Table.Briefing: China

Chinas Cyberspionage + Lobbyismus chinesischer Firmen

Liebe Leserin, lieber Leser,

chinesische Cyberspionage ist so umfangreich, dass der Staat sie ohne Hilfe nicht stemmen könnte. Als im Februar dieses Jahres geleakte Dokumente die enge Zusammenarbeit zwischen einer privaten chinesischen Hackergruppe und der Regierung offenbarte, begann das Bundesamt für Verfassungsschutz damit, die Daten zu sezieren. Ein halbes Jahr später präsentiert die Behörde eine mehrteilige Analyse ihrer Arbeit.

Wilhelmine Preußen hat sich mit den BfV-Veröffentlichungen beschäftigt und Experten über deren Bedeutung befragt. Das Feedback, das sie erhielt: Es wird allerhöchste Zeit, dass ein größeres Bewusstsein in Deutschland geschaffen wird, um sich vor möglichen Angriffen auf sensible Netzwerke und Daten besser zu schützen. Ein wichtiger Schritt ist der Kabinettsentwurf zur Umsetzung der neuen EU-Richtlinie für Cybersicherheit.

Doch “umfassende Bereichsausnahmen” nehmen die öffentliche Verwaltung im deutschen Gesetzentwurf explizit aus. Damit bleibt eine Flanke des Cyberkrieg-Schauplatzes vergleichsweise ungedeckt. Denn China interessiert mehr als nur Industriegeheimnisse und militärische Kapazitäten. Gerade auch der Zugang zu Personal in Verwaltungen ermöglicht den Zugriff auf wichtige Schnittstellen und Informationsquellen. Und in der Vergangenheit haben es chinesische Spionage-Aktivitäten gezielt auf die Schwachstelle Mensch abgesehen.

Einflussnahme auf Menschen ist übrigens auch die Strategie, der sich chinesische Tech-Konzerne bedienen, um dem kritischen Blick auf ihre Arbeit in Deutschland und Europa entgegenzuwirken. Vor allem Huawei und Tiktok bauen ihre Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin immer weiter aus, stellt eine Studie des Vereins LobbyControl fest. Mehr Geld und wachsende Netzwerke sollen die Interessen der Konzerne hierzulande stärker vertreten. Das ist legitim und sicherlich auch ein Fingerzeig für die Zukunft: Chinesische Lobbyarbeit in Europa wird weiter zunehmen. Es kann nicht schaden, entsprechend aufmerksam zuzuschauen.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

I-Soon-Leaks: Wie China private Hackergruppen für seine Cyberspionage nutzt

Ein Ökosystem privater Hackerfirmen unterstützt die chinesische Regierung bei der Cyberspionage.

Die Bundesregierung macht immer öfter öffentlich Akteure wie Russland oder China für Cyberangriffe verantwortlich. Im Falle der Cyberspionageoperation auf das Bundesamt für Kartografie und Geodäsie im Jahr 2021 hat die Bundesregierung jüngst sogar den chinesischen Botschafter einbestellt. Aber diese härteren diplomatischen Maßnahmen allein werden die Cyberangriffe in Zukunft nicht verhindern, warnen Experten.

Das liegt auch an der zunehmenden Professionalisierung von Cyberspionage durch private Unternehmen. Ein Leak mit Daten der chinesischen Hackerfirma i-Soon hat im Februar einen seltenen Einblick in die Vorgehensweise von Advanced Persistent Threats (APT)-Gruppierungen in China und das Zusammenspiel privater und staatlicher Akteure gegeben und damit große Aufmerksamkeit erzeugt.

Bundesverfassungsschutz analysiert i-Soon Leaks

Jetzt hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in vier Teilen zu den sogenannten i-Soon-Leaks seine eigene Analyse der zur Verfügung gestellten Chats, Werbematerialien und Präsentationen des Unternehmens veröffentlicht. Im ersten Teil geht es um die Organisation und Methoden der i-Soon Advanced Persistent Threat Einheiten, im zweiten und dritten Teil um die Verbindungen zum chinesischen Sicherheitsapparat und die konkreten Angriffsziele. Der letzte Teil erscheint am Donnerstag, 22. August.

Die Reihe des BfV ist teilweise sicherlich als Werbemaßnahme für den Verfassungsschutz selbst zu verstehen, sie dient aber auch als Sensibilisierungsmaßnahme. In deutschen Vorständen von Unternehmen, Universitäten oder Forschungseinrichtungen, aber auch in Ministerien und Behörden soll endlich bewusst werden, was in Expertenkreisen lange bekannt ist: Chinesische Sicherheitsbehörden spionieren im Cyberraum mit der Hilfe von hoch professionalisierten privaten IT-Dienstleistern. Operationen werden von langer Hand und gezielt geplant. Eine Zuordnung der einzelnen Cyberoperationen wird immer herausfordernder. Was aus den Daten auch deutlich wird: i-Soon ist kein Einzelakteur, sondern agiert in einem florierenden chinesischen Cyberökosystem.

Die öffentliche Verwaltung muss technische Cybersicherheit erhöhen

Die Bundesregierung sollte die Lehre daraus ziehen, dass politische Verurteilungen allein “nichts bringen”, warnt Dennis-Kenji Kipker, Forschungsdirektor und Mitgründer des Cyberintelligence Institute in Frankfurt. Klar ist, dass Unternehmen wie i-Soon nicht nur für die chinesische Zentralregierung arbeiten, sondern für den, der sie bezahlt. Es entsteht ein “Marktwert von Cyberangriffen”, sagt Kipker.

Die öffentliche Verwaltung in Deutschland müsse sich deswegen auf technischer Ebene um ihre Cybersicherheit kümmern, betont er. Das habe man mit dem Kabinettsentwurf zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie für Cybersicherheit der EU versäumt, indem man “umfassende Bereichsausnahmen” in den Gesetzentwurf eingearbeitet habe. Die öffentliche Verwaltung jenseits der Bundesebene bleibt in der deutschen Umsetzung jenseits von NIS2 explizit ausgenommen.

Zugangsdaten für das FBI-Netz für 13.000 Euro

Die Leistungen der Hackerfirmen decken sich laut dem BfV in der Regel mit dem Informationsbedürfnis der chinesischen Staatsagenda: Sie attackieren Netzwerke von Regierungsstellen, internationalen Organisationen und Firmen, die relevant sind. Die Dokumente zeigen, wo die Interessen der chinesischen Behörden liegen und was sie bereit sind, dafür zu zahlen. Angaben umfassen sowohl Zielentitäten als auch Vertragsdetails zu konkreten Produkten und Dienstleistungen. Zugangsdaten für das FBI-Netz werden beispielsweise für 13.000 und 20.000 Euro angeboten.

Zu den Spionagezielen gehörten auch die Kommunikation von Nato-Chef Jens Stoltenberg, britische Regierungs- und Aktivistenorganisationen oder Mitarbeiter von französischen Elite-Universitäten. Deutsche Ziele nennt die Analyse in dem speziellen Fall nicht, aber der Datensatz hat große Relevanz für die hiesigen Sicherheitsbehörden und die deutsche Spionageabwehr.

Die Art der Cyberspionage ist “typisch chinesisch”

“Diese Art von Cyberspionage durch staatlich affiliierte Unternehmen ist ein typisch chinesisches Muster, gerade auch im Vergleich zu Russland, das noch stärker auf den historisch gewachsenen Cyberkriminalitätssektor setzt”, sagt Kerstin Zettl-Schabath, Cyber-Konfliktforscherin bei der European Repository of Cyber Incidents (EuRepoC) von der Universität Heidelberg. 

China geht es nicht unbedingt darum, mit einer Ransomware-Attacke Infrastruktur lahmzulegen oder Lösegeld zu erpressen. Es geht vielmehr um hochrangige Ziele und dann in Rücksprache mit dem Kunden auch um Angriffe. Systematisch analysiert das Land auch die Schwachstellen seiner potenziellen Spionageziele, um im Bedarfsfall größtmöglichen Schaden anrichten zu können.

Die öffentliche Zuschreibung von Cyberangriffen sei ein “erster richtiger Schritt”, sagt Zettl-Schabath. “Wenn öffentlich nicht adressiert wird, dass China regelmäßig Normen verletzt, können diese letztlich auch nicht internalisiert werden.” Aber auch die Expertin drängt darauf, dass Unternehmen und Behörden ihr technisches Schutzniveau stärken müssen, um sich gegen diese Art von Akteuren bestmöglich abzusichern.

  • Cybersicherheit
  • NIS-2
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News

Lobby-Studie: Mit diesen Mitteln wollen Tiktok und Huawei Einfluss gewinnen

Chinesische Techkonzerne bauen ihre Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin immer weiter aus. Zu diesem Schluss kommt der unabhängige, gemeinnützige Verein LobbyControl, der lobbykritische Recherchen veröffentlicht. In einer neuen Studie hat LobbyControl die Macht und den Einfluss chinesischer Techkonzerne in Europa untersucht. Vor allem Huawei und Tiktok versuchen demnach, ihre Netzwerke direkt und indirekt über Lobbyagenturen wie Brunswick und FTI Consulting auszubauen.

Huawei gibt laut LobbyControl seit 2012 zwei bis drei Millionen Euro pro Jahr für Lobbyarbeit in Brüssel aus. Das Unternehmen verfüge über elf Vollzeitlobbyist:innen in der EU. Viele der Lobbytreffen von Huawei in den vergangenen Jahren hätten sich vor allem um den Zugang beim Ausbau der 5G-Netze gedreht. Deutschland stand dabei besonders im Fokus. In Berlin seien ähnlich viele Personen in die Lobbyarbeit involviert wie in Brüssel. Um sein Image zu verbessern, setze Huawei außerdem auf Nachwuchsförderprogramme und Stipendien.

Tiktok habe zuletzt wiederum 1,25 Millionen Euro für seine Lobbyarbeit in Brüssel ausgegeben. Der App-Anbieter verfüge dort über fünf Vollzeitlobbyisten und Lobbyistinnen. In Deutschland gibt das Unternehmen demnach rund 200.000 Euro für seine Lobbyarbeit aus und verfügt über drei permanente Interessenvertreter. Tiktok habe zudem seit Januar 2023 allein in Deutschland Imagewerbung im Wert von mehr als 910.000 Euro in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet. Das umstrittene Tech-Unternehmen war 2024 zudem Partner und Sponsor der Berliner Re:publica, einer jährlich stattfindenden Konferenz zur digitalen Gesellschaft mit tausenden Besuchern. 

Beide Unternehmen versuchen laut LobbyControl auch über Wirtschaftsverbände Einfluss auszuüben. Huawei ist etwa Mitglied im European Services Forum (ESF), dem Verband des EU-Dienstleistungssektors und Tiktok im Verband der EU-Digitalindustrie DigitalEurope. Auch Denkfabriken und formelle und informelle Freundschaftsvereine spielen eine Rolle, etwa der Deutsch-Chinesische Freundschaftsverein oder die China-Brücke, zu deren Gründern der Huawei-Lobbyist Carsten Senz gehört. LobbyControl kommt zu dem Schluss, dass neben Huawei und Tiktok in Zukunft noch mehr chinesische Unternehmen Lobbyarbeit in Europa betreiben werden. Ein Hinweis auf solche Pläne sei etwa die massive Bandenwerbung chinesischer Unternehmen wie Alipay während der Fussball-EM in Deutschland. fpe

  • Deutschland
  • EU
  • Lobbyismus
  • Technologie

Taiwan: Deutsche Kriegsschiffe warten auf grünes Licht aus Berlin

Die Fregatte “Baden-Württemberg” und das Versorgungsschiff “Frankfurt am Main” navigieren im September möglicherweise durch die Straße von Taiwan. “Die Entscheidung ist noch nicht getroffen”, sagte Flottillenadmiral Axel Schulz, der den deutschen Marineverband im Indopazifik führt, der Nachrichtenagentur Reuters. Auch das Wetter spiele eine Rolle. Für deutsche Kriegsschiffe wäre es die erste Durchfahrt seit 2002.

“Es geht darum, Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass wir, Deutschland, an der Seite unserer Partner und Freunde und Verbündeten stehen, für die Wahrung der regelbasierten internationalen Ordnung, die friedliche Konfliktbeilegung insbesondere mit Blick auf Gebietsstreitigkeiten und die Freiheit der Seehandelsrouten eintreten”, sagte Schulz.

China schließt den Einsatz militärischer Gewalt nicht aus, um Taiwan unter seine Kontrolle zu bringen. Peking beansprucht die Gerichtsbarkeit über den fast 180 Kilometer breiten Seeweg. Taiwan und die USA bezeichnen die Meerenge als internationale Wasserstraße. Die USA haben China wiederholt vor militärischen Schritten gewarnt. Die USA und andere Nationen haben in den vergangenen Wochen bereits Kriegsschiffe durch die Meerenge geschickt.

Schulz sagte, er plane keine spezifischen Sicherheitsmaßnahmen für eine mögliche Durchquerung. Er bezeichnete dies als “normale Passage”, ähnlich wie die Durchfahrt durch den Ärmelkanal oder die Nordsee. Er rechne jedoch damit, dass die chinesische Marine und möglicherweise die Küstenwache oder maritime Milizen die deutschen Schiffe begleiten würden. Schulz beschrieb dies aber als gängige Praxis. rtr/grz

  • Marine
  • Sicherheit
  • Taiwan
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Spratly-Inseln: Erneute Eskalation im Südchinesischen Meer

Die andauernden Konfrontationen zwischen philippinischen und chinesischen Schiffen im Südchinesischen Meer haben sich am Montag fortgesetzt. Demnach sei es in den frühen Montagstunden gleich zu mehreren Kollisionen gekommen, für die beide Staaten die jeweils andere Seite verantwortlich machten.

Der Vorfall ereignete sich rund 230 Kilometer westlich der philippinischen Provinz Palawan in der Nähe des Sabina-Riffs, das Teil der umstrittenen Spratly-Inseln ist. Ein philippinisches Schiff sei nach chinesischen Angaben absichtlich mit einem chinesischen Schiff kollidiert.

Die Philippinen bestritten die Darstellung. Manila sagte, zwei Schiffe seiner Küstenwache seien in der Nähe der Sabina Shoal mit aggressiven Manövern chinesische Schiffe konfrontiert worden, als sie unterwegs waren, um philippinisches Personal auf den Inseln zu versorgen. Bei den Kollisionen seien erhebliche Schäden an zwei philippinischen Schiffen entstanden, hieß es. Verletzte gab es offenbar nicht. Die Vereinigten Staaten verurteilten das Vorgehen Chinas.

China und die Philippinen hatten im Juli ein vorläufiges Abkommen geschlossen, nachdem es am Zweiten Thomas-Riff, das ebenfalls zu den Spratly-Inseln gehört, zu Spannungen gekommen war. China war von westlichen Staaten kritisiert worden, weil es philippinische Hilfsbemühungen für ein Marineschiff blockiert hatte, das dort vor 25 Jahren absichtlich auf Grund gesetzt worden war. Das Schiff dient als Stützpunkt des philippinischen Außenpostens, mit dem der Gebietsanspruch aufrechterhalten werden soll. grz

  • Indopazifik
  • Philippinen
  • Sicherheit
  • Südchinesisches Meer

Verbindung mit Vietnam: Tô Lâm besucht Peking

Xi Jinping hat sich am Montag mit dem vietnamesischen Staatschef Tô Lâm getroffen. Laut chinesischen Staatsmedien betonte Xi während des Treffens, dass sein Land Vietnam immer eine Priorität in der regionalen Diplomatie eingeräumt habe. Das Treffen fand im Rahmen eines dreitägigen Staatsbesuchs statt, dem ersten Tô Lâms als neuer Parteichef. Xi Jinping sagte, der erste Besuch Tô Lâms in China nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär spiegele voll und ganz die große Bedeutung wider, die er den Beziehungen zwischen den beiden Parteien und den beiden Ländern beimisst.

China bezeichnete Tô Lâms Besuch als Fortsetzung von Xis Reise nach Vietnam im Dezember. Damals hatten beide Länder mehr als ein Dutzend Abkommen unterzeichnet, die unter anderem die Stärkung der Zusammenarbeit und Entwicklung im Eisenbahnwesen sowie die Einrichtung einer Kommunikation zur Bewältigung unerwarteter Zwischenfälle im Südchinesischen Meer vorsehen. Vietnam hatte im vergangenen Jahr seine Beziehungen zu den USA und Japan zu einer umfassenden strategischen Partnerschaft aufgewertet und damit auf dieselbe diplomatische Stufe gehoben wie die Beziehungen zu China und Indien.

Das südostasiatische Land wird als eine Alternative zu China gesehen. Immer mehr deutsche Unternehmer setzen bei ihrer Diversifizierung von der Volksrepublik vor allem auf Vietnam. Das entspricht der deutschen China-Strategie. Aber auch Peking hat Interessen in Vietnam und drängt zunehmend auf den dortigen Markt. mcl

  • China-Strategie
  • Handel
  • Lieferketten
  • Vietnam
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Handel: Ausfuhren zu EU-Nachbarn übertreffen die nach China bei weitem

China blieb im ersten Halbjahr 2024 das wichtigste Herkunftsland für Waren, die Deutschland bezieht, während die USA das wichtigste Ausfuhrziel für deutsche Güter sind. Das geht aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts hervor. Als Absatzmarkt ist China demnach keineswegs dominierend. Nach den USA sind Frankreich und die Niederlande die wichtigsten Abnehmerländer. Selbst nach Polen geht mehr als nach China.

Anders sieht es bei der Handelsbilanz aus. Mit China lag der Handel im Minus, es ergab sich also ein Defizit. Doch mit den Vereinigten Staaten konnten die Exporteure unterm Strich ein sattes Plus erzielen, ebenso wie mit Großbritannien. Deutschlands Handelsüberschuss stieg insgesamt um 29 Prozent auf 139 Milliarden Euro. fin

  • Autoindustrie
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  • Handel

Presseschau

Südchinesisches Meer: China wirft Philippinen “absichtliche” Schiffskollision vor FAZ
U.S., China sign agreement to cooperate on financial stability CNBC
Chinas Bündnispolitik: Auf die falschen Pferde gesetzt TAZ
China’s relaxed visa rules pay off as more overseas travellers arrive SCMP
Schweiz: China-Politik des Bundesrats ist schwer nachvollziehbar TAGESANZEIGER
Griechenland: China ist höchst präsent im Land – doch die Stimmung schlägt um HANDELSBLATT
Wie Chinas Immobilienkrise die Wirtschaft bremst TELEPOLIS
Können sehen, sprechen und fühlen – aus China wegverlegt: Warum die “Schwabenroboter” aus Metzingen kommen SWR
Dank Open Source hat Chinas KI-Branche den Anschluss gefunden – kann sie ihn auch halten? T3N
“Black Myth Wukong”: “Feministische Propaganda” und Kritik an China verboten HEISE

Standpunkt

Reformen: China muss die Lokalregierungen in die Schranken weisen 

Von Yiping Huang
Yiping Huang ist Dekan der National School of Development und Professor an der Universität Peking sowie Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank.

Die Dezentralisierung der Entscheidungsgewalt von der Zentralregierung zu den lokalen Behörden wird weithin als eine der wirksamsten politischen Reformen Chinas in den letzten vier Jahrzehnten angesehen. Als sich die Prioritäten der Kommunistischen Partei vom Klassenkampf in Richtung wirtschaftliche Entwicklung verlagerten, erwies sich die Dezentralisierung als enormer Wachstumsimpuls.

Im Vergleich zum System der Zentralplanung waren die Lokalregierungen besser in der Lage, wirtschaftliche Entscheidungen auf lokale Gegebenheiten abzustimmen. Die Lokalregierungen konnten außerdem die Wirtschaftstätigkeit auf einem unterentwickelten Markt besser fördern, unter anderem durch den Schutz von Eigentumsrechten und die Koordinierung geschäftlicher Transaktionen.

Nachdem die Reform ihre Wirkung entfaltet hatte, lieferten sich die subnationalen Regierungen einen erbitterten Wettbewerb um rasches Wirtschaftswachstum, wobei Studien eine positive Korrelation zwischen den Aufstiegschancen lokaler Führungskräfte und dem BIP-Wachstum in ihrem Zuständigkeitsbereich belegen. Bürgermeister fungierten als CEOs der kommunalen Wirtschaft, und auf allen Ebenen der Kommunalverwaltung wurden Programme zur Investitionsförderung umgesetzt, die potenziellen Investoren ein breites Spektrum an Subventionen boten. Folglich waren die Kommunalverwaltungen entscheidend für den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas.

Dezentralisierung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Marktliberalisierung, auch wenn sie anfänglich zu Effizienzgewinnen führte. Die Zuständigkeit für Ressourcenallokation bleibt in den Händen der Regierung, wenn auch eher auf lokaler als auf nationaler Ebene.

Die Umwandlung der Kommunen zu Einrichtungen, die sowohl Regierungs- als auch Unternehmensfunktionen erfüllten, war in gewisser Weise eine Übergangslösung. Und eine Zeit lang hat es auch geklappt, vor allem in den ersten drei Jahrzehnten der Reform, als Chinas Märkte nicht richtig funktionierten. Aber diese Zeiten sind vorbei. Heute sind die Lokalregierungen wohl die Hauptursache für Marktverzerrungen und finanzielle Risiken in China.

Lokalregierungen sind zum Risikofaktor mutiert

So beziehen die Kommunen etwa einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen aus dem Verkauf urbaner Flächen in Staatsbesitz, dessen Erlöse ausschließlich den Lokalregierungen zufließen. Das ist einer der Hauptfaktoren für Chinas ständig anwachsende Immobilienblase und die damit verbundenen finanziellen Risiken. Darüber hinaus geben die Kommunalverwaltungen einen großen Teil dieser Einnahmen für Prestigeprojekte aus – Parks, Konzerthallen und Flughäfen – die nur selten in vollem Umfang genutzt werden.

Lokalregierungen fördern zudem die Entwicklung von Branchen, die von der Zentralregierung erwünscht sind. Im Falle grüner Energie beispielsweise versuchen sie, Unternehmen durch Steuerermäßigungen, Zugang zu subventionierten Krediten und die kostenlose Nutzung von Grundstücken anzulocken. Doch anstatt technologische Engpässe zu überwinden, dient diese lokalisierte Industriepolitik hauptsächlich der Ausweitung der Produktionskapazität.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Lokalregierungen aus Sorge um die Arbeitsplätze und den Lebensstandard vor Ort angeschlagene Unternehmen manchmal davon abhalten, ihre Betriebe zu schließen. Dieser Ansatz der “Investitionsförderung” verfälscht die Rahmenbedingungen, verzerrt die Ressourcenallokation, mindert die Produktqualität und verschärft das Problem der Überkapazitäten.

Das vielleicht beunruhigendste Faktum: Die massive Verschuldung der lokalen Gebietskörperschaften, die sich im Jahr 2023 auf 32 Prozent des chinesischen BIP belief, stellt ein erhebliches finanzielles Risiko dar. Ausgangspunkt dieser gefährlichen Überschuldung war das Missverhältnis zwischen den fiskalischen Ressourcen der Lokalregierungen und ihrer Ausgabenverantwortung.

Um über die Runden zu kommen, haben klamme Kommunalverwaltungen innovative Einnahmemodelle eingeführt, wie das kommunale Investitionsvehikel. Doch während die Kommunalverwaltungen Kredite auf dem Markt aufnahmen, schauten die Investoren nur auf die Schuldendienstfähigkeit der Zentralregierung. Dies ermöglichte es den Kommunalverwaltungen, zu untragbaren Konditionen Kredite aufzunehmen und Geld auszugeben.

China kann weitere Wirtschaftsreformen nur durchführen, wenn es seine Kommunalverwaltungen in die Schranken weist. Das kürzlich abgeschlossene dritte Plenum des 20. Parteikongresses bekräftigte das Bekenntnis des Landes, dem Markt eine entscheidende Rolle bei der Ressourcenallokation zuzugestehen, und betonte gleichzeitig die Notwendigkeit, Marktversagen zu korrigieren. Die Regulierung des Verhaltens der Lokalregierungen ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung.

Schuldenmanagement muss reformiert werden

Zu diesem Zweck hat das Plenum eine Reihe von Reformen festgelegt, wie beispielsweise die Standardisierung von Investitionsförderungsprogrammen, um unzulässige Industriesubventionen zu unterbinden sowie eine verstärkte Aufsicht über das Schuldenmanagement der Kommunalverwaltungen. Die Umsetzung dieser Reformen wird jedoch nicht einfach. Die chinesische Regierung wird außerordentliche Entschlossenheit und eine geschickte Politikgestaltung an den Tag legen müssen, um die Verschuldung der Kommunen zu senken, die Ausgabenverantwortung neu zu verteilen und die finanziellen Risiken zu steuern.

Dieser Prozess sollte sich an drei Grundsätzen orientieren. Erstens sind die Lokalregierungen daran zu hindern, in Ressourcenallokation und Preisbildung einzugreifen, die Märkten und Unternehmen zu überlassen sind. Zweitens sollte die Umsetzung sämtlicher industrie- und fiskalpolitischer Maßnahmen der Zentralregierung obliegen, ohne den subnationalen Regierungen zusätzliche Ausgabenverantwortung zu übertragen. Und schließlich sollten sich die lokalen Behörden stärker auf grundlegende staatliche Aufgaben wie den Bau von Infrastruktur, die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und die Korrektur von Marktversagen konzentrieren.

Diese Änderungen würden im Falle ihrer Umsetzung einen großen Beitrag zur Förderung eines robusten Wirtschaftswachstums in China und zur Verwirklichung des Ziels der chinesischen Regierung leisten, eine fortschrittliche sozialistische Marktwirtschaft aufzubauen. Übersetzung: Helga Klinger-Groier

Huang Yiping ist Dekan der National School of Development und Professor an der Universität Peking sowie Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank People’s Bank of China.

Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org

  • Drittes Plenum
  • Finanzen
  • Fiskalpolitik
  • Investitionen
  • Peoples Bank of China

Personalie

Patrick Heinecke ist seit August Executive Vice President Finance bei Volkswagen China Investment. Zuvor war er Board Member for Finance, IT, Purchasing, and Compliance für Audi in Ungarn. Sein neuer Einsatzort ist Peking. 

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Dessert

Was an eine ländliche Zirkusprobe erinnert, ist in Wahrheit eine klug improvisierte Form der Landwirtschaft. Reisbauern aus Suqian in der nördlichen Provinz Jiangsu nutzen den Auftrieb von Wasserstoffballons, um eine Düse anzuheben, die Pflanzenschutzmittel über die Felder versprüht.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
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    chinesische Cyberspionage ist so umfangreich, dass der Staat sie ohne Hilfe nicht stemmen könnte. Als im Februar dieses Jahres geleakte Dokumente die enge Zusammenarbeit zwischen einer privaten chinesischen Hackergruppe und der Regierung offenbarte, begann das Bundesamt für Verfassungsschutz damit, die Daten zu sezieren. Ein halbes Jahr später präsentiert die Behörde eine mehrteilige Analyse ihrer Arbeit.

    Wilhelmine Preußen hat sich mit den BfV-Veröffentlichungen beschäftigt und Experten über deren Bedeutung befragt. Das Feedback, das sie erhielt: Es wird allerhöchste Zeit, dass ein größeres Bewusstsein in Deutschland geschaffen wird, um sich vor möglichen Angriffen auf sensible Netzwerke und Daten besser zu schützen. Ein wichtiger Schritt ist der Kabinettsentwurf zur Umsetzung der neuen EU-Richtlinie für Cybersicherheit.

    Doch “umfassende Bereichsausnahmen” nehmen die öffentliche Verwaltung im deutschen Gesetzentwurf explizit aus. Damit bleibt eine Flanke des Cyberkrieg-Schauplatzes vergleichsweise ungedeckt. Denn China interessiert mehr als nur Industriegeheimnisse und militärische Kapazitäten. Gerade auch der Zugang zu Personal in Verwaltungen ermöglicht den Zugriff auf wichtige Schnittstellen und Informationsquellen. Und in der Vergangenheit haben es chinesische Spionage-Aktivitäten gezielt auf die Schwachstelle Mensch abgesehen.

    Einflussnahme auf Menschen ist übrigens auch die Strategie, der sich chinesische Tech-Konzerne bedienen, um dem kritischen Blick auf ihre Arbeit in Deutschland und Europa entgegenzuwirken. Vor allem Huawei und Tiktok bauen ihre Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin immer weiter aus, stellt eine Studie des Vereins LobbyControl fest. Mehr Geld und wachsende Netzwerke sollen die Interessen der Konzerne hierzulande stärker vertreten. Das ist legitim und sicherlich auch ein Fingerzeig für die Zukunft: Chinesische Lobbyarbeit in Europa wird weiter zunehmen. Es kann nicht schaden, entsprechend aufmerksam zuzuschauen.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    I-Soon-Leaks: Wie China private Hackergruppen für seine Cyberspionage nutzt

    Ein Ökosystem privater Hackerfirmen unterstützt die chinesische Regierung bei der Cyberspionage.

    Die Bundesregierung macht immer öfter öffentlich Akteure wie Russland oder China für Cyberangriffe verantwortlich. Im Falle der Cyberspionageoperation auf das Bundesamt für Kartografie und Geodäsie im Jahr 2021 hat die Bundesregierung jüngst sogar den chinesischen Botschafter einbestellt. Aber diese härteren diplomatischen Maßnahmen allein werden die Cyberangriffe in Zukunft nicht verhindern, warnen Experten.

    Das liegt auch an der zunehmenden Professionalisierung von Cyberspionage durch private Unternehmen. Ein Leak mit Daten der chinesischen Hackerfirma i-Soon hat im Februar einen seltenen Einblick in die Vorgehensweise von Advanced Persistent Threats (APT)-Gruppierungen in China und das Zusammenspiel privater und staatlicher Akteure gegeben und damit große Aufmerksamkeit erzeugt.

    Bundesverfassungsschutz analysiert i-Soon Leaks

    Jetzt hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in vier Teilen zu den sogenannten i-Soon-Leaks seine eigene Analyse der zur Verfügung gestellten Chats, Werbematerialien und Präsentationen des Unternehmens veröffentlicht. Im ersten Teil geht es um die Organisation und Methoden der i-Soon Advanced Persistent Threat Einheiten, im zweiten und dritten Teil um die Verbindungen zum chinesischen Sicherheitsapparat und die konkreten Angriffsziele. Der letzte Teil erscheint am Donnerstag, 22. August.

    Die Reihe des BfV ist teilweise sicherlich als Werbemaßnahme für den Verfassungsschutz selbst zu verstehen, sie dient aber auch als Sensibilisierungsmaßnahme. In deutschen Vorständen von Unternehmen, Universitäten oder Forschungseinrichtungen, aber auch in Ministerien und Behörden soll endlich bewusst werden, was in Expertenkreisen lange bekannt ist: Chinesische Sicherheitsbehörden spionieren im Cyberraum mit der Hilfe von hoch professionalisierten privaten IT-Dienstleistern. Operationen werden von langer Hand und gezielt geplant. Eine Zuordnung der einzelnen Cyberoperationen wird immer herausfordernder. Was aus den Daten auch deutlich wird: i-Soon ist kein Einzelakteur, sondern agiert in einem florierenden chinesischen Cyberökosystem.

    Die öffentliche Verwaltung muss technische Cybersicherheit erhöhen

    Die Bundesregierung sollte die Lehre daraus ziehen, dass politische Verurteilungen allein “nichts bringen”, warnt Dennis-Kenji Kipker, Forschungsdirektor und Mitgründer des Cyberintelligence Institute in Frankfurt. Klar ist, dass Unternehmen wie i-Soon nicht nur für die chinesische Zentralregierung arbeiten, sondern für den, der sie bezahlt. Es entsteht ein “Marktwert von Cyberangriffen”, sagt Kipker.

    Die öffentliche Verwaltung in Deutschland müsse sich deswegen auf technischer Ebene um ihre Cybersicherheit kümmern, betont er. Das habe man mit dem Kabinettsentwurf zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie für Cybersicherheit der EU versäumt, indem man “umfassende Bereichsausnahmen” in den Gesetzentwurf eingearbeitet habe. Die öffentliche Verwaltung jenseits der Bundesebene bleibt in der deutschen Umsetzung jenseits von NIS2 explizit ausgenommen.

    Zugangsdaten für das FBI-Netz für 13.000 Euro

    Die Leistungen der Hackerfirmen decken sich laut dem BfV in der Regel mit dem Informationsbedürfnis der chinesischen Staatsagenda: Sie attackieren Netzwerke von Regierungsstellen, internationalen Organisationen und Firmen, die relevant sind. Die Dokumente zeigen, wo die Interessen der chinesischen Behörden liegen und was sie bereit sind, dafür zu zahlen. Angaben umfassen sowohl Zielentitäten als auch Vertragsdetails zu konkreten Produkten und Dienstleistungen. Zugangsdaten für das FBI-Netz werden beispielsweise für 13.000 und 20.000 Euro angeboten.

    Zu den Spionagezielen gehörten auch die Kommunikation von Nato-Chef Jens Stoltenberg, britische Regierungs- und Aktivistenorganisationen oder Mitarbeiter von französischen Elite-Universitäten. Deutsche Ziele nennt die Analyse in dem speziellen Fall nicht, aber der Datensatz hat große Relevanz für die hiesigen Sicherheitsbehörden und die deutsche Spionageabwehr.

    Die Art der Cyberspionage ist “typisch chinesisch”

    “Diese Art von Cyberspionage durch staatlich affiliierte Unternehmen ist ein typisch chinesisches Muster, gerade auch im Vergleich zu Russland, das noch stärker auf den historisch gewachsenen Cyberkriminalitätssektor setzt”, sagt Kerstin Zettl-Schabath, Cyber-Konfliktforscherin bei der European Repository of Cyber Incidents (EuRepoC) von der Universität Heidelberg. 

    China geht es nicht unbedingt darum, mit einer Ransomware-Attacke Infrastruktur lahmzulegen oder Lösegeld zu erpressen. Es geht vielmehr um hochrangige Ziele und dann in Rücksprache mit dem Kunden auch um Angriffe. Systematisch analysiert das Land auch die Schwachstellen seiner potenziellen Spionageziele, um im Bedarfsfall größtmöglichen Schaden anrichten zu können.

    Die öffentliche Zuschreibung von Cyberangriffen sei ein “erster richtiger Schritt”, sagt Zettl-Schabath. “Wenn öffentlich nicht adressiert wird, dass China regelmäßig Normen verletzt, können diese letztlich auch nicht internalisiert werden.” Aber auch die Expertin drängt darauf, dass Unternehmen und Behörden ihr technisches Schutzniveau stärken müssen, um sich gegen diese Art von Akteuren bestmöglich abzusichern.

    • Cybersicherheit
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    Lobby-Studie: Mit diesen Mitteln wollen Tiktok und Huawei Einfluss gewinnen

    Chinesische Techkonzerne bauen ihre Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin immer weiter aus. Zu diesem Schluss kommt der unabhängige, gemeinnützige Verein LobbyControl, der lobbykritische Recherchen veröffentlicht. In einer neuen Studie hat LobbyControl die Macht und den Einfluss chinesischer Techkonzerne in Europa untersucht. Vor allem Huawei und Tiktok versuchen demnach, ihre Netzwerke direkt und indirekt über Lobbyagenturen wie Brunswick und FTI Consulting auszubauen.

    Huawei gibt laut LobbyControl seit 2012 zwei bis drei Millionen Euro pro Jahr für Lobbyarbeit in Brüssel aus. Das Unternehmen verfüge über elf Vollzeitlobbyist:innen in der EU. Viele der Lobbytreffen von Huawei in den vergangenen Jahren hätten sich vor allem um den Zugang beim Ausbau der 5G-Netze gedreht. Deutschland stand dabei besonders im Fokus. In Berlin seien ähnlich viele Personen in die Lobbyarbeit involviert wie in Brüssel. Um sein Image zu verbessern, setze Huawei außerdem auf Nachwuchsförderprogramme und Stipendien.

    Tiktok habe zuletzt wiederum 1,25 Millionen Euro für seine Lobbyarbeit in Brüssel ausgegeben. Der App-Anbieter verfüge dort über fünf Vollzeitlobbyisten und Lobbyistinnen. In Deutschland gibt das Unternehmen demnach rund 200.000 Euro für seine Lobbyarbeit aus und verfügt über drei permanente Interessenvertreter. Tiktok habe zudem seit Januar 2023 allein in Deutschland Imagewerbung im Wert von mehr als 910.000 Euro in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet. Das umstrittene Tech-Unternehmen war 2024 zudem Partner und Sponsor der Berliner Re:publica, einer jährlich stattfindenden Konferenz zur digitalen Gesellschaft mit tausenden Besuchern. 

    Beide Unternehmen versuchen laut LobbyControl auch über Wirtschaftsverbände Einfluss auszuüben. Huawei ist etwa Mitglied im European Services Forum (ESF), dem Verband des EU-Dienstleistungssektors und Tiktok im Verband der EU-Digitalindustrie DigitalEurope. Auch Denkfabriken und formelle und informelle Freundschaftsvereine spielen eine Rolle, etwa der Deutsch-Chinesische Freundschaftsverein oder die China-Brücke, zu deren Gründern der Huawei-Lobbyist Carsten Senz gehört. LobbyControl kommt zu dem Schluss, dass neben Huawei und Tiktok in Zukunft noch mehr chinesische Unternehmen Lobbyarbeit in Europa betreiben werden. Ein Hinweis auf solche Pläne sei etwa die massive Bandenwerbung chinesischer Unternehmen wie Alipay während der Fussball-EM in Deutschland. fpe

    • Deutschland
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    • Technologie

    Taiwan: Deutsche Kriegsschiffe warten auf grünes Licht aus Berlin

    Die Fregatte “Baden-Württemberg” und das Versorgungsschiff “Frankfurt am Main” navigieren im September möglicherweise durch die Straße von Taiwan. “Die Entscheidung ist noch nicht getroffen”, sagte Flottillenadmiral Axel Schulz, der den deutschen Marineverband im Indopazifik führt, der Nachrichtenagentur Reuters. Auch das Wetter spiele eine Rolle. Für deutsche Kriegsschiffe wäre es die erste Durchfahrt seit 2002.

    “Es geht darum, Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass wir, Deutschland, an der Seite unserer Partner und Freunde und Verbündeten stehen, für die Wahrung der regelbasierten internationalen Ordnung, die friedliche Konfliktbeilegung insbesondere mit Blick auf Gebietsstreitigkeiten und die Freiheit der Seehandelsrouten eintreten”, sagte Schulz.

    China schließt den Einsatz militärischer Gewalt nicht aus, um Taiwan unter seine Kontrolle zu bringen. Peking beansprucht die Gerichtsbarkeit über den fast 180 Kilometer breiten Seeweg. Taiwan und die USA bezeichnen die Meerenge als internationale Wasserstraße. Die USA haben China wiederholt vor militärischen Schritten gewarnt. Die USA und andere Nationen haben in den vergangenen Wochen bereits Kriegsschiffe durch die Meerenge geschickt.

    Schulz sagte, er plane keine spezifischen Sicherheitsmaßnahmen für eine mögliche Durchquerung. Er bezeichnete dies als “normale Passage”, ähnlich wie die Durchfahrt durch den Ärmelkanal oder die Nordsee. Er rechne jedoch damit, dass die chinesische Marine und möglicherweise die Küstenwache oder maritime Milizen die deutschen Schiffe begleiten würden. Schulz beschrieb dies aber als gängige Praxis. rtr/grz

    • Marine
    • Sicherheit
    • Taiwan
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    Spratly-Inseln: Erneute Eskalation im Südchinesischen Meer

    Die andauernden Konfrontationen zwischen philippinischen und chinesischen Schiffen im Südchinesischen Meer haben sich am Montag fortgesetzt. Demnach sei es in den frühen Montagstunden gleich zu mehreren Kollisionen gekommen, für die beide Staaten die jeweils andere Seite verantwortlich machten.

    Der Vorfall ereignete sich rund 230 Kilometer westlich der philippinischen Provinz Palawan in der Nähe des Sabina-Riffs, das Teil der umstrittenen Spratly-Inseln ist. Ein philippinisches Schiff sei nach chinesischen Angaben absichtlich mit einem chinesischen Schiff kollidiert.

    Die Philippinen bestritten die Darstellung. Manila sagte, zwei Schiffe seiner Küstenwache seien in der Nähe der Sabina Shoal mit aggressiven Manövern chinesische Schiffe konfrontiert worden, als sie unterwegs waren, um philippinisches Personal auf den Inseln zu versorgen. Bei den Kollisionen seien erhebliche Schäden an zwei philippinischen Schiffen entstanden, hieß es. Verletzte gab es offenbar nicht. Die Vereinigten Staaten verurteilten das Vorgehen Chinas.

    China und die Philippinen hatten im Juli ein vorläufiges Abkommen geschlossen, nachdem es am Zweiten Thomas-Riff, das ebenfalls zu den Spratly-Inseln gehört, zu Spannungen gekommen war. China war von westlichen Staaten kritisiert worden, weil es philippinische Hilfsbemühungen für ein Marineschiff blockiert hatte, das dort vor 25 Jahren absichtlich auf Grund gesetzt worden war. Das Schiff dient als Stützpunkt des philippinischen Außenpostens, mit dem der Gebietsanspruch aufrechterhalten werden soll. grz

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    Verbindung mit Vietnam: Tô Lâm besucht Peking

    Xi Jinping hat sich am Montag mit dem vietnamesischen Staatschef Tô Lâm getroffen. Laut chinesischen Staatsmedien betonte Xi während des Treffens, dass sein Land Vietnam immer eine Priorität in der regionalen Diplomatie eingeräumt habe. Das Treffen fand im Rahmen eines dreitägigen Staatsbesuchs statt, dem ersten Tô Lâms als neuer Parteichef. Xi Jinping sagte, der erste Besuch Tô Lâms in China nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär spiegele voll und ganz die große Bedeutung wider, die er den Beziehungen zwischen den beiden Parteien und den beiden Ländern beimisst.

    China bezeichnete Tô Lâms Besuch als Fortsetzung von Xis Reise nach Vietnam im Dezember. Damals hatten beide Länder mehr als ein Dutzend Abkommen unterzeichnet, die unter anderem die Stärkung der Zusammenarbeit und Entwicklung im Eisenbahnwesen sowie die Einrichtung einer Kommunikation zur Bewältigung unerwarteter Zwischenfälle im Südchinesischen Meer vorsehen. Vietnam hatte im vergangenen Jahr seine Beziehungen zu den USA und Japan zu einer umfassenden strategischen Partnerschaft aufgewertet und damit auf dieselbe diplomatische Stufe gehoben wie die Beziehungen zu China und Indien.

    Das südostasiatische Land wird als eine Alternative zu China gesehen. Immer mehr deutsche Unternehmer setzen bei ihrer Diversifizierung von der Volksrepublik vor allem auf Vietnam. Das entspricht der deutschen China-Strategie. Aber auch Peking hat Interessen in Vietnam und drängt zunehmend auf den dortigen Markt. mcl

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    Handel: Ausfuhren zu EU-Nachbarn übertreffen die nach China bei weitem

    China blieb im ersten Halbjahr 2024 das wichtigste Herkunftsland für Waren, die Deutschland bezieht, während die USA das wichtigste Ausfuhrziel für deutsche Güter sind. Das geht aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts hervor. Als Absatzmarkt ist China demnach keineswegs dominierend. Nach den USA sind Frankreich und die Niederlande die wichtigsten Abnehmerländer. Selbst nach Polen geht mehr als nach China.

    Anders sieht es bei der Handelsbilanz aus. Mit China lag der Handel im Minus, es ergab sich also ein Defizit. Doch mit den Vereinigten Staaten konnten die Exporteure unterm Strich ein sattes Plus erzielen, ebenso wie mit Großbritannien. Deutschlands Handelsüberschuss stieg insgesamt um 29 Prozent auf 139 Milliarden Euro. fin

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    Presseschau

    Südchinesisches Meer: China wirft Philippinen “absichtliche” Schiffskollision vor FAZ
    U.S., China sign agreement to cooperate on financial stability CNBC
    Chinas Bündnispolitik: Auf die falschen Pferde gesetzt TAZ
    China’s relaxed visa rules pay off as more overseas travellers arrive SCMP
    Schweiz: China-Politik des Bundesrats ist schwer nachvollziehbar TAGESANZEIGER
    Griechenland: China ist höchst präsent im Land – doch die Stimmung schlägt um HANDELSBLATT
    Wie Chinas Immobilienkrise die Wirtschaft bremst TELEPOLIS
    Können sehen, sprechen und fühlen – aus China wegverlegt: Warum die “Schwabenroboter” aus Metzingen kommen SWR
    Dank Open Source hat Chinas KI-Branche den Anschluss gefunden – kann sie ihn auch halten? T3N
    “Black Myth Wukong”: “Feministische Propaganda” und Kritik an China verboten HEISE

    Standpunkt

    Reformen: China muss die Lokalregierungen in die Schranken weisen 

    Von Yiping Huang
    Yiping Huang ist Dekan der National School of Development und Professor an der Universität Peking sowie Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank.

    Die Dezentralisierung der Entscheidungsgewalt von der Zentralregierung zu den lokalen Behörden wird weithin als eine der wirksamsten politischen Reformen Chinas in den letzten vier Jahrzehnten angesehen. Als sich die Prioritäten der Kommunistischen Partei vom Klassenkampf in Richtung wirtschaftliche Entwicklung verlagerten, erwies sich die Dezentralisierung als enormer Wachstumsimpuls.

    Im Vergleich zum System der Zentralplanung waren die Lokalregierungen besser in der Lage, wirtschaftliche Entscheidungen auf lokale Gegebenheiten abzustimmen. Die Lokalregierungen konnten außerdem die Wirtschaftstätigkeit auf einem unterentwickelten Markt besser fördern, unter anderem durch den Schutz von Eigentumsrechten und die Koordinierung geschäftlicher Transaktionen.

    Nachdem die Reform ihre Wirkung entfaltet hatte, lieferten sich die subnationalen Regierungen einen erbitterten Wettbewerb um rasches Wirtschaftswachstum, wobei Studien eine positive Korrelation zwischen den Aufstiegschancen lokaler Führungskräfte und dem BIP-Wachstum in ihrem Zuständigkeitsbereich belegen. Bürgermeister fungierten als CEOs der kommunalen Wirtschaft, und auf allen Ebenen der Kommunalverwaltung wurden Programme zur Investitionsförderung umgesetzt, die potenziellen Investoren ein breites Spektrum an Subventionen boten. Folglich waren die Kommunalverwaltungen entscheidend für den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas.

    Dezentralisierung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Marktliberalisierung, auch wenn sie anfänglich zu Effizienzgewinnen führte. Die Zuständigkeit für Ressourcenallokation bleibt in den Händen der Regierung, wenn auch eher auf lokaler als auf nationaler Ebene.

    Die Umwandlung der Kommunen zu Einrichtungen, die sowohl Regierungs- als auch Unternehmensfunktionen erfüllten, war in gewisser Weise eine Übergangslösung. Und eine Zeit lang hat es auch geklappt, vor allem in den ersten drei Jahrzehnten der Reform, als Chinas Märkte nicht richtig funktionierten. Aber diese Zeiten sind vorbei. Heute sind die Lokalregierungen wohl die Hauptursache für Marktverzerrungen und finanzielle Risiken in China.

    Lokalregierungen sind zum Risikofaktor mutiert

    So beziehen die Kommunen etwa einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen aus dem Verkauf urbaner Flächen in Staatsbesitz, dessen Erlöse ausschließlich den Lokalregierungen zufließen. Das ist einer der Hauptfaktoren für Chinas ständig anwachsende Immobilienblase und die damit verbundenen finanziellen Risiken. Darüber hinaus geben die Kommunalverwaltungen einen großen Teil dieser Einnahmen für Prestigeprojekte aus – Parks, Konzerthallen und Flughäfen – die nur selten in vollem Umfang genutzt werden.

    Lokalregierungen fördern zudem die Entwicklung von Branchen, die von der Zentralregierung erwünscht sind. Im Falle grüner Energie beispielsweise versuchen sie, Unternehmen durch Steuerermäßigungen, Zugang zu subventionierten Krediten und die kostenlose Nutzung von Grundstücken anzulocken. Doch anstatt technologische Engpässe zu überwinden, dient diese lokalisierte Industriepolitik hauptsächlich der Ausweitung der Produktionskapazität.

    Erschwerend kommt hinzu, dass die Lokalregierungen aus Sorge um die Arbeitsplätze und den Lebensstandard vor Ort angeschlagene Unternehmen manchmal davon abhalten, ihre Betriebe zu schließen. Dieser Ansatz der “Investitionsförderung” verfälscht die Rahmenbedingungen, verzerrt die Ressourcenallokation, mindert die Produktqualität und verschärft das Problem der Überkapazitäten.

    Das vielleicht beunruhigendste Faktum: Die massive Verschuldung der lokalen Gebietskörperschaften, die sich im Jahr 2023 auf 32 Prozent des chinesischen BIP belief, stellt ein erhebliches finanzielles Risiko dar. Ausgangspunkt dieser gefährlichen Überschuldung war das Missverhältnis zwischen den fiskalischen Ressourcen der Lokalregierungen und ihrer Ausgabenverantwortung.

    Um über die Runden zu kommen, haben klamme Kommunalverwaltungen innovative Einnahmemodelle eingeführt, wie das kommunale Investitionsvehikel. Doch während die Kommunalverwaltungen Kredite auf dem Markt aufnahmen, schauten die Investoren nur auf die Schuldendienstfähigkeit der Zentralregierung. Dies ermöglichte es den Kommunalverwaltungen, zu untragbaren Konditionen Kredite aufzunehmen und Geld auszugeben.

    China kann weitere Wirtschaftsreformen nur durchführen, wenn es seine Kommunalverwaltungen in die Schranken weist. Das kürzlich abgeschlossene dritte Plenum des 20. Parteikongresses bekräftigte das Bekenntnis des Landes, dem Markt eine entscheidende Rolle bei der Ressourcenallokation zuzugestehen, und betonte gleichzeitig die Notwendigkeit, Marktversagen zu korrigieren. Die Regulierung des Verhaltens der Lokalregierungen ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung.

    Schuldenmanagement muss reformiert werden

    Zu diesem Zweck hat das Plenum eine Reihe von Reformen festgelegt, wie beispielsweise die Standardisierung von Investitionsförderungsprogrammen, um unzulässige Industriesubventionen zu unterbinden sowie eine verstärkte Aufsicht über das Schuldenmanagement der Kommunalverwaltungen. Die Umsetzung dieser Reformen wird jedoch nicht einfach. Die chinesische Regierung wird außerordentliche Entschlossenheit und eine geschickte Politikgestaltung an den Tag legen müssen, um die Verschuldung der Kommunen zu senken, die Ausgabenverantwortung neu zu verteilen und die finanziellen Risiken zu steuern.

    Dieser Prozess sollte sich an drei Grundsätzen orientieren. Erstens sind die Lokalregierungen daran zu hindern, in Ressourcenallokation und Preisbildung einzugreifen, die Märkten und Unternehmen zu überlassen sind. Zweitens sollte die Umsetzung sämtlicher industrie- und fiskalpolitischer Maßnahmen der Zentralregierung obliegen, ohne den subnationalen Regierungen zusätzliche Ausgabenverantwortung zu übertragen. Und schließlich sollten sich die lokalen Behörden stärker auf grundlegende staatliche Aufgaben wie den Bau von Infrastruktur, die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und die Korrektur von Marktversagen konzentrieren.

    Diese Änderungen würden im Falle ihrer Umsetzung einen großen Beitrag zur Förderung eines robusten Wirtschaftswachstums in China und zur Verwirklichung des Ziels der chinesischen Regierung leisten, eine fortschrittliche sozialistische Marktwirtschaft aufzubauen. Übersetzung: Helga Klinger-Groier

    Huang Yiping ist Dekan der National School of Development und Professor an der Universität Peking sowie Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der chinesischen Zentralbank People’s Bank of China.

    Copyright: Project Syndicate, 2024.
    www.project-syndicate.org

    • Drittes Plenum
    • Finanzen
    • Fiskalpolitik
    • Investitionen
    • Peoples Bank of China

    Personalie

    Patrick Heinecke ist seit August Executive Vice President Finance bei Volkswagen China Investment. Zuvor war er Board Member for Finance, IT, Purchasing, and Compliance für Audi in Ungarn. Sein neuer Einsatzort ist Peking. 

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    Dessert

    Was an eine ländliche Zirkusprobe erinnert, ist in Wahrheit eine klug improvisierte Form der Landwirtschaft. Reisbauern aus Suqian in der nördlichen Provinz Jiangsu nutzen den Auftrieb von Wasserstoffballons, um eine Düse anzuheben, die Pflanzenschutzmittel über die Felder versprüht.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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