willkommen am China.Table Automotive, dem neuen Professional Briefing mit den wichtigsten Analysen und News zur Mobilität, dem Fahrzeugbau und neuen Antriebsformen in China.
Für die Branche ist China nicht nur der größte Absatzmarkt der Welt mit eminenter Bedeutung für den deutschen Fahrzeugsektor. Von dort kommt auch zunehmend harte Konkurrenz für die Deutschen. Während es chinesische Fahrzeugbauer nie geschafft haben, mit Verbrennungsmotoren Weltniveau zu erreichen, gelingt ihnen das derzeit bei der Elektromobilität und beim autonomen Fahren. Immer mehr internationale Experten bescheinigen den chinesischen Herstellern höchste Qualität. Lange belächelt, sind sie inzwischen eine überlegene Konkurrenz, analysiert unser Team in Peking die Entwicklung der agilen Angreifer aus der Volksrepublik.
Pünktlich zur Mobilitätsmesse IAA spricht China.Table Automotive mit dem Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer. Sein Urteil: Die IAA hat sich radikal gewandelt – aber nicht nur zum Besseren. Indem sie sich für alle Formen der Mobilität öffnet, verliert sie ihren Fokus, sagt Dudenhöffer. Seine Prognose: “Nur in China sind Automessen noch Erfolgsträger”.
Für die Autobranche wird China sogar noch an Bedeutung gewinnen, mahnt der Experte, den man gern den deutschen Autopapst nennt. Mit mehr als 30 Millionen Autos würden im Reich der Mitte 2030 doppelt so viele Autos verkauft werden wie in Europa. Der größte Markt entscheide über den Standard. Und weiter: Nur wer in China eine führende Position hat, wird auch in Zukunft zur Spitze gehören.
Das China.Table-Team wird Sie wöchentlich über die wichtigsten Branchentrends und Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
Eine informative Lektüre wünscht
Herr Dudenhöffer, kommende Woche beginnt die IAA – erstmals in München. Was wird neu und anders sein als die bisherige in Frankfurt?
Ferdinand Dudenhöffer: Das Auto steht nicht mehr im Mittelpunkt, sondern auch öffentliche Verkehrsmittel, Fluggeräte und Fahrräder werden Thema auf der IAA sein. Auch eine Oldtimer-Ausstellung soll es geben, zudem Veranstaltungen in der Innenstadt. Es handelt sich also nicht mehr nur um eine klassische Messe, sondern eher um ein Event mit Volksfestcharakter.
Das klingt nach einem populären Format.
Der Zuspruch unter den Automobilherstellern hält sich aber in Grenzen. Die großen deutschen Autobauer sind natürlich dabei. Aber schon Opel fehlt und bis auf Hyundai, Renault und paar junge chinesische Autofirmen werden auch die meisten großen internationalen Autohersteller München fern bleiben. Wenn Autos nicht die Hauptrolle einnehmen, stellt sich für viele internationale Autohersteller offensichtlich die Frage, warum sie noch kommen sollen. Automessen müssen sich für sie rechnen. Gute Laune an den Ständen reicht ihnen nicht.
Ausrichter der IAA ist der Verband der Autoindustrie (VDA). Und der müsste doch am besten wissen, was die Bedürfnisse seiner Mitglieder sind?
Automessen im klassischen Sinn haben ausgedient. Im Zuge des Elektro-Trends haben Messen wie Battery Days, Power Days, oder eigene Produktvorstellungen wie die von Tesla die Show gestohlen. Die Detroit Motorshow ist tot. Auch der Autosalon in Genf braucht einen neuen Ansatz. Außer in China. Dort sind Automessen weiter ein Erfolgsträger.
Wie ist das zu erklären?
China ist schon seit geraumer Zeit der mit Abstand wichtigste und größte Automarkt der Welt. Und der Markt in der Volksrepublik wird weiter wachsen. Um mitzuhalten, müssen die Autohersteller jede Gelegenheit nutzen sich zu präsentieren. Ansonsten entsteht dort der Eindruck, dass man nicht präsent ist. Hinzu kommt, dass die Auto China es nicht nötig hat, ihr Themenspektrum zu erweitern. Durch das große Angebot an unterschiedlichen und auch einheimischen Autobauern, die vor allem bei den Themen Elektromobilität und autonomes Fahren enorm viel zu bieten haben, hat die Auto China jede Menge Interessantes zu bieten.
Klassische Automessen sind nicht mehr angesagt. Die IAA erweitert sein Themenspektrum auf Mobilität im Allgemeinen. In den Verkaufszahlen spiegelt sich das nicht wider. Der PKW-Bestand hat zuletzt sogar deutlich zugenommen. Wie passt das zusammen?
Ja, man sieht, dass das Auto gerade in Corona-Zeiten erheblich an Bedeutung gewonnen hat gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das dürfte auch erst mal der Trend bleiben. Virologen betonen schließlich, dass wir langfristig mit dem Virus leben müssen. Wir sehen das im Freizeitbereich. Caravans und andere Reisemobile erleben einen nie erwarteten Boom. Ich glaube, die IAA setzt zu stark auf populäre Themen, die vor der Pandemie aktuell waren oder allenfalls hierzulande angesagt sind, etwa die Sharing-Welt, die Erneuerung der Bahn, der Fahrradboom.
Das spiegelt aber nicht den weltweiten Trend wider. Es gibt eine große Neugierde auf Entwicklungen beim Elektroauto und autonomen Fahren. Ich glaube, beim Verband der IAA hat man diese Attraktivität nicht in allen Facetten gesehen, sondern hat Themen gewählt, die nicht alle den Nerv der Zeit treffen. Trends wie Reisemobile oder Facts und Infos zu Virenschutz im Auto wären spannend. Wenn ich mich für eine Veranstaltung entscheide, brauche ich ein Thema, das mich interessiert und nicht verwaschene Vielfalt. Die IAA bräuchte eine klarere Fokussierung.
Autonomes Fahren steht in München auf dem Programm.
Die deutschen Autobauer haben das Thema auf dem Schirm. Aber die Trends, das muss man ganz ehrlich sagen, werden derzeit im Silicon Valley und noch stärker in China gesetzt. In Shanghai und Peking gibt es mehr als 500 Kilometer lange Teststrecken. Selbst autonom fahrende LKWs werden dort schon ausprobiert. Das allein wäre ein eigenständiges Thema gewesen, das die ganze Messe bestimmen könnte.
Wenn ich sie allerdings auch mit Fahrrädern und Oldtimern vermenge, stellt sich die Frage: Wenn ich was über autonomes Fahren wissen will, erfahre ich das wirklich bei der IAA? Oder kriege ich ein Potpourri vorgesetzt von allem, was ein bisschen von allem ist? Da kann ich gleich zum Oktoberfest gehen. Die Gamescom in Köln zeigt wie man das machen kann und dort stellt man ja auch nicht das “Mensch-Ärgere-Dich-Nicht”-Spiel oder historische Brettspiele vor.
Ist dieses Potpourri womöglich Ausdruck davon, dass die deutschen Autobauer in diesen Bereichen nicht führend sind?
Dieser Mix an Themen drückt eher aus, dass es keine Strategie gibt, die alle gleichzeitig verfolgen. Bei Volkswagen setzt Vorstandschef Herbert Diess nun voll auf Elektromobilität. Andere Autobauer wie BMW sind vorsichtiger und sagen: Wir brauchen noch lange den Verbrennungsmotor. In dieser Dissonanz befindet sich auch die IAA.
Einer Studie des VDA zufolge gehen zwar mehr als 80 Prozent der befragten deutschen Autozulieferer davon aus, dass sich die Elektromobilität als neuer Standard durchsetzen wird, 88 Prozent rechnen aber erst 2030 oder später mit einer vollständigen Ablösung des Verbrennungsmotors.
Wer derart gelassen mit dem Thema umgeht, hat ein großes Risiko, dass es ihn übermorgen nicht mehr gibt.
Wie erklären Sie sich diese Gelassenheit?
Das ist je nach Zulieferer unterschiedlich. Wer Sitze herstellt, Scheiben oder Reifen, den tangiert die Umwälzung nur wenig. Betroffen sind die Zulieferer, die Abgasanlagen oder andere Teile für Verbrennungsmotoren herstellen. Die Großen haben die richtigen Weichen gestellt. Continental etwa hat den Bereich Antriebstechnik ausgegliedert. Firmen, wie Bosch werden in Zukunft Geschäfte verlieren, weil sie das Batteriegeschäft nicht können. Einen Teil dieser Umsatzeinbrüche werden sie jedoch mit der Entwicklung von IT und Software auffangen. BASF und andere Chemiekonzerne werden zu den Gewinnern gehören, weil ihre Substanzen für die Batterieherstellung benötigt werden. Das Problem sind die eher kleinen Firmen, die immer noch glauben, das Gewitter werde schon nicht so schlimm wie im Wetterbericht angekündigt.
Noch sind deutsche Autos in China sehr beliebt. Allein im ersten Halbjahr haben sie Rekordabsätze gemeldet. Bei der Elektromobilität hinken sie aber hinterher, zumal die chinesischen Autobauer äußerst innovativ sind.
Um Volkswagen und Daimler mache ich mir wenig Sorgen. Sie setzen voll auf elektrische Fahrzeuge, entwickeln Betriebssysteme, um die Fahrzeug-Software auch selbst zu beherrschen. Die Deutschen sind die größten Premium-Autobauer der Welt. Tesla holt in diesem Segment zwar auf. Doch der VW-Konzern mit Audi und Porsche und auch Daimler sind gut aufgestellt. BMW muss sich ran halten, kann es aber auch schaffen. Sie alle haben erkannt, dass in China die Zukunft der deutschen Autoindustrie liegt, nicht in Europa.
Mit dem Elektroauto ID.4 hatte VW in China einen eher schwierigen Start.
Beim Elektroauto spreizt sich der Markt in China derzeit. Die Chinesen kaufen entweder teure SUVs und Limousinen wie Tesla oder preisgünstige Kleinautos. Der ID.3 ist zwischendrin positioniert. Der Mini EV von Hong Guang etwa ist das meistverkaufte Elektroauto in China und umgerechnet für weniger als 4.000 Euro zu haben. Ich denke, VW wird mit den nächsten Karosserie-Varianten Marktanteile zurückholen.
Und wie sind die chinesischen Autobauer aufgestellt?
Sie holen massiv auf und werden auch nach Europa kommen. In Osteuropa sind sie bereits, punkten vor allem mit günstigen Fahrzeugen. Mit der Übernahme von Volvo durch Geely ist ein chinesisches Unternehmen auch in Westeuropa schon präsent. Und Geely ist ja auch bei Daimler mit zehn Prozent beteiligt. Der nächste Smart wird von Geely gebaut und nach Europa kommen. Die Unternehmen wachsen zusammen mit noch stärkerem chinesischem Akzent.
Die deutschen Autobauer werden chinesisch?
Das sind sie längst. VW, Audi, BMW und Mercedes bauen Autos nach chinesischem Geschmack, längere Abstände zum Beispiel. Und das wird so weitergehen. Der größte Markt entscheidet über den Standard. 2030 werden in China mehr als 30 Millionen Autos verkauft. Das ist doppelt so viel wie in Europa. Nur wer in China eine führende Position hat, wird noch zur Spitze gehören.
Die Deutschen sind zwar gut aufgestellt, müssen aber aufpassen: Toyota greift an, ebenso GM. Der chinesische Markt wird nicht mehr der sein, was er in der Vergangenheit war. Dort wird man nicht mehr mit einer ruhigen Gangart trotzdem gute Gewinne einfahren. Der Wettbewerb wird massiv zunehmen. VW und Daimler haben zuletzt gezeigt, dass sie sich neu erfinden können. Das ist das eigentliche Erfolgsrezept.
Ferdinand Dudenhöffer ist Deutschland renommiertester Experte der Automobilwirtschaft, was ihm den Ruf als “Autopapst” einbrachte. Bis 2020 war er Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Inzwischen leitet er das privatwirtschaftlich betriebene Forschungsinstitut CAR-Center Automotive Research in Duisburg.
Deutsche Automanager dürften in den letzten eineinhalb Jahren mit sehr gemischten Gefühlen auf China geblickt haben. Zwar hat ihnen das Geschäft in der Volksrepublik während der Corona-Krise die Bilanz gerettet. Gleichzeitig mussten Volkswagen, Daimler und BMW jedoch hinnehmen, dass trotz eigener Modell-Offensiven das Geschäft mit E-Autos dort weiterhin fest in der Hand chinesischer Hersteller liegt. Sie standen Jahre früher als die Deutschen in den Startlöchern und scheinen nicht bereit zu sein, ihren Vorsprung im eigenen Heimatmarkt wieder abzugeben.
Im vergangenen Jahr verfügten 6,3 Prozent aller verkauften Autos in China über einen elektrischen Antrieb. In diesem Jahr, so schätzt das Analyse-Unternehmen Canalys, sollen rund 1,9 Millionen E-Autos an chinesische Kunden ausgeliefert werden – dann wären bereits neun Prozent aller Neuwagen in China elektrisch unterwegs. Nährboden für die chinesische E-Autoindustrie ist ein milliardenschwerer Plan der Regierung in Peking, die auf einen massiven Ausbau der Elektromobilität setzt. Hohe Subventionen und gleichzeitige Beschränkungen für Benziner auf den Straßen haben dazu beigetragen, dass dem E-Auto in China schneller der Weg bereitet werden konnte, als in Europa.
Fest steht jedoch: Ein Patentrezept auf Erfolg gibt es dabei nicht. Die Geschäftsmodelle der chinesischen Angreifer könnten diverser kaum ausfallen. Das im Juli zum elften Mal in Folge meistverkaufte E-Auto des Monats war keine Luxuskarosse, sondern das Mini-E-Mobil Wuling Hongguang, ein Stromer für den schmalen Geldbeutel. Den Erfolg verdankt das Unternehmen auch seiner schnellen Anpassungsfähigkeit an den Markt. “Die Mentalität unseres Unternehmens ist es, alles zu produzieren, was die Leute brauchen”, sagte Wulings Marketingchef Zhang Yiqin in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. Als klar war, dass der kleine Elektro-Flitzer vor allem bei jungen Frauen gut ankommt, reagierte Zhang prompt und heuerte für sein Team noch mehr weibliche Mitarbeiter an, um Werbung und Marketing zu entwickeln.
Doch die chinesischen Hersteller können längst nicht nur billig. Die größten Innovationstreiber sind junge Unternehmen, die ausschließlich auf Elektro setzen. Viele von ihnen verzeichnen bereits erstaunliche Absatzerfolge: Der Hersteller Nio hat die Zahl seiner ausgelieferten Fahrzeuge im vergangenen Jahr auf knapp 44.000 verdoppelt, beim heimischen Konkurrenten Xpeng waren es 27.000; bei Li Auto rollten gleich im ersten Produktionsjahr mehr als 32.000 Autos aus der Fabrik.
Im Vergleich zu den 500.000 Autos, die der amerikanische E-Pionier Tesla im vergangenen Jahr weltweit verkaufte, wirken diese Zahlen bescheiden. Doch die Erwartungen sind gewaltig, auch bei Investoren. Nio wird an der Börse bereits ähnlich hoch bewertet wie die Branchengröße BMW. Und auch Great Wall Motor, SAIC, BYD, Geely und Xpeng zählen bereits zu den 20 weltweit wertvollsten, börsennotierten Automarken.
Seit Anfang des Jahres hat sich der Aktienwert des Shenzhener E-Autoherstellers BYD fast versiebenfacht und steigt weiter. Allein in der Woche vom 28. Juli legte die BYD-Aktie um über 40 Prozent zu und erreichte am 9. August ihr Allzeithoch.
Batterien von BYD gehören in der Mischung aus Sicherheit, Reichweite und Kosten zu den besten der Welt. Und mit dem Modell “Dolphin” traut sich BYD als erster chinesischer Hersteller mit einem international wettbewerbsfähigen Produkt im Kleinwagensegment anzugreifen. Das ist nicht weniger als eine direkte Attacke auf die ID-Reihe von Volkswagen, die wesentlich teurer ist.
Der Dolphin wurde im April auf der Autoshow in Shanghai erstmals vorgestellt. Er ist seit dem 13. August im Vorverkauf erhältlich, die ersten Fahrzeuge werden in diesen Tagen ausgeliefert. Der Stromer hat ungewöhnliche Abmessungen. Er ist mit seinen gut vier Metern Länge, 1,80 Meter Breite und 1,60 Meter Höhe je nach Ausführung zwischen 15 und 30 Zentimeter kürzer als der Golf, gleichzeitig jedoch 15 Zentimeter höher. Das bedeutet: Er passt in kleinere Parklücken und fühlt sich innen dennoch großräumig und luftig an. Mit 2.700 Millimetern Radstand ist er nur wenig kürzer als der VW ID.4 mit 2.770 Millimetern, jedoch 18 cm kürzer als der Tesla Model 3. Elon Musk hat bereits ein kleineres Modell angekündigt.
Die Formensprache des Dolphin orientiert sich an der “Ästhetik des Ozeans”. Gestaltet hat ihn BYD-Designchef Wolfgang Egger, der von Audi kommt. Die Fahrzeuge sollen ein junges, urbanes Lebensgefühl aussstrahlen, fernab der Lieblosigkeit, mit der BYDs chinesische E-Auto-Wettbewerber ihre Kleinwagen präsentieren. Ein Design-Clou sind die Heckleuchten. “Sie übernehmen optische Strukturen aus der Ming-Zeit”, erläutert Egger. Damit lässt sich dieses Auto auch von hinten sofort wiedererkennen.
Auch die Infotechnik passt: Der Dolphin ist mit einem drehbaren 13-Zoll-Bildschirm ausgestattet. Er macht also einem mittelgroßen Notebook Konkurrenz. Und: Das Auto lässt sich mittels Smartphone öffnen. Der kleine BYD-Stromer hat zudem eine Wärmepumpe, die es ermöglicht, batterieschonend die Abwärme des Autos zur Beheizung der Fahrzeuge zu verwenden. Das ist vor allem für den Norden Chinas wichtig, wo es im Winter sibirisch kalt wird.
Den neuen Zwerg von BYD gibt es in drei Varianten mit einer Reichweite von 300 bis 400 Kilometern, die Zahlen sind allerdings nach chinesischer Norm gerechnet. Besonders attraktiv sind die Ladezeiten. Innerhalb einer halben Stunde lässt sich die Batterie wieder weitgehend füllen. Bei BYD ist man überzeugt, dass auch in China das Zeitalter der Kompaktfahrzeuge anbricht, vor allem in den Metropolen.
Vorerst wird es den Dolphin nur in China geben. Die ersten Autos von BYD sind allerdings schon in Europa erhältlich. In diesem Sommer wurden die ersten 100 Exemplare des vergleichsweise konventionellen E-SUV Tang in den Pilot-Markt Norwegen geschickt. “Die Menschen empfangen Autos aus China nicht mit offenen Armen”, weiß Isbrand Ho, der Europa-Chef von BYD in Rotterdam. “Deswegen müssen unsere Autos besonders gut sein. Und unser Service noch besser.” BYD müsse im Fall von Problemen dem Kunden zeigen, dass man für ihn da sei. Deshalb lasse sich BYD nicht unter Druck setzen mit einem Markteintritt nach Europa. “Wenn wir scheitern, heißt es nicht: BYD ist gescheitert, sondern chinesische Autos sind gescheitert”, glaubt Ho. “Wir haben diesbezüglich eine große Verantwortung. Es wird nicht einfach, die Marke zu etablieren.” Deshalb ist noch nicht klar, wie schnell die Fahrzeuge auch in anderen EU-Märkten zu haben sind. Und vor allem, wann der Dolphin auf den Heimatmarkt des ID.3 kommt.
Während der Dolphin gerade ist in den Verkauf gegangen ist, generiert das Unternehmen mit seinem etablierten Modell Han bereits sehr erfolgreich Marktanteil und Umsatz. Das Auto, das vor Extras strotzt und gut aussieht, gibt es für umgerechnet 33.000 Euro. Zum Vergleich: Der Tesla S schafft mit einer Batterieladung rund 650 Kilometer. Zwar beschleunigt er eine Sekunde schneller als der Han, kostet jedoch umgerechnet knapp 77.000 Euro.
Derzeit zeichnet sich auch ab, dass die chinesischen Elektroautos zumindest auf ihrem Heimatmarkt deutlich besser laufen als die neue deutsche Konkurrenz. Im Juli hat VW immerhin schon 5.800 ID.3s verkauft. Das waren zwar deutlich mehr als im Juni mit nur fast 3.000 Stück. Doch Nio und Xpeng haben jeweils rund 8.000 Fahrzeuge verkauft. BYD ist sogar über 50.000 Fahrzeuge los geworden. Also knapp neunmal so viele wie VW. Im Vergleich zum Vorjahr ist es BYD gelungen, die Verkäufe zu verdreifachen.
Klar ist schon jetzt: Es wird hart für VW & Co. Nach dem Abzug der staatlichen Subventionen zahlen die Kunden in China umgerechnet zwischen 12.600 und 16.300 Euro für den Dolphin, der wertiger und pfiffiger aussieht. Der Startpreis für den ID.4 in der kleinen Version beträgt hingegen schon 25.000 Euro. Die von der Ausstattung her mit dem Dolphin vergleichbare Edition des ID.4 kostet sogar rund 36.000 Euro, also mehr als das doppelte. Es kann durchaus sein, dass in puncto Sicherheit und Qualität VW höhere Standards hat. Doch die Frage ist: Will der Kunde das für ein Stadtauto bezahlen? Der ID.3 kommt überhaupt erst Ende des Jahres nach China.
Das Marketing des ID.4 ist ebenfalls verunglückt: Die Zahl vier klingt im Chinesischen wie das Wort Tod. In den nächsten Monaten wird sich an den Verkaufszahlen zeigen, welches der beiden Autos besser einschlägt, nachdem der ID.4 ein paar Monate Vorsprung hat. Auf dieses Duell wird die Branche schauen.
Bei BYD denkt man schon an die nächsten Schritte: Inzwischen mehren sich Gerüchte, das BYD im ersten Quartal 2021 eine neue Premiummarke mit eigenem Händlernetz startet. Noch in diesem Jahr soll Gerüchten zufolge ein neues Oberklasseauto auf den Markt kommen. Damit würde BYD das gesamte Spektrum abdecken.
Immer mehr internationale Experten bescheinigen den Chinesen, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben und Autos von höchster Qualität zu bauen. So erhielt der chinesische Hersteller Aiways, der seinen Elektro-SUV U5 mittlerweile auch in Deutschland anbietet, kürzlich sogar vom ADAC einen Ritterschlag: “Der Aiways U5 beweist, dass Autos, die in China gebaut werden, schon lange nicht mehr billig im Sinne von qualitativ minderwertig sein müssen”, so die ADAC-Experten. Das chinesische Auto bewege sich etwa im Vergleich mit dem Konkurrenzprodukt EQC von Mercedes in vielen Disziplinen auf Augenhöhe, schneide in mancher Hinsicht sogar besser ab – und koste nur halb so viel.
Auch Experten der Unternehmensberatung McKinsey haben etliche Made-in-China-Mobile auseinandergenommen, um deren Leistungsstärke zu ermitteln. Das Ergebnis: “Die in China hergestellten Modelle unserer Untersuchung überflügeln internationale Autobauer an zwei Fronten: bei Bedienung und Kundenerlebnis (durch bessere Vernetzung) und bei der Batterietechnik.” Die Fahrzeuge hätten mit “massiven technologischen Verbesserungen” in den vergangenen zwei Jahren deutlich aufgeholt.
Doch nicht nur Technologie macht den Unterschied. Auch bei ihren Vertriebsmodellen zeigen sich die Chinesen smart. Geely etwa setzt bei seinen Europaplänen auf ein Abo-Konzept: In Deutschland, Schweden, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und Belgien gibt es Autos der jungen Konzernmarke Lynk & Co für 500 Euro im Monat, Steuer, Versicherung, Wartung und Reifenwechsel inklusive. Große Wahlmöglichkeiten gibt es für die Konsumenten in diesem Fall nicht: blau oder schwarz. Hybrid oder Plug-in-Technik, bei der Akkus sowohl über den Verbrennungsmotor als auch per Kabel geladen werden können. Das war es auch schon mit den Optionen. Mit dieser Einfachheit will Geely vor allem bei jungen Fahrern punkten.
Nio präsentiert seine Fahrzeuge dagegen in China und wohl bald auch in Europa über sogenannte Nio Houses, in denen es neben Wohnzimmer, Küche und Bibliothek auch Spielflächen für Kinder gibt. Das erste House außerhalb Chinas entsteht derzeit in Oslo, Nio will es im September auf 2.000 Quadratmetern im Zentrum der Hauptstadt Norwegens eröffnen. Frank Sieren/Gregor Koppenburg/Joern Petring
Elektroautos boomen in China. Nicht einmal die Halbleiterkrise tut den Verkaufszahlen bislang einen Abbruch. Im Juli wurden 271.000 Stromer verkauft und damit 164 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Doch es sieht nicht für alle gut aus: Eine Handvoll Start-ups steht vor dem Aus, andere dümpeln mit ungewissem Schicksal vor sich hin. Byton, Faraday Future oder Iconiq waren allesamt mit großen Ambitionen angetreten, holten sogar erfahrene westliche Automanager und Designer ins Boot. Doch der Durchbruch blieb ihnen verwehrt.
Eine Schätzung der Schweizer Bank UBS geht davon aus, dass in China schon 2025 jeder vierte Neuwagen mit Batterien betrieben wird. Doch zwischen Start-up-Euphorie und Riesengewinnen auf dem wachsenden Markt stehen horrende Kosten. Nio-Gründer William Li sagte im vergangenen Jahr, dass ein Start-up mindestens 20 Milliarden Yuan (gut 2,6 Milliarden Euro) Kapital benötige, ehe es ein erstes Modell zur Serienreife bekommt. Byton verbrannte laut chinesischen Medienberichten 8,4 Milliarden Yuan, produzierte aber nur rund 200 Stück seines intelligenten E-SUV M-Byte, obwohl das Fahrzeug bei Branchenkennern gut ankam. Jetzt steht das Unternehmen – zumindest in seiner bisherigen Form – vor dem Ende.
Cui Dongshu, Generalsekretär der China Passenger Car Association (CPCA), glaubt, dass die Elektro-Firmen ihre Ausgaben besser managen müssen: “Es ist wichtig, die Kosten zu senken und das gesamte Fertigungssystem zu optimieren“, sagte Cui laut South China Morning Post. “Unternehmen müssen in der Anpassung ihrer Lieferketten geübt sein, um auf dem sich schnell verändernden chinesischen Markt zu bestehen.”
Beim Elektropionier BYD etwa sank der Gewinn aufgrund steigender Materialkosten im ersten Halbjahr um 29,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – trotz guter Absatzzahlen: Im Juli war das Unternehmen mit 50.057 verkauften Stromern und Plug-in-Hybriden E-Marktführer. BYD kann steigende Kosten aber verkraften. Start-ups, die erst ganz am Anfang stehen, können das kaum. Viele von ihnen setzen zudem bei der Entwicklung und Produktion auf besonders teure Premium-Modelle mit dem letzten Schrei an Technologie-Schnickschnack, um Städter mit soliden Einkommen als Kunden zu gewinnen. Doch das im Juli zum elften Mal in Folge meistverkaufte E-Auto des Monats war keine Luxuskarosse, sondern das Mini-E-Mobil Wuling Hongguang (China.Table berichtete) – der Stromer für den schmalen Geldbeutel.
Zur regelrechten Lachnummer verkam das hoffnungsvoll gestartete Start-up Byton, das von deutschen Ex-BMW-Managern gegründet wurde. Die chinesische Fachwebsite Carnewschina.com erklärte das Unternehmen kürzlich zur “chinesischen Auto-Seifenoper”. Das Start-up durchlief Insolvenzen, rotierte wild das Management und brachte seinen M-Byte trotz einer produktionsbereiten Fabrik in Nanjing nie in die Massenfertigung. In den vergangenen Jahren hatte sich der staatliche Autobauer FAW immer stärker bei Byton engagiert, frisches Kapital und eine Produktionslizenz eingebracht. Schrittweise sicherte sich FAW dabei allerdings auch immer mehr Kontrolle über die Firma.
Im Sommer 2020 wurden die Vorbereitungen zur Serienproduktion des M-Byte gestoppt; die meisten Topmanager um den Deutschen Daniel Kirchert gingen von Bord. Der Rettungsplan von FAW beinhaltete eine Neugestaltung des M-Byte mit billiger Technologie des Staatskonzerns. Hoffnung machte dem Unternehmen auch eine strategische Partnerschaft mit dem Elektronikkonzern Foxconn aus Taiwan. Doch die Seifenoper ging weiter: Im Frühjahr meldete die Deutschland-Tochter Insolvenz an, und FAW stellte einen Mann aus den eigenen Reihen an die Spitze des Start-ups. Sehr zum Unmut von Foxconn, das daraufhin Personal aus der Fabrik in Nanjing abzog, wie Bloomberg berichtete. Ob und wann der M-Byte kommt, ist weiter ungewiss. Immerhin identifizierte Carnewschina.com auf der Tropeninsel Hainan ein Modell bei einer Testfahrt.
Einer der Byton-Gründer war Carsten Breitfeld, der sich im Frühjahr 2019 zum Mitbewerber Iconiq absetzte. Doch auch dort erlebte er eine ähnliche Chronologie des Scheiterns wie bei Byton. Zumal auch bei Iconiq der Einstieg eines Staatskonzerns Abhilfe schaffen sollte. Das Elektro-Start-up hatte auf Automessen zunächst zwei Modelle präsentiert und erhielt im Juli 2019 über den Einstieg des staatlichen Autobauers Tianqi Meiya aus Tianjin die benötigte Produktionslizenz. Doch dann folgte lange Zeit nichts. Erst in diesem Frühjahr meldete sich das Unternehmen mit wenig spektakulären Neuigkeiten zurück und vermeldete zwei “strategische Investments” chinesischer Partner, einer davon mit Ambitionen im Bereich des autonomen Fahrens.
Ein anderer Byton-Mitgründer, Daniel Kirchert, wechselte 2020 zu Evergrande Auto, ohne zu ahnen, was ihn dort erwartete. Der Immobilienkonzern Guangzhou Evergrande, einst stolzer Namensgeber des entthronten chinesischen Fußball-Serienmeisters, hat sich mit seinem Elektro-Abenteuer an den Rand des Ruins verfrachtet.
Zu Beginn hatte die Gesundheitssparte (!) des Konzerns in das sieche Auto-Start-up Faraday Future investiert, aber konnte dessen Aus doch nicht abwenden. Fest entschlossen, auf dem Wachstumsmarkt Fuß zu fassen, übernahm Evergrande dann das schwedisch-chinesische NEVS, das aus der Traditionsmarke Saab hervorgegangen war. Bis 2022 wollte Evergrande satte 6,4 Milliarden US-Dollar in die Elektromobilität investieren und versprach sechs neue Autos der selbst gegründeten Marke Hengchi. Doch es gab Gerüchte über Probleme beim Aufbau der Produktion.
Evergrande finanzierte sein Elektro-Engagement durch Einnahmen aus dem florierenden Immobiliengeschäft. Doch diese flossen weniger stark, nachdem Peking begonnen hatte, den Sektor stärker zu regulieren, um das Risiko einer Immobilienblase einzudämmen. Evergrande konnte die wachsenden Schulden für seine Elektro-Start-ups nicht mehr zahlen, und nun häufen sich Berichte, dass der Konzern das Elektro-Geschäft abstoßen wolle. So meldete die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich Gespräche mit dem Smartphone-Hersteller Xiaomi sowie staatlich unterstützten Investmentfirmen aus Shenzhen.
Auch jenseits des Elektrosegments tun sich neue Autobauer in China schwer: Die Marken Qoros und Borgward setzten auf moderne Fabriken, ausländische Manager und verkauften akzeptable Autos. Doch so richtig kamen sie im Markt nie an; der Qoros-Absatz stagnierte, der von Borgward brach komplett ein. Das einst vom Autobauer Chery und einem Investor aus Israel gegründete Qoros gehört heute der chinesischen Firma Baoneng, die im Februar eine Reihe von Elektromodellen ankündigte. Das Revival der deutschen Traditionsmarke Borgward in China aber steht vor der Insolvenz.
Ein Lebenszeichen gab zuletzt das lange am Boden liegende Start-up Faraday Future (FF) von sich, dessen Gründer Jia Yueting 2017 vor Schulden und Betrugsvorwürfen in die USA geflohen war. Der Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq unter dem Namen Faraday Future Intelligent Electric spülte im Juli nach Medienberichten rund eine Milliarde US-Dollar in die Kasse. Mittendrin ist erneut der Byton-Gründer Carsten Breitfeld, der jetzt als Geschäftsführer die Entwicklung von Faraday Future anschieben möchte.
Das frische Kapital solle dabei helfen, das erste Modell des Unternehmens, einen Luxus-Elektro-SUV namens FF91, endlich zur Marktreife zu bringen, sagte Breitfeld der Nachrichtenagentur Reuters. Der FF91 soll in einer Fabrik im kalifornischen Hanford vom Band laufen, die Faraday Future vor einigen Jahren erworben hatte. Die Kapazität liege zunächst nur bei 10.000 Autos im Jahr. In 30 Monaten will Faraday Future mit dem FF81 ein etwas günstigeres Modell auf den Markt bringen, das bei einem Vertragsfertiger in Südkorea vom Band laufen soll. Bei FF ist es aber definitiv mit früheren, hochfliegenden Plänen eigener Gigafabriken in der Wüste Nevadas vorbei, ebenso wie mit dem geplanten Bau von Autos, die wie Raumschiffe aussehen.
Seit Anfang 2021 gibt es bereits Zuckungen des totgeglaubten FF: ein neuer CEO, auch für China, und Gerüchte über Verhandlungen mit Geely über eine Lizenzfertigung. Geely gehört auch zu den Investoren in den FF-Börsengang. Die Produktion des FF91 wird allerdings frühestens 2022 starten – damit hinkt das Unternehmen der Konkurrenz weit hinterher. Trotzdem erscheint es möglich, dass ausgerechnet das erste für tot erklärte Start-up am Ende doch noch knapp überlebt.
Volvo Trucks steht kurz vor dem Kauf des chinesischen LKW-Herstellers JMC Heavy Duty Vehicle. Die Übernahme für umgerechnet 123 Millionen US-Dollar muss noch durch chinesische Behörden genehmigt werden, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtet. Volvo, eine Tochter des chinesischen Herstellers Geely, würde mit dem Kauf die volle Kontrolle über JMC Heavy Duty Vehicle erlangen und müsste kein Joint-Venture eingehen. Im Jahr 2020 erließ die chinesische Regierung neue Regeln, um die Joint-Venture-Pflicht in der Nutzfahrzeug-Produktion aufzuheben. Das schwedisch-chinesische Unternehmen würde damit auch eine LKW-Fabrik im nordchinesischen Taiyuan übernehmen. Dort sollen Caixin zufolge ab Ende 2022 jährlich 15.000 LKW für den chinesischen Markt hergestellt werden. Aufgrund des Logistik-Booms in China ziehen dem Portal zufolge viele LKW-Hersteller Produktionsanlagen in der Volksrepublik in Betracht. nib
Der Smartphone-Hersteller Xiaomi hat die Übernahme des Start-ups Deepmotion für 77 Millionen US-Dollar bekannt gegeben. Deepmotion wurde vor vier Jahren gegründet und entwickelt Fahrerassistenzsoftware, wie Bloomberg berichtet. Der Kauf von Deepmotion soll das chinesische Unternehmen bei der Entwicklung von Technologien zum vollständigen autonomen Fahren helfen, wie der Manager Wang Xiang sagte. Die Übernahme des Start-ups geht mit der Expansion des Smartphone-Herstellers in den E-Auto-Sektor einher. Das Unternehmen will in den nächsten zehn Jahren zehn Milliarden US-Dollar in diesem Bereich investieren. Im zweiten Quartal 2021 hat Xiaomi den US-Anbieter Apple erstmals als zweitgrößten Smartphone-Hersteller abgelöst. Der Nettogewinn stieg in den drei Monaten bis Juni um 80 Prozent auf umgerechnet fast 1,1 Milliarde Euro. nib
Der Netzwerkspezialist Huawei hat in den USA offenbar die Erlaubnis zur Bestellung von Auto-Chips aus amerikanischer Produktion erhalten. Die Genehmigung durch die Regierung unter Präsident Joe Biden gilt als Anzeichen dafür, dass sie die Sanktionen gegen das chinesische Unternehmen aufweichen könnte. Konkret gehe es um Halbleiterelemente für Sensoren, die in selbstfahrenden Autos zum Einsatz kommen, berichten übereinstimmend die chinesische Volkszeitung und die Nachrichtenagentur Reuters. Huawei steigt derzeit als Zulieferer in das Fahrzeuggeschäft ein (China.Table berichtete).
Bidens Vorgänger hatte die Ausfuhr von Hochtechnologie an potenziell gefährliche Unternehmen aus China genehmigungspflichtig gemacht und dann jede Genehmigung verweigert. Das kam einem Ausfuhrstopp von wichtigen Komponenten für Huawei und andere chinesische Technikfirmen gleich. Da es sich um eine Genehmigungspflicht handelt, nicht um ein generelles Verbot, kann Biden die Politik nun ohne eine neue Regeländerung nachjustieren. fin
Der chinesische Autobauer Great Wall Motors (GWM) hat ein Daimler-Werk im brasilianischen Iracemápolis erworben. Das Unternehmen übernimmt bis Jahresende die Grundstücke, Anlagen, Maschinen und Ausrüstung von Daimler. Laut eigenen Angaben will GWM damit seine Präsenz in Südamerika vergrößern. “Brasilien ist einer der wichtigsten strategischen Überseemärkte für GWM”, sagte der Vize-Präsident von Great Wall Motors, Liu Xiangshang. Das Unternehmen plant jährlich 100.000 Autos in der Fabrik herzustellen.
Laut Medienberichten will GWM demnächst auch zwei seiner Marken in Europa vertreiben. Es handelt sich um den mittelgroßen SUV Wey V71 und die Elektroautos der Konzernmarke Ora. In China baut GWM ein Werk mit dem Kooperationspartner BMW. Der Autobauer hat kürzlich hohe Wachstumsziele verkündet. Er plant, ab 2025 pro Jahr vier Millionen Fahrzeuge abzusetzen. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 1,1 Millionen Autos verkauft (China.Table berichtete). nib
“Ich bin in China, weil ich glaube, dass hier ein Teil Automobilgeschichte geschrieben wird”, sagt Holger Klein. Seit 2018 ist der ehemalige McKinsey-Berater beim deutschen Automobilzulieferer ZF zuständig für die Region Asien-Pazifik. Das Unternehmen aus Friedrichshafen, das 1915 als Zahnradfabrik gegründet wurde, verkauft seine Produkte seit mehr als 40 Jahren in China, war jedoch wie viele andere westliche Unternehmen lange nur ein “schlafender Riese” im Reich der Mitte.
“Viele Dinge passieren hier sehr schnell. Das ist eine Herausforderung. Da müssen wir sehr bescheiden sein”, sagt der 51-Jährige. Bei ZF sprächen sie in diesem Zusammenhang längst vom “China Speed”.
2018 erwirtschaftete der Konzern vom Bodensee in China einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden Euro, den Großteil davon mit Antriebs- und Fahrwerktechnologie sowie mit Sicherheitstechnologie für Pkw und Nutzfahrzeuge. Die rasante Elektrifizierung, die zunehmende Vernetzung und die weitreichende Autonomie der Assistenzsysteme seien jedoch die großen Trends der nächsten Jahre, glaubt der promovierte Wirtschaftsingenieur. Firmen wie NIO und Xiaopeng würden schon heute in China das Auto neu denken. “Ich bewundere viele der Newcomer. Das sind durchaus tolle Autos. Da spielen Infotainment und Connectivity eine große Rolle und das ganz ohne Legacy. Weil sie eben nicht schon tausende Autos im Feld haben.”
Klein, der bei ZF auch die Geschäfte der Bereiche Pkw-Fahrwerktechnik und Aftermarket verantwortet, kam in den 90er-Jahren zum ersten Mal nach China, wo er unter anderem Shenzhen besuchte, das damals noch kaum der High-Tech-Metropole von heute glich. Seit zwei Jahren wohnt der 1970 in Mülheim an der Ruhr geborene Tech-Manager nun mit seiner Familie in Shanghai. Ein großer Unterschied zu seiner Zeit als Berater: “Wenn sie nicht nur rein- und rausfliegen, entwickeln sie ein tieferes Verständnis für Kultur, Land und Leute. Wenn man dort lebt, versteht man erst, was man nicht versteht”, sagt er lachend.
Um auf der Höhe der Entwicklungen zu bleiben, investiert ZF mittlerweile immer mehr in Mechatronik, mehr Software und mehr Hightech. “Dinge die mittlerweile integraler Teil des ZF-Portfolios sind”, wie Klein betont. Anfang des Jahres stellte er auf der Auto Shanghai die nächste Generation des ZF-Hochleistungsrechners vor, den ZF Pro AI. “Er ist der derzeit flexibelste, skalierbarste und leistungsstärkste Supercomputer der Welt für die Automobilindustrie”, betonte Klein bei der Präsentation. Er sei für jeden Fahrzeugtyp und für alle Stufen des automatisierten oder autonomen Fahrens geeignet und soll im Jahr 2024 in Serie gehen.
Die Ausweitung des China-Geschäfts ist ein wichtiges Ziel der ZF-Strategie “Next Generation Mobility”. “Covid hat diese Entwicklung noch beschleunigt, weil wir gesehen haben, wie fragil Lieferketten sind. Wir wollen ‘local für local’ produzieren, ein ehrgeiziges Ziel.” Derzeit errichtet ZF sein drittes Forschungs- und Entwicklungszentrum in China, das 2023 eröffnen soll.
In China hat die Corona-Krise ZF eher genutzt als geschadet, auch weil das Unternehmen seine Popularität mit unkonventionellen Maßnahmen steigern konnte. Bereits im Mai 2020 hatte ZF angefangen, industriell Atemmasken zu produzieren – zuerst um Mitarbeiter zu schützen. Doch rasch wurde die Produktion ausgeweitet, sodass auch chinesische Bürger Masken erwerben konnten. Städte und Kommunen bedankten sich bei den Deutschen. “Das haben wir zur Perfektion getrieben. Typische Automobilisten”, sagt Holger Klein schmunzelnd. Fabian Peltsch
willkommen am China.Table Automotive, dem neuen Professional Briefing mit den wichtigsten Analysen und News zur Mobilität, dem Fahrzeugbau und neuen Antriebsformen in China.
Für die Branche ist China nicht nur der größte Absatzmarkt der Welt mit eminenter Bedeutung für den deutschen Fahrzeugsektor. Von dort kommt auch zunehmend harte Konkurrenz für die Deutschen. Während es chinesische Fahrzeugbauer nie geschafft haben, mit Verbrennungsmotoren Weltniveau zu erreichen, gelingt ihnen das derzeit bei der Elektromobilität und beim autonomen Fahren. Immer mehr internationale Experten bescheinigen den chinesischen Herstellern höchste Qualität. Lange belächelt, sind sie inzwischen eine überlegene Konkurrenz, analysiert unser Team in Peking die Entwicklung der agilen Angreifer aus der Volksrepublik.
Pünktlich zur Mobilitätsmesse IAA spricht China.Table Automotive mit dem Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer. Sein Urteil: Die IAA hat sich radikal gewandelt – aber nicht nur zum Besseren. Indem sie sich für alle Formen der Mobilität öffnet, verliert sie ihren Fokus, sagt Dudenhöffer. Seine Prognose: “Nur in China sind Automessen noch Erfolgsträger”.
Für die Autobranche wird China sogar noch an Bedeutung gewinnen, mahnt der Experte, den man gern den deutschen Autopapst nennt. Mit mehr als 30 Millionen Autos würden im Reich der Mitte 2030 doppelt so viele Autos verkauft werden wie in Europa. Der größte Markt entscheide über den Standard. Und weiter: Nur wer in China eine führende Position hat, wird auch in Zukunft zur Spitze gehören.
Das China.Table-Team wird Sie wöchentlich über die wichtigsten Branchentrends und Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
Eine informative Lektüre wünscht
Herr Dudenhöffer, kommende Woche beginnt die IAA – erstmals in München. Was wird neu und anders sein als die bisherige in Frankfurt?
Ferdinand Dudenhöffer: Das Auto steht nicht mehr im Mittelpunkt, sondern auch öffentliche Verkehrsmittel, Fluggeräte und Fahrräder werden Thema auf der IAA sein. Auch eine Oldtimer-Ausstellung soll es geben, zudem Veranstaltungen in der Innenstadt. Es handelt sich also nicht mehr nur um eine klassische Messe, sondern eher um ein Event mit Volksfestcharakter.
Das klingt nach einem populären Format.
Der Zuspruch unter den Automobilherstellern hält sich aber in Grenzen. Die großen deutschen Autobauer sind natürlich dabei. Aber schon Opel fehlt und bis auf Hyundai, Renault und paar junge chinesische Autofirmen werden auch die meisten großen internationalen Autohersteller München fern bleiben. Wenn Autos nicht die Hauptrolle einnehmen, stellt sich für viele internationale Autohersteller offensichtlich die Frage, warum sie noch kommen sollen. Automessen müssen sich für sie rechnen. Gute Laune an den Ständen reicht ihnen nicht.
Ausrichter der IAA ist der Verband der Autoindustrie (VDA). Und der müsste doch am besten wissen, was die Bedürfnisse seiner Mitglieder sind?
Automessen im klassischen Sinn haben ausgedient. Im Zuge des Elektro-Trends haben Messen wie Battery Days, Power Days, oder eigene Produktvorstellungen wie die von Tesla die Show gestohlen. Die Detroit Motorshow ist tot. Auch der Autosalon in Genf braucht einen neuen Ansatz. Außer in China. Dort sind Automessen weiter ein Erfolgsträger.
Wie ist das zu erklären?
China ist schon seit geraumer Zeit der mit Abstand wichtigste und größte Automarkt der Welt. Und der Markt in der Volksrepublik wird weiter wachsen. Um mitzuhalten, müssen die Autohersteller jede Gelegenheit nutzen sich zu präsentieren. Ansonsten entsteht dort der Eindruck, dass man nicht präsent ist. Hinzu kommt, dass die Auto China es nicht nötig hat, ihr Themenspektrum zu erweitern. Durch das große Angebot an unterschiedlichen und auch einheimischen Autobauern, die vor allem bei den Themen Elektromobilität und autonomes Fahren enorm viel zu bieten haben, hat die Auto China jede Menge Interessantes zu bieten.
Klassische Automessen sind nicht mehr angesagt. Die IAA erweitert sein Themenspektrum auf Mobilität im Allgemeinen. In den Verkaufszahlen spiegelt sich das nicht wider. Der PKW-Bestand hat zuletzt sogar deutlich zugenommen. Wie passt das zusammen?
Ja, man sieht, dass das Auto gerade in Corona-Zeiten erheblich an Bedeutung gewonnen hat gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das dürfte auch erst mal der Trend bleiben. Virologen betonen schließlich, dass wir langfristig mit dem Virus leben müssen. Wir sehen das im Freizeitbereich. Caravans und andere Reisemobile erleben einen nie erwarteten Boom. Ich glaube, die IAA setzt zu stark auf populäre Themen, die vor der Pandemie aktuell waren oder allenfalls hierzulande angesagt sind, etwa die Sharing-Welt, die Erneuerung der Bahn, der Fahrradboom.
Das spiegelt aber nicht den weltweiten Trend wider. Es gibt eine große Neugierde auf Entwicklungen beim Elektroauto und autonomen Fahren. Ich glaube, beim Verband der IAA hat man diese Attraktivität nicht in allen Facetten gesehen, sondern hat Themen gewählt, die nicht alle den Nerv der Zeit treffen. Trends wie Reisemobile oder Facts und Infos zu Virenschutz im Auto wären spannend. Wenn ich mich für eine Veranstaltung entscheide, brauche ich ein Thema, das mich interessiert und nicht verwaschene Vielfalt. Die IAA bräuchte eine klarere Fokussierung.
Autonomes Fahren steht in München auf dem Programm.
Die deutschen Autobauer haben das Thema auf dem Schirm. Aber die Trends, das muss man ganz ehrlich sagen, werden derzeit im Silicon Valley und noch stärker in China gesetzt. In Shanghai und Peking gibt es mehr als 500 Kilometer lange Teststrecken. Selbst autonom fahrende LKWs werden dort schon ausprobiert. Das allein wäre ein eigenständiges Thema gewesen, das die ganze Messe bestimmen könnte.
Wenn ich sie allerdings auch mit Fahrrädern und Oldtimern vermenge, stellt sich die Frage: Wenn ich was über autonomes Fahren wissen will, erfahre ich das wirklich bei der IAA? Oder kriege ich ein Potpourri vorgesetzt von allem, was ein bisschen von allem ist? Da kann ich gleich zum Oktoberfest gehen. Die Gamescom in Köln zeigt wie man das machen kann und dort stellt man ja auch nicht das “Mensch-Ärgere-Dich-Nicht”-Spiel oder historische Brettspiele vor.
Ist dieses Potpourri womöglich Ausdruck davon, dass die deutschen Autobauer in diesen Bereichen nicht führend sind?
Dieser Mix an Themen drückt eher aus, dass es keine Strategie gibt, die alle gleichzeitig verfolgen. Bei Volkswagen setzt Vorstandschef Herbert Diess nun voll auf Elektromobilität. Andere Autobauer wie BMW sind vorsichtiger und sagen: Wir brauchen noch lange den Verbrennungsmotor. In dieser Dissonanz befindet sich auch die IAA.
Einer Studie des VDA zufolge gehen zwar mehr als 80 Prozent der befragten deutschen Autozulieferer davon aus, dass sich die Elektromobilität als neuer Standard durchsetzen wird, 88 Prozent rechnen aber erst 2030 oder später mit einer vollständigen Ablösung des Verbrennungsmotors.
Wer derart gelassen mit dem Thema umgeht, hat ein großes Risiko, dass es ihn übermorgen nicht mehr gibt.
Wie erklären Sie sich diese Gelassenheit?
Das ist je nach Zulieferer unterschiedlich. Wer Sitze herstellt, Scheiben oder Reifen, den tangiert die Umwälzung nur wenig. Betroffen sind die Zulieferer, die Abgasanlagen oder andere Teile für Verbrennungsmotoren herstellen. Die Großen haben die richtigen Weichen gestellt. Continental etwa hat den Bereich Antriebstechnik ausgegliedert. Firmen, wie Bosch werden in Zukunft Geschäfte verlieren, weil sie das Batteriegeschäft nicht können. Einen Teil dieser Umsatzeinbrüche werden sie jedoch mit der Entwicklung von IT und Software auffangen. BASF und andere Chemiekonzerne werden zu den Gewinnern gehören, weil ihre Substanzen für die Batterieherstellung benötigt werden. Das Problem sind die eher kleinen Firmen, die immer noch glauben, das Gewitter werde schon nicht so schlimm wie im Wetterbericht angekündigt.
Noch sind deutsche Autos in China sehr beliebt. Allein im ersten Halbjahr haben sie Rekordabsätze gemeldet. Bei der Elektromobilität hinken sie aber hinterher, zumal die chinesischen Autobauer äußerst innovativ sind.
Um Volkswagen und Daimler mache ich mir wenig Sorgen. Sie setzen voll auf elektrische Fahrzeuge, entwickeln Betriebssysteme, um die Fahrzeug-Software auch selbst zu beherrschen. Die Deutschen sind die größten Premium-Autobauer der Welt. Tesla holt in diesem Segment zwar auf. Doch der VW-Konzern mit Audi und Porsche und auch Daimler sind gut aufgestellt. BMW muss sich ran halten, kann es aber auch schaffen. Sie alle haben erkannt, dass in China die Zukunft der deutschen Autoindustrie liegt, nicht in Europa.
Mit dem Elektroauto ID.4 hatte VW in China einen eher schwierigen Start.
Beim Elektroauto spreizt sich der Markt in China derzeit. Die Chinesen kaufen entweder teure SUVs und Limousinen wie Tesla oder preisgünstige Kleinautos. Der ID.3 ist zwischendrin positioniert. Der Mini EV von Hong Guang etwa ist das meistverkaufte Elektroauto in China und umgerechnet für weniger als 4.000 Euro zu haben. Ich denke, VW wird mit den nächsten Karosserie-Varianten Marktanteile zurückholen.
Und wie sind die chinesischen Autobauer aufgestellt?
Sie holen massiv auf und werden auch nach Europa kommen. In Osteuropa sind sie bereits, punkten vor allem mit günstigen Fahrzeugen. Mit der Übernahme von Volvo durch Geely ist ein chinesisches Unternehmen auch in Westeuropa schon präsent. Und Geely ist ja auch bei Daimler mit zehn Prozent beteiligt. Der nächste Smart wird von Geely gebaut und nach Europa kommen. Die Unternehmen wachsen zusammen mit noch stärkerem chinesischem Akzent.
Die deutschen Autobauer werden chinesisch?
Das sind sie längst. VW, Audi, BMW und Mercedes bauen Autos nach chinesischem Geschmack, längere Abstände zum Beispiel. Und das wird so weitergehen. Der größte Markt entscheidet über den Standard. 2030 werden in China mehr als 30 Millionen Autos verkauft. Das ist doppelt so viel wie in Europa. Nur wer in China eine führende Position hat, wird noch zur Spitze gehören.
Die Deutschen sind zwar gut aufgestellt, müssen aber aufpassen: Toyota greift an, ebenso GM. Der chinesische Markt wird nicht mehr der sein, was er in der Vergangenheit war. Dort wird man nicht mehr mit einer ruhigen Gangart trotzdem gute Gewinne einfahren. Der Wettbewerb wird massiv zunehmen. VW und Daimler haben zuletzt gezeigt, dass sie sich neu erfinden können. Das ist das eigentliche Erfolgsrezept.
Ferdinand Dudenhöffer ist Deutschland renommiertester Experte der Automobilwirtschaft, was ihm den Ruf als “Autopapst” einbrachte. Bis 2020 war er Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Inzwischen leitet er das privatwirtschaftlich betriebene Forschungsinstitut CAR-Center Automotive Research in Duisburg.
Deutsche Automanager dürften in den letzten eineinhalb Jahren mit sehr gemischten Gefühlen auf China geblickt haben. Zwar hat ihnen das Geschäft in der Volksrepublik während der Corona-Krise die Bilanz gerettet. Gleichzeitig mussten Volkswagen, Daimler und BMW jedoch hinnehmen, dass trotz eigener Modell-Offensiven das Geschäft mit E-Autos dort weiterhin fest in der Hand chinesischer Hersteller liegt. Sie standen Jahre früher als die Deutschen in den Startlöchern und scheinen nicht bereit zu sein, ihren Vorsprung im eigenen Heimatmarkt wieder abzugeben.
Im vergangenen Jahr verfügten 6,3 Prozent aller verkauften Autos in China über einen elektrischen Antrieb. In diesem Jahr, so schätzt das Analyse-Unternehmen Canalys, sollen rund 1,9 Millionen E-Autos an chinesische Kunden ausgeliefert werden – dann wären bereits neun Prozent aller Neuwagen in China elektrisch unterwegs. Nährboden für die chinesische E-Autoindustrie ist ein milliardenschwerer Plan der Regierung in Peking, die auf einen massiven Ausbau der Elektromobilität setzt. Hohe Subventionen und gleichzeitige Beschränkungen für Benziner auf den Straßen haben dazu beigetragen, dass dem E-Auto in China schneller der Weg bereitet werden konnte, als in Europa.
Fest steht jedoch: Ein Patentrezept auf Erfolg gibt es dabei nicht. Die Geschäftsmodelle der chinesischen Angreifer könnten diverser kaum ausfallen. Das im Juli zum elften Mal in Folge meistverkaufte E-Auto des Monats war keine Luxuskarosse, sondern das Mini-E-Mobil Wuling Hongguang, ein Stromer für den schmalen Geldbeutel. Den Erfolg verdankt das Unternehmen auch seiner schnellen Anpassungsfähigkeit an den Markt. “Die Mentalität unseres Unternehmens ist es, alles zu produzieren, was die Leute brauchen”, sagte Wulings Marketingchef Zhang Yiqin in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. Als klar war, dass der kleine Elektro-Flitzer vor allem bei jungen Frauen gut ankommt, reagierte Zhang prompt und heuerte für sein Team noch mehr weibliche Mitarbeiter an, um Werbung und Marketing zu entwickeln.
Doch die chinesischen Hersteller können längst nicht nur billig. Die größten Innovationstreiber sind junge Unternehmen, die ausschließlich auf Elektro setzen. Viele von ihnen verzeichnen bereits erstaunliche Absatzerfolge: Der Hersteller Nio hat die Zahl seiner ausgelieferten Fahrzeuge im vergangenen Jahr auf knapp 44.000 verdoppelt, beim heimischen Konkurrenten Xpeng waren es 27.000; bei Li Auto rollten gleich im ersten Produktionsjahr mehr als 32.000 Autos aus der Fabrik.
Im Vergleich zu den 500.000 Autos, die der amerikanische E-Pionier Tesla im vergangenen Jahr weltweit verkaufte, wirken diese Zahlen bescheiden. Doch die Erwartungen sind gewaltig, auch bei Investoren. Nio wird an der Börse bereits ähnlich hoch bewertet wie die Branchengröße BMW. Und auch Great Wall Motor, SAIC, BYD, Geely und Xpeng zählen bereits zu den 20 weltweit wertvollsten, börsennotierten Automarken.
Seit Anfang des Jahres hat sich der Aktienwert des Shenzhener E-Autoherstellers BYD fast versiebenfacht und steigt weiter. Allein in der Woche vom 28. Juli legte die BYD-Aktie um über 40 Prozent zu und erreichte am 9. August ihr Allzeithoch.
Batterien von BYD gehören in der Mischung aus Sicherheit, Reichweite und Kosten zu den besten der Welt. Und mit dem Modell “Dolphin” traut sich BYD als erster chinesischer Hersteller mit einem international wettbewerbsfähigen Produkt im Kleinwagensegment anzugreifen. Das ist nicht weniger als eine direkte Attacke auf die ID-Reihe von Volkswagen, die wesentlich teurer ist.
Der Dolphin wurde im April auf der Autoshow in Shanghai erstmals vorgestellt. Er ist seit dem 13. August im Vorverkauf erhältlich, die ersten Fahrzeuge werden in diesen Tagen ausgeliefert. Der Stromer hat ungewöhnliche Abmessungen. Er ist mit seinen gut vier Metern Länge, 1,80 Meter Breite und 1,60 Meter Höhe je nach Ausführung zwischen 15 und 30 Zentimeter kürzer als der Golf, gleichzeitig jedoch 15 Zentimeter höher. Das bedeutet: Er passt in kleinere Parklücken und fühlt sich innen dennoch großräumig und luftig an. Mit 2.700 Millimetern Radstand ist er nur wenig kürzer als der VW ID.4 mit 2.770 Millimetern, jedoch 18 cm kürzer als der Tesla Model 3. Elon Musk hat bereits ein kleineres Modell angekündigt.
Die Formensprache des Dolphin orientiert sich an der “Ästhetik des Ozeans”. Gestaltet hat ihn BYD-Designchef Wolfgang Egger, der von Audi kommt. Die Fahrzeuge sollen ein junges, urbanes Lebensgefühl aussstrahlen, fernab der Lieblosigkeit, mit der BYDs chinesische E-Auto-Wettbewerber ihre Kleinwagen präsentieren. Ein Design-Clou sind die Heckleuchten. “Sie übernehmen optische Strukturen aus der Ming-Zeit”, erläutert Egger. Damit lässt sich dieses Auto auch von hinten sofort wiedererkennen.
Auch die Infotechnik passt: Der Dolphin ist mit einem drehbaren 13-Zoll-Bildschirm ausgestattet. Er macht also einem mittelgroßen Notebook Konkurrenz. Und: Das Auto lässt sich mittels Smartphone öffnen. Der kleine BYD-Stromer hat zudem eine Wärmepumpe, die es ermöglicht, batterieschonend die Abwärme des Autos zur Beheizung der Fahrzeuge zu verwenden. Das ist vor allem für den Norden Chinas wichtig, wo es im Winter sibirisch kalt wird.
Den neuen Zwerg von BYD gibt es in drei Varianten mit einer Reichweite von 300 bis 400 Kilometern, die Zahlen sind allerdings nach chinesischer Norm gerechnet. Besonders attraktiv sind die Ladezeiten. Innerhalb einer halben Stunde lässt sich die Batterie wieder weitgehend füllen. Bei BYD ist man überzeugt, dass auch in China das Zeitalter der Kompaktfahrzeuge anbricht, vor allem in den Metropolen.
Vorerst wird es den Dolphin nur in China geben. Die ersten Autos von BYD sind allerdings schon in Europa erhältlich. In diesem Sommer wurden die ersten 100 Exemplare des vergleichsweise konventionellen E-SUV Tang in den Pilot-Markt Norwegen geschickt. “Die Menschen empfangen Autos aus China nicht mit offenen Armen”, weiß Isbrand Ho, der Europa-Chef von BYD in Rotterdam. “Deswegen müssen unsere Autos besonders gut sein. Und unser Service noch besser.” BYD müsse im Fall von Problemen dem Kunden zeigen, dass man für ihn da sei. Deshalb lasse sich BYD nicht unter Druck setzen mit einem Markteintritt nach Europa. “Wenn wir scheitern, heißt es nicht: BYD ist gescheitert, sondern chinesische Autos sind gescheitert”, glaubt Ho. “Wir haben diesbezüglich eine große Verantwortung. Es wird nicht einfach, die Marke zu etablieren.” Deshalb ist noch nicht klar, wie schnell die Fahrzeuge auch in anderen EU-Märkten zu haben sind. Und vor allem, wann der Dolphin auf den Heimatmarkt des ID.3 kommt.
Während der Dolphin gerade ist in den Verkauf gegangen ist, generiert das Unternehmen mit seinem etablierten Modell Han bereits sehr erfolgreich Marktanteil und Umsatz. Das Auto, das vor Extras strotzt und gut aussieht, gibt es für umgerechnet 33.000 Euro. Zum Vergleich: Der Tesla S schafft mit einer Batterieladung rund 650 Kilometer. Zwar beschleunigt er eine Sekunde schneller als der Han, kostet jedoch umgerechnet knapp 77.000 Euro.
Derzeit zeichnet sich auch ab, dass die chinesischen Elektroautos zumindest auf ihrem Heimatmarkt deutlich besser laufen als die neue deutsche Konkurrenz. Im Juli hat VW immerhin schon 5.800 ID.3s verkauft. Das waren zwar deutlich mehr als im Juni mit nur fast 3.000 Stück. Doch Nio und Xpeng haben jeweils rund 8.000 Fahrzeuge verkauft. BYD ist sogar über 50.000 Fahrzeuge los geworden. Also knapp neunmal so viele wie VW. Im Vergleich zum Vorjahr ist es BYD gelungen, die Verkäufe zu verdreifachen.
Klar ist schon jetzt: Es wird hart für VW & Co. Nach dem Abzug der staatlichen Subventionen zahlen die Kunden in China umgerechnet zwischen 12.600 und 16.300 Euro für den Dolphin, der wertiger und pfiffiger aussieht. Der Startpreis für den ID.4 in der kleinen Version beträgt hingegen schon 25.000 Euro. Die von der Ausstattung her mit dem Dolphin vergleichbare Edition des ID.4 kostet sogar rund 36.000 Euro, also mehr als das doppelte. Es kann durchaus sein, dass in puncto Sicherheit und Qualität VW höhere Standards hat. Doch die Frage ist: Will der Kunde das für ein Stadtauto bezahlen? Der ID.3 kommt überhaupt erst Ende des Jahres nach China.
Das Marketing des ID.4 ist ebenfalls verunglückt: Die Zahl vier klingt im Chinesischen wie das Wort Tod. In den nächsten Monaten wird sich an den Verkaufszahlen zeigen, welches der beiden Autos besser einschlägt, nachdem der ID.4 ein paar Monate Vorsprung hat. Auf dieses Duell wird die Branche schauen.
Bei BYD denkt man schon an die nächsten Schritte: Inzwischen mehren sich Gerüchte, das BYD im ersten Quartal 2021 eine neue Premiummarke mit eigenem Händlernetz startet. Noch in diesem Jahr soll Gerüchten zufolge ein neues Oberklasseauto auf den Markt kommen. Damit würde BYD das gesamte Spektrum abdecken.
Immer mehr internationale Experten bescheinigen den Chinesen, ihre Hausaufgaben gemacht zu haben und Autos von höchster Qualität zu bauen. So erhielt der chinesische Hersteller Aiways, der seinen Elektro-SUV U5 mittlerweile auch in Deutschland anbietet, kürzlich sogar vom ADAC einen Ritterschlag: “Der Aiways U5 beweist, dass Autos, die in China gebaut werden, schon lange nicht mehr billig im Sinne von qualitativ minderwertig sein müssen”, so die ADAC-Experten. Das chinesische Auto bewege sich etwa im Vergleich mit dem Konkurrenzprodukt EQC von Mercedes in vielen Disziplinen auf Augenhöhe, schneide in mancher Hinsicht sogar besser ab – und koste nur halb so viel.
Auch Experten der Unternehmensberatung McKinsey haben etliche Made-in-China-Mobile auseinandergenommen, um deren Leistungsstärke zu ermitteln. Das Ergebnis: “Die in China hergestellten Modelle unserer Untersuchung überflügeln internationale Autobauer an zwei Fronten: bei Bedienung und Kundenerlebnis (durch bessere Vernetzung) und bei der Batterietechnik.” Die Fahrzeuge hätten mit “massiven technologischen Verbesserungen” in den vergangenen zwei Jahren deutlich aufgeholt.
Doch nicht nur Technologie macht den Unterschied. Auch bei ihren Vertriebsmodellen zeigen sich die Chinesen smart. Geely etwa setzt bei seinen Europaplänen auf ein Abo-Konzept: In Deutschland, Schweden, Frankreich, Spanien, den Niederlanden und Belgien gibt es Autos der jungen Konzernmarke Lynk & Co für 500 Euro im Monat, Steuer, Versicherung, Wartung und Reifenwechsel inklusive. Große Wahlmöglichkeiten gibt es für die Konsumenten in diesem Fall nicht: blau oder schwarz. Hybrid oder Plug-in-Technik, bei der Akkus sowohl über den Verbrennungsmotor als auch per Kabel geladen werden können. Das war es auch schon mit den Optionen. Mit dieser Einfachheit will Geely vor allem bei jungen Fahrern punkten.
Nio präsentiert seine Fahrzeuge dagegen in China und wohl bald auch in Europa über sogenannte Nio Houses, in denen es neben Wohnzimmer, Küche und Bibliothek auch Spielflächen für Kinder gibt. Das erste House außerhalb Chinas entsteht derzeit in Oslo, Nio will es im September auf 2.000 Quadratmetern im Zentrum der Hauptstadt Norwegens eröffnen. Frank Sieren/Gregor Koppenburg/Joern Petring
Elektroautos boomen in China. Nicht einmal die Halbleiterkrise tut den Verkaufszahlen bislang einen Abbruch. Im Juli wurden 271.000 Stromer verkauft und damit 164 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Doch es sieht nicht für alle gut aus: Eine Handvoll Start-ups steht vor dem Aus, andere dümpeln mit ungewissem Schicksal vor sich hin. Byton, Faraday Future oder Iconiq waren allesamt mit großen Ambitionen angetreten, holten sogar erfahrene westliche Automanager und Designer ins Boot. Doch der Durchbruch blieb ihnen verwehrt.
Eine Schätzung der Schweizer Bank UBS geht davon aus, dass in China schon 2025 jeder vierte Neuwagen mit Batterien betrieben wird. Doch zwischen Start-up-Euphorie und Riesengewinnen auf dem wachsenden Markt stehen horrende Kosten. Nio-Gründer William Li sagte im vergangenen Jahr, dass ein Start-up mindestens 20 Milliarden Yuan (gut 2,6 Milliarden Euro) Kapital benötige, ehe es ein erstes Modell zur Serienreife bekommt. Byton verbrannte laut chinesischen Medienberichten 8,4 Milliarden Yuan, produzierte aber nur rund 200 Stück seines intelligenten E-SUV M-Byte, obwohl das Fahrzeug bei Branchenkennern gut ankam. Jetzt steht das Unternehmen – zumindest in seiner bisherigen Form – vor dem Ende.
Cui Dongshu, Generalsekretär der China Passenger Car Association (CPCA), glaubt, dass die Elektro-Firmen ihre Ausgaben besser managen müssen: “Es ist wichtig, die Kosten zu senken und das gesamte Fertigungssystem zu optimieren“, sagte Cui laut South China Morning Post. “Unternehmen müssen in der Anpassung ihrer Lieferketten geübt sein, um auf dem sich schnell verändernden chinesischen Markt zu bestehen.”
Beim Elektropionier BYD etwa sank der Gewinn aufgrund steigender Materialkosten im ersten Halbjahr um 29,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – trotz guter Absatzzahlen: Im Juli war das Unternehmen mit 50.057 verkauften Stromern und Plug-in-Hybriden E-Marktführer. BYD kann steigende Kosten aber verkraften. Start-ups, die erst ganz am Anfang stehen, können das kaum. Viele von ihnen setzen zudem bei der Entwicklung und Produktion auf besonders teure Premium-Modelle mit dem letzten Schrei an Technologie-Schnickschnack, um Städter mit soliden Einkommen als Kunden zu gewinnen. Doch das im Juli zum elften Mal in Folge meistverkaufte E-Auto des Monats war keine Luxuskarosse, sondern das Mini-E-Mobil Wuling Hongguang (China.Table berichtete) – der Stromer für den schmalen Geldbeutel.
Zur regelrechten Lachnummer verkam das hoffnungsvoll gestartete Start-up Byton, das von deutschen Ex-BMW-Managern gegründet wurde. Die chinesische Fachwebsite Carnewschina.com erklärte das Unternehmen kürzlich zur “chinesischen Auto-Seifenoper”. Das Start-up durchlief Insolvenzen, rotierte wild das Management und brachte seinen M-Byte trotz einer produktionsbereiten Fabrik in Nanjing nie in die Massenfertigung. In den vergangenen Jahren hatte sich der staatliche Autobauer FAW immer stärker bei Byton engagiert, frisches Kapital und eine Produktionslizenz eingebracht. Schrittweise sicherte sich FAW dabei allerdings auch immer mehr Kontrolle über die Firma.
Im Sommer 2020 wurden die Vorbereitungen zur Serienproduktion des M-Byte gestoppt; die meisten Topmanager um den Deutschen Daniel Kirchert gingen von Bord. Der Rettungsplan von FAW beinhaltete eine Neugestaltung des M-Byte mit billiger Technologie des Staatskonzerns. Hoffnung machte dem Unternehmen auch eine strategische Partnerschaft mit dem Elektronikkonzern Foxconn aus Taiwan. Doch die Seifenoper ging weiter: Im Frühjahr meldete die Deutschland-Tochter Insolvenz an, und FAW stellte einen Mann aus den eigenen Reihen an die Spitze des Start-ups. Sehr zum Unmut von Foxconn, das daraufhin Personal aus der Fabrik in Nanjing abzog, wie Bloomberg berichtete. Ob und wann der M-Byte kommt, ist weiter ungewiss. Immerhin identifizierte Carnewschina.com auf der Tropeninsel Hainan ein Modell bei einer Testfahrt.
Einer der Byton-Gründer war Carsten Breitfeld, der sich im Frühjahr 2019 zum Mitbewerber Iconiq absetzte. Doch auch dort erlebte er eine ähnliche Chronologie des Scheiterns wie bei Byton. Zumal auch bei Iconiq der Einstieg eines Staatskonzerns Abhilfe schaffen sollte. Das Elektro-Start-up hatte auf Automessen zunächst zwei Modelle präsentiert und erhielt im Juli 2019 über den Einstieg des staatlichen Autobauers Tianqi Meiya aus Tianjin die benötigte Produktionslizenz. Doch dann folgte lange Zeit nichts. Erst in diesem Frühjahr meldete sich das Unternehmen mit wenig spektakulären Neuigkeiten zurück und vermeldete zwei “strategische Investments” chinesischer Partner, einer davon mit Ambitionen im Bereich des autonomen Fahrens.
Ein anderer Byton-Mitgründer, Daniel Kirchert, wechselte 2020 zu Evergrande Auto, ohne zu ahnen, was ihn dort erwartete. Der Immobilienkonzern Guangzhou Evergrande, einst stolzer Namensgeber des entthronten chinesischen Fußball-Serienmeisters, hat sich mit seinem Elektro-Abenteuer an den Rand des Ruins verfrachtet.
Zu Beginn hatte die Gesundheitssparte (!) des Konzerns in das sieche Auto-Start-up Faraday Future investiert, aber konnte dessen Aus doch nicht abwenden. Fest entschlossen, auf dem Wachstumsmarkt Fuß zu fassen, übernahm Evergrande dann das schwedisch-chinesische NEVS, das aus der Traditionsmarke Saab hervorgegangen war. Bis 2022 wollte Evergrande satte 6,4 Milliarden US-Dollar in die Elektromobilität investieren und versprach sechs neue Autos der selbst gegründeten Marke Hengchi. Doch es gab Gerüchte über Probleme beim Aufbau der Produktion.
Evergrande finanzierte sein Elektro-Engagement durch Einnahmen aus dem florierenden Immobiliengeschäft. Doch diese flossen weniger stark, nachdem Peking begonnen hatte, den Sektor stärker zu regulieren, um das Risiko einer Immobilienblase einzudämmen. Evergrande konnte die wachsenden Schulden für seine Elektro-Start-ups nicht mehr zahlen, und nun häufen sich Berichte, dass der Konzern das Elektro-Geschäft abstoßen wolle. So meldete die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich Gespräche mit dem Smartphone-Hersteller Xiaomi sowie staatlich unterstützten Investmentfirmen aus Shenzhen.
Auch jenseits des Elektrosegments tun sich neue Autobauer in China schwer: Die Marken Qoros und Borgward setzten auf moderne Fabriken, ausländische Manager und verkauften akzeptable Autos. Doch so richtig kamen sie im Markt nie an; der Qoros-Absatz stagnierte, der von Borgward brach komplett ein. Das einst vom Autobauer Chery und einem Investor aus Israel gegründete Qoros gehört heute der chinesischen Firma Baoneng, die im Februar eine Reihe von Elektromodellen ankündigte. Das Revival der deutschen Traditionsmarke Borgward in China aber steht vor der Insolvenz.
Ein Lebenszeichen gab zuletzt das lange am Boden liegende Start-up Faraday Future (FF) von sich, dessen Gründer Jia Yueting 2017 vor Schulden und Betrugsvorwürfen in die USA geflohen war. Der Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq unter dem Namen Faraday Future Intelligent Electric spülte im Juli nach Medienberichten rund eine Milliarde US-Dollar in die Kasse. Mittendrin ist erneut der Byton-Gründer Carsten Breitfeld, der jetzt als Geschäftsführer die Entwicklung von Faraday Future anschieben möchte.
Das frische Kapital solle dabei helfen, das erste Modell des Unternehmens, einen Luxus-Elektro-SUV namens FF91, endlich zur Marktreife zu bringen, sagte Breitfeld der Nachrichtenagentur Reuters. Der FF91 soll in einer Fabrik im kalifornischen Hanford vom Band laufen, die Faraday Future vor einigen Jahren erworben hatte. Die Kapazität liege zunächst nur bei 10.000 Autos im Jahr. In 30 Monaten will Faraday Future mit dem FF81 ein etwas günstigeres Modell auf den Markt bringen, das bei einem Vertragsfertiger in Südkorea vom Band laufen soll. Bei FF ist es aber definitiv mit früheren, hochfliegenden Plänen eigener Gigafabriken in der Wüste Nevadas vorbei, ebenso wie mit dem geplanten Bau von Autos, die wie Raumschiffe aussehen.
Seit Anfang 2021 gibt es bereits Zuckungen des totgeglaubten FF: ein neuer CEO, auch für China, und Gerüchte über Verhandlungen mit Geely über eine Lizenzfertigung. Geely gehört auch zu den Investoren in den FF-Börsengang. Die Produktion des FF91 wird allerdings frühestens 2022 starten – damit hinkt das Unternehmen der Konkurrenz weit hinterher. Trotzdem erscheint es möglich, dass ausgerechnet das erste für tot erklärte Start-up am Ende doch noch knapp überlebt.
Volvo Trucks steht kurz vor dem Kauf des chinesischen LKW-Herstellers JMC Heavy Duty Vehicle. Die Übernahme für umgerechnet 123 Millionen US-Dollar muss noch durch chinesische Behörden genehmigt werden, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtet. Volvo, eine Tochter des chinesischen Herstellers Geely, würde mit dem Kauf die volle Kontrolle über JMC Heavy Duty Vehicle erlangen und müsste kein Joint-Venture eingehen. Im Jahr 2020 erließ die chinesische Regierung neue Regeln, um die Joint-Venture-Pflicht in der Nutzfahrzeug-Produktion aufzuheben. Das schwedisch-chinesische Unternehmen würde damit auch eine LKW-Fabrik im nordchinesischen Taiyuan übernehmen. Dort sollen Caixin zufolge ab Ende 2022 jährlich 15.000 LKW für den chinesischen Markt hergestellt werden. Aufgrund des Logistik-Booms in China ziehen dem Portal zufolge viele LKW-Hersteller Produktionsanlagen in der Volksrepublik in Betracht. nib
Der Smartphone-Hersteller Xiaomi hat die Übernahme des Start-ups Deepmotion für 77 Millionen US-Dollar bekannt gegeben. Deepmotion wurde vor vier Jahren gegründet und entwickelt Fahrerassistenzsoftware, wie Bloomberg berichtet. Der Kauf von Deepmotion soll das chinesische Unternehmen bei der Entwicklung von Technologien zum vollständigen autonomen Fahren helfen, wie der Manager Wang Xiang sagte. Die Übernahme des Start-ups geht mit der Expansion des Smartphone-Herstellers in den E-Auto-Sektor einher. Das Unternehmen will in den nächsten zehn Jahren zehn Milliarden US-Dollar in diesem Bereich investieren. Im zweiten Quartal 2021 hat Xiaomi den US-Anbieter Apple erstmals als zweitgrößten Smartphone-Hersteller abgelöst. Der Nettogewinn stieg in den drei Monaten bis Juni um 80 Prozent auf umgerechnet fast 1,1 Milliarde Euro. nib
Der Netzwerkspezialist Huawei hat in den USA offenbar die Erlaubnis zur Bestellung von Auto-Chips aus amerikanischer Produktion erhalten. Die Genehmigung durch die Regierung unter Präsident Joe Biden gilt als Anzeichen dafür, dass sie die Sanktionen gegen das chinesische Unternehmen aufweichen könnte. Konkret gehe es um Halbleiterelemente für Sensoren, die in selbstfahrenden Autos zum Einsatz kommen, berichten übereinstimmend die chinesische Volkszeitung und die Nachrichtenagentur Reuters. Huawei steigt derzeit als Zulieferer in das Fahrzeuggeschäft ein (China.Table berichtete).
Bidens Vorgänger hatte die Ausfuhr von Hochtechnologie an potenziell gefährliche Unternehmen aus China genehmigungspflichtig gemacht und dann jede Genehmigung verweigert. Das kam einem Ausfuhrstopp von wichtigen Komponenten für Huawei und andere chinesische Technikfirmen gleich. Da es sich um eine Genehmigungspflicht handelt, nicht um ein generelles Verbot, kann Biden die Politik nun ohne eine neue Regeländerung nachjustieren. fin
Der chinesische Autobauer Great Wall Motors (GWM) hat ein Daimler-Werk im brasilianischen Iracemápolis erworben. Das Unternehmen übernimmt bis Jahresende die Grundstücke, Anlagen, Maschinen und Ausrüstung von Daimler. Laut eigenen Angaben will GWM damit seine Präsenz in Südamerika vergrößern. “Brasilien ist einer der wichtigsten strategischen Überseemärkte für GWM”, sagte der Vize-Präsident von Great Wall Motors, Liu Xiangshang. Das Unternehmen plant jährlich 100.000 Autos in der Fabrik herzustellen.
Laut Medienberichten will GWM demnächst auch zwei seiner Marken in Europa vertreiben. Es handelt sich um den mittelgroßen SUV Wey V71 und die Elektroautos der Konzernmarke Ora. In China baut GWM ein Werk mit dem Kooperationspartner BMW. Der Autobauer hat kürzlich hohe Wachstumsziele verkündet. Er plant, ab 2025 pro Jahr vier Millionen Fahrzeuge abzusetzen. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 1,1 Millionen Autos verkauft (China.Table berichtete). nib
“Ich bin in China, weil ich glaube, dass hier ein Teil Automobilgeschichte geschrieben wird”, sagt Holger Klein. Seit 2018 ist der ehemalige McKinsey-Berater beim deutschen Automobilzulieferer ZF zuständig für die Region Asien-Pazifik. Das Unternehmen aus Friedrichshafen, das 1915 als Zahnradfabrik gegründet wurde, verkauft seine Produkte seit mehr als 40 Jahren in China, war jedoch wie viele andere westliche Unternehmen lange nur ein “schlafender Riese” im Reich der Mitte.
“Viele Dinge passieren hier sehr schnell. Das ist eine Herausforderung. Da müssen wir sehr bescheiden sein”, sagt der 51-Jährige. Bei ZF sprächen sie in diesem Zusammenhang längst vom “China Speed”.
2018 erwirtschaftete der Konzern vom Bodensee in China einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden Euro, den Großteil davon mit Antriebs- und Fahrwerktechnologie sowie mit Sicherheitstechnologie für Pkw und Nutzfahrzeuge. Die rasante Elektrifizierung, die zunehmende Vernetzung und die weitreichende Autonomie der Assistenzsysteme seien jedoch die großen Trends der nächsten Jahre, glaubt der promovierte Wirtschaftsingenieur. Firmen wie NIO und Xiaopeng würden schon heute in China das Auto neu denken. “Ich bewundere viele der Newcomer. Das sind durchaus tolle Autos. Da spielen Infotainment und Connectivity eine große Rolle und das ganz ohne Legacy. Weil sie eben nicht schon tausende Autos im Feld haben.”
Klein, der bei ZF auch die Geschäfte der Bereiche Pkw-Fahrwerktechnik und Aftermarket verantwortet, kam in den 90er-Jahren zum ersten Mal nach China, wo er unter anderem Shenzhen besuchte, das damals noch kaum der High-Tech-Metropole von heute glich. Seit zwei Jahren wohnt der 1970 in Mülheim an der Ruhr geborene Tech-Manager nun mit seiner Familie in Shanghai. Ein großer Unterschied zu seiner Zeit als Berater: “Wenn sie nicht nur rein- und rausfliegen, entwickeln sie ein tieferes Verständnis für Kultur, Land und Leute. Wenn man dort lebt, versteht man erst, was man nicht versteht”, sagt er lachend.
Um auf der Höhe der Entwicklungen zu bleiben, investiert ZF mittlerweile immer mehr in Mechatronik, mehr Software und mehr Hightech. “Dinge die mittlerweile integraler Teil des ZF-Portfolios sind”, wie Klein betont. Anfang des Jahres stellte er auf der Auto Shanghai die nächste Generation des ZF-Hochleistungsrechners vor, den ZF Pro AI. “Er ist der derzeit flexibelste, skalierbarste und leistungsstärkste Supercomputer der Welt für die Automobilindustrie”, betonte Klein bei der Präsentation. Er sei für jeden Fahrzeugtyp und für alle Stufen des automatisierten oder autonomen Fahrens geeignet und soll im Jahr 2024 in Serie gehen.
Die Ausweitung des China-Geschäfts ist ein wichtiges Ziel der ZF-Strategie “Next Generation Mobility”. “Covid hat diese Entwicklung noch beschleunigt, weil wir gesehen haben, wie fragil Lieferketten sind. Wir wollen ‘local für local’ produzieren, ein ehrgeiziges Ziel.” Derzeit errichtet ZF sein drittes Forschungs- und Entwicklungszentrum in China, das 2023 eröffnen soll.
In China hat die Corona-Krise ZF eher genutzt als geschadet, auch weil das Unternehmen seine Popularität mit unkonventionellen Maßnahmen steigern konnte. Bereits im Mai 2020 hatte ZF angefangen, industriell Atemmasken zu produzieren – zuerst um Mitarbeiter zu schützen. Doch rasch wurde die Produktion ausgeweitet, sodass auch chinesische Bürger Masken erwerben konnten. Städte und Kommunen bedankten sich bei den Deutschen. “Das haben wir zur Perfektion getrieben. Typische Automobilisten”, sagt Holger Klein schmunzelnd. Fabian Peltsch