Table.Briefing: China

China-Positionen der neuen EU-Kommissare + Eskalation am Sabina-Riff

Liebe Leserin, lieber Leser,

unsere heutige Ausgabe spielt an drei Orten: Straßburg, dem Südchinesischem Meer und Berlin. Als Erstes blicken wir ins Elsass, wo EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ihr Kabinett vorgestellt hat. Alle Kandidaten müssen noch eine Anhörung im EU-Parlament überstehen. Wir stellen Ihnen heute schon die für die Brüsseler China-Politik wichtigsten Kommissarsposten und deren Besetzung vor. 

Unsere zweite Analyse befasst sich mit der Lage rund um das Sabina Shoal im Südchinesischen Meer, um das sich China und die Philippinen verbissen streiten. Dort hat sich nach einer weiteren Eskalation das Machtgefälle stark auf eine Seite verschoben, schreibt Michael Radunski: Insgesamt 65 chinesische Schiffe befinden sich derzeit am Riff – neun Schiffe der Küstenwache, vier Marineschiffe der Volksbefreiungsarmee und 52 maritime Milizen. Manila musste nach einer Auseinandersetzung mit Verletzten dagegen sein wichtiges Schiff abziehen. Es könnte die Vorentscheidung des langwierigen Streits sein.

In unserer Heads-Kolumne kehren wir zurück nach Berlin – wo Friedrich Merz nun der Kanzler-Kandidat der Union geworden ist. Wie ist seine Position zur Volksrepublik? Und wer könnte ihm dabei in die Parade fahren?

Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre. 

Ihre
Amelie Richter
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Analyse

EU-Kommission: Das sind die China-Portfolios und ihre Besetzung

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung ihres Kabinetts.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat am Dienstag ihr Wunsch-Kabinett aus 26 Kommissarinnen und Kommissaren und deren Portfolios vorgestellt. Bei einigen Entscheidungen hat China eine bedeutende Rolle gespielt. Die Kandidaten werden noch eine Anhörung im Europaparlament haben. Angepeilt ist diese für Oktober. Die neue EU-Kommission könnte dann ab November übernehmen. 

Die für die europäische China-Politik wichtigsten Kommissionsposten und ihre Besetzung im Überblick:

  • Stéphane Séjourné soll Exekutiver Vizepräsident für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie werden – ein breit gefasstes und mächtiges Dossier. Denn der Macron-Vertraute ist damit für Industrie, KMUs und den Binnenmarkt zuständig. Bei ihm liegen auch die Themen Investitionen und Innovation sowie wirtschaftliche Sicherheit. Séjourné war im Frühjahr dieses Jahres in seiner aktuellen Position als französischer Außenminister in China. Er gilt als einer der Federführer bei der EU-Untersuchung zu chinesischen E-Autos. Séjourné wird als EU-Kommissar diese Stoßrichtung fortsetzen. 

  • Kaja Kallas soll neue EU-Außenbeauftragte und Vizepräsidentin werden. “Wir befinden uns in einer Ära geostrategischer Rivalitäten und Instabilität. Unsere Außen- und Sicherheitspolitik muss diese Realität stets im Hinterkopf haben”, sagte von der Leyen bei der Vorstellung. Als Ministerpräsidentin von Estland positionierte sich Kallas kritisch gegenüber China. Kallas hat mehrfach betont, dass sie Chinas wachsenden Einfluss in Europa mit Skepsis betrachtet. Ihre China-Politik ist daher geprägt von einer Mischung aus strategischer Vorsicht und der Betonung europäischer Werte und Sicherheitsinteressen. Als Peking im Streit um ein Taiwan-Büro ein De-facto-Handelsembargo gegen Litauen verhängte, zeigte sich die estnische Regierung in Tallinn empört. Die drei baltischen Staaten, also auch Lettland, waren kurz zuvor aus Chinas 16+1-Plattform ausgetreten.

  • Teresa Ribera soll Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin werden. Sie soll dabei auch die Ziele des Europäischen Green Deal erreichen. Ribera ist derzeit Spaniens Ministerin für ökologische Transformation. In ihrer aktuellen Position hatte sie davor gewarnt, dass die EU den Wettlauf bei Greentech gegen China verliert: “Dies wird eine sehr kritische Phase für Europa. Entweder gelingt es uns, alle Hürden zu überwinden und zu einer starken, positiven Macht zu werden. Oder wir implodieren”, sagte Ribera in einem Interview mit Reuters. “Die grüne Agenda ist ein guter Antrieb, um aufzuholen und wieder eine relevante Position einzunehmen.”

  • Maroš Šefčovič wird Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit. Das neue Portfolio umfasst auch die Zollpolitik. Šefčovič erhält außerdem die Zuständigkeit für inter-institutionelle Beziehungen und Transparenz. Im Missionsschreiben an Šefčovič heißt es: “Sie werden die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit China im Einklang mit unserer Politik des De-Riskings und nicht Decoupling verwalten.” Šefčovič soll sich zusätzlich “mit den Auswirkungen nicht marktorientierter Politik und Praktiken, mit Marktverzerrungen und schädlichen Überkapazitäten” befassen. Bezüglich der wirtschaftlichen Sicherheit bittet ihn die EU-Kommissionschefin, weiterhin am Plan für Exportkontrollen und der Überprüfung von Auslandsinvestitionen zu arbeiten. Der Slowake hat durchaus China-Erfahrung. Als Exekutiv-Vizepräsident für den Green Deal – das Portfolio hatte er 2023 von Frans Timmermans übernommen – hielt er im Juni den High-Level-Dialog für Klima und Umwelt mit Vizepremier Ding Xuexiang ab. Seine Erfahrung in diesem Bereich kann Šefčovič nun bei der schwierigen Gratwanderung zwischen den Zielen der grünen Transformation und der zunehmenden Abhängigkeit von China bei Greentech wie Solarmodulen, Windturbinen und kritischen Rohstoffen anwenden. 

  • Valdis Dombrovskis wird Kommissar für Wirtschaft und Produktivität. Dombrovskis war bisher Handelskommissar. Die Volksrepublik war in den letzten Jahren einer der Hauptpunkte auf der Agenda des Letten. In seiner neuen Rolle soll er unter anderem die Wettbewerbsfähigkeit der EU verbessern und Vorschläge aus dem vergangene Woche vorgestellten Draghi-Report umsetzen. Dombrovskis soll beispielsweise ein neues Tool zur engeren Koordinierung von Wettbewerbsvorhaben entwickeln. Bis Dombrovskis die neue Stelle antritt, hat er noch einiges zu tun: am Donnerstag trifft er beispielsweise Chinas Handelsminister Wang Wentao, um über die EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Autos zu sprechen. 

  • Jozef Síkela soll Kommissar für internationale Partnerschaften werden. Er werde die Arbeit an Global Gateway leiten und sicherstellen, dass Europa Partnerschaften abschließe, die in eine Zukunft investierten, die für beide Seiten von Vorteil sind, betonte von der Leyen. Síkela solle die Angebote an Partner “verfeinern und beschleunigen”, heißt es in seinem Mission Letter. Global Gateway, dem Gegenentwurf zu Chinas Belt and Road-Initiative, fehlt seit der offiziellen Einführung immer noch die Dynamik. Der Tscheche soll Global Gateway nun mehr Sichtbarkeit und vorzeigbare Erfolgsprojekte verschaffen. Síkela ist derzeit Industrie- und Handelsminister in seinem Heimatland. Die Regierung in Prag hatte sich zuletzt zunehmend kritisch gegenüber China geäußert – ist aber noch Teil von Chinas 14+1-Plattform. Síkela hatte als Handelsminister vor einem Subventionswettkampf zwischen der EU und den USA gewarnt. Der Gewinner dabei hieße dann China. 
  • De-Risking
  • EU
  • EU-Kommission
  • Europapolitik
  • Global Gateway
  • Green Deal
  • Handel
  • Innovation
  • kritische Rohstoffe
  • wirtschaftliche Sicherheit
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Südchinesisches Meer: Das könnte die Vorentscheidung zugunsten Chinas sein

Mutwillig herbeigeführte Kollision: Die Besatzung der “Teresa Magbanua” filmte die aggressive Aktion eines Schiffes der chinesischen Küstenwache

Die Lage rund um das Sabina Shoal ist an diesem Dienstag eindeutig: Insgesamt 65 chinesische Schiffe befinden sich derzeit am Riff – neun Schiffe der Küstenwache, vier Marineschiffe der Volksbefreiungsarmee und 52 maritime Milizen, wie die philippinische Küstenwache am Dienstag bekanntgab. Sie selbst musste die “Teresa Magbanua”, eines ihrer modernsten Schiffe, hingegen gerade abziehen. Nun steht es quasi 65:0 für China.

Der Schritt war aber notwendig geworden. Die “Teresa Magbanua” war nach einer Kollision mit der chinesischen Küstenwache schwer beschädigt, die philippinische Besatzung mit ihren Kräften am Ende. Völlig dehydriert und erschöpft wurden vier Männer der Besatzung nach ihrer Rückkehr auf Tragen ins Krankenhaus der Insel Palawan gebracht.

Doch die Philippinen wollen Sabina Shoal nicht verloren geben. “Wir haben (Sabina Shoal) nicht aufgegeben. Es ist falsch zu sagen, wir hätten es aufgegeben”, betonte allerdings Jay Tarriela, Sprecher der Küstenwache. Manila werde “die Hoheitsrechte über diese Gewässer niemals aufgeben.” Ein Sprecher des National Maritime Council kündigte am Sonntag an, ein Ersatzschiff an das Sabina-Riff zu entsenden. “Wir werden auf jeden Fall dort präsent bleiben.”

Weitreichende Folgen für die ganze Region

Sollte das nicht gelingen, könnte die Abfahrt der “Teresa Magbanua” allerdings weitreichende Folgen haben – am Sabina Shoal, aber auch für das gesamte Südchinesische Meer.

Die unmittelbaren Folgen am Riff liegen auf der Hand:

  • Die Philippinen würden einen wichtigen Ankerpunkt direkt vor ihrer eigenen Küste verlieren.
  • China könnte vom Sabina Shoal den philippinischen Seehandel massiv stören.
  • Das Sabina Shoal liegt in der Nähe der öl- und gasreichen Reed Bank.
  • Zudem ist es wichtiger Treffpunkt für Nachschubmissionen auf dem Weg zu Manilas Außenposten am Second Thomas Shoal, das China ebenfalls für sich beansprucht.

“Dadurch wird eine neue Frontlinie im langen Konflikt viel näher am philippinischen Festland errichtet”, sagt Raymond Powell, Leiter von Sealight, einem Projekt zum Thema Transparenz im Seerecht an der Stanford University, im Gespräch mit Table.Briefings.

Zudem hätte es Konsequenzen für andere Riffe, um die sich China und die Philippinen streiten:

  • Am Scarborough Shoal ist die Situation für die Philippinen schon ähnlich verfahren. China hat um das Riff riesige Blockade aufgebaut, um philippinischen Schiffen den Zugang zu versperren.
  • Bliebe noch das Second Thomas Shoal. Dort harren seit 1999 philippinische Soldaten auf einem absichtlich auf Grund gesetzten Schiffswrack aus. Peking behauptet, es gebe eine Abmachung mit Manila, die den Zugang zum Riff und einem alten gestrandeten philippinischen Kriegsschiff regeln würde – zu Gunsten Chinas.

“China wird seine Präsenz am Sabina Shoal als Beweis dafür aufrechterhalten, dass der Widerstand der Philippinen zwecklos ist“, meint Powell.

Folgen für das Südchinesische Meer

Und zu guter Letzt hätte es Folgen für die gesamte Region:

  • Es wäre ein wichtiger Erfolg für Chinas Bestreben, nahezu das gesamte Südchinesische Meer zu kontrollieren – eines der wichtigsten Gebiete für den internationalen Handel. Fast jeder dritte Schiffscontainer passiert das Südchinesische Meer. 

Rechtlich in der Wirtschaftszone der Philippinen

Dabei ist die rechtliche Situation eigentlich völlig anders. Das unbewohnte Sabina-Riff – auf den Philippinen Escoda-Riff genannt – ist Teil der Spratlys, einer Inselgruppe vor der Westküste der philippinischen Insel Palawan. Rund 75 Seemeilen von Palawan entfernt, liegt es in Manilas ausschließlicher Wirtschaftszone (Exclusive Economic Zone/EEZ). Zum Vergleich: Das chinesische Hainan liegt 650 Seemeilen entfernt. Dennoch ist China der Meinung, das Riff gehöre zu China – und nennt es deshalb konsequent “Xianbin Jiao”.

Nach Pekinger Lesart reicht Chinas Anspruch ohnehin weit über das Sabina-Riff hinaus. China reklamiert praktisch das gesamte Südchinesische Meer für sich – einschließlich von Gebieten in den EEZ der verschiedenen Anrainer. Pekings Ansprüche entlang seiner sogenannten Neun-Striche-Linie wurden vom Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag im Juli 2016 zwar für nichtig erklärt. Peking will das Urteil jedoch nicht akzeptieren – und versucht durch zunehmend robuste Maßnahmen Fakten zu schaffen.

Chinas Blockade: Beschädigtes Schiff, Wasser aus Klimaanlage

Seit April war die “Teresa Magbanua” am Sabina Shoal im Einsatz gewesen, um eine mögliche Landnahme durch China zu verhindern. Neben der mutwillig herbeigeführten Kollision durch die chinesische Küstenwache verhinderte eine chinesische Blockade die Versorgung der philippinischen Besatzung. Über Wochen hinweg mussten die Seeleute Wasser aus der Klimaanlage trinken und ihre Nahrung auf das Mindeste rationieren.

Carl Thayer, emeritierter Professor der University of New South Wales, sagte gegenüber der Zeitung South China Morning Post, die Philippinen hätten schon vor dem Abzug der “Teresa Magbanua” für ein Ersatzschiff sorgen sollen. Das stimmt, übersieht jedoch das grundlegende Problem: Die philippinische Küstenwache verfügt derzeit nur über zwei Schiffe, die für einen langfristigen Einsatz im Sabina Shoal geeignet sind: die BRP Teresa Magbanua und BRP Melchora Aquino, das zuvor am Sabina Shoal im Einsatz war.

“China hat jetzt die Initiative”, konstatiert Thayer und prognostiziert: Sollten die Philippinen wirklich wieder zurückkehren wollen ans Sabina Shoal, würde die chinesische Küstenwache das verhindern und als Verteidigungsmaßnahme rechtfertigen. Und so könnte der Abzug der “Teresa Magbanua” trotz der Pläne Manilas, neue Schiffe zu entsenden, die Vorentscheidung am Sabina Shoal gewesen sein.

  • Geopolitik
  • Philippinen
  • Südchinesisches Meer
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Sinolytics.Radar

Warum China den Kohle-Verbrauchsgipfel nun wirklich erreicht haben könnte

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  • Im Jahr 2013 verbrauchte China 4,2 Milliarden Tonnen Kohle. In den darauffolgenden beiden Jahren ging die Nachfrage zurück – und Chinas Kohleverbrauch schien seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Doch ab 2016 begann der Verbrauch wieder zu steigen. Während der Coronapandemie legte er sogar um etwa fünf Prozent pro Jahr zu.
  • Diese Entwicklung untergräbt ganz klar Chinas Klima-Aktionsplan, der einen CO₂-Höchststand für 2030 anstrebt und eine strikte Kontrolle des Kohleverbrauchsanstiegs fordert. Positiv zu vermerken ist, dass der Anteil der Kohle am Primärenergieverbrauch von rund 70 Prozent im Jahr 2011 auf 55 Prozent im Jahr 2022 gefallen ist. Allerdings wird dieser Erfolg durch den Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs um 40 Prozent im gleichen Zeitraum wieder aufgehoben.
  • Der Anstieg des Kohleverbrauchs war eine direkte Folge der massiven Stromknappheit im Jahr 2021, die viele Fabriken zu Produktionsstopps zwang. Die Regierung hat daraufhin den Bau von Kohlekraftwerken massiv gefördert.
  • Nun besteht Hoffnung, dass ein zweites Mal der Verbrauchsgipfel erreicht ist. Die IEA schätzt, dass der chinesische Kohleverbrauch im Jahr 2024 zurückgehen und sich dann bis 2026 stabilisieren wird. China wird im Jahr 2024 etwa genauso viel Kohle fördern wird wie im Vorjahr. Dieser Höchststand würde den politischen Zielen Chinas entsprechen, den Kohleverbrauch ab 2026 schrittweise zu senken.
  • Es gibt Anzeichen für einen baldigen Höhepunkt der Kohleverstromung. Laut einer Analyse des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) sind die Genehmigungen für neue Kohlekraftwerke im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zurückgegangen. Aufgrund der großen Anzahl von Genehmigungen in den Jahren 2022 und 2023 bleibt die Bautätigkeit für Kohlekraftwerke jedoch auf einem hohen Niveau.
  • Das Erreichen des Kohle-Peaks ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass China seine Zusage einhalten kann, den Höhepunkt der CO₂-Emissionen vor 2030 zu erreichen. Dies würde auch dazu beitragen, den weltweiten Kohleverbrauch zu senken.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • CO2-Emissionen

News

Habeck trifft Handelsminister Wang: Handelskrieg schadet beiden Seiten

Chinas Handelsminister Wang Wentao ist auf Tour durch Europa, um in einigen Hauptstädten und in Brüssel über die EU-Sonderzölle für importierte chinesische E-Autos zu verhandeln. Am Dienstag traf er in Berlin mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zusammen. Zentrales Thema seien “die Fragen fairer Wettbewerbsbedingungen” gewesen, teilte das Ministerium anschließend mit. Dies sei “der Kern der Untersuchung der Europäischen Kommission zu in China gefertigten E-Autos”, sagte Habeck. “Mir ist wichtig klarzustellen, dass Deutschland nicht den Wettbewerb mit China scheut. Ganz im Gegenteil, wir nehmen den Wettbewerb an – aber er muss zu fairen Bedingungen erfolgen.”

Ein Handelskrieg mit Zollspirale, der am Ende beiden Seiten schade, müsse unbedingt vermieden werden, ergänzte Habeck. “Wir brauchen eine politische Lösung. Die EU-Kommission und China sollten alles daran setzen, eine Verhandlungslösung zu finden.” Er sei dazu auch mit Brüssel im Austausch. Wang wird dazu am Donnerstag in Brüssel auch noch mit dem scheidenden EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis zusammentreffen.

Finale Abstimmung steht bevor

Wangs Aufgabe ist allerdings zugleich, möglichst viele Mitgliedsländer für die finale Abstimmung am 25. September über die derzeit noch vorläufigen Sonderzölle auf Chinas Seite zu ziehen. Die Zölle würden ab Anfang November greifen, wenn nicht noch eine qualifizierte Mehrheit dagegen votiert. Dies müssten mindestens 15 der 27 EU-Länder sein, die zusammen auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen.

Bundeskanzler Olaf Scholz und mit Einschränkungen auch Habeck sehen die Zölle skeptisch. Italiens Außenminister Antonio Tajani hatte Wang dagegen am Montag in Rom gesagt, Italien unterstütze die EU-Zölle. Auch Frankreich gilt als klarer Befürworter. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte sich vergangene Woche in Peking ähnlich wie nun Habeck gegen einen Handelskrieg ausgesprochen. Auch nannte er die EU-Zölle “herausfordernd”. Die Zollsätze der EU-Kommission liegen zwischen acht Prozent für Tesla-Importe und 35,3 Prozent für chinesische Autobauer, die nicht mit der Untersuchung der Brüsseler Behörde kooperiert hatten. Peking hat im Gegenzug bereits Anti-Dumping-Untersuchungen bei Schweinefleisch, Branntwein und Milchprodukten aus der EU gestartet. ck

  • Autoindustrie
  • Elektromobilität
  • EU
  • Handel
  • Zölle

Betrugsfälle: Umweltbundesamt will 45 China-Projekte stoppen

Im Fall mutmaßlicher Betrugsfälle mit Klimazertifikaten will das Umweltbundesamt (UBA) “alle 45 verdächtigen China-Projekte” stoppen und rückabwickeln. Die Projekte stehen nach den Worten von UBA-Präsident Dirk Messner unter einem “sehr starken Betrugsverdacht”. Es gebe vermutlich ein regelrechtes “Täuschungsvertragssystem”, in dem Projekte vor Ort angemeldet werden, die nicht die angegebenen Voraussetzungen, etwa zur Reduktion von Treibhausgasen, erfüllen, erläuterte das Amt. Anfang September hatte das UBA bereits für acht China-Projekte die Freischaltung der Zertifikate gestoppt, die von mehreren großen, international aktiven Firmen beantragt worden seien.

Konkret geht es um sogenannte “Upstream Emission Reductions”-Projekte (UER), die den CO₂-Ausstoß im Verkehr senken sollen, indem Emissionsreduktionen bei der Kraftstoffproduktion – etwa in Raffinerien – auf die CO₂-Minderungspflicht im Verkauf fossiler Brennstoffe (“THG-Quote”) angerechnet werden.

Die 45 verdächtigen China-Projekte umfassen laut UBA Klimazertifikate im Wert von sechs Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent, die einem Marktwert von rund 1,5 Milliarden Euro entsprechen. Nur vier dieser sechs Millionen Tonnen könnten demnach aber rückabgewickelt und gerettet werden. Folglich wäre durch den Betrug bislang – bezogen auf die ausgestellten Zertifikate – ein materieller Schaden von ungefähr 500 Millionen Euro entstanden. Insgesamt hat das UBA laut Messner mittlerweile 56 Klimaprojekte in China gründlich untersucht. An den laufenden Ermittlungen seien sowohl die Staatsanwaltschaft Berlin als auch eine internationale Anwaltskanzlei beteiligt. ck

  • CO2-Emissionen
  • Klima & Umwelt
  • Kriminalität

E-Auto-Joint Venture Denza: BYD übernimmt letzte Anteile von Mercedes

BYD hat die verbleibenden zehn Prozent der Anteile von Mercedes-Benz an dem einst gemeinsam gegründeten E-Auto-Unternehmen Denza übernommen. Die BYD-Mitteilung nannte keinen Wert der Transaktion, Vertreter von Mercedes-Benz in China lehnten laut Bloomberg eine Stellungnahme zunächst ab. Die Automarke Denza wurde 2011 unter dem Firmennamen Shenzhen BYD New Energy von BYD und Mercedes gegründet, die jeweils 50 Prozent der Anteile hielten. Das Unternehmen konzentrierte sich auf Premium-Elektrofahrzeuge; aufgrund schlechter Verkaufszahlen reduzierte Mercedes seinen Anteil 2021 auf zehn Prozent.

2022 richtete sich Denza neu aus, und feiert nach Angaben von Bloomberg inzwischen Erfolge mit elektrischen Luxus-Vans, wobei der D9-Minivan als Bestseller in dieser Kategorie für 2023 gilt. In dieser Woche will Denza lokalen Medienberichten zufolge das neue Modell Z9GT auf den Markt bringen, das laut der Fachzeitschrift Auto Motor Sport dem Porsche-Modell Taycan Sport Turismo Konkurrenz machen könnte. Das Design für das Luxusmodell stamme aus der Feder von Ex-Audi-Designer Wolfgang Egger, schreibt das Blatt. Es werde in China als reines Elektromodell und Plug-in-Hybrid verkauft werden. Da der Z9 eine zentrale Rolle für den weltweiten Absatz von Denza und BYD spielen solle, wird er nach dem Bericht auch nach Europa kommen. ck

  • Autoindustrie
  • BYD
  • Elektromobilität
  • Mercedes Benz

Presseschau

Chinesischer Handelsminister Wang Wentao auf Anti-Zölle-Tour durch Europa HANDELSBLATT
Im Streit um Autozölle will Habeck politische Lösung mit China FOCUS
EU must find right balance on clean tech trade with China, says Draghi REUTERS
Wirtschaft will mehr Kontrollen chinesischer Online-Händler SÜDDEUTSCHE
Zollbeschäftigte zu Temu und Shein: Gegen Kontrollwahn bei Billigwaren aus China GOLEM
Zulieferer Leoni geht mehrheitlich nach China STERN
Nach Akku-Brand: Chinas Batteriehersteller in der Kritik AUTOMOBIL INDUSTRIE
Chinas Hightech-Offensive lässt junge Leute ohne Job zurück DW
Banken senken Prognosen: Dauermisere an Chinas Börsen FAZ
Cognac-Winzer protestieren in Frankreich gegen drohende chinesische Strafzölle DE
Why China is seeking greater presence in Africa – the strategy behind its financial deals THE CONVERSATION
China will US-Tarnkappenjets entzaubert haben – mithilfe von Musk-Satelliten WELT
China: Forscher veröffentlichen erste Mondproben-Ergebnisse FR

Heads

Friedrich Merz: Schärfere China-Tonlage als Scholz und Merkel

Friedrich Merz wird Kanzler-Kandidat der Union.

Wenn Friedrich Merz sich in der Vergangenheit zu China äußerte, ging es ihm oft darum, anderen Politikern Fehlverhalten vorzuwerfen. Bundeskanzler Olaf Scholz warf er vor, auf seiner China-Reise kein Treffen mit dem geschassten Ex-Staatschef Hu Jintao vereinbart zu haben. Man wisse ja nicht einmal, ob der noch lebe, erklärte der CDU-Chef damals. Die vor allem auf Druck des Kanzleramts erfolgte Erlaubnis für den Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in einen Terminal am Hamburger Hafen war ihm ebenfalls ein gefundenes Fressen, um die Leichtsinnigkeit der Regierung im Umgang mit China zu geißeln. Offenbar glaube der Kanzler noch immer an die Theorie vom Wandel durch Handel, so Merz. “Ihm fehlt die Bereitschaft, die Risiken, denen wir ausgesetzt sind, neu zu bewerten”.

Alle Erwartungen eines “Wandel durch Handel” seien unerfüllt geblieben, kommentierte Merz in Table.Briefings zum Scholz-Besuch im November 2022. “Im Gegenteil: China nutzt alle bilateralen und multilateralen Beziehungen ausschließlich zu seinen Gunsten und baut damit seine politische, ökonomische und militärische Vormachtstellung über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus systematisch weiter aus.”

Risikobewertung ist ein großes Thema für Merz: “Zur Zeitenwende gehört eben auch ein neuer Blick auf China.” Bereits im Sommer 2023 warf der CDU-Chef der Bundesregierung vor, keine funktionierende China-Strategie auf den Weg gebracht zu haben. Das könne man sich nicht länger leisten, erklärte er damals vor Industrievertretern. “Wir brauchen in diesen Fragen einen strategischen Konsens, wie weit wir eigentlich unsere Interessen bereit sind wahrzunehmen.”

Schmaler Grat zwischen Geopolitik und Wirtschafts-Realität

Nach Scholz’ China-Reise im April dieses Jahres hatte Merz der Nachrichtenagentur dpa gegenüber beklagt, dass der chinesische Staat zunehmend repressiv auftrete, und sich zu einer “zunehmenden Bedrohung für unsere Sicherheit” entwickle. Der Einfluss Chinas sei so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr, sagte Merz. Vor allem auch deutsche Unternehmen bekämen die Risiken zu spüren.

China bliebe als Partner zwar wirtschaftlich unverändert interessant. Wer heute in China investiere, müsse sich aber genau überlegen, was auf dem Spiel steht. “Jedes deutsche Unternehmen ist zugleich gut beraten, die Risiken zu analysieren, zu minimieren und auch bilanziell richtig einzuordnen.” Dabei deutete Merz auch an, dass die Regierung unter ihm nicht mehr bereit sein werde, Unternehmen, die in China zu hohe Risiken eingingen, in jedem Fall zu retten. Bei strategisch wichtigen Gütern und Ressourcen müsse der Staat den Rahmen für Investitionen und Handel klar abstecken.

Zugleich aber wird auch ein etwaiger Bundeskanzler Merz kaum umhin können, das anhaltend große Engagement vieler deutscher Firmen in der Volksrepublik für politische Entscheidungen in irgendeiner Form mitzudenken. Auch wenn die China-Strategie der Bundesregierung ebenso wie die der EU-Kommission zum De-Risking und Diversifizierung aufrufen, investieren vor allem große Firmen scheinbar unbekümmert weiter vor Ort. Die Verbände der Firmen sind China gegenüber heute nicht mehr unkritisch, haben aber vor allem die Interessen ihrer eigenen Mitglieder im Blick, wenn sie bei der Regierung vorsprechen.

China-Strategiepapier mit vielen Ideen

Die Fraktion von CDU und CSU im Bundestag hatte 2023 ein Strategiepapier zu China vorgelegt und darin eine breit angelegte Stärkung der China-Kompetenz in Deutschland gefordert. Eine sinnvolle Partnerschaft mit China sei nur möglich, wenn die deutsche Seite die Risiken erkennen und bewerten könne, heißt es darin. Auch ein dem Bundeskanzleramt unterstelltes China-Kompetenzzentrum wird darin gefordert. 

Wie der Realitätscheck mit diesen Plänen umgehen wird, wird sich genauso zeigen müssen, wie die bereits brodelnden Unstimmigkeiten zum Thema innerhalb der Union: Während Merz verbal auf Konfrontationskurs gegenüber Peking geht, lehnt beispielsweise der Unions-Fraktionsvize im Bundestag Jens Spahn Überlegungen ab, Auslandsinvestitionen von Unternehmen in China staatlich zu kontrollieren. Und auch der Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in China in diesem Jahr zeigte eine gänzlich unkritische Positionierung.

Merz sieht China nicht als Vermittler

Merz will derweila auch aufs große Ganze schauen. “Der Staat China ist ein geostrategischer und vor allem ein geoökonomischer Akteur geworden. Xi Jinping verfolgt wie kein anderer chinesischer Herrscher seit Mao einen harten leninistisch-maoistischen Kurs der Dominanz und ideologischen Vormachtstellung“, schrieb er bei Table.Briefings. 

Die Rolle des Vermittlers, die China auf der Weltbühne spielen möchte, nimmt Merz nicht für voll. Es unterstütze Länder wie Nordkorea und Russland. Peking habe zwar zeitweise mäßigenden Einfluss auf Russlands Präsident Wladimir Putin ausgeübt – werde aber nicht entscheidend auf Moskau einwirken, um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden. Chinas Russlandnähe belastet die Beziehungen zur EU.

Und egal ob Trump oder Harris im November die Präsidentenwahl gewinnt: Unser Verhältnis zu den USA werde nicht enger werden, glaubt Merz. Washington werde sich in Zukunft noch mehr auf die Pazifik-Region konzentrieren und in diesem Zusammenhang vor allem auf die Eindämmung Chinas. Man wird sehen, ob Merz mit dem US-Kurs am Ende auf einer Linie ist. Fabian Peltsch/Amelie Richter/Christiane Kühl

  • China-Strategie
  • De-Risking
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  • Friedrich Merz
  • Geopolitik
  • Wladimir Putin

Personalie

Cai Wei wird neuer Generakdirektor der Abteilung für North American and Oceanian Affairs im Außenministerium. Er ersetzt Yang Tao. Cai war zuvor Generaldirektor der Abteilung für Lateinamerika und die Karibik gewesen. 2020 war der Generalkonsul in Houston, als der damalige US-Präsident Donald Trump das Konsulat wegen Spionagevorwürfen schloss.

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Dessert

Chinesischer wird’s heute nicht: Zum Mid-Autumn-Fest 中秋节 am 17. September bekamen die Pandas im Zoo von Chongqing Mondkuchen serviert. Auch in anderen Panda-Gehegen des Landes war für die Tiere quasi Weihnachten. Den Bären im Zoo der Panda-Provinz Sichuan wurde ein Festmahl mit Mondkuchen aus gedämpftem Maisbrot, Obsttellern und Bambussprossenkuchen aufgefahren – “sorgfältig von Experten und Tierpflegern unter Berücksichtigung von Alter, Persönlichkeit, Gesundheit und Ernährungsgewohnheiten ausgewählt und zubereitet”, wie die Staatsmedien berichteten. Panda-Fans konnten der Völlerei per Stream beiwohnen und den schwarz-weißen Sympathieträgern ihre Segenswünsche live übermitteln.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Unsere zweite Analyse befasst sich mit der Lage rund um das Sabina Shoal im Südchinesischen Meer, um das sich China und die Philippinen verbissen streiten. Dort hat sich nach einer weiteren Eskalation das Machtgefälle stark auf eine Seite verschoben, schreibt Michael Radunski: Insgesamt 65 chinesische Schiffe befinden sich derzeit am Riff – neun Schiffe der Küstenwache, vier Marineschiffe der Volksbefreiungsarmee und 52 maritime Milizen. Manila musste nach einer Auseinandersetzung mit Verletzten dagegen sein wichtiges Schiff abziehen. Es könnte die Vorentscheidung des langwierigen Streits sein.

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    EU-Kommission: Das sind die China-Portfolios und ihre Besetzung

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung ihres Kabinetts.

    EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat am Dienstag ihr Wunsch-Kabinett aus 26 Kommissarinnen und Kommissaren und deren Portfolios vorgestellt. Bei einigen Entscheidungen hat China eine bedeutende Rolle gespielt. Die Kandidaten werden noch eine Anhörung im Europaparlament haben. Angepeilt ist diese für Oktober. Die neue EU-Kommission könnte dann ab November übernehmen. 

    Die für die europäische China-Politik wichtigsten Kommissionsposten und ihre Besetzung im Überblick:

    • Stéphane Séjourné soll Exekutiver Vizepräsident für Wohlstand und eine europäische Industriestrategie werden – ein breit gefasstes und mächtiges Dossier. Denn der Macron-Vertraute ist damit für Industrie, KMUs und den Binnenmarkt zuständig. Bei ihm liegen auch die Themen Investitionen und Innovation sowie wirtschaftliche Sicherheit. Séjourné war im Frühjahr dieses Jahres in seiner aktuellen Position als französischer Außenminister in China. Er gilt als einer der Federführer bei der EU-Untersuchung zu chinesischen E-Autos. Séjourné wird als EU-Kommissar diese Stoßrichtung fortsetzen. 

    • Kaja Kallas soll neue EU-Außenbeauftragte und Vizepräsidentin werden. “Wir befinden uns in einer Ära geostrategischer Rivalitäten und Instabilität. Unsere Außen- und Sicherheitspolitik muss diese Realität stets im Hinterkopf haben”, sagte von der Leyen bei der Vorstellung. Als Ministerpräsidentin von Estland positionierte sich Kallas kritisch gegenüber China. Kallas hat mehrfach betont, dass sie Chinas wachsenden Einfluss in Europa mit Skepsis betrachtet. Ihre China-Politik ist daher geprägt von einer Mischung aus strategischer Vorsicht und der Betonung europäischer Werte und Sicherheitsinteressen. Als Peking im Streit um ein Taiwan-Büro ein De-facto-Handelsembargo gegen Litauen verhängte, zeigte sich die estnische Regierung in Tallinn empört. Die drei baltischen Staaten, also auch Lettland, waren kurz zuvor aus Chinas 16+1-Plattform ausgetreten.

    • Teresa Ribera soll Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin werden. Sie soll dabei auch die Ziele des Europäischen Green Deal erreichen. Ribera ist derzeit Spaniens Ministerin für ökologische Transformation. In ihrer aktuellen Position hatte sie davor gewarnt, dass die EU den Wettlauf bei Greentech gegen China verliert: “Dies wird eine sehr kritische Phase für Europa. Entweder gelingt es uns, alle Hürden zu überwinden und zu einer starken, positiven Macht zu werden. Oder wir implodieren”, sagte Ribera in einem Interview mit Reuters. “Die grüne Agenda ist ein guter Antrieb, um aufzuholen und wieder eine relevante Position einzunehmen.”

    • Maroš Šefčovič wird Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit. Das neue Portfolio umfasst auch die Zollpolitik. Šefčovič erhält außerdem die Zuständigkeit für inter-institutionelle Beziehungen und Transparenz. Im Missionsschreiben an Šefčovič heißt es: “Sie werden die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit China im Einklang mit unserer Politik des De-Riskings und nicht Decoupling verwalten.” Šefčovič soll sich zusätzlich “mit den Auswirkungen nicht marktorientierter Politik und Praktiken, mit Marktverzerrungen und schädlichen Überkapazitäten” befassen. Bezüglich der wirtschaftlichen Sicherheit bittet ihn die EU-Kommissionschefin, weiterhin am Plan für Exportkontrollen und der Überprüfung von Auslandsinvestitionen zu arbeiten. Der Slowake hat durchaus China-Erfahrung. Als Exekutiv-Vizepräsident für den Green Deal – das Portfolio hatte er 2023 von Frans Timmermans übernommen – hielt er im Juni den High-Level-Dialog für Klima und Umwelt mit Vizepremier Ding Xuexiang ab. Seine Erfahrung in diesem Bereich kann Šefčovič nun bei der schwierigen Gratwanderung zwischen den Zielen der grünen Transformation und der zunehmenden Abhängigkeit von China bei Greentech wie Solarmodulen, Windturbinen und kritischen Rohstoffen anwenden. 

    • Valdis Dombrovskis wird Kommissar für Wirtschaft und Produktivität. Dombrovskis war bisher Handelskommissar. Die Volksrepublik war in den letzten Jahren einer der Hauptpunkte auf der Agenda des Letten. In seiner neuen Rolle soll er unter anderem die Wettbewerbsfähigkeit der EU verbessern und Vorschläge aus dem vergangene Woche vorgestellten Draghi-Report umsetzen. Dombrovskis soll beispielsweise ein neues Tool zur engeren Koordinierung von Wettbewerbsvorhaben entwickeln. Bis Dombrovskis die neue Stelle antritt, hat er noch einiges zu tun: am Donnerstag trifft er beispielsweise Chinas Handelsminister Wang Wentao, um über die EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Autos zu sprechen. 

    • Jozef Síkela soll Kommissar für internationale Partnerschaften werden. Er werde die Arbeit an Global Gateway leiten und sicherstellen, dass Europa Partnerschaften abschließe, die in eine Zukunft investierten, die für beide Seiten von Vorteil sind, betonte von der Leyen. Síkela solle die Angebote an Partner “verfeinern und beschleunigen”, heißt es in seinem Mission Letter. Global Gateway, dem Gegenentwurf zu Chinas Belt and Road-Initiative, fehlt seit der offiziellen Einführung immer noch die Dynamik. Der Tscheche soll Global Gateway nun mehr Sichtbarkeit und vorzeigbare Erfolgsprojekte verschaffen. Síkela ist derzeit Industrie- und Handelsminister in seinem Heimatland. Die Regierung in Prag hatte sich zuletzt zunehmend kritisch gegenüber China geäußert – ist aber noch Teil von Chinas 14+1-Plattform. Síkela hatte als Handelsminister vor einem Subventionswettkampf zwischen der EU und den USA gewarnt. Der Gewinner dabei hieße dann China. 
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    Südchinesisches Meer: Das könnte die Vorentscheidung zugunsten Chinas sein

    Mutwillig herbeigeführte Kollision: Die Besatzung der “Teresa Magbanua” filmte die aggressive Aktion eines Schiffes der chinesischen Küstenwache

    Die Lage rund um das Sabina Shoal ist an diesem Dienstag eindeutig: Insgesamt 65 chinesische Schiffe befinden sich derzeit am Riff – neun Schiffe der Küstenwache, vier Marineschiffe der Volksbefreiungsarmee und 52 maritime Milizen, wie die philippinische Küstenwache am Dienstag bekanntgab. Sie selbst musste die “Teresa Magbanua”, eines ihrer modernsten Schiffe, hingegen gerade abziehen. Nun steht es quasi 65:0 für China.

    Der Schritt war aber notwendig geworden. Die “Teresa Magbanua” war nach einer Kollision mit der chinesischen Küstenwache schwer beschädigt, die philippinische Besatzung mit ihren Kräften am Ende. Völlig dehydriert und erschöpft wurden vier Männer der Besatzung nach ihrer Rückkehr auf Tragen ins Krankenhaus der Insel Palawan gebracht.

    Doch die Philippinen wollen Sabina Shoal nicht verloren geben. “Wir haben (Sabina Shoal) nicht aufgegeben. Es ist falsch zu sagen, wir hätten es aufgegeben”, betonte allerdings Jay Tarriela, Sprecher der Küstenwache. Manila werde “die Hoheitsrechte über diese Gewässer niemals aufgeben.” Ein Sprecher des National Maritime Council kündigte am Sonntag an, ein Ersatzschiff an das Sabina-Riff zu entsenden. “Wir werden auf jeden Fall dort präsent bleiben.”

    Weitreichende Folgen für die ganze Region

    Sollte das nicht gelingen, könnte die Abfahrt der “Teresa Magbanua” allerdings weitreichende Folgen haben – am Sabina Shoal, aber auch für das gesamte Südchinesische Meer.

    Die unmittelbaren Folgen am Riff liegen auf der Hand:

    • Die Philippinen würden einen wichtigen Ankerpunkt direkt vor ihrer eigenen Küste verlieren.
    • China könnte vom Sabina Shoal den philippinischen Seehandel massiv stören.
    • Das Sabina Shoal liegt in der Nähe der öl- und gasreichen Reed Bank.
    • Zudem ist es wichtiger Treffpunkt für Nachschubmissionen auf dem Weg zu Manilas Außenposten am Second Thomas Shoal, das China ebenfalls für sich beansprucht.

    “Dadurch wird eine neue Frontlinie im langen Konflikt viel näher am philippinischen Festland errichtet”, sagt Raymond Powell, Leiter von Sealight, einem Projekt zum Thema Transparenz im Seerecht an der Stanford University, im Gespräch mit Table.Briefings.

    Zudem hätte es Konsequenzen für andere Riffe, um die sich China und die Philippinen streiten:

    • Am Scarborough Shoal ist die Situation für die Philippinen schon ähnlich verfahren. China hat um das Riff riesige Blockade aufgebaut, um philippinischen Schiffen den Zugang zu versperren.
    • Bliebe noch das Second Thomas Shoal. Dort harren seit 1999 philippinische Soldaten auf einem absichtlich auf Grund gesetzten Schiffswrack aus. Peking behauptet, es gebe eine Abmachung mit Manila, die den Zugang zum Riff und einem alten gestrandeten philippinischen Kriegsschiff regeln würde – zu Gunsten Chinas.

    “China wird seine Präsenz am Sabina Shoal als Beweis dafür aufrechterhalten, dass der Widerstand der Philippinen zwecklos ist“, meint Powell.

    Folgen für das Südchinesische Meer

    Und zu guter Letzt hätte es Folgen für die gesamte Region:

    • Es wäre ein wichtiger Erfolg für Chinas Bestreben, nahezu das gesamte Südchinesische Meer zu kontrollieren – eines der wichtigsten Gebiete für den internationalen Handel. Fast jeder dritte Schiffscontainer passiert das Südchinesische Meer. 

    Rechtlich in der Wirtschaftszone der Philippinen

    Dabei ist die rechtliche Situation eigentlich völlig anders. Das unbewohnte Sabina-Riff – auf den Philippinen Escoda-Riff genannt – ist Teil der Spratlys, einer Inselgruppe vor der Westküste der philippinischen Insel Palawan. Rund 75 Seemeilen von Palawan entfernt, liegt es in Manilas ausschließlicher Wirtschaftszone (Exclusive Economic Zone/EEZ). Zum Vergleich: Das chinesische Hainan liegt 650 Seemeilen entfernt. Dennoch ist China der Meinung, das Riff gehöre zu China – und nennt es deshalb konsequent “Xianbin Jiao”.

    Nach Pekinger Lesart reicht Chinas Anspruch ohnehin weit über das Sabina-Riff hinaus. China reklamiert praktisch das gesamte Südchinesische Meer für sich – einschließlich von Gebieten in den EEZ der verschiedenen Anrainer. Pekings Ansprüche entlang seiner sogenannten Neun-Striche-Linie wurden vom Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag im Juli 2016 zwar für nichtig erklärt. Peking will das Urteil jedoch nicht akzeptieren – und versucht durch zunehmend robuste Maßnahmen Fakten zu schaffen.

    Chinas Blockade: Beschädigtes Schiff, Wasser aus Klimaanlage

    Seit April war die “Teresa Magbanua” am Sabina Shoal im Einsatz gewesen, um eine mögliche Landnahme durch China zu verhindern. Neben der mutwillig herbeigeführten Kollision durch die chinesische Küstenwache verhinderte eine chinesische Blockade die Versorgung der philippinischen Besatzung. Über Wochen hinweg mussten die Seeleute Wasser aus der Klimaanlage trinken und ihre Nahrung auf das Mindeste rationieren.

    Carl Thayer, emeritierter Professor der University of New South Wales, sagte gegenüber der Zeitung South China Morning Post, die Philippinen hätten schon vor dem Abzug der “Teresa Magbanua” für ein Ersatzschiff sorgen sollen. Das stimmt, übersieht jedoch das grundlegende Problem: Die philippinische Küstenwache verfügt derzeit nur über zwei Schiffe, die für einen langfristigen Einsatz im Sabina Shoal geeignet sind: die BRP Teresa Magbanua und BRP Melchora Aquino, das zuvor am Sabina Shoal im Einsatz war.

    “China hat jetzt die Initiative”, konstatiert Thayer und prognostiziert: Sollten die Philippinen wirklich wieder zurückkehren wollen ans Sabina Shoal, würde die chinesische Küstenwache das verhindern und als Verteidigungsmaßnahme rechtfertigen. Und so könnte der Abzug der “Teresa Magbanua” trotz der Pläne Manilas, neue Schiffe zu entsenden, die Vorentscheidung am Sabina Shoal gewesen sein.

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    • Philippinen
    • Südchinesisches Meer
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    Sinolytics.Radar

    Warum China den Kohle-Verbrauchsgipfel nun wirklich erreicht haben könnte

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    • Im Jahr 2013 verbrauchte China 4,2 Milliarden Tonnen Kohle. In den darauffolgenden beiden Jahren ging die Nachfrage zurück – und Chinas Kohleverbrauch schien seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Doch ab 2016 begann der Verbrauch wieder zu steigen. Während der Coronapandemie legte er sogar um etwa fünf Prozent pro Jahr zu.
    • Diese Entwicklung untergräbt ganz klar Chinas Klima-Aktionsplan, der einen CO₂-Höchststand für 2030 anstrebt und eine strikte Kontrolle des Kohleverbrauchsanstiegs fordert. Positiv zu vermerken ist, dass der Anteil der Kohle am Primärenergieverbrauch von rund 70 Prozent im Jahr 2011 auf 55 Prozent im Jahr 2022 gefallen ist. Allerdings wird dieser Erfolg durch den Anstieg des Gesamtenergieverbrauchs um 40 Prozent im gleichen Zeitraum wieder aufgehoben.
    • Der Anstieg des Kohleverbrauchs war eine direkte Folge der massiven Stromknappheit im Jahr 2021, die viele Fabriken zu Produktionsstopps zwang. Die Regierung hat daraufhin den Bau von Kohlekraftwerken massiv gefördert.
    • Nun besteht Hoffnung, dass ein zweites Mal der Verbrauchsgipfel erreicht ist. Die IEA schätzt, dass der chinesische Kohleverbrauch im Jahr 2024 zurückgehen und sich dann bis 2026 stabilisieren wird. China wird im Jahr 2024 etwa genauso viel Kohle fördern wird wie im Vorjahr. Dieser Höchststand würde den politischen Zielen Chinas entsprechen, den Kohleverbrauch ab 2026 schrittweise zu senken.
    • Es gibt Anzeichen für einen baldigen Höhepunkt der Kohleverstromung. Laut einer Analyse des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) sind die Genehmigungen für neue Kohlekraftwerke im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zurückgegangen. Aufgrund der großen Anzahl von Genehmigungen in den Jahren 2022 und 2023 bleibt die Bautätigkeit für Kohlekraftwerke jedoch auf einem hohen Niveau.
    • Das Erreichen des Kohle-Peaks ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass China seine Zusage einhalten kann, den Höhepunkt der CO₂-Emissionen vor 2030 zu erreichen. Dies würde auch dazu beitragen, den weltweiten Kohleverbrauch zu senken.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

    • CO2-Emissionen

    News

    Habeck trifft Handelsminister Wang: Handelskrieg schadet beiden Seiten

    Chinas Handelsminister Wang Wentao ist auf Tour durch Europa, um in einigen Hauptstädten und in Brüssel über die EU-Sonderzölle für importierte chinesische E-Autos zu verhandeln. Am Dienstag traf er in Berlin mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zusammen. Zentrales Thema seien “die Fragen fairer Wettbewerbsbedingungen” gewesen, teilte das Ministerium anschließend mit. Dies sei “der Kern der Untersuchung der Europäischen Kommission zu in China gefertigten E-Autos”, sagte Habeck. “Mir ist wichtig klarzustellen, dass Deutschland nicht den Wettbewerb mit China scheut. Ganz im Gegenteil, wir nehmen den Wettbewerb an – aber er muss zu fairen Bedingungen erfolgen.”

    Ein Handelskrieg mit Zollspirale, der am Ende beiden Seiten schade, müsse unbedingt vermieden werden, ergänzte Habeck. “Wir brauchen eine politische Lösung. Die EU-Kommission und China sollten alles daran setzen, eine Verhandlungslösung zu finden.” Er sei dazu auch mit Brüssel im Austausch. Wang wird dazu am Donnerstag in Brüssel auch noch mit dem scheidenden EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis zusammentreffen.

    Finale Abstimmung steht bevor

    Wangs Aufgabe ist allerdings zugleich, möglichst viele Mitgliedsländer für die finale Abstimmung am 25. September über die derzeit noch vorläufigen Sonderzölle auf Chinas Seite zu ziehen. Die Zölle würden ab Anfang November greifen, wenn nicht noch eine qualifizierte Mehrheit dagegen votiert. Dies müssten mindestens 15 der 27 EU-Länder sein, die zusammen auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen.

    Bundeskanzler Olaf Scholz und mit Einschränkungen auch Habeck sehen die Zölle skeptisch. Italiens Außenminister Antonio Tajani hatte Wang dagegen am Montag in Rom gesagt, Italien unterstütze die EU-Zölle. Auch Frankreich gilt als klarer Befürworter. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte sich vergangene Woche in Peking ähnlich wie nun Habeck gegen einen Handelskrieg ausgesprochen. Auch nannte er die EU-Zölle “herausfordernd”. Die Zollsätze der EU-Kommission liegen zwischen acht Prozent für Tesla-Importe und 35,3 Prozent für chinesische Autobauer, die nicht mit der Untersuchung der Brüsseler Behörde kooperiert hatten. Peking hat im Gegenzug bereits Anti-Dumping-Untersuchungen bei Schweinefleisch, Branntwein und Milchprodukten aus der EU gestartet. ck

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    Betrugsfälle: Umweltbundesamt will 45 China-Projekte stoppen

    Im Fall mutmaßlicher Betrugsfälle mit Klimazertifikaten will das Umweltbundesamt (UBA) “alle 45 verdächtigen China-Projekte” stoppen und rückabwickeln. Die Projekte stehen nach den Worten von UBA-Präsident Dirk Messner unter einem “sehr starken Betrugsverdacht”. Es gebe vermutlich ein regelrechtes “Täuschungsvertragssystem”, in dem Projekte vor Ort angemeldet werden, die nicht die angegebenen Voraussetzungen, etwa zur Reduktion von Treibhausgasen, erfüllen, erläuterte das Amt. Anfang September hatte das UBA bereits für acht China-Projekte die Freischaltung der Zertifikate gestoppt, die von mehreren großen, international aktiven Firmen beantragt worden seien.

    Konkret geht es um sogenannte “Upstream Emission Reductions”-Projekte (UER), die den CO₂-Ausstoß im Verkehr senken sollen, indem Emissionsreduktionen bei der Kraftstoffproduktion – etwa in Raffinerien – auf die CO₂-Minderungspflicht im Verkauf fossiler Brennstoffe (“THG-Quote”) angerechnet werden.

    Die 45 verdächtigen China-Projekte umfassen laut UBA Klimazertifikate im Wert von sechs Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent, die einem Marktwert von rund 1,5 Milliarden Euro entsprechen. Nur vier dieser sechs Millionen Tonnen könnten demnach aber rückabgewickelt und gerettet werden. Folglich wäre durch den Betrug bislang – bezogen auf die ausgestellten Zertifikate – ein materieller Schaden von ungefähr 500 Millionen Euro entstanden. Insgesamt hat das UBA laut Messner mittlerweile 56 Klimaprojekte in China gründlich untersucht. An den laufenden Ermittlungen seien sowohl die Staatsanwaltschaft Berlin als auch eine internationale Anwaltskanzlei beteiligt. ck

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    E-Auto-Joint Venture Denza: BYD übernimmt letzte Anteile von Mercedes

    BYD hat die verbleibenden zehn Prozent der Anteile von Mercedes-Benz an dem einst gemeinsam gegründeten E-Auto-Unternehmen Denza übernommen. Die BYD-Mitteilung nannte keinen Wert der Transaktion, Vertreter von Mercedes-Benz in China lehnten laut Bloomberg eine Stellungnahme zunächst ab. Die Automarke Denza wurde 2011 unter dem Firmennamen Shenzhen BYD New Energy von BYD und Mercedes gegründet, die jeweils 50 Prozent der Anteile hielten. Das Unternehmen konzentrierte sich auf Premium-Elektrofahrzeuge; aufgrund schlechter Verkaufszahlen reduzierte Mercedes seinen Anteil 2021 auf zehn Prozent.

    2022 richtete sich Denza neu aus, und feiert nach Angaben von Bloomberg inzwischen Erfolge mit elektrischen Luxus-Vans, wobei der D9-Minivan als Bestseller in dieser Kategorie für 2023 gilt. In dieser Woche will Denza lokalen Medienberichten zufolge das neue Modell Z9GT auf den Markt bringen, das laut der Fachzeitschrift Auto Motor Sport dem Porsche-Modell Taycan Sport Turismo Konkurrenz machen könnte. Das Design für das Luxusmodell stamme aus der Feder von Ex-Audi-Designer Wolfgang Egger, schreibt das Blatt. Es werde in China als reines Elektromodell und Plug-in-Hybrid verkauft werden. Da der Z9 eine zentrale Rolle für den weltweiten Absatz von Denza und BYD spielen solle, wird er nach dem Bericht auch nach Europa kommen. ck

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    Chinesischer Handelsminister Wang Wentao auf Anti-Zölle-Tour durch Europa HANDELSBLATT
    Im Streit um Autozölle will Habeck politische Lösung mit China FOCUS
    EU must find right balance on clean tech trade with China, says Draghi REUTERS
    Wirtschaft will mehr Kontrollen chinesischer Online-Händler SÜDDEUTSCHE
    Zollbeschäftigte zu Temu und Shein: Gegen Kontrollwahn bei Billigwaren aus China GOLEM
    Zulieferer Leoni geht mehrheitlich nach China STERN
    Nach Akku-Brand: Chinas Batteriehersteller in der Kritik AUTOMOBIL INDUSTRIE
    Chinas Hightech-Offensive lässt junge Leute ohne Job zurück DW
    Banken senken Prognosen: Dauermisere an Chinas Börsen FAZ
    Cognac-Winzer protestieren in Frankreich gegen drohende chinesische Strafzölle DE
    Why China is seeking greater presence in Africa – the strategy behind its financial deals THE CONVERSATION
    China will US-Tarnkappenjets entzaubert haben – mithilfe von Musk-Satelliten WELT
    China: Forscher veröffentlichen erste Mondproben-Ergebnisse FR

    Heads

    Friedrich Merz: Schärfere China-Tonlage als Scholz und Merkel

    Friedrich Merz wird Kanzler-Kandidat der Union.

    Wenn Friedrich Merz sich in der Vergangenheit zu China äußerte, ging es ihm oft darum, anderen Politikern Fehlverhalten vorzuwerfen. Bundeskanzler Olaf Scholz warf er vor, auf seiner China-Reise kein Treffen mit dem geschassten Ex-Staatschef Hu Jintao vereinbart zu haben. Man wisse ja nicht einmal, ob der noch lebe, erklärte der CDU-Chef damals. Die vor allem auf Druck des Kanzleramts erfolgte Erlaubnis für den Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco in einen Terminal am Hamburger Hafen war ihm ebenfalls ein gefundenes Fressen, um die Leichtsinnigkeit der Regierung im Umgang mit China zu geißeln. Offenbar glaube der Kanzler noch immer an die Theorie vom Wandel durch Handel, so Merz. “Ihm fehlt die Bereitschaft, die Risiken, denen wir ausgesetzt sind, neu zu bewerten”.

    Alle Erwartungen eines “Wandel durch Handel” seien unerfüllt geblieben, kommentierte Merz in Table.Briefings zum Scholz-Besuch im November 2022. “Im Gegenteil: China nutzt alle bilateralen und multilateralen Beziehungen ausschließlich zu seinen Gunsten und baut damit seine politische, ökonomische und militärische Vormachtstellung über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus systematisch weiter aus.”

    Risikobewertung ist ein großes Thema für Merz: “Zur Zeitenwende gehört eben auch ein neuer Blick auf China.” Bereits im Sommer 2023 warf der CDU-Chef der Bundesregierung vor, keine funktionierende China-Strategie auf den Weg gebracht zu haben. Das könne man sich nicht länger leisten, erklärte er damals vor Industrievertretern. “Wir brauchen in diesen Fragen einen strategischen Konsens, wie weit wir eigentlich unsere Interessen bereit sind wahrzunehmen.”

    Schmaler Grat zwischen Geopolitik und Wirtschafts-Realität

    Nach Scholz’ China-Reise im April dieses Jahres hatte Merz der Nachrichtenagentur dpa gegenüber beklagt, dass der chinesische Staat zunehmend repressiv auftrete, und sich zu einer “zunehmenden Bedrohung für unsere Sicherheit” entwickle. Der Einfluss Chinas sei so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr, sagte Merz. Vor allem auch deutsche Unternehmen bekämen die Risiken zu spüren.

    China bliebe als Partner zwar wirtschaftlich unverändert interessant. Wer heute in China investiere, müsse sich aber genau überlegen, was auf dem Spiel steht. “Jedes deutsche Unternehmen ist zugleich gut beraten, die Risiken zu analysieren, zu minimieren und auch bilanziell richtig einzuordnen.” Dabei deutete Merz auch an, dass die Regierung unter ihm nicht mehr bereit sein werde, Unternehmen, die in China zu hohe Risiken eingingen, in jedem Fall zu retten. Bei strategisch wichtigen Gütern und Ressourcen müsse der Staat den Rahmen für Investitionen und Handel klar abstecken.

    Zugleich aber wird auch ein etwaiger Bundeskanzler Merz kaum umhin können, das anhaltend große Engagement vieler deutscher Firmen in der Volksrepublik für politische Entscheidungen in irgendeiner Form mitzudenken. Auch wenn die China-Strategie der Bundesregierung ebenso wie die der EU-Kommission zum De-Risking und Diversifizierung aufrufen, investieren vor allem große Firmen scheinbar unbekümmert weiter vor Ort. Die Verbände der Firmen sind China gegenüber heute nicht mehr unkritisch, haben aber vor allem die Interessen ihrer eigenen Mitglieder im Blick, wenn sie bei der Regierung vorsprechen.

    China-Strategiepapier mit vielen Ideen

    Die Fraktion von CDU und CSU im Bundestag hatte 2023 ein Strategiepapier zu China vorgelegt und darin eine breit angelegte Stärkung der China-Kompetenz in Deutschland gefordert. Eine sinnvolle Partnerschaft mit China sei nur möglich, wenn die deutsche Seite die Risiken erkennen und bewerten könne, heißt es darin. Auch ein dem Bundeskanzleramt unterstelltes China-Kompetenzzentrum wird darin gefordert. 

    Wie der Realitätscheck mit diesen Plänen umgehen wird, wird sich genauso zeigen müssen, wie die bereits brodelnden Unstimmigkeiten zum Thema innerhalb der Union: Während Merz verbal auf Konfrontationskurs gegenüber Peking geht, lehnt beispielsweise der Unions-Fraktionsvize im Bundestag Jens Spahn Überlegungen ab, Auslandsinvestitionen von Unternehmen in China staatlich zu kontrollieren. Und auch der Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in China in diesem Jahr zeigte eine gänzlich unkritische Positionierung.

    Merz sieht China nicht als Vermittler

    Merz will derweila auch aufs große Ganze schauen. “Der Staat China ist ein geostrategischer und vor allem ein geoökonomischer Akteur geworden. Xi Jinping verfolgt wie kein anderer chinesischer Herrscher seit Mao einen harten leninistisch-maoistischen Kurs der Dominanz und ideologischen Vormachtstellung“, schrieb er bei Table.Briefings. 

    Die Rolle des Vermittlers, die China auf der Weltbühne spielen möchte, nimmt Merz nicht für voll. Es unterstütze Länder wie Nordkorea und Russland. Peking habe zwar zeitweise mäßigenden Einfluss auf Russlands Präsident Wladimir Putin ausgeübt – werde aber nicht entscheidend auf Moskau einwirken, um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden. Chinas Russlandnähe belastet die Beziehungen zur EU.

    Und egal ob Trump oder Harris im November die Präsidentenwahl gewinnt: Unser Verhältnis zu den USA werde nicht enger werden, glaubt Merz. Washington werde sich in Zukunft noch mehr auf die Pazifik-Region konzentrieren und in diesem Zusammenhang vor allem auf die Eindämmung Chinas. Man wird sehen, ob Merz mit dem US-Kurs am Ende auf einer Linie ist. Fabian Peltsch/Amelie Richter/Christiane Kühl

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    Personalie

    Cai Wei wird neuer Generakdirektor der Abteilung für North American and Oceanian Affairs im Außenministerium. Er ersetzt Yang Tao. Cai war zuvor Generaldirektor der Abteilung für Lateinamerika und die Karibik gewesen. 2020 war der Generalkonsul in Houston, als der damalige US-Präsident Donald Trump das Konsulat wegen Spionagevorwürfen schloss.

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    Dessert

    Chinesischer wird’s heute nicht: Zum Mid-Autumn-Fest 中秋节 am 17. September bekamen die Pandas im Zoo von Chongqing Mondkuchen serviert. Auch in anderen Panda-Gehegen des Landes war für die Tiere quasi Weihnachten. Den Bären im Zoo der Panda-Provinz Sichuan wurde ein Festmahl mit Mondkuchen aus gedämpftem Maisbrot, Obsttellern und Bambussprossenkuchen aufgefahren – “sorgfältig von Experten und Tierpflegern unter Berücksichtigung von Alter, Persönlichkeit, Gesundheit und Ernährungsgewohnheiten ausgewählt und zubereitet”, wie die Staatsmedien berichteten. Panda-Fans konnten der Völlerei per Stream beiwohnen und den schwarz-weißen Sympathieträgern ihre Segenswünsche live übermitteln.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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