Table.Briefing: China

Deutsche Delegation könnte Rückkehr nach Nordkorea vorbereiten + Japans Erfahrungen mit De-Risking + Litauen wartet auf WTO-Reform

Liebe Leserin, lieber Leser,

zum ersten Mal seit vier Jahren ist eine deutsche Delegation nach Nordkorea gereist. Es ist eine rein technische Reise, um die eigenen Liegenschaften dort in Augenschein zu nehmen – und gleichzeitig eine heikle Mission, wie Michael Radunski analysiert. Kim Jong-un hat in den vergangenen Wochen unter anderem durch Marschflugkörper-Tests und Schießübungen die Situation deutlich verschärft. Experten halten die Lage für so gefährlich wie seit 1950 nicht mehr. Die deutsche Botschaft in Nordkorea ist seit 2020 geschlossen, die diplomatischen Beziehungen aber sind nicht abgebrochen. Gerade in der aktuellen Lage ist nicht zu unterschätzen, was der direkte Kontakt bewirken kann.

Derweil ist Jens Plötner nach Peking gereist, der Außen- und Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er bereitet dort den Besuch des Kanzlers im April vor und kam unter anderem mit Chinas Chefdiplomaten Wang Yi zusammen. Auch bei China gilt es, in regelmäßigem Kontakt zu bleiben.

Außerdem heute im China.Table: Amelie Richter erörtert den Stand der Dinge in Handelsstreit zwischen Litauen und China, und Felix Lill nimmt das Verhältnis zwischen Japan und der Volksrepublik unter die Lupe. In beiden Fällen geht es auch darum, wie abhängig andere Staaten als Handelspartner von Peking sind – und welche Folgen es für sie hat, wenn sie ihre eigenen Spielregeln aufstellen wollen. Zumindest Japan, schreibt Felix Lill, könnte ein Vorbild für westliche Länder sein, wenn es um De-Risking-Strategien geht.

Ihnen einen guten Start in die Wochenmitte wünscht

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Carolyn Braun
Bild von Carolyn  Braun

Analyse

Deutschland erwägt Wiedereröffnung der Botschaft in Nordkorea

Pjöngjang im Winter: Ein deutsches Inspektionsteam des Auswärtigen Amtes ist nach Nordkorea gereist.

Eine deutsche Delegation ist derzeit in Nordkorea, um den Zustand der Botschaft in Pjöngjang zu überprüfen. Das bestätigte das Auswärtige Amt im Gespräch mit Table.Media. “Es handelt sich um eine rein technische Reise, um unsere Liegenschaft in Augenschein zu nehmen”, sagte ein Außenamtssprecher. Die Delegation werde demnach mehrere Tage in der nordkoreanischen Hauptstadt sein und die Räumlichkeiten der deutschen Botschaft genau inspizieren.

Es ist eine durchaus heikle Mission angesichts der aktuellen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat in den vergangenen Wochen durch mehrere Maßnahmen die Situation deutlich verschärft:

  • Nordkorea testete neue “strategische” Marschflugkörper. “Strategisch” ist ein Hinweis darauf, dass sie atomwaffenfähig sein könnten.
  • Es gab Schießübungen in gefährlicher Nähe zur umstrittenen Seegrenze westlich der Halbinsel.
  • Als letztes sichtbares Zeichen ließ Kim auch noch das Wiedervereinigungsdenkmal in der Hauptstadt abreißen.

“Kim Jong-un hat die strategische Entscheidung getroffen, in den Krieg zu ziehen“, urteilen die Nordkorea-Experten Siegfried Hecker und Robert Carlin in einer Analyse für die Fachseite 38 North. Ihr Fazit: Die Lage sei so gefährlich wie seit 1950 nicht mehr.

Erster Besuch seit vier Jahren

Und in genau dieser Lage ist nun eine deutsche Delegation nach Nordkorea gereist. Es scheint der erste Besuch europäischer Mitarbeiter seit rund vier Jahren zu sein – und könnte zu Vorbereitungen einer möglichen Rückkehr deutscher Diplomaten nach Nordkorea dienen. So weit wollte das Auswärtige Amt jedoch nicht gehen: “Es ist weder eine Vorentscheidung für noch gegen eine Wiedereröffnung unserer Botschaft in Pjöngjang.

Aus Sicht von John Everard, dem ehemaligen britischen Botschafter in Nordkorea, stelle der Besuch des deutschen Inspektionsteams einen “echten Fortschritt” dar. “Lange Zeit schien es, als würde die Demokratische Volksrepublik Korea jeden Schritt zur Wiedereröffnung westlicher Botschaften aufhalten”, sagte Everard der Nachrichtenseite NK News. “Das hat sich jetzt geändert.”

Deutsche Botschaft seit März 2020 geschlossen

Der Außenamtssprecher verwies darauf, dass der gegenwärtige Besuch eng abgestimmt sei mit den Partnern Deutschlands, auch mit denen in der Region. Damit könnten Briten, Schweden und Franzosen gemeint sein, deren Angestellte vor der Pandemie auf dem Gelände der deutschen Botschaft arbeiteten.

Die deutsche Botschaft wurde im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen. Zwar wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Nordkorea dadurch nicht abgebrochen. Doch gerade die jüngsten Entwicklungen in Nordkorea zeigen deutlich, wie wichtig es ist, vor Ort präsent und in direktem Kontakt zu sein.

Nordkorea liefert containerweise Munition an Russland

Zudem entwickelt sich Nordkorea zu einem immer wichtigeren Partner Russlands im Ukraine-Krieg. Das südkoreanische Verteidigungsministerium teilte am Montag mit, dass Nordkorea seit Juli rund 6.700 Container mit Millionen Munition nach Russland verschifft habe. Verteidigungsminister Shin Won-sik erklärte, die Container könnten mehr als drei Millionen 152-mm-Artilleriegeschosse oder 500.000 122-mm-Patronen enthalten. Im Gegenzug habe Nordkorea bislang vor allem Lebensmittel erhalten.

Doch dabei wird es wohl nicht bleiben. Je stärker Russland auf nordkoreanische Waffen, Drohnen und Munition setzt, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur Nahrungsmittel von Moskau nach Pjöngjang geliefert werden – sondern auch Waffentechnologie. Es wäre eine gefährliche Verschärfung der ohnehin schon angespannten Lage auf der koreanischen Halbinsel.

Plötner bereitet Scholz-Reise in China vor

So verwundert es nicht, dass Nordkorea auch Thema bei den Gesprächen von Jens Plötner in Peking war – wenn auch wohl nur am Rande. Der Außen- und Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz weilt dieser Tage in China. In der Hauptstadt Peking traf er unter anderem Chinas obersten Außenpolitiker Wang Yi. Der Kanzler plant, für den 15. und 16. April nach China zu reisen; Plötner bereitet vor Ort die Reise vor.

“Ich freue mich auf unser Gespräch über die Lage in der Ukraine nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine”, sagte Plötner vor dem Treffen mit Wang in Peking. Weitere Themen sollen die Lage im Nahen Osten sowie die andauernden Angriffe der Huthi-Miliz im Roten Meer sein. Gerade die beiden großen Exportnationen China und Deutschland sind von diesen Terrorangriffen besonders betroffen. Doch während Deutschland sich zumindest mit der Fregatte “Hessen” militärisch engagiert, hält China sich bislang dezent aus allem heraus.

China stellt klare Forderungen an Deutschland

Die chinesische Seite stellte bei dem Treffen dann klare Forderungen an Deutschland. “Wir müssen an Einigkeit und Zusammenarbeit festhalten, uns der Konfrontation zwischen den Lagern widersetzen, den Protektionismus aufgeben und uns nicht an der ‘Ausgrenzung Chinas’ durch ‘De-Risking’ beteiligen”, forderte Wang nach Angaben des chinesischen Außenamts gegenüber Plötner. Es ist eine klare Absage an die deutschen Pläne, die eigenen Abhängigkeiten von China weiter zu reduzieren.

Plötner bekräftigte seinerseits, dass Deutschland großen Wert auf die Entwicklung der Beziehungen zu China lege. Deutschland wolle den strategischen Dialog mit China stärken und die Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen weiter auszubauen – beispielsweise bei der grünen Transformation und der Bewältigung des Klimawandels, sowie bei der Sicherung des Weltfriedens.

Scholz reist im April nach China

Vor allem hier ist es an der Zeit, dass China seinen vollmundigen Ankündigungen auch Taten folgen lässt – und zeigt, dass es nicht nur rhetorisch eine bessere Alternative zur Weltmacht USA sein kann. Diese Nachricht wird Olaf Scholz dann aber wohl im April persönlich Xi Jinping übermitteln.

Scholz hatte Wang Yi zuletzt am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen. Auch dort ging es um Chinas Rolle im Ukraine-Krieg. Die Volksrepublik ist Russlands engster Partner, auch wenn Peking sich selbst offiziell als neutral bezeichnet.

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Japan setzt gegenüber China schon lange auf De-Risking

Das Misstrauen gegenüber dem aufstrebenden China ist nicht nur in Europa gewachsen. Bei Chinas Nachbarn Japan prägt dieses Gefühl schon länger die wirtschaftlichen Beziehungen. Im Vergleich zu Deutschland und der EU sind die Herausforderungen für Japan ähnlich: Die Abhängigkeit vom Handel mit China ist groß.

Lag der Anteil, den China an Japans Außenhandel ausmachte, im Jahr 2001 noch bei gut zehn Prozent, übertraf er 2022 schon 20 Prozent. Japans wichtigster Handelspartner ist heute China – ähnlich wie für mehrere EU-Länder, zum Beispiel Deutschland. Japan allerdings betreibt schon länger eine Strategie der Risiko-Minimierung: So hat Japans Handelsabhängigkeit von China seit 2020 wieder deutlich abgenommen. Damals lag der Anteil des Warentausches mit China bei knapp einem Viertel des Außenhandels. Nun ist es nur noch ein Fünftel.

Als im November Nato-Vertreter Tokio besuchten, schwärmte David van Weel, Assistant Secretary General for Emerging Security Challenges der Nato: “Japan hat einen entscheidenden Wendepunkt erreicht, was seine nationale Sicherheit angeht.” Van Weel ließ durchblicken: In Japan erkennt er ein Vorbild für den Westen.

Risiko-Minimierung als Grundgedanke des Regierungshandelns

Schon über die vergangenen zehn Jahre hat das Land mehrere Schritte unternommen, um sich weniger verwundbar zu machen. Ein besonderes Merkmal, das der NATO-Vertreter van Weel in der japanischen Strategie erkennt, ist die Verknüpfung von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik: “Wir alle können lernen von diesem regional- und zukunftsorientierten Ansatz”, sagt van Weel. Schon 2013 beschloss der damalige Premierminister Shinzo Abe eine “Nationale Sicherheitsstrategie”, die maßgeblich durch das Aufstreben Chinas geprägt war. Sie diente als Basis dafür, dass die Regierung in ihrem Rat für Nationale Sicherheit auch Stellen schuf, die sich um die ökonomische Dimension von Sicherheit kümmern.

In den Folgejahren schloss Japan Außenhandelsverträge ab, an denen China nicht beteiligt war – zum Beispiel das aus elf Staaten bestehende Trans-Pacific Partnership (TPP) sowie Abkommen mit den USA und der EU. Der seit 2021 regierende Premier Fumio Kishida schuf zudem einen Ministerposten für Ökonomische Sicherheit. Auch entwickelte Japan die Initiative “Freier und offener Indopazifik” weiter: Sie reflektiert die Bemühung, Asiens Staaten durch Infrastrukturinvestitionen und die Betonung der Menschenrechte in der liberalen Einflusssphäre zu halten – als Gegengewicht zu China.

Strategische Rohstoffe aus anderen Quellen

Japans Verhältnis zu China ist kompliziert: Es schließt die Kriegs- und Kolonialvergangenheit ein, Territorialstreitigkeiten – sowie die für Japan schmerzliche Erfahrung, 2010 von China als zweitgrößte Volkswirtschaft überholt worden zu sein. Immer erreichten politische Konflikte dort auch eine deutlich ökonomische Dimension. So etwa 2010, als Japans Regierung eine Inselgruppe von einem japanischen Investor abkaufen wollte, die China als sein Territorium versteht. China – der weltweit größte Förderer seltener Erden – senkte seine Exportquoten drastisch. Heftige Preissprünge waren die Folge. Dieses Vorgehen gilt heute als Exempel, wie China seine Marktmacht bei kritischen Stoffen im Konfliktfall politisch einsetzen kann.

In Japan bemühte man sich fortan, den Abbau seltener Erden anderswo voranzutreiben. Und man lernte generell. Mittlerweile bemüht sich die Regierung ausdrücklich darum, dass China nicht mehr Teil kritischer Lieferketten ist. Dies betrifft insbesondere Forschung bei Halbleitern, Supercomputern und weiteren Hochtechnologieprodukten, aber auch Rohstoffe. Die im Dezember 2022 beschlossene Nationale Sicherheitsstrategie hat das bekräftigt: Japan schloss neue Verträge für seltene Erden mit Vietnam und Australien. Trotzdem kauft Japan allerdings weiterhin zwei Drittel seiner Importe aus China.

Subventionen für alternative Lieferanten

Damit japanische Unternehmen generell ihre Investitionen in China reduzieren, hat die Regierung in Tokio zudem bereits seit 2020 rund 3,3 Milliarden Euro an Subventionen ausgegeben – als Anreize zur Umsiedlung. Mehrere prominente Betriebe sind dem Ruf gefolgt. Ein Beispiel ist der Kamerahersteller Canon, der 2022 eine Fabrik in China schloss, die bis dahin die wichtigste Fertigungsstätte für digitale Kompaktkameras. Tamura, ein Entwickler von Gartengeräten wie Rasenmähern, verlagert nun von China nach Rumänien. Autobauer wie Mazda und Honda haben Ähnliches angekündigt.

Außerdem hat sich die japanische Regierung intensiv darum bemüht, dass sich global führende Hersteller von Halbleitern im Land ansiedeln. Damit der taiwanische Halbleiterproduzent TSMC ein Werk im Südwesten Japans baut, hat die Regierung rund 40 Prozent der Investitionskosten beigesteuert – was rund drei Milliarden Euro entspricht. Nun sind weitere Fabriken für besonders kleine Halbleiter geplant. Denn würde China – wie mehrmals angedroht – Taiwan angreifen, wäre Japan derzeit noch stark betroffen, weil es von Importen aus Taiwan abhängt. Das soll sich ändern.

Unabhängigkeit auf Kosten des Wohlstands

All das kostet viel Geld und damit auch Wohlstand. Akira Igata, Leiter des Zentrums für fortgeschrittene Technologieforschung an der Universität Tokio und Berater der japanischen Regierung in sicherheitspolitischen Fragen, streitet das nicht ab: “Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der wir unser Gift wählen müssen”, sagt er. “Wenn man mehr in Sicherheit investieren will, dann wird man dafür auf etwas Wohlstand verzichten müssen.” Die letzten Jahrzehnte habe Japan – ähnlich wie Europa – von einer “Friedensdividende” profitiert. Aber die Zeit sei vorbei. Felix Lill

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WTO-Konferenz verspricht keine Lösung im Zwist zwischen Litauen und China

Die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Abu Dhabi soll endlich die dringend notwendige Reform bringen. Besonders die Reform des Mechanismus zur Streitschlichtung ist für die EU-China-Beziehungen ein wichtiger Punkt – nicht zuletzt mit Blick auf die wirtschaftliche Erpressung Litauens. Seit das baltische Land Taipeh 2021 erlaubt hatte, in der Hauptstadt Vilnius eine Vertretung mit Namen “Taiwan-Büro” zu eröffnen, brodelt ein Handelsstreit mit China. Und der hat eben inzwischen auch die WTO erreicht.

Dass das baltische Land ein Vorreiter für gelebtes De-Risking sein kann, hat sich bisher nicht bestätigt. Das Verhältnis zwischen dem EU-Staat und China ist weiterhin angespannt. Der Handelszwist hat die Diversifizierung Litauens weg von China zwar beschleunigt. Aberdie Volksrepublik völlig zu ersetzen, ist laut Wirtschaftsvertretern schwer.

Es sei offensichtlich, dass Unternehmen, die zuvor mit China Handel betrieben hätten, ihre alten Kontakte erneuerten, sagt Eglė Stonkutė, Analystin für den litauischen Industriellenverband LPK. Aber: Ganz neue Handelskontakte würden weniger geknüpft. Die Firmen suchten sich andere Märkte, erklärt Stonkutė.

Litauen handelt mit Taiwan als medienwirksamem Ersatz

Der Vorgang, der den WTO-Streitschlichtungsmechanismus beschäftigt, begann im November 2021, als in Litauen das besagte “Taiwan-Büro” eröffnete. Zuvor war Litauen bereits aus dem 17+1-Format ausgestiegen, in dem China mit 17 Staaten in Mittel- und Ost-Europa zusammenarbeiten wollte. Aus diesem Format sind mittlerweile auch andere Länder ausgetreten.

Nach der Einrichtung des “Taiwan-Büros” sahen sich litauische Firmen vor Problemen mit dem chinesischen Zoll – dort war das Land temporär aus dem System gelöscht worden. Der Handel zwischen China und dem Baltenstaat kam fast gänzlich zum Erliegen. Erst nach einiger Zeit konnten litauische Güter wieder den chinesischen Zoll passieren – allerdings gibt es seither weniger Aufträge aus China für die litauischen Unternehmen.

Mit Beginn der Handelsblockade durch China nahm stattdessen der Handel zwischen Litauen und Taiwan zu. Medienwirksam wurde zum Beispiel Bier nach Taiwan statt in die Volksrepublik verschifft. Der Handel mit der Insel sei aber eher gering geblieben, erklärt LPK-Analystin Stonkutė. Als Handelspartner im gesamten internationalen Handel Litauens sei Taiwan nicht wichtig.

Litauische Unternehmen suchen nach Alternativen

Auch der Beginn des Kriegs gegen die Ukraine hatte Einfluss auf den Handel Litauens. Russland war vor dem Ausbruch des Kriegs einer der größten Exportmärkte des Baltenstaats gewesen. Ab Februar 2022 diversifizierten die litauischen Unternehmen ihre Exportmärkte – vor allem nach Kasachstan und in andere Länder dieser Region, wie der Verband LPK erklärt. In Asien suchten die litauischen Unternehmen neue Absatzmärkte in Australien, Singapur, Südkorea und Indien, sagt Stonkutė.

Doch auch die Exporte nach China steigen der Analystin zufolge stetig an. 2022 und 2023 sind laut dem Industriellenverband litauische Waren im Wert von etwas mehr als 100 Millionen Euro nach China exportiert worden. Auf dem Level von vor der Blockade sind sie damit nicht wieder angelangt: Im Jahr 2020 hatten die Exporte in die Volksrepublik noch bei 313 Millionen Euro gelegen.

Für einzelne Unternehmen sei der Handelsrückgang sehr schmerzhaft gewesen, räumt Stonkutė ein. Komplett eingestellt waren die Warenimporte aus Litauen demnach nie. Im Februar 2022 waren sie jedoch auf schlappe 45.000 Euro zurückgegangen.

WTO-Verfahren ist derzeit ausgesetzt

Die EU hatte wegen des Vorgangs Ende 2022 ein Verfahren gegen China bei der WTO eingeleitet. Nach einmaliger Blockade durch die Volksrepublik wurde das Panel im Januar 2023 eingerichtet – bereits mit der Aussicht auf den derzeit blockierten Streitschlichtungsmechanismus. Ein Jahr später, also im Januar 2024, setzte die EU das Verfahren jedoch selbst aus. Die EU-Kommission wolle mehr Beweise für ihren Fall sammeln, heißt es in EU-Kreisen. Durch die Aussetzung will man Zeit gewinnen.

Bei der laufenden Ministerkonferenz erwarten Beobachter kaum Fortschritte für die Reform des WTO-Streitschlichtungsmechanismus – auch weil der federführende Diplomat Marco Molina von seiner Regierung in Guatemala in der vergangenen Woche entlassen wurde.

China hat bisher zwei Dokumente zur WTO-Reform vorgelegt: ein Positionspapier im November 2018 und eines im Mai 2019. Pekings Hauptanliegen ist es, das Streitgremium wieder funktionsfähig zu machen – gleichzeitig würde China kontroverse Themen wie Handelsverzerrungen und Subventionen aber gerne unter den Tisch fallen lassen.

Diplomatische Beziehungen weiterhin unter Botschafter-Ebene

Eine schnelle Beilegung des Litauen-China-Konflikts vor der WTO ist also nicht zu erwarten. Und auch auf diplomatischer Ebene brodelt es weiterhin zwischen den beiden Staaten. China hatte zuletzt auch die Ausstellung von Visa für litauische Staatsbürger ausgesetzt.

Auch die herabgestuften diplomatischen Beziehungen sind unverändert. Die im Handelszwist damals von China ausgewiesene litauische Botschafterin Diana Mickevičienė ist mittlerweile in Indien im Einsatz. Chargé d’affaires ist Mantvydas Bekešius. Die Botschaft in China verweist darauf, dass das Team remote arbeitet.

Außenminister Gabrielius Landsbergis betonte Ende 2023, dass sich der Name des taiwanesischen Repräsentanzbüros in Vilnius nicht ändern werde. Der Rückhalt für den litauischen Ansatz scheint derweil in der Bevölkerung zu sinken: Laut einer Umfrage aus der vergangenen Woche erklärten 47,6 Prozent der Befragten, dass sie sich einen pragmatischeren Umgang mit China wünschen. 21 Prozent sprachen sich dagegen aus, 31,5 waren unentschieden.

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Sinolytics.Radar

Keine Entwarnung trotz Rekordkonsum zum Neujahrsfest

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  • Das diesjährige Frühlingsfest war das erste ganze ohne Einfluss von Covid-19. Die Feiertage im Vorjahr hatten noch unter einer starken Infektionswelle infolge des abrupten Endes der Coronamaßnahmen gelitten.
  • In diesem Jahr unternahmen die Menschen über die Feiertage mehr als 1,8 Milliarden Reisen, was einem Anstieg von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und 24 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019 entspricht. Viele Menschen machten sich vor Beginn der Ferien auf den Weg und/oder kehren nach einem längeren Aufenthalt zurück an den Arbeitsplatz. Die offiziellen Zahlen beziehen sich daher in der Regel auf einen Zeitraum von 40 Tagen und werden für dieses Jahr auf ein Rekordhoch von 9 Milliarden geschätzt.
  • Die zahlreichen Touristenattraktionen des Landes wurden von 474 Millionen Menschen besucht. Der provinzübergreifende Tourismus erfreute sich wachsender Beliebtheit. So verzeichneten die nördlichen Städte wie Harbin und die südlichen Städte wie Sanya einen Zustrom von Besuchern und einen Anstieg des lokalen Konsums von Dienstleistungen. Die Einnahmen aus dem Inlandstourismus stiegen während der Ferienzeit um 47,6 Prozent und übertrafen damit die von 2019.
  • Im Vergleich dazu haben sich die Reisen ins Ausland noch immer nicht auf den Stand von vor der Pandemie erholt, und das obwohl sich die Zahl der Reisenden im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht hat. Zu dem Anstieg bei den Auslandsreisen haben die zahlreichen Visafreiheits-Regelungen erheblich beigetragen.
  • Auch wenn die Konsumdaten ein positives Zeichen für die chinesische Wirtschaft sind, so lassen sie zugleich die Zahlen jenseits der Feiertage besonders düster aussehen. Trotz einiger Lichtblicke während der wichtigeren Feiertage war das Konsumwachstum im vergangenen Jahr allgemein schwach. Laut einem Bericht der China International Capital Corporation (CICC) haben das langsamere Wachstum des verfügbaren Einkommens und die Schwankungen bei den Vermögenspreisen die Kauflust der Menschen gedämpft. Das führte dazu, dass sie ihre “aufgestaute Nachfrage” nur während der Feiertage entfalteten. Zudem liegt der Pro-Kopf-Konsum laut einer Analyse von Goldman Sachs immer noch unter dem Niveau von 2019.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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News

Studie: Chinesische Firmenübernahmen in Europa gehen zurück

Die Zahl chinesischer Firmenübernahmen in Europa ist auf den niedrigsten Stand seit 2012 gesunken. Im Jahr 2023 kauften Investoren aus der Volksrepublik in Europa laut einer neuen Analyse der Unternehmensberatung EY insgesamt 119 Unternehmen. 2022 seien es noch 139 M&A-Transaktionen gewesen, heißt es in der am Dienstag vorgestellten Studie. Auch das Volumen der Transaktionen ging laut EY zurück – von 4,3 auf 2,0 Milliarden US-Dollar. Bei der Mehrzahl der Übernahmen gebe es allerdings keine Angaben zu Kaufpreisen.

Gegenläufig ist der Trend allerdings in Deutschland: Hierzulande stieg die Zahl der chinesischen Übernahmen von 26 auf 28. Trotz der leichten Steigerung spielen chinesische Unternehmen als Käufer in Deutschland nach Angaben der Studie nur eine untergeordnete Rolle: 2023 habe China nur Platz neun im Investoren-Ranking belegt, das von den USA und Großbritannien mit 225 beziehungsweise 113 Transaktionen angeführt werde. Im Rekordjahr 2016 war China mit 68 chinesischen Zukäufen noch der viertwichtigste Investor in Deutschland gewesen.

Umgekehrt aber lag Deutschland aus Sicht Chinas laut EY 2023 an der Spitze: “Sowohl im Industriesektor als auch im Hightech-Bereich engagierten sich chinesische Investoren bevorzugt in Deutschland“, heißt es. Deutschland überholte damit Großbritannien, das die vorangegangenen zwei Jahre die meisten Investitionen angezogen hatte. In Deutschland zählte EY zudem besonders viele Transaktionen in der Gesundheitsbranche, darunter Biotech, Pharma und Medizintechnik. ck

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Geschasste Minister verlieren vor Volkskongress Posten

Die Entfernung der seit dem Sommer 2023 verschwundenen Ministern Qin Gang und Li Shangfu von ihren offiziellen Funktionen geht kurz vor dem Nationalen Volkskongress auf die Zielgerade. Kurz vor Beginn der Plenartagung des Volkskongresses (NVK) hat der seit Juli 2023 nicht mehr gesehene Ex-Außenminster Qin Gang nun seinen Sitz in dem Gremium abgegeben, das auf Geheiß der KP-Spitze Chinas Gesetze und Wirtschaftspläne beschließt. Das entsprechende Statement des Ständigen Ausschusses vom NVK hieß es, dass Qin weder entlassen noch aus dem NVK ausgeschlossen wurde. Doch dass er freiwillig zurückgetreten ist, ist nicht anzunehmen.

Ebenfalls am Dienstag tauchte Ex-Verteidigungsminister Li Shangfu nicht mehr auf der Liste der Teilnehmer einer offiziellen Sitzung der Zentralen Militärkommission (CMC) der Kommunistischen Partei auf. Damit ist sein Aus auch aus dem militärischen Führungsgremium besiegelt.

Es ist üblich, dass in China jedes Gremium gefallene Funktionäre erst dann entfernt, wenn die dafür zuständigen Sitzungen stattfinden. Das erklärt die monatelange, schrittweise Demontage der beiden. Im Sommer 2023 war zuerst Qin plötzlich nicht mehr zu öffentlichen Terminen erschienen. Im Juli wurde der von Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich für das Amt ausgewählte Karrierediplomat nach nur etwa sieben Monaten als Außenminister offiziell abgesetzt. Was zu seinem Sturz führte, ist unklar. Derzeit fungiert sein Vorgänger Wang Yi erneut als Chinas Chef-Diplomat – allerdings auf Interims-Basis. Viele Beobachter erwarten, dass auf dem am Montag beginnenden NVK ein neuer Außenminister präsentiert wird.

Im Spätsommer 2023 dann verschwand dann der ebenfalls von Xi protegierte Ex-Verteidigungsminister Li Shangfu nach nur wenigen Monaten im Amt. Beide fehlten anschließend bei Sitzungen des Politbüros. Li wurde im Oktober 2023 ohne Angabe von Gründen im Oktober durch Marine-Admiral Dong Jun ersetzt. In seinem Umfeld gibt es Ermittlungen gegen Korruption bei der Beschaffung von Waffen und Ausrüstung. Was Li vorgeworfen wird, ist unbekannt. ck

  • Innenpolitik der KP China
  • KP Chinas
  • Qin Gang

Peking weitet Gesetz über Staatsgeheimnisse aus

China wird den Geltungsbereich für die Klassifizierung von “Geheimnissen” erweitern. Dazu hat die Regierung am Dienstag eine Gesetzesänderung verabschiedet, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet. Das überarbeitete Gesetz zum Schutz von Staatsgeheimnissen wurde demnach vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, dem obersten gesetzgebenden Organ, verabschiedet und sofort von Präsident Xi Jinping gebilligt.

Die Website NPC Observer, die von den USA aus die Aktivitäten der chinesischen Legislative beobachtet, hob einige Änderungen hervor, die für Aufsehen gesorgt haben. Unter anderem schreibe das Gesetz offiziellen Stellen vor, auch Angelegenheiten, die technisch gesehen keine Staatsgeheimnisse sind, als “Arbeitsgeheimnisse” zu kennzeichnen – vorausgesetzt, sie könnten die nationale Sicherheit oder das öffentliche Interesse beeinträchtigen, wenn sie durchsickern.

Das Gesetz, das am 1. Mai in Kraft treten soll, steht in einer ganzen Reihe von Gesetzen zur nationalen Sicherheit, die Peking in den letzten Jahren erlassen hat – und dürfte ausländische Unternehmen in China zusätzlich belasten. cyb

  • Nationale Sicherheit
  • Spionage
  • Xinhua

Presseschau

Chinas schwierige Energiewende SÜDDEUTSCHE
China unveils plan to better protect data of industrial firms TECHNOLOGY NEWS CHINA
Bridgestone bows out of truck and bus tires in China NIKKEI.COM
China”s sacked Foreign Minister Qin Gang resigns from Parliament after long absence from public view THE HINDU
Alipay ramps up efforts to monetize huge user base amid fierce competition with WeChat TECHNODE
Oppo plans comeback in Europe after smartphone maker settles its patent disputes with Nokia SCMP
Rare copy of Mao’s Little Red Book expected to fetch more than £30,000 THE GUARDIAN
CAA Signs Margaret Zhang, Departing Vogue China Editor-in-Chief VARIETY
Mexico offers attractive alternative for manufacturers exiting China FREIGHTWAVES
Chinese money still chasing Canadian critical mining deals despite Ottawa”s scrutiny REUTERS
Africa needs China for its digital development – but at what price? THE CONVERSATION
US could lose strategic Pacific islands to China over blocked funding TELEGRAPH
Ozeanien: Tuvalu entscheidet sich gegen Peking SÜDDEUTSCHE

Standpunkt

He Lifeng: Grüne Labels statt grüne Investments

Nora Sausmikat
Nora Sausmikat, Leiterin China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald e.V.
Die habilitierte Sinologin Nora Sausmikat ist Head China Desk bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald.

Investitionen in Infrastruktur gehören zur DNA des chinesischen Entwicklungsmodells. Da liegt es nahe, den Zaren chinesischer Infrastruktur zum Kopf der neuen Finanzaufsicht zu machen. Noch vor dem letzten Nationalen Volkskongress wurde He Lifeng als Parteisekretär der chinesischen Zentralbank verhandelt. Nun leitet er die wieder eingerichtete Finanzaufsicht Central Financial Commission (CFC), die von 1998 bis 2003 Central Financial Work Commission hieß.

Das geht einher mit einer Machtverschiebung in Richtung CFC: Alle bisher auf der Seite des Staatsrates befindlichen Regulierungsbehörden wurden durch die neue Finanzaufsicht entmachtet. Parallel dazu schluckt das ebenfalls neu gegründete Superministerium National Finance Regulatory Authority (NFRA) die alte Regulierungsbehörde CBRIC und soll fortan verantwortlich dafür sein, die Politik des Zentralkomitees, also der CFC, zu implementieren. Insgesamt wird die NFRA künftig Bank- und Versicherungsvermögen in Höhe von 58 Billionen US-Dollar verwalten.

Der neue Finanzaufsichts-Chef He Lifeng löst Liu He ab, den bisher mächtigsten Mann an der Seite Xi Jinpings. He Lifengs Aufgaben: ökonomische Sicherheit herstellen, den Druck aus dem Immobiliensektor herausnehmen, die “grüne Seidenstraße” vorantreiben – aber hinter den Kulissen auch die US-chinesischen Beziehungen. Darauf deutet jedenfalls das Treffen zwischen US-Finanzministerin Janet Yellen und He am Rande des APEC-Gipfels im November 2023 in San Francisco hin.

Wohlstand durch Megaprojekte

He gilt als wagemutig. In der Finanzkrise 2008 war “Chinas Manhattan” sein Brainchild – die Idee, die Wirtschaft durch den Bauboom in Tianjin anzukurbeln. Vor dem Hintergrund des Evergrande-Konkurses stellt sich daher durchaus die Frage, warum und mit welchem Ziel er zum jetzigen Zeitpunkt das Schuldensteuer übernimmt.

In seinem früheren Amt als Kopf der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) stand er für eine lockere Kreditpolitik, vor allem im Bereich Infrastruktur: Wohlstand durch Megaprojekte. Unter seiner Führung wurden 2022 106 Gigawatt neue Kohlekraftkapazität genehmigt. Zum Vergleich: Das entspricht 106 Mal der Leistung des umstrittenen Kohlekraftwerks Datteln IV in Nordrhein-Westfalen.

Für viele dieser Projekte wurden die Genehmigungen im Schnellverfahren erteilt, so dass der Bau innerhalb weniger Monate beginnen konnte. Die neuen Kohlekraftwerke werden die Erreichung der chinesischen Klimaziele erschweren und verteuern. Denn die Eigentümer der Anlagen haben ein Interesse daran, ihr Vermögen zu schützen.

Inzwischen prophezeit ein neuer Bericht von Carbon Brief vom 22. Februar 2024 sogar, die 2023 stark angestiegenen Emissionen würden dazu führen, dass China weit hinter sein Ziel zurückfalle, die Kohlenstoffintensität im 14. Fünfjahresplan (2021-25) um 18 Prozent zu senken. Auch das Ziel, den Anteil der nicht-fossilen Energieträger auf 20 Prozent bis 2025 zu steigern, gerät demnach in weite Ferne.

Die Lösung soll nun in den massiven Investitionen in die grüne Klimawende liegen, und hier vor allem in der Kooperation mit den USA. Finanzministerin Yellen hat sich für eine verstärkte Kooperation im Klimabereich, aber auch erleichterten Marktzugang amerikanischer Unternehmen ausgesprochen.

He leitet auch die US-China Wirtschaftsangelegenheiten

Die Finanzaufsicht direkt unter der Parteiführung und unter der Leitung von He Lifeng lässt die oberste Führungsriege dichter an die amerikanischen und europäischen Finanzminister rücken. Dabei rücken auch die Interessen wieder näher zusammen: Chinesische Firmen sind weltweit führend im Ausbau von Erdgaspipelines, und sowohl die USA als auch Deutschland befinden sich an der Spitze der Export- bzw. Importeure von Flüssiggas.

Auch wenn sich China, wie auf der COP28 in Dubai, gerne als Spitzenreiter der installierten Wind-, Solar-, Wasser- und Biomassenkraft darstellt, wäre es illusorisch zu glauben, dass diese grünen Investitionen den Staat China zu einem weltweiten Führer des Klimaschutzes machen. Dazu wäre der sofortige Stopp von Investitionen chinesischer Staatsfirmen in neue Kohle-, Öl- und Gasprojekte sowie der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung notwendig.

Verschwiegen wird dabei, was unsere Daten zeigen: Chinesische Firmen sind weltweit führend im Ausbau installierter Gaskraftwerkskapazität, in der weltweiten Ausweitung der Kohleförderung sowie im Bau von Öl- und Gaspipelines.

Dennoch ist der Ausblick bedingt positiv. Die weltweite Besuchsdiplomatie, das “Inviting-in” für Investoren, öffnet Türen. Dennoch: Sie wird am innerchinesischen Reformstau und den Machtkämpfen scheitern. Außenministerin Annalena Baerbock etwa hat auf chinesischer Seite gar keinen offiziellen Counterpart. Aber: Finanzkooperation in “grün” gelabelte Investitionen, wie den Ausbau von Gasinfrastruktur, nehmen 2024 dank der chinesischen Initiative zu.

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Personalien

Margaret Zhang verlässt ihre Position als Redaktionsleiterin der Vogue China. Zhang wurde 2021 mit 27 Jahren die jüngste Person, die diese Rolle jemals innehatte. Bereits als Teenagerin in Sydney war sie eine einflussreiche Modebloggerin. Vor ihrem Amtsantritt folgten ihr mehr als eine Million Instagram-Profile.

Kelly Wong, Aktivistin für die Rechte von Immigranten, wurde am Mitte Februar einstimmig von einem Aufsichtsgremium in die Wahlkommission von San Francisco berufen. Wong, die 2019 aus Hongkong zum Studium in die USA kam, soll die erste Nicht-Staatsbürgerin sein, die jemals in der Kommission saß.

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Dessert

Was Dichter zum Verseschmieden inspiriert und den perfekten Hintergrund für Kinderfotos abgibt, ist nebenbei ein solider Wirtschaftszweig in der Volksrepublik: bunte Blumen. Die Blumenindustrie in China hat sich nach der Pandemie erheblich verändert. Offenbar werden heute Blumen nicht mehr vor allem nur an Fest- und Feiertagen, sondern auch “einfach so” gekauft. 2023 ist insbesondere der Verkauf von frischen Schnittblumen angestiegen, Berater sagen diesem Sektor zwischen 2023 und 2029 eine jährliche Wachstumsrate von über zwölf Prozent voraus. Nach einem grauen Winter ist der Frühling uns halt allen lieb und teuer.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    zum ersten Mal seit vier Jahren ist eine deutsche Delegation nach Nordkorea gereist. Es ist eine rein technische Reise, um die eigenen Liegenschaften dort in Augenschein zu nehmen – und gleichzeitig eine heikle Mission, wie Michael Radunski analysiert. Kim Jong-un hat in den vergangenen Wochen unter anderem durch Marschflugkörper-Tests und Schießübungen die Situation deutlich verschärft. Experten halten die Lage für so gefährlich wie seit 1950 nicht mehr. Die deutsche Botschaft in Nordkorea ist seit 2020 geschlossen, die diplomatischen Beziehungen aber sind nicht abgebrochen. Gerade in der aktuellen Lage ist nicht zu unterschätzen, was der direkte Kontakt bewirken kann.

    Derweil ist Jens Plötner nach Peking gereist, der Außen- und Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz. Er bereitet dort den Besuch des Kanzlers im April vor und kam unter anderem mit Chinas Chefdiplomaten Wang Yi zusammen. Auch bei China gilt es, in regelmäßigem Kontakt zu bleiben.

    Außerdem heute im China.Table: Amelie Richter erörtert den Stand der Dinge in Handelsstreit zwischen Litauen und China, und Felix Lill nimmt das Verhältnis zwischen Japan und der Volksrepublik unter die Lupe. In beiden Fällen geht es auch darum, wie abhängig andere Staaten als Handelspartner von Peking sind – und welche Folgen es für sie hat, wenn sie ihre eigenen Spielregeln aufstellen wollen. Zumindest Japan, schreibt Felix Lill, könnte ein Vorbild für westliche Länder sein, wenn es um De-Risking-Strategien geht.

    Ihnen einen guten Start in die Wochenmitte wünscht

    Ihre
    Carolyn Braun
    Bild von Carolyn  Braun

    Analyse

    Deutschland erwägt Wiedereröffnung der Botschaft in Nordkorea

    Pjöngjang im Winter: Ein deutsches Inspektionsteam des Auswärtigen Amtes ist nach Nordkorea gereist.

    Eine deutsche Delegation ist derzeit in Nordkorea, um den Zustand der Botschaft in Pjöngjang zu überprüfen. Das bestätigte das Auswärtige Amt im Gespräch mit Table.Media. “Es handelt sich um eine rein technische Reise, um unsere Liegenschaft in Augenschein zu nehmen”, sagte ein Außenamtssprecher. Die Delegation werde demnach mehrere Tage in der nordkoreanischen Hauptstadt sein und die Räumlichkeiten der deutschen Botschaft genau inspizieren.

    Es ist eine durchaus heikle Mission angesichts der aktuellen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat in den vergangenen Wochen durch mehrere Maßnahmen die Situation deutlich verschärft:

    • Nordkorea testete neue “strategische” Marschflugkörper. “Strategisch” ist ein Hinweis darauf, dass sie atomwaffenfähig sein könnten.
    • Es gab Schießübungen in gefährlicher Nähe zur umstrittenen Seegrenze westlich der Halbinsel.
    • Als letztes sichtbares Zeichen ließ Kim auch noch das Wiedervereinigungsdenkmal in der Hauptstadt abreißen.

    “Kim Jong-un hat die strategische Entscheidung getroffen, in den Krieg zu ziehen“, urteilen die Nordkorea-Experten Siegfried Hecker und Robert Carlin in einer Analyse für die Fachseite 38 North. Ihr Fazit: Die Lage sei so gefährlich wie seit 1950 nicht mehr.

    Erster Besuch seit vier Jahren

    Und in genau dieser Lage ist nun eine deutsche Delegation nach Nordkorea gereist. Es scheint der erste Besuch europäischer Mitarbeiter seit rund vier Jahren zu sein – und könnte zu Vorbereitungen einer möglichen Rückkehr deutscher Diplomaten nach Nordkorea dienen. So weit wollte das Auswärtige Amt jedoch nicht gehen: “Es ist weder eine Vorentscheidung für noch gegen eine Wiedereröffnung unserer Botschaft in Pjöngjang.

    Aus Sicht von John Everard, dem ehemaligen britischen Botschafter in Nordkorea, stelle der Besuch des deutschen Inspektionsteams einen “echten Fortschritt” dar. “Lange Zeit schien es, als würde die Demokratische Volksrepublik Korea jeden Schritt zur Wiedereröffnung westlicher Botschaften aufhalten”, sagte Everard der Nachrichtenseite NK News. “Das hat sich jetzt geändert.”

    Deutsche Botschaft seit März 2020 geschlossen

    Der Außenamtssprecher verwies darauf, dass der gegenwärtige Besuch eng abgestimmt sei mit den Partnern Deutschlands, auch mit denen in der Region. Damit könnten Briten, Schweden und Franzosen gemeint sein, deren Angestellte vor der Pandemie auf dem Gelände der deutschen Botschaft arbeiteten.

    Die deutsche Botschaft wurde im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen. Zwar wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Nordkorea dadurch nicht abgebrochen. Doch gerade die jüngsten Entwicklungen in Nordkorea zeigen deutlich, wie wichtig es ist, vor Ort präsent und in direktem Kontakt zu sein.

    Nordkorea liefert containerweise Munition an Russland

    Zudem entwickelt sich Nordkorea zu einem immer wichtigeren Partner Russlands im Ukraine-Krieg. Das südkoreanische Verteidigungsministerium teilte am Montag mit, dass Nordkorea seit Juli rund 6.700 Container mit Millionen Munition nach Russland verschifft habe. Verteidigungsminister Shin Won-sik erklärte, die Container könnten mehr als drei Millionen 152-mm-Artilleriegeschosse oder 500.000 122-mm-Patronen enthalten. Im Gegenzug habe Nordkorea bislang vor allem Lebensmittel erhalten.

    Doch dabei wird es wohl nicht bleiben. Je stärker Russland auf nordkoreanische Waffen, Drohnen und Munition setzt, desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur Nahrungsmittel von Moskau nach Pjöngjang geliefert werden – sondern auch Waffentechnologie. Es wäre eine gefährliche Verschärfung der ohnehin schon angespannten Lage auf der koreanischen Halbinsel.

    Plötner bereitet Scholz-Reise in China vor

    So verwundert es nicht, dass Nordkorea auch Thema bei den Gesprächen von Jens Plötner in Peking war – wenn auch wohl nur am Rande. Der Außen- und Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz weilt dieser Tage in China. In der Hauptstadt Peking traf er unter anderem Chinas obersten Außenpolitiker Wang Yi. Der Kanzler plant, für den 15. und 16. April nach China zu reisen; Plötner bereitet vor Ort die Reise vor.

    “Ich freue mich auf unser Gespräch über die Lage in der Ukraine nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine”, sagte Plötner vor dem Treffen mit Wang in Peking. Weitere Themen sollen die Lage im Nahen Osten sowie die andauernden Angriffe der Huthi-Miliz im Roten Meer sein. Gerade die beiden großen Exportnationen China und Deutschland sind von diesen Terrorangriffen besonders betroffen. Doch während Deutschland sich zumindest mit der Fregatte “Hessen” militärisch engagiert, hält China sich bislang dezent aus allem heraus.

    China stellt klare Forderungen an Deutschland

    Die chinesische Seite stellte bei dem Treffen dann klare Forderungen an Deutschland. “Wir müssen an Einigkeit und Zusammenarbeit festhalten, uns der Konfrontation zwischen den Lagern widersetzen, den Protektionismus aufgeben und uns nicht an der ‘Ausgrenzung Chinas’ durch ‘De-Risking’ beteiligen”, forderte Wang nach Angaben des chinesischen Außenamts gegenüber Plötner. Es ist eine klare Absage an die deutschen Pläne, die eigenen Abhängigkeiten von China weiter zu reduzieren.

    Plötner bekräftigte seinerseits, dass Deutschland großen Wert auf die Entwicklung der Beziehungen zu China lege. Deutschland wolle den strategischen Dialog mit China stärken und die Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen weiter auszubauen – beispielsweise bei der grünen Transformation und der Bewältigung des Klimawandels, sowie bei der Sicherung des Weltfriedens.

    Scholz reist im April nach China

    Vor allem hier ist es an der Zeit, dass China seinen vollmundigen Ankündigungen auch Taten folgen lässt – und zeigt, dass es nicht nur rhetorisch eine bessere Alternative zur Weltmacht USA sein kann. Diese Nachricht wird Olaf Scholz dann aber wohl im April persönlich Xi Jinping übermitteln.

    Scholz hatte Wang Yi zuletzt am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen. Auch dort ging es um Chinas Rolle im Ukraine-Krieg. Die Volksrepublik ist Russlands engster Partner, auch wenn Peking sich selbst offiziell als neutral bezeichnet.

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    Japan setzt gegenüber China schon lange auf De-Risking

    Das Misstrauen gegenüber dem aufstrebenden China ist nicht nur in Europa gewachsen. Bei Chinas Nachbarn Japan prägt dieses Gefühl schon länger die wirtschaftlichen Beziehungen. Im Vergleich zu Deutschland und der EU sind die Herausforderungen für Japan ähnlich: Die Abhängigkeit vom Handel mit China ist groß.

    Lag der Anteil, den China an Japans Außenhandel ausmachte, im Jahr 2001 noch bei gut zehn Prozent, übertraf er 2022 schon 20 Prozent. Japans wichtigster Handelspartner ist heute China – ähnlich wie für mehrere EU-Länder, zum Beispiel Deutschland. Japan allerdings betreibt schon länger eine Strategie der Risiko-Minimierung: So hat Japans Handelsabhängigkeit von China seit 2020 wieder deutlich abgenommen. Damals lag der Anteil des Warentausches mit China bei knapp einem Viertel des Außenhandels. Nun ist es nur noch ein Fünftel.

    Als im November Nato-Vertreter Tokio besuchten, schwärmte David van Weel, Assistant Secretary General for Emerging Security Challenges der Nato: “Japan hat einen entscheidenden Wendepunkt erreicht, was seine nationale Sicherheit angeht.” Van Weel ließ durchblicken: In Japan erkennt er ein Vorbild für den Westen.

    Risiko-Minimierung als Grundgedanke des Regierungshandelns

    Schon über die vergangenen zehn Jahre hat das Land mehrere Schritte unternommen, um sich weniger verwundbar zu machen. Ein besonderes Merkmal, das der NATO-Vertreter van Weel in der japanischen Strategie erkennt, ist die Verknüpfung von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik: “Wir alle können lernen von diesem regional- und zukunftsorientierten Ansatz”, sagt van Weel. Schon 2013 beschloss der damalige Premierminister Shinzo Abe eine “Nationale Sicherheitsstrategie”, die maßgeblich durch das Aufstreben Chinas geprägt war. Sie diente als Basis dafür, dass die Regierung in ihrem Rat für Nationale Sicherheit auch Stellen schuf, die sich um die ökonomische Dimension von Sicherheit kümmern.

    In den Folgejahren schloss Japan Außenhandelsverträge ab, an denen China nicht beteiligt war – zum Beispiel das aus elf Staaten bestehende Trans-Pacific Partnership (TPP) sowie Abkommen mit den USA und der EU. Der seit 2021 regierende Premier Fumio Kishida schuf zudem einen Ministerposten für Ökonomische Sicherheit. Auch entwickelte Japan die Initiative “Freier und offener Indopazifik” weiter: Sie reflektiert die Bemühung, Asiens Staaten durch Infrastrukturinvestitionen und die Betonung der Menschenrechte in der liberalen Einflusssphäre zu halten – als Gegengewicht zu China.

    Strategische Rohstoffe aus anderen Quellen

    Japans Verhältnis zu China ist kompliziert: Es schließt die Kriegs- und Kolonialvergangenheit ein, Territorialstreitigkeiten – sowie die für Japan schmerzliche Erfahrung, 2010 von China als zweitgrößte Volkswirtschaft überholt worden zu sein. Immer erreichten politische Konflikte dort auch eine deutlich ökonomische Dimension. So etwa 2010, als Japans Regierung eine Inselgruppe von einem japanischen Investor abkaufen wollte, die China als sein Territorium versteht. China – der weltweit größte Förderer seltener Erden – senkte seine Exportquoten drastisch. Heftige Preissprünge waren die Folge. Dieses Vorgehen gilt heute als Exempel, wie China seine Marktmacht bei kritischen Stoffen im Konfliktfall politisch einsetzen kann.

    In Japan bemühte man sich fortan, den Abbau seltener Erden anderswo voranzutreiben. Und man lernte generell. Mittlerweile bemüht sich die Regierung ausdrücklich darum, dass China nicht mehr Teil kritischer Lieferketten ist. Dies betrifft insbesondere Forschung bei Halbleitern, Supercomputern und weiteren Hochtechnologieprodukten, aber auch Rohstoffe. Die im Dezember 2022 beschlossene Nationale Sicherheitsstrategie hat das bekräftigt: Japan schloss neue Verträge für seltene Erden mit Vietnam und Australien. Trotzdem kauft Japan allerdings weiterhin zwei Drittel seiner Importe aus China.

    Subventionen für alternative Lieferanten

    Damit japanische Unternehmen generell ihre Investitionen in China reduzieren, hat die Regierung in Tokio zudem bereits seit 2020 rund 3,3 Milliarden Euro an Subventionen ausgegeben – als Anreize zur Umsiedlung. Mehrere prominente Betriebe sind dem Ruf gefolgt. Ein Beispiel ist der Kamerahersteller Canon, der 2022 eine Fabrik in China schloss, die bis dahin die wichtigste Fertigungsstätte für digitale Kompaktkameras. Tamura, ein Entwickler von Gartengeräten wie Rasenmähern, verlagert nun von China nach Rumänien. Autobauer wie Mazda und Honda haben Ähnliches angekündigt.

    Außerdem hat sich die japanische Regierung intensiv darum bemüht, dass sich global führende Hersteller von Halbleitern im Land ansiedeln. Damit der taiwanische Halbleiterproduzent TSMC ein Werk im Südwesten Japans baut, hat die Regierung rund 40 Prozent der Investitionskosten beigesteuert – was rund drei Milliarden Euro entspricht. Nun sind weitere Fabriken für besonders kleine Halbleiter geplant. Denn würde China – wie mehrmals angedroht – Taiwan angreifen, wäre Japan derzeit noch stark betroffen, weil es von Importen aus Taiwan abhängt. Das soll sich ändern.

    Unabhängigkeit auf Kosten des Wohlstands

    All das kostet viel Geld und damit auch Wohlstand. Akira Igata, Leiter des Zentrums für fortgeschrittene Technologieforschung an der Universität Tokio und Berater der japanischen Regierung in sicherheitspolitischen Fragen, streitet das nicht ab: “Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der wir unser Gift wählen müssen”, sagt er. “Wenn man mehr in Sicherheit investieren will, dann wird man dafür auf etwas Wohlstand verzichten müssen.” Die letzten Jahrzehnte habe Japan – ähnlich wie Europa – von einer “Friedensdividende” profitiert. Aber die Zeit sei vorbei. Felix Lill

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    WTO-Konferenz verspricht keine Lösung im Zwist zwischen Litauen und China

    Die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Abu Dhabi soll endlich die dringend notwendige Reform bringen. Besonders die Reform des Mechanismus zur Streitschlichtung ist für die EU-China-Beziehungen ein wichtiger Punkt – nicht zuletzt mit Blick auf die wirtschaftliche Erpressung Litauens. Seit das baltische Land Taipeh 2021 erlaubt hatte, in der Hauptstadt Vilnius eine Vertretung mit Namen “Taiwan-Büro” zu eröffnen, brodelt ein Handelsstreit mit China. Und der hat eben inzwischen auch die WTO erreicht.

    Dass das baltische Land ein Vorreiter für gelebtes De-Risking sein kann, hat sich bisher nicht bestätigt. Das Verhältnis zwischen dem EU-Staat und China ist weiterhin angespannt. Der Handelszwist hat die Diversifizierung Litauens weg von China zwar beschleunigt. Aberdie Volksrepublik völlig zu ersetzen, ist laut Wirtschaftsvertretern schwer.

    Es sei offensichtlich, dass Unternehmen, die zuvor mit China Handel betrieben hätten, ihre alten Kontakte erneuerten, sagt Eglė Stonkutė, Analystin für den litauischen Industriellenverband LPK. Aber: Ganz neue Handelskontakte würden weniger geknüpft. Die Firmen suchten sich andere Märkte, erklärt Stonkutė.

    Litauen handelt mit Taiwan als medienwirksamem Ersatz

    Der Vorgang, der den WTO-Streitschlichtungsmechanismus beschäftigt, begann im November 2021, als in Litauen das besagte “Taiwan-Büro” eröffnete. Zuvor war Litauen bereits aus dem 17+1-Format ausgestiegen, in dem China mit 17 Staaten in Mittel- und Ost-Europa zusammenarbeiten wollte. Aus diesem Format sind mittlerweile auch andere Länder ausgetreten.

    Nach der Einrichtung des “Taiwan-Büros” sahen sich litauische Firmen vor Problemen mit dem chinesischen Zoll – dort war das Land temporär aus dem System gelöscht worden. Der Handel zwischen China und dem Baltenstaat kam fast gänzlich zum Erliegen. Erst nach einiger Zeit konnten litauische Güter wieder den chinesischen Zoll passieren – allerdings gibt es seither weniger Aufträge aus China für die litauischen Unternehmen.

    Mit Beginn der Handelsblockade durch China nahm stattdessen der Handel zwischen Litauen und Taiwan zu. Medienwirksam wurde zum Beispiel Bier nach Taiwan statt in die Volksrepublik verschifft. Der Handel mit der Insel sei aber eher gering geblieben, erklärt LPK-Analystin Stonkutė. Als Handelspartner im gesamten internationalen Handel Litauens sei Taiwan nicht wichtig.

    Litauische Unternehmen suchen nach Alternativen

    Auch der Beginn des Kriegs gegen die Ukraine hatte Einfluss auf den Handel Litauens. Russland war vor dem Ausbruch des Kriegs einer der größten Exportmärkte des Baltenstaats gewesen. Ab Februar 2022 diversifizierten die litauischen Unternehmen ihre Exportmärkte – vor allem nach Kasachstan und in andere Länder dieser Region, wie der Verband LPK erklärt. In Asien suchten die litauischen Unternehmen neue Absatzmärkte in Australien, Singapur, Südkorea und Indien, sagt Stonkutė.

    Doch auch die Exporte nach China steigen der Analystin zufolge stetig an. 2022 und 2023 sind laut dem Industriellenverband litauische Waren im Wert von etwas mehr als 100 Millionen Euro nach China exportiert worden. Auf dem Level von vor der Blockade sind sie damit nicht wieder angelangt: Im Jahr 2020 hatten die Exporte in die Volksrepublik noch bei 313 Millionen Euro gelegen.

    Für einzelne Unternehmen sei der Handelsrückgang sehr schmerzhaft gewesen, räumt Stonkutė ein. Komplett eingestellt waren die Warenimporte aus Litauen demnach nie. Im Februar 2022 waren sie jedoch auf schlappe 45.000 Euro zurückgegangen.

    WTO-Verfahren ist derzeit ausgesetzt

    Die EU hatte wegen des Vorgangs Ende 2022 ein Verfahren gegen China bei der WTO eingeleitet. Nach einmaliger Blockade durch die Volksrepublik wurde das Panel im Januar 2023 eingerichtet – bereits mit der Aussicht auf den derzeit blockierten Streitschlichtungsmechanismus. Ein Jahr später, also im Januar 2024, setzte die EU das Verfahren jedoch selbst aus. Die EU-Kommission wolle mehr Beweise für ihren Fall sammeln, heißt es in EU-Kreisen. Durch die Aussetzung will man Zeit gewinnen.

    Bei der laufenden Ministerkonferenz erwarten Beobachter kaum Fortschritte für die Reform des WTO-Streitschlichtungsmechanismus – auch weil der federführende Diplomat Marco Molina von seiner Regierung in Guatemala in der vergangenen Woche entlassen wurde.

    China hat bisher zwei Dokumente zur WTO-Reform vorgelegt: ein Positionspapier im November 2018 und eines im Mai 2019. Pekings Hauptanliegen ist es, das Streitgremium wieder funktionsfähig zu machen – gleichzeitig würde China kontroverse Themen wie Handelsverzerrungen und Subventionen aber gerne unter den Tisch fallen lassen.

    Diplomatische Beziehungen weiterhin unter Botschafter-Ebene

    Eine schnelle Beilegung des Litauen-China-Konflikts vor der WTO ist also nicht zu erwarten. Und auch auf diplomatischer Ebene brodelt es weiterhin zwischen den beiden Staaten. China hatte zuletzt auch die Ausstellung von Visa für litauische Staatsbürger ausgesetzt.

    Auch die herabgestuften diplomatischen Beziehungen sind unverändert. Die im Handelszwist damals von China ausgewiesene litauische Botschafterin Diana Mickevičienė ist mittlerweile in Indien im Einsatz. Chargé d’affaires ist Mantvydas Bekešius. Die Botschaft in China verweist darauf, dass das Team remote arbeitet.

    Außenminister Gabrielius Landsbergis betonte Ende 2023, dass sich der Name des taiwanesischen Repräsentanzbüros in Vilnius nicht ändern werde. Der Rückhalt für den litauischen Ansatz scheint derweil in der Bevölkerung zu sinken: Laut einer Umfrage aus der vergangenen Woche erklärten 47,6 Prozent der Befragten, dass sie sich einen pragmatischeren Umgang mit China wünschen. 21 Prozent sprachen sich dagegen aus, 31,5 waren unentschieden.

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    Sinolytics.Radar

    Keine Entwarnung trotz Rekordkonsum zum Neujahrsfest

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    • Das diesjährige Frühlingsfest war das erste ganze ohne Einfluss von Covid-19. Die Feiertage im Vorjahr hatten noch unter einer starken Infektionswelle infolge des abrupten Endes der Coronamaßnahmen gelitten.
    • In diesem Jahr unternahmen die Menschen über die Feiertage mehr als 1,8 Milliarden Reisen, was einem Anstieg von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und 24 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019 entspricht. Viele Menschen machten sich vor Beginn der Ferien auf den Weg und/oder kehren nach einem längeren Aufenthalt zurück an den Arbeitsplatz. Die offiziellen Zahlen beziehen sich daher in der Regel auf einen Zeitraum von 40 Tagen und werden für dieses Jahr auf ein Rekordhoch von 9 Milliarden geschätzt.
    • Die zahlreichen Touristenattraktionen des Landes wurden von 474 Millionen Menschen besucht. Der provinzübergreifende Tourismus erfreute sich wachsender Beliebtheit. So verzeichneten die nördlichen Städte wie Harbin und die südlichen Städte wie Sanya einen Zustrom von Besuchern und einen Anstieg des lokalen Konsums von Dienstleistungen. Die Einnahmen aus dem Inlandstourismus stiegen während der Ferienzeit um 47,6 Prozent und übertrafen damit die von 2019.
    • Im Vergleich dazu haben sich die Reisen ins Ausland noch immer nicht auf den Stand von vor der Pandemie erholt, und das obwohl sich die Zahl der Reisenden im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht hat. Zu dem Anstieg bei den Auslandsreisen haben die zahlreichen Visafreiheits-Regelungen erheblich beigetragen.
    • Auch wenn die Konsumdaten ein positives Zeichen für die chinesische Wirtschaft sind, so lassen sie zugleich die Zahlen jenseits der Feiertage besonders düster aussehen. Trotz einiger Lichtblicke während der wichtigeren Feiertage war das Konsumwachstum im vergangenen Jahr allgemein schwach. Laut einem Bericht der China International Capital Corporation (CICC) haben das langsamere Wachstum des verfügbaren Einkommens und die Schwankungen bei den Vermögenspreisen die Kauflust der Menschen gedämpft. Das führte dazu, dass sie ihre “aufgestaute Nachfrage” nur während der Feiertage entfalteten. Zudem liegt der Pro-Kopf-Konsum laut einer Analyse von Goldman Sachs immer noch unter dem Niveau von 2019.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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    News

    Studie: Chinesische Firmenübernahmen in Europa gehen zurück

    Die Zahl chinesischer Firmenübernahmen in Europa ist auf den niedrigsten Stand seit 2012 gesunken. Im Jahr 2023 kauften Investoren aus der Volksrepublik in Europa laut einer neuen Analyse der Unternehmensberatung EY insgesamt 119 Unternehmen. 2022 seien es noch 139 M&A-Transaktionen gewesen, heißt es in der am Dienstag vorgestellten Studie. Auch das Volumen der Transaktionen ging laut EY zurück – von 4,3 auf 2,0 Milliarden US-Dollar. Bei der Mehrzahl der Übernahmen gebe es allerdings keine Angaben zu Kaufpreisen.

    Gegenläufig ist der Trend allerdings in Deutschland: Hierzulande stieg die Zahl der chinesischen Übernahmen von 26 auf 28. Trotz der leichten Steigerung spielen chinesische Unternehmen als Käufer in Deutschland nach Angaben der Studie nur eine untergeordnete Rolle: 2023 habe China nur Platz neun im Investoren-Ranking belegt, das von den USA und Großbritannien mit 225 beziehungsweise 113 Transaktionen angeführt werde. Im Rekordjahr 2016 war China mit 68 chinesischen Zukäufen noch der viertwichtigste Investor in Deutschland gewesen.

    Umgekehrt aber lag Deutschland aus Sicht Chinas laut EY 2023 an der Spitze: “Sowohl im Industriesektor als auch im Hightech-Bereich engagierten sich chinesische Investoren bevorzugt in Deutschland“, heißt es. Deutschland überholte damit Großbritannien, das die vorangegangenen zwei Jahre die meisten Investitionen angezogen hatte. In Deutschland zählte EY zudem besonders viele Transaktionen in der Gesundheitsbranche, darunter Biotech, Pharma und Medizintechnik. ck

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    Geschasste Minister verlieren vor Volkskongress Posten

    Die Entfernung der seit dem Sommer 2023 verschwundenen Ministern Qin Gang und Li Shangfu von ihren offiziellen Funktionen geht kurz vor dem Nationalen Volkskongress auf die Zielgerade. Kurz vor Beginn der Plenartagung des Volkskongresses (NVK) hat der seit Juli 2023 nicht mehr gesehene Ex-Außenminster Qin Gang nun seinen Sitz in dem Gremium abgegeben, das auf Geheiß der KP-Spitze Chinas Gesetze und Wirtschaftspläne beschließt. Das entsprechende Statement des Ständigen Ausschusses vom NVK hieß es, dass Qin weder entlassen noch aus dem NVK ausgeschlossen wurde. Doch dass er freiwillig zurückgetreten ist, ist nicht anzunehmen.

    Ebenfalls am Dienstag tauchte Ex-Verteidigungsminister Li Shangfu nicht mehr auf der Liste der Teilnehmer einer offiziellen Sitzung der Zentralen Militärkommission (CMC) der Kommunistischen Partei auf. Damit ist sein Aus auch aus dem militärischen Führungsgremium besiegelt.

    Es ist üblich, dass in China jedes Gremium gefallene Funktionäre erst dann entfernt, wenn die dafür zuständigen Sitzungen stattfinden. Das erklärt die monatelange, schrittweise Demontage der beiden. Im Sommer 2023 war zuerst Qin plötzlich nicht mehr zu öffentlichen Terminen erschienen. Im Juli wurde der von Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich für das Amt ausgewählte Karrierediplomat nach nur etwa sieben Monaten als Außenminister offiziell abgesetzt. Was zu seinem Sturz führte, ist unklar. Derzeit fungiert sein Vorgänger Wang Yi erneut als Chinas Chef-Diplomat – allerdings auf Interims-Basis. Viele Beobachter erwarten, dass auf dem am Montag beginnenden NVK ein neuer Außenminister präsentiert wird.

    Im Spätsommer 2023 dann verschwand dann der ebenfalls von Xi protegierte Ex-Verteidigungsminister Li Shangfu nach nur wenigen Monaten im Amt. Beide fehlten anschließend bei Sitzungen des Politbüros. Li wurde im Oktober 2023 ohne Angabe von Gründen im Oktober durch Marine-Admiral Dong Jun ersetzt. In seinem Umfeld gibt es Ermittlungen gegen Korruption bei der Beschaffung von Waffen und Ausrüstung. Was Li vorgeworfen wird, ist unbekannt. ck

    • Innenpolitik der KP China
    • KP Chinas
    • Qin Gang

    Peking weitet Gesetz über Staatsgeheimnisse aus

    China wird den Geltungsbereich für die Klassifizierung von “Geheimnissen” erweitern. Dazu hat die Regierung am Dienstag eine Gesetzesänderung verabschiedet, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet. Das überarbeitete Gesetz zum Schutz von Staatsgeheimnissen wurde demnach vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, dem obersten gesetzgebenden Organ, verabschiedet und sofort von Präsident Xi Jinping gebilligt.

    Die Website NPC Observer, die von den USA aus die Aktivitäten der chinesischen Legislative beobachtet, hob einige Änderungen hervor, die für Aufsehen gesorgt haben. Unter anderem schreibe das Gesetz offiziellen Stellen vor, auch Angelegenheiten, die technisch gesehen keine Staatsgeheimnisse sind, als “Arbeitsgeheimnisse” zu kennzeichnen – vorausgesetzt, sie könnten die nationale Sicherheit oder das öffentliche Interesse beeinträchtigen, wenn sie durchsickern.

    Das Gesetz, das am 1. Mai in Kraft treten soll, steht in einer ganzen Reihe von Gesetzen zur nationalen Sicherheit, die Peking in den letzten Jahren erlassen hat – und dürfte ausländische Unternehmen in China zusätzlich belasten. cyb

    • Nationale Sicherheit
    • Spionage
    • Xinhua

    Presseschau

    Chinas schwierige Energiewende SÜDDEUTSCHE
    China unveils plan to better protect data of industrial firms TECHNOLOGY NEWS CHINA
    Bridgestone bows out of truck and bus tires in China NIKKEI.COM
    China”s sacked Foreign Minister Qin Gang resigns from Parliament after long absence from public view THE HINDU
    Alipay ramps up efforts to monetize huge user base amid fierce competition with WeChat TECHNODE
    Oppo plans comeback in Europe after smartphone maker settles its patent disputes with Nokia SCMP
    Rare copy of Mao’s Little Red Book expected to fetch more than £30,000 THE GUARDIAN
    CAA Signs Margaret Zhang, Departing Vogue China Editor-in-Chief VARIETY
    Mexico offers attractive alternative for manufacturers exiting China FREIGHTWAVES
    Chinese money still chasing Canadian critical mining deals despite Ottawa”s scrutiny REUTERS
    Africa needs China for its digital development – but at what price? THE CONVERSATION
    US could lose strategic Pacific islands to China over blocked funding TELEGRAPH
    Ozeanien: Tuvalu entscheidet sich gegen Peking SÜDDEUTSCHE

    Standpunkt

    He Lifeng: Grüne Labels statt grüne Investments

    Nora Sausmikat
    Nora Sausmikat, Leiterin China Desk der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald e.V.
    Die habilitierte Sinologin Nora Sausmikat ist Head China Desk bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald.

    Investitionen in Infrastruktur gehören zur DNA des chinesischen Entwicklungsmodells. Da liegt es nahe, den Zaren chinesischer Infrastruktur zum Kopf der neuen Finanzaufsicht zu machen. Noch vor dem letzten Nationalen Volkskongress wurde He Lifeng als Parteisekretär der chinesischen Zentralbank verhandelt. Nun leitet er die wieder eingerichtete Finanzaufsicht Central Financial Commission (CFC), die von 1998 bis 2003 Central Financial Work Commission hieß.

    Das geht einher mit einer Machtverschiebung in Richtung CFC: Alle bisher auf der Seite des Staatsrates befindlichen Regulierungsbehörden wurden durch die neue Finanzaufsicht entmachtet. Parallel dazu schluckt das ebenfalls neu gegründete Superministerium National Finance Regulatory Authority (NFRA) die alte Regulierungsbehörde CBRIC und soll fortan verantwortlich dafür sein, die Politik des Zentralkomitees, also der CFC, zu implementieren. Insgesamt wird die NFRA künftig Bank- und Versicherungsvermögen in Höhe von 58 Billionen US-Dollar verwalten.

    Der neue Finanzaufsichts-Chef He Lifeng löst Liu He ab, den bisher mächtigsten Mann an der Seite Xi Jinpings. He Lifengs Aufgaben: ökonomische Sicherheit herstellen, den Druck aus dem Immobiliensektor herausnehmen, die “grüne Seidenstraße” vorantreiben – aber hinter den Kulissen auch die US-chinesischen Beziehungen. Darauf deutet jedenfalls das Treffen zwischen US-Finanzministerin Janet Yellen und He am Rande des APEC-Gipfels im November 2023 in San Francisco hin.

    Wohlstand durch Megaprojekte

    He gilt als wagemutig. In der Finanzkrise 2008 war “Chinas Manhattan” sein Brainchild – die Idee, die Wirtschaft durch den Bauboom in Tianjin anzukurbeln. Vor dem Hintergrund des Evergrande-Konkurses stellt sich daher durchaus die Frage, warum und mit welchem Ziel er zum jetzigen Zeitpunkt das Schuldensteuer übernimmt.

    In seinem früheren Amt als Kopf der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) stand er für eine lockere Kreditpolitik, vor allem im Bereich Infrastruktur: Wohlstand durch Megaprojekte. Unter seiner Führung wurden 2022 106 Gigawatt neue Kohlekraftkapazität genehmigt. Zum Vergleich: Das entspricht 106 Mal der Leistung des umstrittenen Kohlekraftwerks Datteln IV in Nordrhein-Westfalen.

    Für viele dieser Projekte wurden die Genehmigungen im Schnellverfahren erteilt, so dass der Bau innerhalb weniger Monate beginnen konnte. Die neuen Kohlekraftwerke werden die Erreichung der chinesischen Klimaziele erschweren und verteuern. Denn die Eigentümer der Anlagen haben ein Interesse daran, ihr Vermögen zu schützen.

    Inzwischen prophezeit ein neuer Bericht von Carbon Brief vom 22. Februar 2024 sogar, die 2023 stark angestiegenen Emissionen würden dazu führen, dass China weit hinter sein Ziel zurückfalle, die Kohlenstoffintensität im 14. Fünfjahresplan (2021-25) um 18 Prozent zu senken. Auch das Ziel, den Anteil der nicht-fossilen Energieträger auf 20 Prozent bis 2025 zu steigern, gerät demnach in weite Ferne.

    Die Lösung soll nun in den massiven Investitionen in die grüne Klimawende liegen, und hier vor allem in der Kooperation mit den USA. Finanzministerin Yellen hat sich für eine verstärkte Kooperation im Klimabereich, aber auch erleichterten Marktzugang amerikanischer Unternehmen ausgesprochen.

    He leitet auch die US-China Wirtschaftsangelegenheiten

    Die Finanzaufsicht direkt unter der Parteiführung und unter der Leitung von He Lifeng lässt die oberste Führungsriege dichter an die amerikanischen und europäischen Finanzminister rücken. Dabei rücken auch die Interessen wieder näher zusammen: Chinesische Firmen sind weltweit führend im Ausbau von Erdgaspipelines, und sowohl die USA als auch Deutschland befinden sich an der Spitze der Export- bzw. Importeure von Flüssiggas.

    Auch wenn sich China, wie auf der COP28 in Dubai, gerne als Spitzenreiter der installierten Wind-, Solar-, Wasser- und Biomassenkraft darstellt, wäre es illusorisch zu glauben, dass diese grünen Investitionen den Staat China zu einem weltweiten Führer des Klimaschutzes machen. Dazu wäre der sofortige Stopp von Investitionen chinesischer Staatsfirmen in neue Kohle-, Öl- und Gasprojekte sowie der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung notwendig.

    Verschwiegen wird dabei, was unsere Daten zeigen: Chinesische Firmen sind weltweit führend im Ausbau installierter Gaskraftwerkskapazität, in der weltweiten Ausweitung der Kohleförderung sowie im Bau von Öl- und Gaspipelines.

    Dennoch ist der Ausblick bedingt positiv. Die weltweite Besuchsdiplomatie, das “Inviting-in” für Investoren, öffnet Türen. Dennoch: Sie wird am innerchinesischen Reformstau und den Machtkämpfen scheitern. Außenministerin Annalena Baerbock etwa hat auf chinesischer Seite gar keinen offiziellen Counterpart. Aber: Finanzkooperation in “grün” gelabelte Investitionen, wie den Ausbau von Gasinfrastruktur, nehmen 2024 dank der chinesischen Initiative zu.

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    • Kohlekraft

    Personalien

    Margaret Zhang verlässt ihre Position als Redaktionsleiterin der Vogue China. Zhang wurde 2021 mit 27 Jahren die jüngste Person, die diese Rolle jemals innehatte. Bereits als Teenagerin in Sydney war sie eine einflussreiche Modebloggerin. Vor ihrem Amtsantritt folgten ihr mehr als eine Million Instagram-Profile.

    Kelly Wong, Aktivistin für die Rechte von Immigranten, wurde am Mitte Februar einstimmig von einem Aufsichtsgremium in die Wahlkommission von San Francisco berufen. Wong, die 2019 aus Hongkong zum Studium in die USA kam, soll die erste Nicht-Staatsbürgerin sein, die jemals in der Kommission saß.

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    Dessert

    Was Dichter zum Verseschmieden inspiriert und den perfekten Hintergrund für Kinderfotos abgibt, ist nebenbei ein solider Wirtschaftszweig in der Volksrepublik: bunte Blumen. Die Blumenindustrie in China hat sich nach der Pandemie erheblich verändert. Offenbar werden heute Blumen nicht mehr vor allem nur an Fest- und Feiertagen, sondern auch “einfach so” gekauft. 2023 ist insbesondere der Verkauf von frischen Schnittblumen angestiegen, Berater sagen diesem Sektor zwischen 2023 und 2029 eine jährliche Wachstumsrate von über zwölf Prozent voraus. Nach einem grauen Winter ist der Frühling uns halt allen lieb und teuer.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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