wo steckt Außenminister Qin Gang? Diese Frage kann uns Desmond Shum zwar auch nicht im Detail beantworten. Er kennt sich mit dem Thema verschwindender Kader aber aus. Shum pflegte als Geschäftsmann engen Kontakt mit der Führung der KP, fiel aber in Ungnade und lebt heute in Großbritannien. Er ist Autor des Buchs “Chinesisches Roulette” über die Welt kommunistischer Milliardäre.
Fabian Peltsch hat Shum zum Fall des verschwundenen Außenministers befragt – und dabei erfahren, dass Shums Ex-Frau wieder frei ist. Auch sie war verschwunden und wurde ohne Prozess für vier Jahre an einem geheimen Ort festgehalten. Für den heutigen Dienstag ist übrigens eine Sondersitzung des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses angesetzt. Vielleicht erfährt die Öffentlichkeit dann mehr über Qins Verbleib.
Die ersten Demonstrationen chinesische Alternativen zu ChatGPT enttäuschten eher. Davon sollten wir uns aber nicht täuschen lassen, schreibt Jörn Petring zum Auftakt unserer Serie zu Künstlicher Intelligenz. Chinas Tech-Milliardäre überbieten sich mit Investitionen in neue Anwendungen. Zwar bremst wegen der US-Sanktionen weiter der Mangel an Hochleistungschips. Es ist jedoch angesichts der hohen staatlichen und privaten Anstrengungen nur eine Frage der Zeit, bis China nachzieht.
Elon Musk hat Twitter in X umbenannt und den Vogel aus dem Logo entfernt. Er will Twitter zum westlichen Wechat machen. Frank Sieren hat sich vor gut einem Jahr bereits angesehen, was davon zu halten ist. Inzwischen hat sich allerdings herauskristallisiert, dass diese Pläne etwas hoch gegriffen sind. Während Wechat in China wegen der Technikkontrolle in einen leeren Markt vorgestoßen ist, müsste “X” es je nach Anwendungsfall mit Whatsapp, Paypal, Teams, Facebook und so weiter aufnehmen. Eine Super-App lässt sich heute nicht so einfach neu aufbauen.
Die Familie der Table-Produkte wächst derweil weiter. Dienstagfrüh erscheint erstmals der Agrifood.Table, der sich mit Landwirtschaft und Ernährung beschäftigt. Die Kolleginnen und Kollegen berichten über die Agrar- und Ernährungspolitik auf nationaler und europäischer Ebene und analysieren die Entwicklungen für alle, die in Politik, Unternehmen oder Verwaltungen im Agrar- und Lebensmittelsektor entscheiden müssen. Klicken Sie hier für einen kostenlosen Test!
Ihre Ex-Frau Duan Weihong war einst eine der reichsten Frauen Chinas. Bis zu ihrem plötzlichen Verschwinden im Jahr 2017 stand sie in engem Kontakt mit hochrangigen Kadern der Regierung unter Hu Jintao und Wen Jiabao. In Ihrem Buch “Chinesisches Roulette” beschreiben Sie eindringlich die Korruption und Intransparenz eines Systems, in dem selbst die Mächtigsten plötzlich verschwinden können, so wie jetzt, als bisher prominentester Fall, Außenminister Qin Gang. Da Sie den Apparat von innen kennen: Was glauben Sie, ist mit ihm passiert?
Sein Verschwinden kann alle möglichen Ursachen haben. So ist das in einem Regime wie China oder Russland. Entscheidungen werden im Geheimen getroffen, es gibt keine Transparenz und keinen offenen Prozess, von Qins schnellem Aufstieg bis zu seinem Sturz vergangene Woche. Jeder versucht nun, den Kaffeesatz zu lesen, allen voran die Bürokraten der Kommunistischen Partei Chinas selbst.
Welches Signal sendet das plötzliche Verschwinden des chinesischen Außenministers an die Welt?
Von außen betrachtet, sieht die Situation schrecklich aus, vor allem was Xi Jinping angeht. Er wirkt unentschlossen und inkompetent im Umgang mit der ganzen Situation. Man sollte meinen, dass jeder Regierungschef eine Storyline vorbereiten, einen Nachfolger ernennen oder ihn wieder auftauchen lassen würde, und das in schneller Abfolge. Jede Ausführung ist besser als das wochenlange Verschwinden eines Außenministers, der sich weigert, Fragen zu seinem Verbleib zu beantworten und die ganze Welt in Atem hält. Dies zeigt, in welchem Zustand sich China derzeit befindet. Es ist ein abnormaler Zustand, ein unberechenbarer Zustand.
Und welche Botschaft vermittelt sein Verschwinden nach innen?
Für die Bürokraten des Systems beweist der Fall, dass niemand sicher ist. Qin war ja angeblich ein persönlicher Liebling von Xi. Zudem könnte die ganze Affäre jetzt die gesamte Parteibürokratie lähmen, insbesondere die des Außenministeriums. Wenn der Platzhirsch des Staates verschwindet, erstarren alle in der Organisation. Denn niemand weiß, warum die betreffende Person entführt wurde. Man ist sich in der Folge nicht sicher, wie der neue Nachfolger oder Qin selbst, wenn er wieder auftaucht, auf die eigenen Handlungen und Entscheidungen reagieren wird. Wenn Sie in diesem Ministerium arbeiten, wissen Sie nicht, wem Sie jetzt noch trauen können oder mit wem Sie noch sicher zusammenarbeiten können. Das hat wiederum zur Folge, dass außer den alltäglichsten Vorgängen nichts mehr erledigt werden kann.
Sie sind Qin Gang mehrmals begegnet, als Sie noch selbst den Eliten Pekings nahestanden. Was war Ihr Eindruck von ihm?
Ich habe mit vielen Bürokraten im Außenministerium zusammengearbeitet. Und auch Qin Gang habe ich im Laufe der Jahre bei mehreren Gelegenheiten getroffen. Er ist sympathischer, internationaler und auch ein besserer Kommunikator als die meisten anderen Bürokraten um ihn herum. Aber Xi hat bei Qins Beförderungen Protokolle ignoriert und übergangen. Die Mitarbeiter des Außenministeriums verfolgen in der Regel einen ganz spezifischen Karriereweg. Sie haben meistens einen Abschluss von einer von drei bestimmten Schulen in Peking, oft mit dem Schwerpunkt Sprache. Sie landen nach ihrem Abschluss im Außenministerium und arbeiten dort geduldig an ihrer Karriere, indem sie in den Rängen aufsteigen. Qin hat mit seinem Aufstieg in den vergangenen Jahren vieles übersprungen und andere überholt. Viele Generaldirektoren und Vizeminister im Außenministerium könnten darüber neidisch und wütend gewesen sein. Jemandem plötzlich in den Rücken zu fallen, ist in der Parteibürokratie gang und gäbe.
Ihre Ex-Frau hatte sich offenbar ebenfalls Feinde auf höchster Ebene gemacht. Kurz vor der Veröffentlichung Ihres Buches über ihre Geschichte meldete sie sich plötzlich zum ersten Mal seit Jahren bei Ihnen. Von einem unbekannten Ort aus forderte sie am Telefon, dass sie die Veröffentlichung des Buchs um Ihres Sohnes willen zu überdenken. Was ist seither passiert, haben Sie wieder von ihr gehört?
Sie wurde tatsächlich entlassen, nicht lange, nachdem mein Buch herauskam. Sie spricht ab und zu mit unserem Sohn am Telefon. Aber sie kann nicht wirklich über ihre Erfahrungen sprechen. Man kann davon ausgehen, dass jeder Anruf überwacht wird. Sie passt genau auf, was sie sagt. Man stelle sich das vor: Vier Jahre in Isolationshaft. Vier Wochen wären schon hart. Menschen, die das durchmachen, sind für ihr Leben gezeichnet. Und sie kann China nicht verlassen, um unseren Sohn hier im Vereinigten Königreich zu treffen. Und wir können sie auch nicht in China besuchen. Sonst laufen wir Gefahr, ebenfalls zu verschwinden.
Hat sie Ihnen beschrieben, wo und unter welchen Bedingungen sie in diesen Jahren festgehalten wurde?
Nein. Aber sie hat keine Sonderbehandlung erhalten. Normalerweise nutzen die Behörden in solchen Fällen ein ganzes Gebäude wie ein Drei-Sterne-Hotel und bauen jedes Zimmer in eine Zelle um. Die Zimmer sind gepolstert, sodass man sich nicht umbringen kann. In jeder Ecke gibt es Kameras. Man wird rund um die Uhr überwacht, auch auf dem Klo. Man wird ständig verhört. Man muss Geständnisse schreiben. Sie lassen dich Xi-Jinping-Gedanken studieren. Das ist die übliche Praxis.
Peking kümmert sich dabei offenbar nicht um die Außenwirkung. Im Innern werden Berichte und Online-Spekulationen über die Verschwundenen zensiert. Betrachtet die Führung Verhaftungen unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung weiterhin als bewährte Strategie, um bestimmte Menschen in die Schranken zu weisen oder ist das System irgendwann außer Kontrolle geraten?
In dieser Art von Regime ist alles unvorhersehbar. Wer hätte vor vier Monaten gedacht, dass der Außenminister verschwinden könnte? Aber diese Unberechenbarkeit ist in vielerlei Hinsicht gewollt. So macht man den Menschen Angst. Auf diese Weise reguliert sich eine Diktatur selbst. Das Anti-Korruptions-Ministerium wurde in den 50er-Jahren eingerichtet. Damals wurden bereits Zehntausende verhaftet, mit einem viel, viel kleineren Bürokratieapparat. Wenn man sich mit der chinesischen Geschichte beschäftigt, stellt man fest, dass sich Dinge wie Anti-Korruptionskampagnen wiederholen. Ohne unabhängige Justiz, ohne freie Presse werden sie immer wiederkommen.
Haben Sie Angst, dass China dieses Modell exportieren könnte, wenn das Land zu einer noch einflussreicheren Weltmacht wird?
Nein. Denn ich glaube, dass China seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. Von jetzt an geht es nur noch abwärts, die Frage ist nur, mit welchem Tempo. China wird nie die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Das Wirtschaftsmodell ist fehlerhaft. Seit 2008 wurden in jeden Sektor finanzielle Stimulus-Pakete gepumpt, sei es in den Konsum, in die Produktion, den Immobiliensektor oder in das Finanzwesen. Solche Anreize lösen aber das Problem nicht. Man muss das Modell ändern. Die Machtstruktur. Man muss den Menschen, den Verbrauchern, mehr Macht geben. Aber die Partei ist nicht bereit, das zu tun. Denn das würde ihnen die Macht entreißen.
Desmond Shum 沈棟 wurde 1968 in Shanghai geboren und wuchs in Hongkong auf. Als Geschäftsmann und Immobilienexperte entwickelte er viele prestigeträchtige Projekte in China. Er war mit Whitney Duan verheiratet, einst eine der reichsten Geschäftsfrauen Chinas, mit der er einen Sohn hat. Duan hatte mit Immobiliengeschäften ein Milliardenvermögen angehäuft. Sie wurde 2017 inhaftiert, möglicherweise im Zusammenhang mit einer Anti-Korruptionsuntersuchung gegen ihren engen Geschäftspartner Sun Zhengcai. Shum veröffentlichte ein Buch über ihre Geschichte und seine Erfahrungen innerhalb der politischen Eliten Pekings. “Chinesisches Roulette” wurde im Jahr 2021 veröffentlicht und erschien ein Jahr später auch auf Deutsch. Shum lebt heute mit seinem Sohn im Vereinigten Königreich.
Nach ihrem Fehlstart wollen chinesische Firmen im Rennen um KI-Sprachmodelle wie ChatGPT so schnell wie möglich verlorenen Boden gut machen. Der chinesische Internetkonzern Baidu gab gerade bekannt, seinen Ernie Bot bereits deutlich verbessert zu haben.
Ende Juni verwies das Unternehmen auf einen Test der staatlichen Zeitung China Science Daily, wonach die aktuelle Version von Ernie dem Branchenprimus ChatGPT nun sogar in einigen Fähigkeiten überlegen sei. Nur drei Monate nach der Veröffentlichung der ersten Version von Ernie Bot seien “erhebliche Verbesserungen” erreicht worden, sagte Baidus Technologiechef Haifeng Wang laut einer Mitteilung.
Die Behauptungen sind zwar schwer zu überprüfen. Aber auch in Chinas sozialen Medien hat sich der Ton in letzter Zeit geändert. Machte sich das chinesische Internet im März nach dem missglückten Start des ersten chinesischen KI-Sprachmodells noch über Ernies Fähigkeiten lustig, scheinen die Tester nun zunehmend zufrieden mit dem Produkt zu sein.
Klar ist auch, dass chinesische Unternehmen durch den Hype um ChatGPT wachgerüttelt wurden. Die chinesische Tech-Branche spricht von einem neuen “iPhone-Moment”. Niemand will es versäumen, dabei zu sein, wenn KI-Sprachmodelle in immer mehr Bereiche des Alltags und der Arbeitswelt vordringen.
Die Branche spricht von einem “Wettrennen” chinesischer Tech-Milliardäre. Sie seien “besessen” davon, den US-Giganten Google, Microsoft und Amazon in Sachen künstlicher Intelligenz Paroli zu bieten. “Wir haben alle den Knall der Startpistole gehört”, zitiert der Finanzdienst Wang Xiaochuan, der einst seine Suchmaschine Sogou an Tencent verkaufte und nun mit seinem Start-up A Hundred Rivers ebenfalls an einem KI-Sprachmodell arbeitet. “China liegt immer noch drei Jahre hinter den USA zurück, aber vielleicht brauchen wir keine drei Jahre, um aufzuholen”, meint Wang.
Von den großen chinesischen Technologieunternehmen haben neben Baidu bereits Alibaba und SenseTime, das bisher vor allem für seine intelligente Gesichtserkennung bekannt ist, eigene Sprachmodelle vorgestellt. Doch eine Vielzahl weiterer Investoren drängt derzeit in die Branche.
Dazu gehören Wang Changhu, ehemaliger Direktor des KI-Labors von ByteDance, Zhou Bowen, ehemaliger Präsident der KI- und Cloud-Computing-Abteilung von JD.com, Meituan-Mitbegründer Wang Huiwen und der Risikokapitalgeber Kai-fu Lee. Schätzungen zufolge arbeiten rund 50 Start-ups in China an eigenen KI-Sprachmodellen.
Die Unternehmen verfügen nicht nur über reichlich Kapital, sondern können sich auch der Unterstützung Pekings sicher sein. Denn dort hat die Führung erkannt, dass die Entwicklung eigener KI-Sprachmodelle von großer Bedeutung für die eigene Wirtschaft ist. Vor allem vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA. Washington versucht bereits jetzt, Chinas Fortschritt zu bremsen.
Aufgrund der von den USA verhängten Beschränkungen stehen den KI-Firmen in China noch immer nicht genügend leistungsfähige Chips zur Verfügung. Ihre rechenintensiven Modelle kommen deshalb nur langsam vor. Der Nvidia-Prozessor A100 und dessen Nachfolger H100, die in der Branche als Goldstandard gelten, darf der US-Konzern schon jetzt nicht nach China verkaufen.
Zwar konnte Nvidia bisher eine abgespeckte Version, den A800, in der Volksrepublik anbieten. Doch auch dieser Chip könnte bald unter das verschärfte US-Verbot fallen.
Eine Woche nach Russlands Stopp des Getreideabkommens hat der russische Präsident Wladimir Putin erklärt, Russland sei bereit, ukrainische Getreidelieferungen zu ersetzen. Sein Land sei in der Lage, “ukrainisches Getreide sowohl auf kommerzieller als auch auf unentgeltlicher Grundlage zu ersetzen, zumal wir in diesem Jahr eine weitere Rekordernte erwarten”, schrieb Putin auf der Website des Kreml. Russland hatte das internationale Getreideabkommen vor einer Woche auslaufen lassen.
Die Vereinten Nationen, aber auch China, kritisierten Putin für das Aussetzen des Abkommens. Sie befürchten Hungersnöte, insbesondere in Afrika. Die Führung in Peking forderte Putin explizit auf, die Ausfuhren ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer wieder zuzulassen.
Putin entgegnete in seinem Schreiben, der vor einem Jahr vereinbarte Export-Korridor habe seine humanitäre Bedeutung verloren. Von den insgesamt knapp 33 Millionen Tonnen durch das Abkommen exportiertem Getreide sei der Großteil in Länder mit hohem und oberem mittlerem Einkommensniveau gegangen. Der Getreidedeal sei so in Wirklichkeit “schamlos ausschließlich zur Bereicherung großer amerikanischer und europäischer Unternehmen genutzt worden, die Getreide aus der Ukraine exportierten und weiterverkauften”, behauptete Putin kurz vor dem bevorstehenden Russland-Afrika-Gipfel, der am Donnerstag in St. Petersburg beginnen soll.
Die Ukraine ist zwar in der Tat für China der drittgrößte Getreidelieferant nach den USA und Australien. Doch bleiben die Lieferungen aus der Ukraine aus, würden die wohlhabenden Staaten Getreide aus anderen Teilen der Welt bestellen, die Preise auf dem Weltmarkt würden in die Höhe schießen. Und das beträfe allem die armen Staaten dann wiederum besonders hart. flee
Die Kommunistische Partei hat sich für moderate Konjunkturmaßnahmen entschieden. Die Lage am Immobilienmarkt werde “zu gegebener Zeit” optimiert und angepasst, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag nach einer Sitzung des Politbüros. Große Sorge bereite der Führung auch die Verschuldung der Gebietskörperschaften. Der Arbeitsmarkt soll stabilisiert werden. Die Politbüro-Sitzung fand unter Vorsitz von Parteichef Xi Jinping statt.
Besondere Förderung sollen der Mitteilung zufolge die Erforschung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz und die Plattformökonomie erhalten. Die Anleger sollen den Plänen zufolge wieder Vertrauen in die chinesischen Märkte fassen. Die Entwicklungs- und Reformkommission NDRC hat zeitgleich bekannt gegeben, private Investitionen anregen zu wollen. Details wie Fördersummen wurden generell nicht genannt.
Die Konjunktur kommt derzeit wegen mehreren, sich überlagernden Problemen nicht in Gang. Ökonomen hatten gerätselt, ob jetzt ein ganz großes Konjunkturpaket kommt wie 2008, als Peking eine halbe Milliarde Euro mobilisiert hat. Doch die Volkswirtschaft ist heute viel größer als damals – selbst eine so hohe Summe würde nicht mehr so viel bewirken. Das Politbüro setzt daher mehr darauf, die Eigendynamik der Wirtschaft zu stärken. fin
Politische Spannungen um China lassen den niederländischen Medizintechnikhersteller Philips mit Skepsis auf die Geschäftsentwicklung rund um die Volksrepublik schauen. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen den USA und China sowie der Europäischen Union und der Volksrepublik bereite ebenso Sorge wie Versuche Chinas, bei kritischen Technologien wie etwa der Medizintechnik selbstständiger zu werden, teilte Philips am Montag in seinem Bericht für das zweite Quartal mit. Die USA, die EU und China stehen für rund zwei Drittel der Umsätze des Konzerns.
Dabei steigerte der Konzern von April bis Juni den bereinigten operativen Ertrag (Ebita) auf 453 Millionen Euro und damit stärker als erwartet. Der Umsatz legte um rund neun Prozent auf 4,5 Milliarden Euro zu. Für das Gesamtjahr erwartet Philips nun ein Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozent-Bereich – zuvor hatten die Niederländer noch ein Wachstum in unteren einstelligen Prozent-Bereich erwartet. Auch bei der bereinigten Ebita-Marge ist Philips optimistischer.
Philips-Aktien gaben dennoch zeitweise mehr als sieben Prozent nach. ING-Analysten schrieben etwa, der Ausblick erscheine angesichts des Ergebnisses des ersten Halbjahres nicht sehr ehrgeizig. rtr
Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen holt die vor allem als Apple-Zulieferer bekannte taiwanische Firma Foxconn als Miteigentümerin für seine Achsmontage-Sparte ins Boot. Der unter dem Namen Hon Hai Technology firmierende Konzern werde 50 Prozent an ZF Chassis Modules übernehmen, teilten die beiden Unternehmen mit.
ZF hatte seit längeren einen Partner für das margenschwache Geschäft mit 3.300 Mitarbeitern gesucht, das im laufenden Jahr mehr als vier Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften soll. Die ZF Chassis Modules GmbH werde dabei mit rund einer Milliarde Euro bewertet. Foxconn dürfte also rund 500 Millionen Euro zahlen. Mit dem Geld will ZF seine Schuldenlast senken.
Elektromobilität gehört zu den erklärten Entwicklungsfeldern von Foxconn. ZF Chassis Modules fügt, meist direkt neben oder in der Nähe von großen Werken der Autobauer in Ländern wie China, Südafrika oder Mexiko, Achs-Komponenten mit anderen Bauteilen wie Bremsen und ganzen Antriebssystemen zusammen und liefert diese zeitgerecht an die Bänder. rtr
Der Wolfs-Diplomat Lu Shaye ist offenbar in Peking nicht so unten durch, wie die Nachrichten der vergangenen Monate vermuten ließen. Die Staatszeitung China Daily widmete dem Botschafter in Paris eine hingebungsvolle Geschichte auf der ersten Seite, in der Lu die franzönisch-chinesischen Beziehungen lobte. Anlass war die Rückführung eines Pandas.
Lu ist für seine heftige Kritik an westlichen Ländern und ihren Medien bekannt und verteidigt sein eigenes Land zugleich besonders engagiert. Im April hatte er den ehemaligen Sowjetstaaten die Existenzberechtigung abgesprochen und damit nach Ansicht von Beobachtern eine rote Linie überschritten. Da viele dieser Länder zu China engen Verbündeten zählen, hat Peking Lu prompt öffentlich korrigiert. Kurz darauf machte die Nachricht die Runde, er sei abberufen und werde künftig Präsident eines Freundschaftsvereins. Ein Zeitpunkt für den Wechsel war nicht genannt.
In dem aktuellen Artikel in der China Daily ist nun nicht mehr davon die Rede, dass Lu den Job wechseln soll. Die prominente Platzierung des Beitrags zu den Beziehungen beider Länder lässt zumindest vermuten, dass er weiterhin als Sprachrohr chinesischen Ansichten wohlgelitten ist. Wer mundtot gemacht werden soll, taucht zumindest nicht auf Seite eins auf. Von Chinas Außenminister Qin Gang, der wohl in irgendeiner Form in Ungnade gefallen ist, war jedenfalls seit Wochen nichts mehr zu hören. ari/fin
Bedenken wegen eines umgekehrten Kulturschocks hat Andreas Landwehr nicht. “Ich habe ehrlich gesagt überhaupt keine Sorge. Wir freuen uns total, nach Deutschland zurückzugehen”, sagt der 64-Jährige. Ganze 33 Jahre war er Auslandskorrespondent für die Deutsche Presse-Agentur dpa, 30 davon in China. Jetzt zieht Landwehr nach Berlin. Mit ihm verlässt einer der erfahrensten China-Korrespondenten der deutschsprachigen Medienwelt die Volksrepublik. “Es war immer klar, dass wir irgendwann gehen”, sagt Landwehr. “Für uns ist jetzt der Zeitpunkt gekommen.”
Seit Februar 1993 lebte Landwehr in der chinesischen Hauptstadt. Mandarin lernte er bereits während seines Studiums am Seminar für Orientalische Sprachen an der Rheinischen Wilhelms-Universität in Bonn, wo er 1983 mit einem Diplom abschloss. Während des Studiums verbrachte er zwei Jahre in Taiwan. 1984 begann er sein Volontariat bei dpa. Nach mehreren Jahren in der Auslands- und Inlandsredaktion zog er auf den ersten Posten als Auslandskorrespondent in die USA. “1990 bin ich nach Washington. Dort habe ich die Wiedervereinigungsfeier bei CNN gesehen.” In dieser Zeit habe sich jeder Tag angefühlt als würde Geschichte geschrieben, sagt Landwehr. Drei Jahre später zog er Richtung Fernost.
Als dpa-Korrespondent ist Landwehr seit 30 Jahren eine Anlauf- und Orientierungsstelle für deutsche Medienschaffende in China. Was bei der deutschen Nachrichtenagentur über den Ticker läuft, gibt den anderen Journalisten in der Region Orientierung.
Wie Auslandskorrespondenten in China arbeiten, hat sich dabei in den vergangenen drei Jahrzehnten mehrfach verändert. Die 1990er-Jahre habe er etwas als Anfangs- und Kennenlernphase von beiden Seiten erlebt, erinnert sich Landwehr. “Dann kamen die 2000er-Jahre und damit eine erstaunliche Offenheit.” Positiv blickt er vor allem auf das Jahr vor den Olympischen Spielen 2008 zurück. “Wir konnten jeden interviewen, der von sich aus zustimmte. Wir brauchten keine Genehmigung, um zu verreisen. Das war schon ein echter Durchbruch.”
Der Öffnung folgten aus Angst vor einem Überschwappen der “Jasminrevolution” 2011 zunehmende Restriktionen. Mit Amtsantritt Xi Jinpings 2012 änderte sich das politische Klima dann ohnehin grundlegend. Chinesische Experten und Forschende wollen häufig nicht mehr mit ausländischen Journalisten sprechen, weil sie Probleme für sich befürchten. Es sei zu “heikel”, bekommt Landwehr auf seine Interviewanfragen häufig zu hören. Für Interviews müssen meist Genehmigungen eingeholt werden. In den vergangenen drei Jahren während der Covid-Pandemie habe sich das noch verstärkt. Im Privaten könne aber durchaus noch mit chinesischen Bürgern auch über Politik gesprochen werden, betont Landwehr. Dabei werde er oft von der Offenheit der Menschen überrascht.
Aus rein beruflicher Perspektive ist China für den gebürtigen Düsseldorfer gerade wegen dieser Schwierigkeiten immer spannend gewesen – denn dort muss man graben. “Ich fand China immer den tollsten Job, weil du hier noch wirklich journalistisch arbeiten musst. Es gibt eher einen Mangel an Informationen.” Und an diese zu kommen, mache schließlich den ganzen Reiz des Berufes aus. Für seine Arbeit erhielt Landwehr 2011 den Liberty Award der Reemtsma Stiftung, weil er sich besonders auch um Menschenrechtsthemen verdient gemacht hat. Vor zehn Jahren übernahm Landwehr die Regionalbüroleitung für Ostasien, 2020 dann für die ganze Asien-Pazifik-Region.
Vom buddelnden Außenreporter geht es nun zurück in den Innendienst in der dpa-Zentrale, von Sanlitun nach Berlin-Mitte. “Für mich persönlich schließt sich damit ein journalistischer Kreis. Ich bin damals aus der Politikredaktion ins Ausland gegangen und jetzt komme ich wieder dorthin zurück.” Seit 2005 hat Landwehr auch G8-, G7- und G20-Gipfel gecovert und sich unter anderem um die regierungsunabhängigen Organisationen (NGO) gekümmert – zuletzt im Mai in Hiroshima. Natürlich werde er die Kollegen vermissen, mit denen er tagelang bei Gipfeltreffen eng zusammengearbeitet hat, sagt Landwehr. Er freue sich aber schon auf das Team in Berlin.
Eine seiner Wunsch-Geschichten hat er bei der Rückreise allerdings nicht im Gepäck: “Ich hätte gern einmal über eine Teilnahme an einer Politbüro-Sitzung geschrieben. Das hat in 30 Jahren aber leider nicht geklappt”, sagt Landwehr mit einem Augenzwinkern, weil der innerste Machtzirkel nur hinter verschlossenen Türen tagt. Auch nach Tibet wäre er vor Abreise gern noch einmal gereist. Zuletzt war er dort 2002. Am meisten beeindruckt haben ihn während seiner Zeit in China immer die Begegnungen mit den Menschen – vor allem außerhalb des politischen Machtapparats.
Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm eine Reise im Rahmen eines Projekts der Weltbank zur Armutsbekämpfung in ein Dorf in Guangxi im Jahr 1997. Einer der extrem armen Dorfbewohner, ein junger Mann, der sich um seine alten Eltern kümmerte, habe ihn in seine Hütte eingeladen, ihm sein Schicksal geschildert und Bananen mit ihm geteilt. “Das hat mich sehr bewegt und steht für mich eigentlich fast symbolhaft für viele Begegnungen mit Menschen hier.” China müsse differenzierter gesehen werden, betont der Journalist: “Von außen auf China geblickt, sieht das alles nach Bedrohung aus. Aber man muss unterscheiden zwischen dem System, dem Regime, der Führung und den Menschen.”
Die täglichen Begegnungen mit diesen werde er bestimmt vermissen, sagt Landwehr. Genauso wie die chinesische Küche. “Die ist einfach sagenhaft.” In Berlin gebe es auch einige gute Restaurants, die relativ authentisch seien. Er hat aber noch anderweitig vorgesorgt: “Ich koche sehr gern selbst und bin gerade dabei, ein paar chinesische Gerichte einzustudieren, damit ich sie künftig auch so gut hinkriege”, erzählt er stolz.
Xu Song wird CEO des Hafenbetreibers China Merchants Ports. Er war zuvor Chief Operating Officer des Unternehmens. Xu war in Personalunion auch Leiter des Hafens Liaoning. Xus Nachfolger als COO von China Merchants Ports wird Lu Yongxin.
Weidong Ye ist neuer CEO beim deutschen Biotechnologieunternehmen Airnergy umwelttechnik GmbH. Er war zuvor General Manager bei Emco Precision Hardware China in Chuzou.
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Sport in der Hitzewelle: Diese Männer spielen in Liuzhou Wasser-Basketball.
wo steckt Außenminister Qin Gang? Diese Frage kann uns Desmond Shum zwar auch nicht im Detail beantworten. Er kennt sich mit dem Thema verschwindender Kader aber aus. Shum pflegte als Geschäftsmann engen Kontakt mit der Führung der KP, fiel aber in Ungnade und lebt heute in Großbritannien. Er ist Autor des Buchs “Chinesisches Roulette” über die Welt kommunistischer Milliardäre.
Fabian Peltsch hat Shum zum Fall des verschwundenen Außenministers befragt – und dabei erfahren, dass Shums Ex-Frau wieder frei ist. Auch sie war verschwunden und wurde ohne Prozess für vier Jahre an einem geheimen Ort festgehalten. Für den heutigen Dienstag ist übrigens eine Sondersitzung des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses angesetzt. Vielleicht erfährt die Öffentlichkeit dann mehr über Qins Verbleib.
Die ersten Demonstrationen chinesische Alternativen zu ChatGPT enttäuschten eher. Davon sollten wir uns aber nicht täuschen lassen, schreibt Jörn Petring zum Auftakt unserer Serie zu Künstlicher Intelligenz. Chinas Tech-Milliardäre überbieten sich mit Investitionen in neue Anwendungen. Zwar bremst wegen der US-Sanktionen weiter der Mangel an Hochleistungschips. Es ist jedoch angesichts der hohen staatlichen und privaten Anstrengungen nur eine Frage der Zeit, bis China nachzieht.
Elon Musk hat Twitter in X umbenannt und den Vogel aus dem Logo entfernt. Er will Twitter zum westlichen Wechat machen. Frank Sieren hat sich vor gut einem Jahr bereits angesehen, was davon zu halten ist. Inzwischen hat sich allerdings herauskristallisiert, dass diese Pläne etwas hoch gegriffen sind. Während Wechat in China wegen der Technikkontrolle in einen leeren Markt vorgestoßen ist, müsste “X” es je nach Anwendungsfall mit Whatsapp, Paypal, Teams, Facebook und so weiter aufnehmen. Eine Super-App lässt sich heute nicht so einfach neu aufbauen.
Die Familie der Table-Produkte wächst derweil weiter. Dienstagfrüh erscheint erstmals der Agrifood.Table, der sich mit Landwirtschaft und Ernährung beschäftigt. Die Kolleginnen und Kollegen berichten über die Agrar- und Ernährungspolitik auf nationaler und europäischer Ebene und analysieren die Entwicklungen für alle, die in Politik, Unternehmen oder Verwaltungen im Agrar- und Lebensmittelsektor entscheiden müssen. Klicken Sie hier für einen kostenlosen Test!
Ihre Ex-Frau Duan Weihong war einst eine der reichsten Frauen Chinas. Bis zu ihrem plötzlichen Verschwinden im Jahr 2017 stand sie in engem Kontakt mit hochrangigen Kadern der Regierung unter Hu Jintao und Wen Jiabao. In Ihrem Buch “Chinesisches Roulette” beschreiben Sie eindringlich die Korruption und Intransparenz eines Systems, in dem selbst die Mächtigsten plötzlich verschwinden können, so wie jetzt, als bisher prominentester Fall, Außenminister Qin Gang. Da Sie den Apparat von innen kennen: Was glauben Sie, ist mit ihm passiert?
Sein Verschwinden kann alle möglichen Ursachen haben. So ist das in einem Regime wie China oder Russland. Entscheidungen werden im Geheimen getroffen, es gibt keine Transparenz und keinen offenen Prozess, von Qins schnellem Aufstieg bis zu seinem Sturz vergangene Woche. Jeder versucht nun, den Kaffeesatz zu lesen, allen voran die Bürokraten der Kommunistischen Partei Chinas selbst.
Welches Signal sendet das plötzliche Verschwinden des chinesischen Außenministers an die Welt?
Von außen betrachtet, sieht die Situation schrecklich aus, vor allem was Xi Jinping angeht. Er wirkt unentschlossen und inkompetent im Umgang mit der ganzen Situation. Man sollte meinen, dass jeder Regierungschef eine Storyline vorbereiten, einen Nachfolger ernennen oder ihn wieder auftauchen lassen würde, und das in schneller Abfolge. Jede Ausführung ist besser als das wochenlange Verschwinden eines Außenministers, der sich weigert, Fragen zu seinem Verbleib zu beantworten und die ganze Welt in Atem hält. Dies zeigt, in welchem Zustand sich China derzeit befindet. Es ist ein abnormaler Zustand, ein unberechenbarer Zustand.
Und welche Botschaft vermittelt sein Verschwinden nach innen?
Für die Bürokraten des Systems beweist der Fall, dass niemand sicher ist. Qin war ja angeblich ein persönlicher Liebling von Xi. Zudem könnte die ganze Affäre jetzt die gesamte Parteibürokratie lähmen, insbesondere die des Außenministeriums. Wenn der Platzhirsch des Staates verschwindet, erstarren alle in der Organisation. Denn niemand weiß, warum die betreffende Person entführt wurde. Man ist sich in der Folge nicht sicher, wie der neue Nachfolger oder Qin selbst, wenn er wieder auftaucht, auf die eigenen Handlungen und Entscheidungen reagieren wird. Wenn Sie in diesem Ministerium arbeiten, wissen Sie nicht, wem Sie jetzt noch trauen können oder mit wem Sie noch sicher zusammenarbeiten können. Das hat wiederum zur Folge, dass außer den alltäglichsten Vorgängen nichts mehr erledigt werden kann.
Sie sind Qin Gang mehrmals begegnet, als Sie noch selbst den Eliten Pekings nahestanden. Was war Ihr Eindruck von ihm?
Ich habe mit vielen Bürokraten im Außenministerium zusammengearbeitet. Und auch Qin Gang habe ich im Laufe der Jahre bei mehreren Gelegenheiten getroffen. Er ist sympathischer, internationaler und auch ein besserer Kommunikator als die meisten anderen Bürokraten um ihn herum. Aber Xi hat bei Qins Beförderungen Protokolle ignoriert und übergangen. Die Mitarbeiter des Außenministeriums verfolgen in der Regel einen ganz spezifischen Karriereweg. Sie haben meistens einen Abschluss von einer von drei bestimmten Schulen in Peking, oft mit dem Schwerpunkt Sprache. Sie landen nach ihrem Abschluss im Außenministerium und arbeiten dort geduldig an ihrer Karriere, indem sie in den Rängen aufsteigen. Qin hat mit seinem Aufstieg in den vergangenen Jahren vieles übersprungen und andere überholt. Viele Generaldirektoren und Vizeminister im Außenministerium könnten darüber neidisch und wütend gewesen sein. Jemandem plötzlich in den Rücken zu fallen, ist in der Parteibürokratie gang und gäbe.
Ihre Ex-Frau hatte sich offenbar ebenfalls Feinde auf höchster Ebene gemacht. Kurz vor der Veröffentlichung Ihres Buches über ihre Geschichte meldete sie sich plötzlich zum ersten Mal seit Jahren bei Ihnen. Von einem unbekannten Ort aus forderte sie am Telefon, dass sie die Veröffentlichung des Buchs um Ihres Sohnes willen zu überdenken. Was ist seither passiert, haben Sie wieder von ihr gehört?
Sie wurde tatsächlich entlassen, nicht lange, nachdem mein Buch herauskam. Sie spricht ab und zu mit unserem Sohn am Telefon. Aber sie kann nicht wirklich über ihre Erfahrungen sprechen. Man kann davon ausgehen, dass jeder Anruf überwacht wird. Sie passt genau auf, was sie sagt. Man stelle sich das vor: Vier Jahre in Isolationshaft. Vier Wochen wären schon hart. Menschen, die das durchmachen, sind für ihr Leben gezeichnet. Und sie kann China nicht verlassen, um unseren Sohn hier im Vereinigten Königreich zu treffen. Und wir können sie auch nicht in China besuchen. Sonst laufen wir Gefahr, ebenfalls zu verschwinden.
Hat sie Ihnen beschrieben, wo und unter welchen Bedingungen sie in diesen Jahren festgehalten wurde?
Nein. Aber sie hat keine Sonderbehandlung erhalten. Normalerweise nutzen die Behörden in solchen Fällen ein ganzes Gebäude wie ein Drei-Sterne-Hotel und bauen jedes Zimmer in eine Zelle um. Die Zimmer sind gepolstert, sodass man sich nicht umbringen kann. In jeder Ecke gibt es Kameras. Man wird rund um die Uhr überwacht, auch auf dem Klo. Man wird ständig verhört. Man muss Geständnisse schreiben. Sie lassen dich Xi-Jinping-Gedanken studieren. Das ist die übliche Praxis.
Peking kümmert sich dabei offenbar nicht um die Außenwirkung. Im Innern werden Berichte und Online-Spekulationen über die Verschwundenen zensiert. Betrachtet die Führung Verhaftungen unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung weiterhin als bewährte Strategie, um bestimmte Menschen in die Schranken zu weisen oder ist das System irgendwann außer Kontrolle geraten?
In dieser Art von Regime ist alles unvorhersehbar. Wer hätte vor vier Monaten gedacht, dass der Außenminister verschwinden könnte? Aber diese Unberechenbarkeit ist in vielerlei Hinsicht gewollt. So macht man den Menschen Angst. Auf diese Weise reguliert sich eine Diktatur selbst. Das Anti-Korruptions-Ministerium wurde in den 50er-Jahren eingerichtet. Damals wurden bereits Zehntausende verhaftet, mit einem viel, viel kleineren Bürokratieapparat. Wenn man sich mit der chinesischen Geschichte beschäftigt, stellt man fest, dass sich Dinge wie Anti-Korruptionskampagnen wiederholen. Ohne unabhängige Justiz, ohne freie Presse werden sie immer wiederkommen.
Haben Sie Angst, dass China dieses Modell exportieren könnte, wenn das Land zu einer noch einflussreicheren Weltmacht wird?
Nein. Denn ich glaube, dass China seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. Von jetzt an geht es nur noch abwärts, die Frage ist nur, mit welchem Tempo. China wird nie die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Das Wirtschaftsmodell ist fehlerhaft. Seit 2008 wurden in jeden Sektor finanzielle Stimulus-Pakete gepumpt, sei es in den Konsum, in die Produktion, den Immobiliensektor oder in das Finanzwesen. Solche Anreize lösen aber das Problem nicht. Man muss das Modell ändern. Die Machtstruktur. Man muss den Menschen, den Verbrauchern, mehr Macht geben. Aber die Partei ist nicht bereit, das zu tun. Denn das würde ihnen die Macht entreißen.
Desmond Shum 沈棟 wurde 1968 in Shanghai geboren und wuchs in Hongkong auf. Als Geschäftsmann und Immobilienexperte entwickelte er viele prestigeträchtige Projekte in China. Er war mit Whitney Duan verheiratet, einst eine der reichsten Geschäftsfrauen Chinas, mit der er einen Sohn hat. Duan hatte mit Immobiliengeschäften ein Milliardenvermögen angehäuft. Sie wurde 2017 inhaftiert, möglicherweise im Zusammenhang mit einer Anti-Korruptionsuntersuchung gegen ihren engen Geschäftspartner Sun Zhengcai. Shum veröffentlichte ein Buch über ihre Geschichte und seine Erfahrungen innerhalb der politischen Eliten Pekings. “Chinesisches Roulette” wurde im Jahr 2021 veröffentlicht und erschien ein Jahr später auch auf Deutsch. Shum lebt heute mit seinem Sohn im Vereinigten Königreich.
Nach ihrem Fehlstart wollen chinesische Firmen im Rennen um KI-Sprachmodelle wie ChatGPT so schnell wie möglich verlorenen Boden gut machen. Der chinesische Internetkonzern Baidu gab gerade bekannt, seinen Ernie Bot bereits deutlich verbessert zu haben.
Ende Juni verwies das Unternehmen auf einen Test der staatlichen Zeitung China Science Daily, wonach die aktuelle Version von Ernie dem Branchenprimus ChatGPT nun sogar in einigen Fähigkeiten überlegen sei. Nur drei Monate nach der Veröffentlichung der ersten Version von Ernie Bot seien “erhebliche Verbesserungen” erreicht worden, sagte Baidus Technologiechef Haifeng Wang laut einer Mitteilung.
Die Behauptungen sind zwar schwer zu überprüfen. Aber auch in Chinas sozialen Medien hat sich der Ton in letzter Zeit geändert. Machte sich das chinesische Internet im März nach dem missglückten Start des ersten chinesischen KI-Sprachmodells noch über Ernies Fähigkeiten lustig, scheinen die Tester nun zunehmend zufrieden mit dem Produkt zu sein.
Klar ist auch, dass chinesische Unternehmen durch den Hype um ChatGPT wachgerüttelt wurden. Die chinesische Tech-Branche spricht von einem neuen “iPhone-Moment”. Niemand will es versäumen, dabei zu sein, wenn KI-Sprachmodelle in immer mehr Bereiche des Alltags und der Arbeitswelt vordringen.
Die Branche spricht von einem “Wettrennen” chinesischer Tech-Milliardäre. Sie seien “besessen” davon, den US-Giganten Google, Microsoft und Amazon in Sachen künstlicher Intelligenz Paroli zu bieten. “Wir haben alle den Knall der Startpistole gehört”, zitiert der Finanzdienst Wang Xiaochuan, der einst seine Suchmaschine Sogou an Tencent verkaufte und nun mit seinem Start-up A Hundred Rivers ebenfalls an einem KI-Sprachmodell arbeitet. “China liegt immer noch drei Jahre hinter den USA zurück, aber vielleicht brauchen wir keine drei Jahre, um aufzuholen”, meint Wang.
Von den großen chinesischen Technologieunternehmen haben neben Baidu bereits Alibaba und SenseTime, das bisher vor allem für seine intelligente Gesichtserkennung bekannt ist, eigene Sprachmodelle vorgestellt. Doch eine Vielzahl weiterer Investoren drängt derzeit in die Branche.
Dazu gehören Wang Changhu, ehemaliger Direktor des KI-Labors von ByteDance, Zhou Bowen, ehemaliger Präsident der KI- und Cloud-Computing-Abteilung von JD.com, Meituan-Mitbegründer Wang Huiwen und der Risikokapitalgeber Kai-fu Lee. Schätzungen zufolge arbeiten rund 50 Start-ups in China an eigenen KI-Sprachmodellen.
Die Unternehmen verfügen nicht nur über reichlich Kapital, sondern können sich auch der Unterstützung Pekings sicher sein. Denn dort hat die Führung erkannt, dass die Entwicklung eigener KI-Sprachmodelle von großer Bedeutung für die eigene Wirtschaft ist. Vor allem vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA. Washington versucht bereits jetzt, Chinas Fortschritt zu bremsen.
Aufgrund der von den USA verhängten Beschränkungen stehen den KI-Firmen in China noch immer nicht genügend leistungsfähige Chips zur Verfügung. Ihre rechenintensiven Modelle kommen deshalb nur langsam vor. Der Nvidia-Prozessor A100 und dessen Nachfolger H100, die in der Branche als Goldstandard gelten, darf der US-Konzern schon jetzt nicht nach China verkaufen.
Zwar konnte Nvidia bisher eine abgespeckte Version, den A800, in der Volksrepublik anbieten. Doch auch dieser Chip könnte bald unter das verschärfte US-Verbot fallen.
Eine Woche nach Russlands Stopp des Getreideabkommens hat der russische Präsident Wladimir Putin erklärt, Russland sei bereit, ukrainische Getreidelieferungen zu ersetzen. Sein Land sei in der Lage, “ukrainisches Getreide sowohl auf kommerzieller als auch auf unentgeltlicher Grundlage zu ersetzen, zumal wir in diesem Jahr eine weitere Rekordernte erwarten”, schrieb Putin auf der Website des Kreml. Russland hatte das internationale Getreideabkommen vor einer Woche auslaufen lassen.
Die Vereinten Nationen, aber auch China, kritisierten Putin für das Aussetzen des Abkommens. Sie befürchten Hungersnöte, insbesondere in Afrika. Die Führung in Peking forderte Putin explizit auf, die Ausfuhren ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer wieder zuzulassen.
Putin entgegnete in seinem Schreiben, der vor einem Jahr vereinbarte Export-Korridor habe seine humanitäre Bedeutung verloren. Von den insgesamt knapp 33 Millionen Tonnen durch das Abkommen exportiertem Getreide sei der Großteil in Länder mit hohem und oberem mittlerem Einkommensniveau gegangen. Der Getreidedeal sei so in Wirklichkeit “schamlos ausschließlich zur Bereicherung großer amerikanischer und europäischer Unternehmen genutzt worden, die Getreide aus der Ukraine exportierten und weiterverkauften”, behauptete Putin kurz vor dem bevorstehenden Russland-Afrika-Gipfel, der am Donnerstag in St. Petersburg beginnen soll.
Die Ukraine ist zwar in der Tat für China der drittgrößte Getreidelieferant nach den USA und Australien. Doch bleiben die Lieferungen aus der Ukraine aus, würden die wohlhabenden Staaten Getreide aus anderen Teilen der Welt bestellen, die Preise auf dem Weltmarkt würden in die Höhe schießen. Und das beträfe allem die armen Staaten dann wiederum besonders hart. flee
Die Kommunistische Partei hat sich für moderate Konjunkturmaßnahmen entschieden. Die Lage am Immobilienmarkt werde “zu gegebener Zeit” optimiert und angepasst, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag nach einer Sitzung des Politbüros. Große Sorge bereite der Führung auch die Verschuldung der Gebietskörperschaften. Der Arbeitsmarkt soll stabilisiert werden. Die Politbüro-Sitzung fand unter Vorsitz von Parteichef Xi Jinping statt.
Besondere Förderung sollen der Mitteilung zufolge die Erforschung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz und die Plattformökonomie erhalten. Die Anleger sollen den Plänen zufolge wieder Vertrauen in die chinesischen Märkte fassen. Die Entwicklungs- und Reformkommission NDRC hat zeitgleich bekannt gegeben, private Investitionen anregen zu wollen. Details wie Fördersummen wurden generell nicht genannt.
Die Konjunktur kommt derzeit wegen mehreren, sich überlagernden Problemen nicht in Gang. Ökonomen hatten gerätselt, ob jetzt ein ganz großes Konjunkturpaket kommt wie 2008, als Peking eine halbe Milliarde Euro mobilisiert hat. Doch die Volkswirtschaft ist heute viel größer als damals – selbst eine so hohe Summe würde nicht mehr so viel bewirken. Das Politbüro setzt daher mehr darauf, die Eigendynamik der Wirtschaft zu stärken. fin
Politische Spannungen um China lassen den niederländischen Medizintechnikhersteller Philips mit Skepsis auf die Geschäftsentwicklung rund um die Volksrepublik schauen. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen den USA und China sowie der Europäischen Union und der Volksrepublik bereite ebenso Sorge wie Versuche Chinas, bei kritischen Technologien wie etwa der Medizintechnik selbstständiger zu werden, teilte Philips am Montag in seinem Bericht für das zweite Quartal mit. Die USA, die EU und China stehen für rund zwei Drittel der Umsätze des Konzerns.
Dabei steigerte der Konzern von April bis Juni den bereinigten operativen Ertrag (Ebita) auf 453 Millionen Euro und damit stärker als erwartet. Der Umsatz legte um rund neun Prozent auf 4,5 Milliarden Euro zu. Für das Gesamtjahr erwartet Philips nun ein Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozent-Bereich – zuvor hatten die Niederländer noch ein Wachstum in unteren einstelligen Prozent-Bereich erwartet. Auch bei der bereinigten Ebita-Marge ist Philips optimistischer.
Philips-Aktien gaben dennoch zeitweise mehr als sieben Prozent nach. ING-Analysten schrieben etwa, der Ausblick erscheine angesichts des Ergebnisses des ersten Halbjahres nicht sehr ehrgeizig. rtr
Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen holt die vor allem als Apple-Zulieferer bekannte taiwanische Firma Foxconn als Miteigentümerin für seine Achsmontage-Sparte ins Boot. Der unter dem Namen Hon Hai Technology firmierende Konzern werde 50 Prozent an ZF Chassis Modules übernehmen, teilten die beiden Unternehmen mit.
ZF hatte seit längeren einen Partner für das margenschwache Geschäft mit 3.300 Mitarbeitern gesucht, das im laufenden Jahr mehr als vier Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften soll. Die ZF Chassis Modules GmbH werde dabei mit rund einer Milliarde Euro bewertet. Foxconn dürfte also rund 500 Millionen Euro zahlen. Mit dem Geld will ZF seine Schuldenlast senken.
Elektromobilität gehört zu den erklärten Entwicklungsfeldern von Foxconn. ZF Chassis Modules fügt, meist direkt neben oder in der Nähe von großen Werken der Autobauer in Ländern wie China, Südafrika oder Mexiko, Achs-Komponenten mit anderen Bauteilen wie Bremsen und ganzen Antriebssystemen zusammen und liefert diese zeitgerecht an die Bänder. rtr
Der Wolfs-Diplomat Lu Shaye ist offenbar in Peking nicht so unten durch, wie die Nachrichten der vergangenen Monate vermuten ließen. Die Staatszeitung China Daily widmete dem Botschafter in Paris eine hingebungsvolle Geschichte auf der ersten Seite, in der Lu die franzönisch-chinesischen Beziehungen lobte. Anlass war die Rückführung eines Pandas.
Lu ist für seine heftige Kritik an westlichen Ländern und ihren Medien bekannt und verteidigt sein eigenes Land zugleich besonders engagiert. Im April hatte er den ehemaligen Sowjetstaaten die Existenzberechtigung abgesprochen und damit nach Ansicht von Beobachtern eine rote Linie überschritten. Da viele dieser Länder zu China engen Verbündeten zählen, hat Peking Lu prompt öffentlich korrigiert. Kurz darauf machte die Nachricht die Runde, er sei abberufen und werde künftig Präsident eines Freundschaftsvereins. Ein Zeitpunkt für den Wechsel war nicht genannt.
In dem aktuellen Artikel in der China Daily ist nun nicht mehr davon die Rede, dass Lu den Job wechseln soll. Die prominente Platzierung des Beitrags zu den Beziehungen beider Länder lässt zumindest vermuten, dass er weiterhin als Sprachrohr chinesischen Ansichten wohlgelitten ist. Wer mundtot gemacht werden soll, taucht zumindest nicht auf Seite eins auf. Von Chinas Außenminister Qin Gang, der wohl in irgendeiner Form in Ungnade gefallen ist, war jedenfalls seit Wochen nichts mehr zu hören. ari/fin
Bedenken wegen eines umgekehrten Kulturschocks hat Andreas Landwehr nicht. “Ich habe ehrlich gesagt überhaupt keine Sorge. Wir freuen uns total, nach Deutschland zurückzugehen”, sagt der 64-Jährige. Ganze 33 Jahre war er Auslandskorrespondent für die Deutsche Presse-Agentur dpa, 30 davon in China. Jetzt zieht Landwehr nach Berlin. Mit ihm verlässt einer der erfahrensten China-Korrespondenten der deutschsprachigen Medienwelt die Volksrepublik. “Es war immer klar, dass wir irgendwann gehen”, sagt Landwehr. “Für uns ist jetzt der Zeitpunkt gekommen.”
Seit Februar 1993 lebte Landwehr in der chinesischen Hauptstadt. Mandarin lernte er bereits während seines Studiums am Seminar für Orientalische Sprachen an der Rheinischen Wilhelms-Universität in Bonn, wo er 1983 mit einem Diplom abschloss. Während des Studiums verbrachte er zwei Jahre in Taiwan. 1984 begann er sein Volontariat bei dpa. Nach mehreren Jahren in der Auslands- und Inlandsredaktion zog er auf den ersten Posten als Auslandskorrespondent in die USA. “1990 bin ich nach Washington. Dort habe ich die Wiedervereinigungsfeier bei CNN gesehen.” In dieser Zeit habe sich jeder Tag angefühlt als würde Geschichte geschrieben, sagt Landwehr. Drei Jahre später zog er Richtung Fernost.
Als dpa-Korrespondent ist Landwehr seit 30 Jahren eine Anlauf- und Orientierungsstelle für deutsche Medienschaffende in China. Was bei der deutschen Nachrichtenagentur über den Ticker läuft, gibt den anderen Journalisten in der Region Orientierung.
Wie Auslandskorrespondenten in China arbeiten, hat sich dabei in den vergangenen drei Jahrzehnten mehrfach verändert. Die 1990er-Jahre habe er etwas als Anfangs- und Kennenlernphase von beiden Seiten erlebt, erinnert sich Landwehr. “Dann kamen die 2000er-Jahre und damit eine erstaunliche Offenheit.” Positiv blickt er vor allem auf das Jahr vor den Olympischen Spielen 2008 zurück. “Wir konnten jeden interviewen, der von sich aus zustimmte. Wir brauchten keine Genehmigung, um zu verreisen. Das war schon ein echter Durchbruch.”
Der Öffnung folgten aus Angst vor einem Überschwappen der “Jasminrevolution” 2011 zunehmende Restriktionen. Mit Amtsantritt Xi Jinpings 2012 änderte sich das politische Klima dann ohnehin grundlegend. Chinesische Experten und Forschende wollen häufig nicht mehr mit ausländischen Journalisten sprechen, weil sie Probleme für sich befürchten. Es sei zu “heikel”, bekommt Landwehr auf seine Interviewanfragen häufig zu hören. Für Interviews müssen meist Genehmigungen eingeholt werden. In den vergangenen drei Jahren während der Covid-Pandemie habe sich das noch verstärkt. Im Privaten könne aber durchaus noch mit chinesischen Bürgern auch über Politik gesprochen werden, betont Landwehr. Dabei werde er oft von der Offenheit der Menschen überrascht.
Aus rein beruflicher Perspektive ist China für den gebürtigen Düsseldorfer gerade wegen dieser Schwierigkeiten immer spannend gewesen – denn dort muss man graben. “Ich fand China immer den tollsten Job, weil du hier noch wirklich journalistisch arbeiten musst. Es gibt eher einen Mangel an Informationen.” Und an diese zu kommen, mache schließlich den ganzen Reiz des Berufes aus. Für seine Arbeit erhielt Landwehr 2011 den Liberty Award der Reemtsma Stiftung, weil er sich besonders auch um Menschenrechtsthemen verdient gemacht hat. Vor zehn Jahren übernahm Landwehr die Regionalbüroleitung für Ostasien, 2020 dann für die ganze Asien-Pazifik-Region.
Vom buddelnden Außenreporter geht es nun zurück in den Innendienst in der dpa-Zentrale, von Sanlitun nach Berlin-Mitte. “Für mich persönlich schließt sich damit ein journalistischer Kreis. Ich bin damals aus der Politikredaktion ins Ausland gegangen und jetzt komme ich wieder dorthin zurück.” Seit 2005 hat Landwehr auch G8-, G7- und G20-Gipfel gecovert und sich unter anderem um die regierungsunabhängigen Organisationen (NGO) gekümmert – zuletzt im Mai in Hiroshima. Natürlich werde er die Kollegen vermissen, mit denen er tagelang bei Gipfeltreffen eng zusammengearbeitet hat, sagt Landwehr. Er freue sich aber schon auf das Team in Berlin.
Eine seiner Wunsch-Geschichten hat er bei der Rückreise allerdings nicht im Gepäck: “Ich hätte gern einmal über eine Teilnahme an einer Politbüro-Sitzung geschrieben. Das hat in 30 Jahren aber leider nicht geklappt”, sagt Landwehr mit einem Augenzwinkern, weil der innerste Machtzirkel nur hinter verschlossenen Türen tagt. Auch nach Tibet wäre er vor Abreise gern noch einmal gereist. Zuletzt war er dort 2002. Am meisten beeindruckt haben ihn während seiner Zeit in China immer die Begegnungen mit den Menschen – vor allem außerhalb des politischen Machtapparats.
Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm eine Reise im Rahmen eines Projekts der Weltbank zur Armutsbekämpfung in ein Dorf in Guangxi im Jahr 1997. Einer der extrem armen Dorfbewohner, ein junger Mann, der sich um seine alten Eltern kümmerte, habe ihn in seine Hütte eingeladen, ihm sein Schicksal geschildert und Bananen mit ihm geteilt. “Das hat mich sehr bewegt und steht für mich eigentlich fast symbolhaft für viele Begegnungen mit Menschen hier.” China müsse differenzierter gesehen werden, betont der Journalist: “Von außen auf China geblickt, sieht das alles nach Bedrohung aus. Aber man muss unterscheiden zwischen dem System, dem Regime, der Führung und den Menschen.”
Die täglichen Begegnungen mit diesen werde er bestimmt vermissen, sagt Landwehr. Genauso wie die chinesische Küche. “Die ist einfach sagenhaft.” In Berlin gebe es auch einige gute Restaurants, die relativ authentisch seien. Er hat aber noch anderweitig vorgesorgt: “Ich koche sehr gern selbst und bin gerade dabei, ein paar chinesische Gerichte einzustudieren, damit ich sie künftig auch so gut hinkriege”, erzählt er stolz.
Xu Song wird CEO des Hafenbetreibers China Merchants Ports. Er war zuvor Chief Operating Officer des Unternehmens. Xu war in Personalunion auch Leiter des Hafens Liaoning. Xus Nachfolger als COO von China Merchants Ports wird Lu Yongxin.
Weidong Ye ist neuer CEO beim deutschen Biotechnologieunternehmen Airnergy umwelttechnik GmbH. Er war zuvor General Manager bei Emco Precision Hardware China in Chuzou.
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