Ursula von der Leyen als Präsidentin hat den Kurs vorgegeben, jetzt muss die Kommission liefern und das De-Risking konkret ausgestalten. Amelie Richter berichtet aus Straßburg von einer ganzen Reihe von Initiativen. Die Beamten haben eine Liste von Technologien vorgelegt, die Europa besonders schützen will. Sie ähneln übrigens verdächtig den Listen von Schlüsseltechnologien, mit denen auch China arbeitet – und die es selbst längst vor fremden Zugriff abgeschottet hat.
Chinas Geheimniskrämerei bringt uns Journalisten manchmal zum Wahnsinn. Manchmal ist eine Zahl, die doch einfach auf der Website eines Ministeriums stehen sollte, nirgendwo aufzufinden. Ich vermute, Wissenschaftlern und Thinktankern geht es ähnlich. Doch das ist keine Schlamperei, sondern es hat Methode, wie Christiane Kühl heute am Beispiel des Energiesektors beschreibt. Zahlen zur Stromproduktion sind geheimzuhalten, lautet eine Anweisung von ganz oben. Und wer sie dennoch recherchieren will, macht sich der Spionage verdächtig. Transparenz sieht anders aus.
Die EU-Kommission hat eine Liste kritischer Technologien erstellt, die die Europäische Union vor Rivalen schützen möchte. Digital-Kommissarin Věra Jourová und der EU-Kommissar für Binnenmarkt, Thierry Breton, stellten die Liste am Dienstag in Straßburg vor. Die Aufzählung enthält insgesamt zehn Technologien. Vier davon werden jedoch als besonders gefährlich bezeichnet, sollten sie in falsche Hände geraten:
Neben diesen vier Bereichen stehen auch Themen wie die Cybersicherheit auf der Liste, zudem Sensoren, Energie-, Nuklear- und Fusions-Technologie, Robotik und auch Materialien wie Nano- und Smart-Material. “Europa passt sich den neuen geopolitischen Realitäten an, beendet die Ära der Naivität und agiert als echte geopolitische Macht”, sagte EU-Kommissar Breton bei der Vorstellung.
Die Liste ist, wie auch die Aufzählung zu kritischen Rohstoffen, ein Elelement der Strategie für wirtschaftliche Sicherheit, die die EU-Kommission im Juni erstmals vorgestellt hatte. Brüssel hat damit erstmals ihrer Wirtschaftspolitik einen Sicherheitsaspekt verpasst – was eine grundlegende Veränderung für die EU darstellt, die bisher auf dem Konzept des Freihandels basierte.
Für die Auswahl der Technologien auf der Listen sind der EU-Kommission drei Kriterien ausschlaggebend. Zum einen der “transformative Charakter” der Technologie. Darunter versteht die EU-Kommission das Potenzial für “radikale Veränderungen für Sektoren” durch die Technologie. Auch das Risiko eines doppelten Verwendungszwecks (auf Englisch Dual Use), also für zivile und militärische Zwecke, ist das zweite Kriterium. Das dritte Merkmal ist das Potenzial für Menschenrechtsverletzungen.
Offen bleibt allerdings die Frage, wie diese Technologien genau beschützt werden sollen. Die EU-Kommission hat bisher nicht genau gesagt, ob es ihr beispielsweise darum geht, den Zugriff aus Drittländern auf die europäische Technik zu verhindern oder auch europäische Investitionen in den Bereichen im Ausland besser prüfen durch ein Outbound Investment Screening. Einen Querschnitt habe man mit der Liste nun gefunden, sagte Breton. Jetzt müsse allerdings noch genauer hingesehen werden, um dann die Abhängigkeiten zu bekämpfen, betonte der Franzose.
Dazu soll eine gemeinsame Risikobewertung mit den 27 Mitgliedsländern durchgeführt werden. “Um ein Player zu sein, brauchen wir eine einheitliche EU-Position, die auf einer gemeinsamen Einschätzung der Risiken basiert”, sagte EU-Kommissarin Jourová.
Die fehlende gemeinsame Position wurde beispielsweise sichtbar, als sich die Niederlande eigenständig Anfang des Jahres mit den USA darauf geeinigt hatte, den Export von hoch entwickelten Maschinen für die Chip-Herstellung nach China zu verbieten. Aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten gab es daraufhin Kritik, dass das eine EU-weite Entscheidung hätten sein sollen.
Während die EU-Kommission ihre Pläne vorstellte, machte das EU-Parlament am Dienstag in einer anderen Sache Nägel mit Köpfen: Das neue Handelswerkzeug gegen wirtschaftlichen Zwang, das “Anti Coercion Tool” (ACI), wurde von den Abgeordneten mit einer großen Mehrheit an Stimmen durchgewunken. “Wir haben unseren Werkzeugkasten mit einem zusätzlichen Verteidigungsinstrument gefüllt”, schrieb SPD-Europapolitiker Bernd Lange auf X, vormals Twitter. Dieses werde in einigen Wochen in Kraft treten, so Lange, der dem Handelsausschuss des Parlaments vorsitzt.
Hintergrund für das neue Handelsinstrument waren unter anderem chinesische Handelsbeschränkungen gegen Litauen, nachdem die Regierung in Vilnius die Eröffnung eines “Taiwan-Büros” in Taipeh ermöglicht hatte. In solchen Fällen kann die EU künftig etwa den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen für Firmen aus den betreffenden Ländern beschränken oder den Vertrieb bestimmter Produkte aus Europa blockieren. Derartige Schritte sind allerdings als letztes Mittel vorgesehen, wenn andere, vor allem diplomatische Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis begrüßte den großen Zuspruch für das neue Handelstool. Der Lette beantwortete am Dienstag Fragen der EU-Parlamentarier zur China-Handelspolitik und seiner jüngsten Reise in die Volksrepublik. Zu letzterer und dem dort stattgefundenen Handelsdialog sagte Dombrovskis, dass es keinen Durchbruch, aber sinnvolle Schritte gegeben habe.
Weitet China seine Anti-Spionagekampagne nun auf den Energiesektor aus? Oder schlägt nur der Chef einer wichtigen Behörde über die Stränge? Das fragten sich Beobachtende, nachdem Zhang Jianhua, Direktor der Nationalen Energiebehörde, im August die Unternehmen des Sektors aufforderte, “undichte Stellen” in “sensiblen Bereichen” des Energiesektors, wie der Atom- und Ölindustrie, zu vermeiden. Sicher ist jedoch, dass Informationen zu Chinas Energieversorgung schwerer zu bekommen sein werden als je zuvor.
“Feindliche ausländische Kräfte” sammelten Daten und Informationen, um Chinas Energiewende “zu verzerren und zu verleumden”, schrieb Zhang. Was er genau damit meinte, blieb unklar – er betonte aber die wachsenden Risiken, die nach seiner Ansicht von Smartphones, sozialen Medien und Hackerangriffen ausgehen. Der Bericht in für einen Behördenchef ungewöhnlich scharfem Ton stehe im Zusammenhang mit Chinas umfassenderen Anti-Spionage-Gesetzen, berichtete Bloomberg.
Zhang nannte in seinem Text keine Namen, schien sich aber auf Unternehmen zu beziehen, die Marktinformationen sammeln, sowie auf traditionelle Nachrichtendienste und Nichtregierungsorganisationen (NGO), die sich mit Energie und Klima befassen. Er forderte mehr Inspektionen und härtere Strafen bei Verstößen. Experten reagierten auf den Text mit Sorge. “Das verheißt nichts Gutes für die Verfügbarkeit von Daten, die Forschung, die Medien oder die Zivilgesellschaft”, schrieb etwa Lauri Myllyvirta, China-Experte vom Centre for Research on Energy and Clean Air auf X, vormals Twitter.
Doch schon ein paar Tage später war der Beitrag Zhangs aus dem Netz verschwunden, ebenso wie die meisten Berichte dazu in den Staatsmedien. Nur auf einzelnen Websites sei er noch zu sehen, berichtet Myllyvirta, nachdem er das Netz durchforstet hatte: “Bedeutet das, dass jemandem an höherer Stelle der Text nicht gefallen hat? Wie immer ist die Löschung noch interessanter als der Beitrag selbst.”
China ist der größte Energieerzeuger und -verbraucher der Welt, fördert und verbrennt mehr als die Hälfte der weltweiten Kohle, importiert mehr Öl und Gas als jedes andere Land – und baut die größten Solar- und Windkraftanlagen der Welt. In all diesen Bereichen wittert China Spionage, wenn man Zhang Jianhua beim Wort nimmt. Zugleich nimmt in China aktuell die ohnehin vielfach bescheidene Transparenz weiter ab, auch angesichts der wirtschaftlichen Schieflage. So gibt das Nationale Statistikamt missliebige Daten einfach nicht mehr heraus, wie jene zur wachsenden Jugendarbeitslosigkeit.
Seit Xis Amtsantritt 2012 sind von den damals noch mehr als 80.000 veröffentlichten Statistiken pro Jahr nach Recherchen der Financial Times Zehntausende gestrichen. Das gilt auch für die Umwelt: “Wasserdaten sind bereits schwer zu bekommen nach der Dürre im letzten Jahr, und wenn ich raten müsste, sind Agrardaten als Nächstes dran”, meint der Shanghaier Umweltberater Richard Brubaker. Doch was macht jemand, der diese Zahlen braucht? Due Diligence, Marktforschung? Doch so tiefgehende Recherchetätigkeiten können nach dem Anti-Spionagegesetz bereits als illegal ausgelegt werden.
Zhang Jianhua von der Energiebehörde forderte jedenfalls in dem gelöschten Beitrag: “Wir müssen aktiv eine Kultur der Vertraulichkeit pflegen, die Geheimnisse bewahrt und vorsichtig ist.” Das lassen sich vor allem Chinas Staatskonzerne nicht zweimal sagen. Schon im Juli hatte der Ölkonzern CNOOC mitgeteilt, man habe ein Treffen mit Kraftstoffhändlern abgehalten, um die Vertraulichkeitsanforderungen ihrer Arbeit zu erhöhen.
Geheimhaltung gibt es zum Beispiel bei den wachsenden Ölimporten aus Russland. Chinesische Zolldaten zeigten, dass China in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 60,66 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland importierte, rund 25 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Doch wer genau in China dieses Öl importiert, ist unklar.
Wahrscheinlich sind es die drei großen staatlichen Ölkonzerne des Landes: China National Petroleum (CNPC), China Petroleum & Chemical (Sinopec) und China National Offshore Oil (CNOOC). Doch die Führungskräfte ihrer börsennotierten Kernunternehmen zeigten sich bei ihren jüngsten Bilanzpressekonferenzen in Hongkong laut Nikkei Asia allesamt sehr zurückhaltend, Einzelheiten über ihr Russlandgeschäft zu nennen.
Wer also Genaueres zu den Öleinfuhren Chinas aus Russland erfahren will, schaut auf Schiffstracker oder versucht in vertraulichen Gesprächen, Informationen zu erhalten. Bloomberg zeichnete so den Weg einer unregistrierten Öllieferung aus dem russischen Ust-Luga in der Ostsee nach Dongjiakou in China nach. Solche Nachforschungen könnten jedoch in chinesischer Lesart als Spionage gelten.
Auch Informationen etwa über die Energiewende sind in China nicht so leicht zugänglich wie in den USA und Europa. Auch wenn Regierungsbehörden und Forschungsunternehmen laut Bloomberg immerhin regelmäßig Daten melden, auf deren Basis Unternehmen, Investoren und Wissenschaftler Trends für globale Handelsströme und Chinas Klimaschutz ableiten können.
China besitzt in dem hochsubventionierten Erneuerbaren-Sektor viele Patente, produziert Solaranlagen und Windturbinen, und forscht an den für die Energiewende so wichtigen Stromspeichern. China entwickelt sich laut der japanischen Zeitung Nikkei Asia gerade zu einem Zentrum der Forschung zu neuartigen Perowskit-Solarzellen. Doch der Zugang zu Informationen ist eben nicht immer so einfach, auch je nach Akteur und Standort. Die Betreiber von Großprojekten wie Offshore-Windanlagen oder Energiespeichern sind zumeist Staatskonzerne, die mit Details eher sparsam an die Öffentlichkeit berichten.
Der Staatskonzern Sinopec etwa startete im Juli die nach eigenen Angaben weltgrößte Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Xinjiang. Das Xinjiang Kuqa Green Hydrogen Pilot Project nutze eigene Fotovoltaikanlagen von der Größe von 900 Fußballfeldern, um mit Solarenergie durch Elektrolyse von Wasser 20.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr zu erzeugen, teilte Sinopec mit. Der erzeugte Wasserstoff werde zunächst in einer nahe gelegenen konzerneigenen Chemiefabrik zur Ölraffinierung eingesetzt. Immerhin.
Die Fachwebsite Upstream aus Singapur berichtet zudem, die Anlage habe 52 Elektrolyseure, von denen 13 von einem Joint Venture mit belgischer Beteiligung geliefert wurden. Zugang nach Xinjiang ist für internationale Marktforschungsfirmen kaum möglich. Wäre es nach Zhangs Lesart also Spionage, wenn man als Ausländer versuchen würde, über die Belgier Details über das Projekt und seine Kooperationspartner herauszubekommen?
“Es ist noch zu früh, um die genauen Auswirkungen abzuschätzen, aber es ist fast sicher, dass ein ehrlicher, aufrichtiger und von der Norm abweichender Austausch mit den chinesischen Kollegen noch schwieriger wird”, schrieb Liu Hongqiao, Expertin für Chinas Klimapolitik, auf X, als der Beitrag Zhangs bekannt wurde. Es scheine nicht nur um Daten, sondern auch um Narrative zu gehen.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
China öffnet seinen Markt für Schweinefleisch aus Regionen Russlands, die frei von Afrikanischer Schweinepest (ASP) sind. Das berichtet der Nachrichtendienst Agra-Europe. Die 15-jährige Einfuhrsperre durch die chinesische Zollverwaltung aufgehoben worden sein. Die Sperre galt seit 2008, weil in Russland das Virus der Afrikanischen Schweinepest grassiert. Deshalb seien nur Einfuhren aus Regionen Russlands erlaubt, die nachweislich frei von ASP sind.
Deutschland beißt sich an China bislang vergeblich die Zähne aus, um solch eine Lösung umzusetzen. Und das, obwohl die Volksrepublik mehr und mehr Fleisch einführt. Von Januar bis August 2023 wurden rund 1,17 Millionen Tonnen Schweinefleisch eingeführt, fast zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, teilt das Agrarministerium in Peking mit. Zudem stieg der Import von Schlachtnebenerzeugnissen vom Schwein um fast acht Prozent auf 780.000 Tonnen.
An die Rekordzahlen der Jahre 2020 und 2021 reichen diese Mengen aber nicht heran. Größte Lieferländer bei Fleisch waren im bisherigen Jahresverlauf Spanien und Brasilien, bei den Nebenerzeugnissen die USA und Spanien. Henrike Schirmacher
Nach einer dreitägigen Pause sind die Anteilsscheine des angeschlagenen Immobilienkonzerns Evergrande an der Börse Hongkong am Dienstag wieder in den Handel gegangen. Der Kurs der Aktien stieg im Laufes des Handelstags auf niedrigem Niveau immerhin um 28 Prozent. Sie endeten aber trotzdem nur bei einem Kurs von 41 Hongkong-Cent und damit deutlich unter dem Niveau vor Chinas Immobilienkrise.
Evergrande hat mittelfristig keine Aussicht auf finanzielle Gesundung. Der Kursanstieg dürfte daher auf kurzfristige Spekulationen mit einer Billigaktie zurückgehen. Für einen Vertrauensbeweis in das Unternehmen fehlt jede Grundlage.
Der Grund für die Handelspause war der Beginn einer Untersuchung, an der Firmenchef Xu Jiayin (Kantonesisch: Hui Ka-yan) teilnehmen soll. Er wurde in der vergangenen Woche festgesetzt. Details gab es nicht. fin
Der US-Technikkonzern Apple gibt Druck aus China nach und beschränkt in der Volksrepublik den Zugang zu Anwendungen in seinem App-Store. Das berichtet die South China Morning Post. Das amerikanische Unternehmen hatte in den vergangenen Tagen noch versucht, die strengere Zensur der Apps abzuwenden.
Bisher konnten iPhone-Kunden in China über VPN westliche Apps herunterladen und installieren. Das stellte aber im Fall verbotener Apps zumindest eine Grauzone, wenn nicht eine Regulierungslücke dar. Künftig finden sich im App-Store nur noch Anwendungen, die vom Informationsministerium MIIT lizenziert sind. Betroffen sein könnten vor allem Kommunikationsanwendungen wie Whatsapp, X (vormals Twitter) oder Youtube. Es wird damit für iPhone-Nutzer, die ihr Smartphone dort neu einrichten, schwieriger, diese Apps zu installieren. fin
Die lebenslange Haftstrafe für Rahile Dawut steht symbolisch für das Schicksal der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang. Die jüngsten Erkenntnisse der Xinjiang-Forschung zeigen, dass die Zahl uigurischer Kurzzeit-Lagerinsassen zuletzt drastisch zurückgegangen ist. Allerdings ist in der gleichen Zeit die Anzahl sehr langer Gefängnisstrafen steil angestiegen. Was für Außenstehende wie eine positive Entwicklung erscheinen mag, ist für die lokale Bevölkerung jedoch kein Grund zur Hoffnung. Und so muss auch die Anthropologin Dawut davon ausgehen, dass sie nie wieder in Freiheit leben wird.
Dawut hatte allen Widrigkeiten zum Trotz bis vor Kurzem dennoch die Hoffnung, dass ihr Urteil revidiert werden könnte. 2018 hatte sie ein Gericht als “Gefahr für die nationale Sicherheit” eingestuft und der “Absplitterung” schuldig gesprochen. Weil Dawuts Fall, wie abertausende andere in der Region, unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehandelt wurde, ist unklar, was den Straftatbestand begründet haben sollte.
Aktuelle Untersuchungen haben ergeben, dass von einer siebenstelligen Zahl an Menschen, die von der chinesischen Regierung zwischen wenigen Monaten und einigen Jahren in die Internierungs- und Umerziehungslager gesteckt worden waren, nur noch wenige Zehntausende übrig geblieben sind.
Eine Normalisierung bedeutet das jedoch nicht, wie der dänische Xinjiang-Forscher Rune Steenberg sagt. Denn der jahrelangen Einschüchterung der breiten Masse folgt nun die gezielte Zersetzung der uigurischen Gesellschaft – auf perfide Art und Weise.
Die intellektuelle Elite und einige Hunderttausend andere Uiguren und Uigurinnen sitzen inzwischen in regulären Gefängnissen und haben faktisch keine Perspektive auf eine baldige Rückkehr ins Leben. Das geht aus der Forschung Steenbergs hervor. Der Rest der Bevölkerung ist durch die Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht nur zutiefst eingeschüchtert und verhält sich möglichst unauffällig, um harte Strafen gegen sich selbst und Familienmitglieder zu vermeiden.
Zudem werden sie durch eine zunehmende Integration in die örtliche Industrie an ihren Arbeitsplätzen engmaschig überwacht. Die inzwischen ausgefeilten technischen Möglichkeiten zur Gesichtserkennung, Standortbestimmung und Überwachung der Kommunikation haben Internierungslager als Kontrollinstanzen weitgehend ersetzt.
“Rahile Dawut ist eine weltliche Wissenschaftlerin, die dafür bekannt ist, den Gesetzen und Regularien der chinesischen Regierung Folge geleistet zu haben”, sagt Forscher Steenberg über die 57-Jährige. Er ist überzeugt davon, dass man weder ihr noch tausenden anderen Intellektuellen aus Xinjiang eine Verbindung zum Terror und Extremismus nachsagen kann.
Dawut ist weit über die chinesischen Landesgrenzen als Anthropologin bekannt. Sie war Expertin für Tradition und Kultur der uigurischen Ethnie und lehrte an der Universität Xinjiang in der Regionalhauptstadt Urumqi. 2007 hatte sie dort ein Forschungsinstitut gegründet, das sich mit dem Brauchtum der Minderheiten in China befasste. Sie gab Seminare an renommierten Universitäten in den USA und Großbritannien. 2020 wurde sie vom Akademiker-Netzwerk Scholars at Risk mit dem Courage-to-Think-Award ausgezeichnet. 30 Jahre lang war sie auch Mitglied der Kommunistischen Partei.
Ihr Fall veranlasste vergangene Woche das US-Außenministerium, ihre Inhaftierung in einer Stellungnahme als ungerechtfertigt zu verurteilen. Wo Dawut in Haft ist, wie es ihr geht, ob sie möglicherweise Kontakt mit Familienmitgliedern in Xinjiang hatte seit ihrer Festnahme 2017, ist unklar.
Zumindest, dass sie noch lebt, ist seit wenigen Tagen Gewissheit. Doch die Hoffnung auf eine verkürzte Haft ist dahin. Die US-Menschenrechtsstiftung Dui Hua hat über eine Quelle in der chinesischen Regierung die Bestätigung erhalten, dass das Revisionsgesuch Dawuts abgelehnt wurde und ihre lebenslange Haftstrafe somit rechtskräftig sei. grz
Ashwani Muppasani wird neuer COO für Indien und den asiatisch-pazifischen Raum bei dem Autokonzern Stellantis. Muppasani leitete bisher die National Sales Company für Stellantis in China.
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Ein Flagschiff-Laden für kleine Plastikfiguren? Klar. Der chinesische Spielzeughersteller Pop Mart International hat in der thailändischen Shopping-Mall Central World seinen ersten Flagship Store eröffnet. Pop Mart ist einer der größten Hersteller von Spielzeug in China.
Ursula von der Leyen als Präsidentin hat den Kurs vorgegeben, jetzt muss die Kommission liefern und das De-Risking konkret ausgestalten. Amelie Richter berichtet aus Straßburg von einer ganzen Reihe von Initiativen. Die Beamten haben eine Liste von Technologien vorgelegt, die Europa besonders schützen will. Sie ähneln übrigens verdächtig den Listen von Schlüsseltechnologien, mit denen auch China arbeitet – und die es selbst längst vor fremden Zugriff abgeschottet hat.
Chinas Geheimniskrämerei bringt uns Journalisten manchmal zum Wahnsinn. Manchmal ist eine Zahl, die doch einfach auf der Website eines Ministeriums stehen sollte, nirgendwo aufzufinden. Ich vermute, Wissenschaftlern und Thinktankern geht es ähnlich. Doch das ist keine Schlamperei, sondern es hat Methode, wie Christiane Kühl heute am Beispiel des Energiesektors beschreibt. Zahlen zur Stromproduktion sind geheimzuhalten, lautet eine Anweisung von ganz oben. Und wer sie dennoch recherchieren will, macht sich der Spionage verdächtig. Transparenz sieht anders aus.
Die EU-Kommission hat eine Liste kritischer Technologien erstellt, die die Europäische Union vor Rivalen schützen möchte. Digital-Kommissarin Věra Jourová und der EU-Kommissar für Binnenmarkt, Thierry Breton, stellten die Liste am Dienstag in Straßburg vor. Die Aufzählung enthält insgesamt zehn Technologien. Vier davon werden jedoch als besonders gefährlich bezeichnet, sollten sie in falsche Hände geraten:
Neben diesen vier Bereichen stehen auch Themen wie die Cybersicherheit auf der Liste, zudem Sensoren, Energie-, Nuklear- und Fusions-Technologie, Robotik und auch Materialien wie Nano- und Smart-Material. “Europa passt sich den neuen geopolitischen Realitäten an, beendet die Ära der Naivität und agiert als echte geopolitische Macht”, sagte EU-Kommissar Breton bei der Vorstellung.
Die Liste ist, wie auch die Aufzählung zu kritischen Rohstoffen, ein Elelement der Strategie für wirtschaftliche Sicherheit, die die EU-Kommission im Juni erstmals vorgestellt hatte. Brüssel hat damit erstmals ihrer Wirtschaftspolitik einen Sicherheitsaspekt verpasst – was eine grundlegende Veränderung für die EU darstellt, die bisher auf dem Konzept des Freihandels basierte.
Für die Auswahl der Technologien auf der Listen sind der EU-Kommission drei Kriterien ausschlaggebend. Zum einen der “transformative Charakter” der Technologie. Darunter versteht die EU-Kommission das Potenzial für “radikale Veränderungen für Sektoren” durch die Technologie. Auch das Risiko eines doppelten Verwendungszwecks (auf Englisch Dual Use), also für zivile und militärische Zwecke, ist das zweite Kriterium. Das dritte Merkmal ist das Potenzial für Menschenrechtsverletzungen.
Offen bleibt allerdings die Frage, wie diese Technologien genau beschützt werden sollen. Die EU-Kommission hat bisher nicht genau gesagt, ob es ihr beispielsweise darum geht, den Zugriff aus Drittländern auf die europäische Technik zu verhindern oder auch europäische Investitionen in den Bereichen im Ausland besser prüfen durch ein Outbound Investment Screening. Einen Querschnitt habe man mit der Liste nun gefunden, sagte Breton. Jetzt müsse allerdings noch genauer hingesehen werden, um dann die Abhängigkeiten zu bekämpfen, betonte der Franzose.
Dazu soll eine gemeinsame Risikobewertung mit den 27 Mitgliedsländern durchgeführt werden. “Um ein Player zu sein, brauchen wir eine einheitliche EU-Position, die auf einer gemeinsamen Einschätzung der Risiken basiert”, sagte EU-Kommissarin Jourová.
Die fehlende gemeinsame Position wurde beispielsweise sichtbar, als sich die Niederlande eigenständig Anfang des Jahres mit den USA darauf geeinigt hatte, den Export von hoch entwickelten Maschinen für die Chip-Herstellung nach China zu verbieten. Aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten gab es daraufhin Kritik, dass das eine EU-weite Entscheidung hätten sein sollen.
Während die EU-Kommission ihre Pläne vorstellte, machte das EU-Parlament am Dienstag in einer anderen Sache Nägel mit Köpfen: Das neue Handelswerkzeug gegen wirtschaftlichen Zwang, das “Anti Coercion Tool” (ACI), wurde von den Abgeordneten mit einer großen Mehrheit an Stimmen durchgewunken. “Wir haben unseren Werkzeugkasten mit einem zusätzlichen Verteidigungsinstrument gefüllt”, schrieb SPD-Europapolitiker Bernd Lange auf X, vormals Twitter. Dieses werde in einigen Wochen in Kraft treten, so Lange, der dem Handelsausschuss des Parlaments vorsitzt.
Hintergrund für das neue Handelsinstrument waren unter anderem chinesische Handelsbeschränkungen gegen Litauen, nachdem die Regierung in Vilnius die Eröffnung eines “Taiwan-Büros” in Taipeh ermöglicht hatte. In solchen Fällen kann die EU künftig etwa den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen für Firmen aus den betreffenden Ländern beschränken oder den Vertrieb bestimmter Produkte aus Europa blockieren. Derartige Schritte sind allerdings als letztes Mittel vorgesehen, wenn andere, vor allem diplomatische Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis begrüßte den großen Zuspruch für das neue Handelstool. Der Lette beantwortete am Dienstag Fragen der EU-Parlamentarier zur China-Handelspolitik und seiner jüngsten Reise in die Volksrepublik. Zu letzterer und dem dort stattgefundenen Handelsdialog sagte Dombrovskis, dass es keinen Durchbruch, aber sinnvolle Schritte gegeben habe.
Weitet China seine Anti-Spionagekampagne nun auf den Energiesektor aus? Oder schlägt nur der Chef einer wichtigen Behörde über die Stränge? Das fragten sich Beobachtende, nachdem Zhang Jianhua, Direktor der Nationalen Energiebehörde, im August die Unternehmen des Sektors aufforderte, “undichte Stellen” in “sensiblen Bereichen” des Energiesektors, wie der Atom- und Ölindustrie, zu vermeiden. Sicher ist jedoch, dass Informationen zu Chinas Energieversorgung schwerer zu bekommen sein werden als je zuvor.
“Feindliche ausländische Kräfte” sammelten Daten und Informationen, um Chinas Energiewende “zu verzerren und zu verleumden”, schrieb Zhang. Was er genau damit meinte, blieb unklar – er betonte aber die wachsenden Risiken, die nach seiner Ansicht von Smartphones, sozialen Medien und Hackerangriffen ausgehen. Der Bericht in für einen Behördenchef ungewöhnlich scharfem Ton stehe im Zusammenhang mit Chinas umfassenderen Anti-Spionage-Gesetzen, berichtete Bloomberg.
Zhang nannte in seinem Text keine Namen, schien sich aber auf Unternehmen zu beziehen, die Marktinformationen sammeln, sowie auf traditionelle Nachrichtendienste und Nichtregierungsorganisationen (NGO), die sich mit Energie und Klima befassen. Er forderte mehr Inspektionen und härtere Strafen bei Verstößen. Experten reagierten auf den Text mit Sorge. “Das verheißt nichts Gutes für die Verfügbarkeit von Daten, die Forschung, die Medien oder die Zivilgesellschaft”, schrieb etwa Lauri Myllyvirta, China-Experte vom Centre for Research on Energy and Clean Air auf X, vormals Twitter.
Doch schon ein paar Tage später war der Beitrag Zhangs aus dem Netz verschwunden, ebenso wie die meisten Berichte dazu in den Staatsmedien. Nur auf einzelnen Websites sei er noch zu sehen, berichtet Myllyvirta, nachdem er das Netz durchforstet hatte: “Bedeutet das, dass jemandem an höherer Stelle der Text nicht gefallen hat? Wie immer ist die Löschung noch interessanter als der Beitrag selbst.”
China ist der größte Energieerzeuger und -verbraucher der Welt, fördert und verbrennt mehr als die Hälfte der weltweiten Kohle, importiert mehr Öl und Gas als jedes andere Land – und baut die größten Solar- und Windkraftanlagen der Welt. In all diesen Bereichen wittert China Spionage, wenn man Zhang Jianhua beim Wort nimmt. Zugleich nimmt in China aktuell die ohnehin vielfach bescheidene Transparenz weiter ab, auch angesichts der wirtschaftlichen Schieflage. So gibt das Nationale Statistikamt missliebige Daten einfach nicht mehr heraus, wie jene zur wachsenden Jugendarbeitslosigkeit.
Seit Xis Amtsantritt 2012 sind von den damals noch mehr als 80.000 veröffentlichten Statistiken pro Jahr nach Recherchen der Financial Times Zehntausende gestrichen. Das gilt auch für die Umwelt: “Wasserdaten sind bereits schwer zu bekommen nach der Dürre im letzten Jahr, und wenn ich raten müsste, sind Agrardaten als Nächstes dran”, meint der Shanghaier Umweltberater Richard Brubaker. Doch was macht jemand, der diese Zahlen braucht? Due Diligence, Marktforschung? Doch so tiefgehende Recherchetätigkeiten können nach dem Anti-Spionagegesetz bereits als illegal ausgelegt werden.
Zhang Jianhua von der Energiebehörde forderte jedenfalls in dem gelöschten Beitrag: “Wir müssen aktiv eine Kultur der Vertraulichkeit pflegen, die Geheimnisse bewahrt und vorsichtig ist.” Das lassen sich vor allem Chinas Staatskonzerne nicht zweimal sagen. Schon im Juli hatte der Ölkonzern CNOOC mitgeteilt, man habe ein Treffen mit Kraftstoffhändlern abgehalten, um die Vertraulichkeitsanforderungen ihrer Arbeit zu erhöhen.
Geheimhaltung gibt es zum Beispiel bei den wachsenden Ölimporten aus Russland. Chinesische Zolldaten zeigten, dass China in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 60,66 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland importierte, rund 25 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Doch wer genau in China dieses Öl importiert, ist unklar.
Wahrscheinlich sind es die drei großen staatlichen Ölkonzerne des Landes: China National Petroleum (CNPC), China Petroleum & Chemical (Sinopec) und China National Offshore Oil (CNOOC). Doch die Führungskräfte ihrer börsennotierten Kernunternehmen zeigten sich bei ihren jüngsten Bilanzpressekonferenzen in Hongkong laut Nikkei Asia allesamt sehr zurückhaltend, Einzelheiten über ihr Russlandgeschäft zu nennen.
Wer also Genaueres zu den Öleinfuhren Chinas aus Russland erfahren will, schaut auf Schiffstracker oder versucht in vertraulichen Gesprächen, Informationen zu erhalten. Bloomberg zeichnete so den Weg einer unregistrierten Öllieferung aus dem russischen Ust-Luga in der Ostsee nach Dongjiakou in China nach. Solche Nachforschungen könnten jedoch in chinesischer Lesart als Spionage gelten.
Auch Informationen etwa über die Energiewende sind in China nicht so leicht zugänglich wie in den USA und Europa. Auch wenn Regierungsbehörden und Forschungsunternehmen laut Bloomberg immerhin regelmäßig Daten melden, auf deren Basis Unternehmen, Investoren und Wissenschaftler Trends für globale Handelsströme und Chinas Klimaschutz ableiten können.
China besitzt in dem hochsubventionierten Erneuerbaren-Sektor viele Patente, produziert Solaranlagen und Windturbinen, und forscht an den für die Energiewende so wichtigen Stromspeichern. China entwickelt sich laut der japanischen Zeitung Nikkei Asia gerade zu einem Zentrum der Forschung zu neuartigen Perowskit-Solarzellen. Doch der Zugang zu Informationen ist eben nicht immer so einfach, auch je nach Akteur und Standort. Die Betreiber von Großprojekten wie Offshore-Windanlagen oder Energiespeichern sind zumeist Staatskonzerne, die mit Details eher sparsam an die Öffentlichkeit berichten.
Der Staatskonzern Sinopec etwa startete im Juli die nach eigenen Angaben weltgrößte Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Xinjiang. Das Xinjiang Kuqa Green Hydrogen Pilot Project nutze eigene Fotovoltaikanlagen von der Größe von 900 Fußballfeldern, um mit Solarenergie durch Elektrolyse von Wasser 20.000 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr zu erzeugen, teilte Sinopec mit. Der erzeugte Wasserstoff werde zunächst in einer nahe gelegenen konzerneigenen Chemiefabrik zur Ölraffinierung eingesetzt. Immerhin.
Die Fachwebsite Upstream aus Singapur berichtet zudem, die Anlage habe 52 Elektrolyseure, von denen 13 von einem Joint Venture mit belgischer Beteiligung geliefert wurden. Zugang nach Xinjiang ist für internationale Marktforschungsfirmen kaum möglich. Wäre es nach Zhangs Lesart also Spionage, wenn man als Ausländer versuchen würde, über die Belgier Details über das Projekt und seine Kooperationspartner herauszubekommen?
“Es ist noch zu früh, um die genauen Auswirkungen abzuschätzen, aber es ist fast sicher, dass ein ehrlicher, aufrichtiger und von der Norm abweichender Austausch mit den chinesischen Kollegen noch schwieriger wird”, schrieb Liu Hongqiao, Expertin für Chinas Klimapolitik, auf X, als der Beitrag Zhangs bekannt wurde. Es scheine nicht nur um Daten, sondern auch um Narrative zu gehen.
Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.
China öffnet seinen Markt für Schweinefleisch aus Regionen Russlands, die frei von Afrikanischer Schweinepest (ASP) sind. Das berichtet der Nachrichtendienst Agra-Europe. Die 15-jährige Einfuhrsperre durch die chinesische Zollverwaltung aufgehoben worden sein. Die Sperre galt seit 2008, weil in Russland das Virus der Afrikanischen Schweinepest grassiert. Deshalb seien nur Einfuhren aus Regionen Russlands erlaubt, die nachweislich frei von ASP sind.
Deutschland beißt sich an China bislang vergeblich die Zähne aus, um solch eine Lösung umzusetzen. Und das, obwohl die Volksrepublik mehr und mehr Fleisch einführt. Von Januar bis August 2023 wurden rund 1,17 Millionen Tonnen Schweinefleisch eingeführt, fast zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, teilt das Agrarministerium in Peking mit. Zudem stieg der Import von Schlachtnebenerzeugnissen vom Schwein um fast acht Prozent auf 780.000 Tonnen.
An die Rekordzahlen der Jahre 2020 und 2021 reichen diese Mengen aber nicht heran. Größte Lieferländer bei Fleisch waren im bisherigen Jahresverlauf Spanien und Brasilien, bei den Nebenerzeugnissen die USA und Spanien. Henrike Schirmacher
Nach einer dreitägigen Pause sind die Anteilsscheine des angeschlagenen Immobilienkonzerns Evergrande an der Börse Hongkong am Dienstag wieder in den Handel gegangen. Der Kurs der Aktien stieg im Laufes des Handelstags auf niedrigem Niveau immerhin um 28 Prozent. Sie endeten aber trotzdem nur bei einem Kurs von 41 Hongkong-Cent und damit deutlich unter dem Niveau vor Chinas Immobilienkrise.
Evergrande hat mittelfristig keine Aussicht auf finanzielle Gesundung. Der Kursanstieg dürfte daher auf kurzfristige Spekulationen mit einer Billigaktie zurückgehen. Für einen Vertrauensbeweis in das Unternehmen fehlt jede Grundlage.
Der Grund für die Handelspause war der Beginn einer Untersuchung, an der Firmenchef Xu Jiayin (Kantonesisch: Hui Ka-yan) teilnehmen soll. Er wurde in der vergangenen Woche festgesetzt. Details gab es nicht. fin
Der US-Technikkonzern Apple gibt Druck aus China nach und beschränkt in der Volksrepublik den Zugang zu Anwendungen in seinem App-Store. Das berichtet die South China Morning Post. Das amerikanische Unternehmen hatte in den vergangenen Tagen noch versucht, die strengere Zensur der Apps abzuwenden.
Bisher konnten iPhone-Kunden in China über VPN westliche Apps herunterladen und installieren. Das stellte aber im Fall verbotener Apps zumindest eine Grauzone, wenn nicht eine Regulierungslücke dar. Künftig finden sich im App-Store nur noch Anwendungen, die vom Informationsministerium MIIT lizenziert sind. Betroffen sein könnten vor allem Kommunikationsanwendungen wie Whatsapp, X (vormals Twitter) oder Youtube. Es wird damit für iPhone-Nutzer, die ihr Smartphone dort neu einrichten, schwieriger, diese Apps zu installieren. fin
Die lebenslange Haftstrafe für Rahile Dawut steht symbolisch für das Schicksal der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang. Die jüngsten Erkenntnisse der Xinjiang-Forschung zeigen, dass die Zahl uigurischer Kurzzeit-Lagerinsassen zuletzt drastisch zurückgegangen ist. Allerdings ist in der gleichen Zeit die Anzahl sehr langer Gefängnisstrafen steil angestiegen. Was für Außenstehende wie eine positive Entwicklung erscheinen mag, ist für die lokale Bevölkerung jedoch kein Grund zur Hoffnung. Und so muss auch die Anthropologin Dawut davon ausgehen, dass sie nie wieder in Freiheit leben wird.
Dawut hatte allen Widrigkeiten zum Trotz bis vor Kurzem dennoch die Hoffnung, dass ihr Urteil revidiert werden könnte. 2018 hatte sie ein Gericht als “Gefahr für die nationale Sicherheit” eingestuft und der “Absplitterung” schuldig gesprochen. Weil Dawuts Fall, wie abertausende andere in der Region, unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehandelt wurde, ist unklar, was den Straftatbestand begründet haben sollte.
Aktuelle Untersuchungen haben ergeben, dass von einer siebenstelligen Zahl an Menschen, die von der chinesischen Regierung zwischen wenigen Monaten und einigen Jahren in die Internierungs- und Umerziehungslager gesteckt worden waren, nur noch wenige Zehntausende übrig geblieben sind.
Eine Normalisierung bedeutet das jedoch nicht, wie der dänische Xinjiang-Forscher Rune Steenberg sagt. Denn der jahrelangen Einschüchterung der breiten Masse folgt nun die gezielte Zersetzung der uigurischen Gesellschaft – auf perfide Art und Weise.
Die intellektuelle Elite und einige Hunderttausend andere Uiguren und Uigurinnen sitzen inzwischen in regulären Gefängnissen und haben faktisch keine Perspektive auf eine baldige Rückkehr ins Leben. Das geht aus der Forschung Steenbergs hervor. Der Rest der Bevölkerung ist durch die Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht nur zutiefst eingeschüchtert und verhält sich möglichst unauffällig, um harte Strafen gegen sich selbst und Familienmitglieder zu vermeiden.
Zudem werden sie durch eine zunehmende Integration in die örtliche Industrie an ihren Arbeitsplätzen engmaschig überwacht. Die inzwischen ausgefeilten technischen Möglichkeiten zur Gesichtserkennung, Standortbestimmung und Überwachung der Kommunikation haben Internierungslager als Kontrollinstanzen weitgehend ersetzt.
“Rahile Dawut ist eine weltliche Wissenschaftlerin, die dafür bekannt ist, den Gesetzen und Regularien der chinesischen Regierung Folge geleistet zu haben”, sagt Forscher Steenberg über die 57-Jährige. Er ist überzeugt davon, dass man weder ihr noch tausenden anderen Intellektuellen aus Xinjiang eine Verbindung zum Terror und Extremismus nachsagen kann.
Dawut ist weit über die chinesischen Landesgrenzen als Anthropologin bekannt. Sie war Expertin für Tradition und Kultur der uigurischen Ethnie und lehrte an der Universität Xinjiang in der Regionalhauptstadt Urumqi. 2007 hatte sie dort ein Forschungsinstitut gegründet, das sich mit dem Brauchtum der Minderheiten in China befasste. Sie gab Seminare an renommierten Universitäten in den USA und Großbritannien. 2020 wurde sie vom Akademiker-Netzwerk Scholars at Risk mit dem Courage-to-Think-Award ausgezeichnet. 30 Jahre lang war sie auch Mitglied der Kommunistischen Partei.
Ihr Fall veranlasste vergangene Woche das US-Außenministerium, ihre Inhaftierung in einer Stellungnahme als ungerechtfertigt zu verurteilen. Wo Dawut in Haft ist, wie es ihr geht, ob sie möglicherweise Kontakt mit Familienmitgliedern in Xinjiang hatte seit ihrer Festnahme 2017, ist unklar.
Zumindest, dass sie noch lebt, ist seit wenigen Tagen Gewissheit. Doch die Hoffnung auf eine verkürzte Haft ist dahin. Die US-Menschenrechtsstiftung Dui Hua hat über eine Quelle in der chinesischen Regierung die Bestätigung erhalten, dass das Revisionsgesuch Dawuts abgelehnt wurde und ihre lebenslange Haftstrafe somit rechtskräftig sei. grz
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