz. Die Erwartung wäre eigentlich gewesen, dass so ein Beitrag im System Xi unmöglich wäre oder schnell gelöscht würde.

    Der lange Meinungsartikel bezieht sich vor allem auf das 3. Plenum des ZK im Jahr 2013. Xis Herrschaft war noch jung, und das Zentralkomitee hatte sich in 60 Artikeln vorgenommen, dem Markt eine größere Rolle zu geben.

    Die Plenen der KP Chinas, 3. Plenum, Parteikongress, Parteitag, Zentralkomitee, Politbüro

    Das sind die wichtigsten Punkte des Artikels in Caixin:

    • Es gebe eine “Temperaturdifferenz” zwischen den Reformerwartungen und dem, was in den vergangenen Jahren tatsächlich passiert ist.
    • Angesichts von Überalterung, schwindendem Wachstum und dem schwachen Arbeitsmarkt sind energische Reformen überfällig. Diese Reformen dürfen nicht, wie bisher, “nur auf dem Papier existieren”. Gemeint sind mehr Marktkräfte und Dezentralisierung.
    • Dazu gehören Bürokratieabbau und eine bessere Verteilung von Befugnissen.

    Die Kritik an Xi ist kaum verholen. Eine “Verteilung von Befugnissen” auf mehr Schultern ist das Gegenteil dessen, was passiert. Xi allein ist Vorsitzender all der Kommissionen, in denen sich die Macht mehr und mehr konzentriert.

    Ganz bemerkenswert: In der chinesischen Fassung findet sich das Zitat: “Der Yangzi und der Gelbe Fluss fließen nicht rückwärts 长江黄河不会倒流”. Es stammt von Li Keqiang und bezieht sich auf die Reformen in China. Beiträge auf Sozialmedien mit dem Zitat wurden nach Lis Tod jedoch zensiert, weil die politischen Reformen nun einmal unter Xi zum Stillstand gekommen sind und sogar zurückgedreht wurden. Die Nennung dieses Zitats ist eine offene Provokation gegenüber den Zensoren.

    Indiz 2: Das Timing

    Das 3. Plenum findet häufig im November statt. Nicht diesmal, der halbe Monat ist bereits verstrichen und bisher gibt es noch keine Anzeichen für die Einberufung des Treffens. Offenbar braucht Xi mehr Zeit, um die Abstimmungen in seinem Sinne vorzubereiten.

    Auch das weist zumindest darauf hin, dass nicht alles so glatt läuft, wie es von außen aussieht. Derzeit ist die Rede davon, das Plenum könne im Dezember stattfinden – oder sogar erst im Januar. Die nächste Politbüro-Sitzung, auf der das Plenum einberufen werden könnte, findet Ende November statt.

    Xi will Wachstum, aber auch Kontrolle

    Die Wirtschaftspolitik ist in China ein harter Faktor. Die KP definiert und legitimiert sich bekanntlich über Entwicklung und die Schaffung von Wohlstand. Derzeit befindet sich Chinas Wirtschaft jedoch in einer strukturellen Krise. Ob Xi deshalb Deregulierungen zulässt, ist jedoch fraglich.

    Beispielhaft dafür stehen die Beschlüsse der Finanzarbeitskonferenz von Anfang des Monats. Xi konzentriert darin die Kontrolle über die Finanzwirtschaft auf seine Person. Eine Freigabe von Marktkräften ist nicht zu erkennen.

    Widersprüche der Wirtschaftspolitik unter Xi

    Die möglichen Diskussionen über die künftige Wirtschaftspolitik haben ihre Ursache also vermutlich in einem realen Dilemma zwischen verschiedenen Zielen.

    • Xi will Kontrolle über möglichst viele Aspekte des Staates. Dazu gehört ganz entscheidend die Wirtschaft. Die größte Kontrolle hat er aber in einer Kommandowirtschaft mit einer entscheidenden Rolle für Staatsbetriebe und vielen Regulierungen.
    • Die Anhänger einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik – darunter viele chinesische Ökonomen – suchen den Weg aus der Krise dagegen in Marktkräften. Viele private Akteure entscheiden darin unkoordiniert über die Verwendung von Kapital und die beste Strategie für ihre Geschäfte. Dieses Vorgehen gilt allgemein als effizienter, weil der Staat eben nicht alles wissen kann.

    Marktkräfte gelten zu Unrecht als Wunderwaffe

    Es besteht aber die Gefahr, dass die Anhänger einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik die kurzfristige Wirkung der Entfesselung von Marktkräften überschätzen. Es ist die Erfahrung ihrer Generation, dass auf liberale Reformen wie unter Deng Xiaoping und Zhu Rongji sofort ein Phase des Aufschwungs und unfassbarer Zugewinne an Wohlstand folgte.

    Doch China hatte damals noch viel Entwicklungspotenzial, das leicht gehoben werden konnte. Abläufe und Technologien der entwickelten Länder ließen sich mit großem Effekt übertragen, schließlich war China in der Modernisierung viele Jahrzehnte zu spät dran. Viele Geschäftsmodelle und Branchen waren unbeackert. Wer zuerst kam, machte seinen Weg.

    Dazu kam die Freisetzung von enorm viel Kapital, die 2009 gerade in Zeiten einer weltweiten Wirtschaftsschwäche einen neuen Boom ausgelöst hat. Doch diese Aufputschmittel wirken heute nicht mehr, sie haben sich abgenutzt.

    Xi will kein Strohfeuer

    Einerseits hat die Privatwirtschaft bereits eine tragende Rolle, mehr Eigeninitiative allein wird nicht so viel ändern wie vor 20 oder 40 Jahren. Tatsächlich scheinen viele junge Leute darauf zu warten, dass andere ihnen Arbeitsplätze bereitstellen.

    Andererseits funktioniert das kapitalgetriebene Entwicklungsmodell mit einem Fokus auf Infrastruktur und Bau nur bis zu einem bestimmten Punkt: bis alles fertig gebaut ist, was eine Gesellschaft wirklich braucht.

    Vielleicht will Xi auch deshalb kein neues Wachstum auf Pump, weil er ahnt, dass er diesmal selbst die Konsequenzen tragen muss. Schließlich hat er sich die Macht auf Lebenszeit gesichert. Wenn er ein schuldenfinanziertes Strohfeuer entfacht, muss er selbst später die Asche aufkehren.

    • KP Chinas
    • Wirtschaft
    • Xi Jinping
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    Interview

    “Die USA waren in der Taiwan-Politik unnötig provokativ”

    Die China-Expertin Meredith Oyen blickt im Gespräch mit Michael Radunski durchaus kritisch auf Bidens Taiwan-Politik.
    Redakteur Michael Radunski im Gespräch mit Meredith Oyen von der Universität Maryland.

    Vergangene Woche haben sich Xi Jinping und Joe Biden getroffen; eines der diskutierten Themen waren die Technik-Sanktionen, die Washington gegen China verhängt hat. Versuchen die USA, Chinas Aufstieg zu stoppen?

    Ich bin nicht sicher, ob die USA versuchen, Chinas Aufstieg zu stoppen. Es gibt ein Auf und Ab, inwieweit die Interessen der USA mit denen Chinas übereinstimmen. Wir hatten Phasen, in denen wir in verschiedenen Fragen strategische Partner waren. Dann gab es Zeiten, in denen wir strategische Konkurrenten waren. Jetzt befinden wir uns in einer Phase mit vielen Meinungsverschiedenheiten. Das erweckt wohl den Eindruck, dass wenn die USA Dinge im eigenen Interesse tun, dies möglicherweise gegen China gerichtet sei.

    Also ein falscher Eindruck?

    Es gibt sicherlich Personen in den USA, die es für wichtig erachten, den Aufstieg Chinas zu stoppen. Aber die meisten machen sich Sorgen über konkrete Punkte wie die Belt-and-Road-Initiative oder Chinas Einfluss auf den globalen Süden. Generell glaube ich nicht, dass es eine US-Politik gibt, die besagt: Lasst uns China unten halten.

    Dennoch befinden sich die Beziehungen zwischen den USA und China auf einem Tiefpunkt – und Menschen auf der ganzen Welt sind sehr besorgt.

    Tatsächlich ist es derzeit schwierig, nicht pessimistisch zu sein. Wir erleben einen wirklich starken Abschwung in den Beziehungen. Es ist ein wenig schockierend, wie anders es sich im Vergleich zu den frühen 2000er-Jahren anfühlt. Einige sagen bereits, wir befänden uns in einem neuen Kalten Krieg mit China. Ich teile diese Analogie nicht, weil sie zu sehr vom sowjetisch-amerikanischen Konflikt geprägt ist, und das ist nicht hilfreich.

    Wie groß ist die Gefahr eines militärischen Konflikts?

    Ich glaube nicht, dass die USA und China einen Krieg miteinander führen wollen. Es besteht die Einsicht, dass jeder verlieren würde. Wir haben immer noch Gemeinsamkeiten. Die größte Gefahr ist ein Unfall oder einer eskalierenden Fehlkommunikation.

    In China glaubt so mancher, die Zeit sei reif, um Taiwan “nach Hause” zu holen.

    Es gab schon früher Zeiten erhöhter Gefahr. Wir haben seit den 1950er-Jahren mindestens drei Krisen in der Taiwanstraße erlebt. Aber ja, heute ist die Situation tatsächlich anders. Die Taiwan-Frage hat sich dramatisch zugespitzt. China verfügt inzwischen über ein Militär, das sich teilweise auf Augenhöhe mit den USA befindet und in der Lage ist, einen noch nie dagewesenen Angriff durchzuführen. Dies ist ein Moment, in dem wir nicht einfach davon ausgehen können, dass die USA militärisch derart überlegen sind, dass China es nicht wagen würde.

    Es ist also die Schuld Chinas?

    Überhaupt nicht. Auch die USA tragen eine Mitschuld, da sie eine Reihe von Maßnahmen ergriffen haben, die China im Hinblick auf Taiwan als sehr provokativ empfunden hat. China hat auf diese Provokation wiederum mit eigenen Provokationen reagiert und Dinge getan, die gefährlich sind. Ich denke, dass die USA in manchen Fällen unnötig provokativ waren und ihre Taiwan-Politik unnötig unklar gehalten haben.

    Inwiefern?

    Aus meiner Sicht wollen die meisten Menschen in Taiwan derzeit den Status quo beibehalten und sich nicht zu weit in die eine oder andere Richtung bewegen. An diesem Punkt haben die USA aus meiner Sicht große Verwirrung darüber gestiftet, ob wir von der Ein-China-Politik eventuell abweichen – und das ist nicht sonderlich produktiv.

    Warum?

    China macht sich das zunutze. Wann immer Peking die Massen aufstacheln muss, kann es einfach darauf verweisen, dass die Vereinigten Staaten Taiwan unterstützen. Ich denke, wir könnten eine viel bessere Arbeit leisten, die sofort weniger provokativ wirkt, selbst, wenn wir weiterhin bestimmte Kontakte mit Taiwan haben.

    Xi Jinping sagt, die USA würden China einkreisen und eindämmen. Und tatsächlich sehen wir US-Militärpatrouillen rund um die chinesische Küste und im Südchinesischen Meer. Stellen Sie sich vor, es gäbe so viele chinesische Schiffe vor der US-Küste.

    Das haben wir. Chinesische Schiffe fahren gelegentlich in die Nähe von amerikanisch kontrollierten Gebieten in Alaska. Das passiert also auch umgekehrt. Aber China ist Unterzeichner des UN-Seerechts, welches Schiffsverkehr in internationalen Gewässern erlaubt, ebenso wie “Freedom of Navigation”-Fahrten im Südchinesischen Meer.

    Die USA führen regelmäßig solche “Freedom of Navigation”-Fahrten durch. Mit welchem Ziel?

    Der Grund, warum die Vereinigten Staaten das tun, ist einfach: Die USA sind eines der wenigen Länder, die dazu in der Lage sind. Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer sind nicht unumstritten. Und die USA sind in der Lage, die Idee der freien Schifffahrt zu verteidigen.

    Sie haben eine durchaus kritische Sicht auf die US-Politik. Was könnte denn China tun, um eine weitere Eskalation zu verhindern?

    Es wäre sehr hilfreich, die Anzahl von Beinahe-Unfällen zu reduzieren. Zudem ist ein direkter Dialog zwischen den Militärs nützlich. Auch Chinas Tendenz, in Bezug auf Taiwan mit derart harter Hand zu reagieren, ist nicht hilfreich. Peking könnte einen Schritt zurücktreten – und nicht immerzu eskalieren. So wie es das in der Vergangenheit gab. Doch zuletzt schickte Peking immer mehr Kampfjets über die Mittellinie der Taiwanstraße. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls, der in fatalen Folgen eskalieren könnte.

    Und die USA?

    Da Chinas Wirtschaft große Probleme hat, könnten die USA und China strategische Entscheidungen über Zölle treffen. Es gibt Industrien, die die USA wieder nach Hause holen wollen, was logisch und sinnvoll ist. Aber wir müssen nicht mit einem derart großen Ausmaß an Zöllen weitermachen.

    Einige in China hoffen, dass nach der Wahl wieder ein republikanischer Präsident regiert, der die USA stärker nach innen wendet und China dadurch international mehr Handlungsspielraum erhält. Eine nachvollziehbare Wette?

    Dieses Risiko würde ich nicht eingehen. Die USA könnten sich zwar mit dieser “America First”-Politik tatsächlich wieder stärker nach innen wenden. Aber es besteht auch die Gefahr, dass diejenigen an Einfluss gewinnen, die China für alles verantwortlich machen und China als das Zentrum des Bösen in der Welt sehen.

    Also trotz aller Spannungen ein guter Zeitpunkt, um aufeinander zuzugehen?

    Ich denke, dass wir unter einem demokratischen Präsidenten bessere Chancen haben, die Beziehungen zu stabilisieren. Aber Präsident Biden hat die Situation mit seiner Taiwan-Politik nicht gerade verbessert. Es müsste jemanden innerhalb der Biden-Administration geben, der bereit ist, diese Zweideutigkeiten einzufangen und die Ein-China-Politik nüchtern und klar zu bekräftigen. Ich denke, ohne das wird man keine guten Ergebnisse erzielen.

    Meredith Oyen ist Historikerin mit Schwerpunkt auf den Beziehungen zwischen den USA und China. Oyen forscht als Professorin an der University of Maryland.

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    News

    Muslimische Außenminister reisen zu Gesprächen über Nahost-Konflikt nach Peking

    China wird am Montag und Dienstag mehrere Außenminister arabischer und islamischer Länder empfangen. Bei dem Treffen werde über die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts und die Gewährleistung des Zivilschutzes gesprochen, teilte das Außenministerium am Sonntag mit. Peking positioniert sich damit erneut als Vermittler im Gaza-Krieg, zeigt aber zugleich seine Nähe zu der arabisch-islamischen Seite des Konflikts. Über Kontakte chinesischer Vermittler zu Israel ist weiterhin nichts bekannt.

    Unter anderem werden die Außenminister aus Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten, Indonesien, Palästina und die Generalsekretäre der Arabischen Liga sowie der Organisation für Islamische Zusammenarbeit in Peking erwartet. Anschließend wollen sie in die Hauptstädte der anderen Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats weiterreisen. Es ist ein Zeichen, dass diese Staaten China auf ihrer Seite sehen. Der Außenminister Irans ist soweit bekannt nicht Teil der Delegation. Iran unterstützt die Hamas sowie die Israel-feindliche libanesische Hisbollah-Miliz. Laut Reuters erwägt Iran allerdings keinen direkten Kriegseinstieg. ck

    • Geopolitik

    Keine Einigung zwischen Taiwans KMT und TPP in der Kandidaten-Frage

    Die Opposition aus konservativer Kuomintang (KMT) und der Taiwanischen Volkspartei (TPP) konnten sich am Wochenende nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Januar einigen. Eigentlich hatten beide Parteien auf Grundlage von Umfrageergebnissen und Mitgliederbefragungen eine Einigung erzielen wollen. Auf einer Pressekonferenz wollten sie das Ergebnis bekannt geben. Man habe sich nicht auf das Prozedere einigen können, hieß es zur Begründung für das Scheitern.

    Beide Parteien versicherten, dass sie die Gespräche über die Auswahl eines gemeinsamen Kandidaten fortsetzen werden. Bis Freitag müssen sie ihre Differenzen beigelegt haben, denn dann endet die Anmeldefrist der Kandidaten.

    Der amtierende Vizepräsident William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) will die Nachfolge von Präsidentin Tsai Ing-wen antreten, die nach acht Jahren im Amt nicht mehr zur Wahl antreten darf. Derzeit führt Lai in den Umfragen. Doch wenn sich KMT und die TPP doch noch auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, könnte es für Lai noch knapp werden. Insbesondere die KMT steht für eine China-freundlichere Politik als die DPP. Auch die TPP setzt auf eine dialogorientiertere Politik gegenüber der Volksrepublik. flee

    • Taiwan-Wahlen

    Auf der Guangzhou Auto Show präsentieren sich viele E-Modelle

    Die Marke HiPhi zeigt in Guangzhou ihr “Hypercar” – es hat 1.300 PS und beschleunigt in zwei Sekunden auf 100 km/h.

    In Guangzhou hat am Freitag Chinas zweitgrößte Automesse eröffnet. Insgesamt 1.132 Fahrzeuge präsentieren in- und ausländische Autobauer auf der Guangzhou Auto Show, davon 469 Elektromodelle (NEV). 119 der E-Autos gehören zu ausländischen Marken. Elektroautos setzen also ihren Vormarsch auf dem chinesischen Automarkt fort.

    Im Oktober näherten sich die monatlichen NEV-Verkäufe mit 956.000 Autos der Millionenmarke. Nach Angaben des Autobauerverbandes CAAM lag der Monatsabsatz 34 Prozent höher als im Oktober 2022.

    Diese neuen Modelle zeigten die Marken weltweit erstmals auf der Guangzhou-Messe:

    • Marktführer BYD stellte seine neueste Antwort auf das Tesla Model Y vor. Sie heißt Sea Lion 07 – ein mittelgroßes E-Crossover, entworfen von Designchef Wolfgang Josef Egger, dem ehemaligen Chefdesigner der Audi Group.
    • Geelys Elektroauto-Marke Zeekr präsentierte ihre erste Mittelklasse-E-Limousine für das Volumensegment. Der auf einer 800-Volt-Plattform aufbauende Zeekr 007 soll für einen Preis ab 229.900 Yuan zu haben sein (29.000 Euro). Bisher vertreibt Zeekr drei Premiummodelle.
    • Li Auto stellte einen neuen Van mit sieben Sitzen namens Mega vor. Das Auto verfügt laut Technode über die weltweit schnellste Ladegeschwindigkeit unter allen Elektrofahrzeugen. Es kann mit den Qilin-Batterien der nächsten Generation von CATL bis zu 500 km pro Ladung zurücklegen – bei einer Ladezeit von 12 Minuten. Das Auto kostet stolze 600.000 Yuan (76.000 Euro) und kommt im Februar 2024 auf den Markt.
    • Knapp zwei Drittel dieses Preises (388.000 Yuan/49.000 Euro) ruft VW-Partner Xpeng für seinen neuen Familien-Van mit Namen X9 ab, der im Januar 2024 auf den Markt kommen soll.

    Außerdem zeigte die neue E-Marke HiPhi den Prototypen ihres sogenannten “Hypercar” mit 960 Kilowatt Leistung und neuartiger Technologie, das nach Herstellerangaben in zwei Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen und 300 Kilometer pro Stunde schnell fahren kann. Ab 2025 soll das Gefährt in kleiner Stückzahl vom Band laufen. Hinter HiPhi steckt der Hersteller Human Horizons aus Shanghai. ck

    • Autoindustrie
    • CAAM
    • Elektromobilität

    Deutsche Maschinenbauer pessimistisch

    Nur noch jeder zehnte deutsche Maschinenbauer mit Aktivitäten in China beurteilt seine aktuelle Geschäftslage als gut. Das ergab die aktuelle Konjunkturufrage des Fachverbands VDMA. 43 Prozent beschrieben darin nach einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur ihre Situation als schlecht, 47 Prozent als zufriedenstellend. Im Durchschnitt rechnen die Unternehmen für das laufende Jahr mit stagnierenden Umsätzen. Sie beklagen nicht ausgelastete Kapazitäten und fehlende Aufträge.

    “Das ist die schlechteste Stimmung, die wir seit dem Beginn der Umfrage im Jahr 2016 verzeichnet haben. Das Jahr 2023, eigentlich ein Jahr der Öffnung und Normalisierung, stellt unsere vor Ort ansässigen Unternehmen vor enorme Herausforderungen”, teilte die VDMA-Geschäftsführerin in China, Claudia Barkowsky, mit. Für 2024 erwarten die Firmen demnach allerdings wieder ein durchschnittliches Umsatzwachstum von vier Prozent. Mittel- und langfristig bestehe die Hoffnung, dass China ein Wachstumsmarkt bleibe. ck

    • Konjunktur
    • Maschinenbau

    Alibaba sagt Auslagerung der Cloud-Sparte ab

    Alibaba will seine Cloud-Sparte nicht wie geplant auslagern und separat an die Börse bringen. Grund für die Kehrtwende seien Unsicherheiten aufgrund der US-Exportbeschränkungen für hochmoderne Computerchips, teilte Alibaba mit. Alibaba-Gründer Jack Ma sehe die Lage des Konzerns weiterhin “sehr positiv”, erfuhr die South China Morning Post aus Mas Büro. Der Gründer werde auch künftig Alibaba-Aktien halten.

    Laut CEO Eddie Wu Yongming werde sich die Alibaba Group Holding nun auf drei Prioritäten konzentrieren: Geschäfte mit technologiegetriebenen Internetplattformen und durch künstliche Intelligenz (KI) getriebene Technologien sowie den Aufbau globaler Handelsnetzwerke. Damit wolle man das Wachstum im kommenden Jahrzehnt vorantreiben, sagte Wu in seiner ersten Telefonkonferenz mit Analysten seit den Wechseln an der Konzernspitze im September.

    Die Entscheidung Alibabas sei eine Überraschung, sagte Jon Withaar, Asien-Experte beim Vermögensverwalter Pictet. “Wir fragen uns, ob es hinter den Kulissen Probleme gibt, von denen wir nichts wissen.” Der Börsengang der Cloud-Sparte sollte Teil des größten Umbaus der Firmengeschichte von Alibaba sein. Der Konzern hatte im Frühjahr angekündigt, sich in sechs eigenständige Einheiten aufspalten zu wollen. Alibaba selbst werde künftig als Holding fungieren. Die Cloud-Sparte galt als besonders wertvoll, ihr Börsengang sollte Milliarden einbringen. Das Segment werde nun zwar vorerst nicht an die Börse gehen, aber weiterhin unabhängig arbeiten, betonte Alibaba-Mitgründer Joseph Tsai. ck/rtr

    • Alibaba
    • Technologie

    Presseschau

    Are the U.S. and China on a collision course? Where things stand after the Biden-Xi summit USA TODAY
    A Rare Opportunity to See China’s Leader Up Close and (Sort of) Personal NY TIMES
    For some Uyghur Americans, worries over detained family members loom over Biden-Xi summit NBC NEWS
    Vermittlung im Nahost-Krieg: Muslimische Außenminister reisen nach China – und erst danach in die USA MERKUR
    The Inconvenient Truth of Taiwan’s First Peoples FOREIGN POLICY
    David Cameron’s backing of Beijing-funded development raises questions over business dealings THE GUARDIAN
    Flucht aus China in die USA: Landsmann nimmt illegal Eingewanderte in New Yorker Mietshaus auf FR
    Energiepolitik: China kippt – in die richtige Richtung SPIEGEL
    Southern China leads way with Greater Bay Area climate funding launch pad SCMP
    Containing China’s technology ecosystem will remain a US policy priority LIVEMINT
    Nach dem Crackdown – Die neue Rolle der Digitalwirtschaft in China HEISE
    China’s central bank issues clearing licence to MasterCard’s joint venture CHANNEL NEWS ASIA
    China property crisis: developers in Shanghai offer sweeteners such as deferred down payments, free parking spaces to boost flagging sales SCMP

    Heads

    Gerd Boesken – Taiwans Freund in Hamburg 

    Gerd Boesken ist seit 2007 Präsident des Hamburger Taiwanfreunde-Vereins “Bambusrunde”

    Das erste Mal von Taiwan gehört hat Gerd Boesken ausgerechnet in einem Dominikanerkloster im westfälischen Warburg. Dort begegnete dem damals sechsjährigen Messdiener Gerd über die Jahre immer wieder ein Missionar, der von Taiwan und den “armen Heidenkindern” dort erzählte. Zu Beginn seines Studiums fuhr Boesken dann selbst das erste Mal nach für einen Sprachkurs nach Taiwan. “Ich bin damals in Taiwan, an Taiwan und in Diskussionen mit diesem Missionar erwachsen geworden”, sagt Boesken heute. Die katholische Kirche hat er hinter sich gelassen. Die Begeisterung für Taiwan ist geblieben. Er setzt sie heute als Präsident eines Hamburger Taiwan-Freundeskreises namens “Bambusrunde” fort. 

    Den Hamburger Verein gibt es seit 1969. Die 230 Mitglieder wollen die Beziehungen zwischen Deutschland und Taiwan stärken – kulturell, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Dazu veranstalten sie regelmäßige Treffen mit Parteipolitikern, Senatsmitgliedern und der Taiwan-Vertretung in Berlin. Boesken ist schon seit 16 Jahren Vereinspräsident. “Unsere Mitglieder sind sehr aktiv, sowas wie Karteileichen gibt es bei uns nicht”, sagt er. Das hänge auch mit der Art der Vereinsveranstaltungen zusammen: “Bei uns ist alles sehr persönlich – wir singen und essen sehr gerne zusammen.” Im April sind 13 Mitglieder zusammen nach Taiwan geflogen. 

    In seiner Studienzeit hatte Boesken zu Tempel- und Volkstheatern in Taiwan geforscht. “Als Wissenschaftler, die vielleicht unliebsame Fragen stellen, waren wir in Zeiten des Kriegsrechts dort nicht sonderlich willkommen” erinnert er sich. “In den Volkstheatern hat sich viel Widerstandsenergie Bahn gebrochen. Dass wir uns das genau anschauen, hat damals nicht jedem gefallen.” 

    Taiwan ist weniger Beruf als private Leidenschaft

    Hauptberuflich arbeitet Boesken heute als Übersetzer, Dolmetscher oder Berater für deutsche Firmen, die einen Weg in asiatische Märkte suchen. Taiwan taucht bei seinen Geschäftspartnern allerdings nicht auf. “Mein geschäftlicher Schwerpunkt lag immer außerhalb Taiwans”, sagt der Doktor der Sinologie.

    Mit umso mehr Leidenschaft spricht er von Taiwan und der Insel Formosa: “Als die Bambusrunde vor fast 60 Jahren gegründet wurde, kannte man Taiwan in Deutschland als die wunderschöne Insel, auf der Dosenprodukte für den Toast Hawaii hergestellt wurden.” Seither hat sich viel verändert; Taiwan ist zu einem wichtigen wirtschaftlichen Partner Deutschlands geworden. Die Ampelregierung hat als erste Regierung die Unterstützung Taiwans als gleichgesinnten Partner in den Koalitionsvertrag geschrieben.  

    Boesken wünscht sich allerdings mehr. “Taiwan stellt seit vierzig Jahren regelmäßig einen Antrag, dass es als Beobachter und nicht-stimmberechtigtes Mitglied bei der Weltgesundheitsorganisation WHO sein will – die Volksrepublik unterbindet das”, sagt Boesken. “Wir fordern, dass die deutsche Regierung sich dafür einsetzt, dass Taiwan auch in den Organisationen der UN vertreten ist.” Deutschland solle die Bedeutung des Inselstaats nicht unterschätzen: “Die westliche Staatengemeinschaft ist ja immer auf der Suche nach gleichgesinnten Ländern. Von allen ostasiatischen Staaten ist Taiwan in seiner Haltung am nächsten an Deutschland dran.” Svenja Schlicht

    • Sinologie
    • Taiwan

    Personalien

    Majka Patuzzi ist jetzt bei der Messe München Senior Market Consultant ISPO China. Dabei handelt es sich um den China-Ableger der Fachmesse für Sportartikel und Sportmode. Patuzzi betreut schon seit vielen Jahren Messe-Aktivitäten mit Chinabezug.

    Laura von Baross ist bei dem Chemie- und Pharmahersteller Merck seit September Head of China & International Communications im Bereich Healthcare. Sie hat zuvor Strategiekommunikation für den Bereich Life Science betrieben.

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    Dessert

    Die Wintersportsaison hat begonnen, und damit auch der Eiskunstlauf: Hier zeigen Chinas Peng Cheng und Lei Wang beim Grand Prix im finnischen Espoo ihr Kurzprogramm im Paarlaufen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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