negroM netug – Spüren Sie das unangenehme Gefühl, das Ablehnende? Dabei ist es doch nur ein Guten-Morgen-Gruß – einfach mal von hinten nach vorn. Ein wenig so, wie Chinesen lesen. Wer das Land wirklich verstehen will, sollte das Anderssein seiner Menschen zunächst akzeptieren, schreibt Johnny Erling in seiner heutigen Kolumne. Und erst dann urteilen.
Die Herstellung leistungsfähiger Batteriezellen ist eines der Megathemen der Automobilindustrie – und in Deutschland auch politisch von höchster Priorität. Gregor Koppenburg und Jörn Petring haben sich den Weltmarktführer CATL, genauer angesehen.
Die etwas Älteren unter uns werden sich erinnern: Mindestens am Sonntag musste ein Braten auf den Tisch. Bis tief in die neunziger Jahre galt Fleisch als Wohlstandssymbol. Das ist auch in China so, schreibt Ning Wang. Nicht ausreichend oder zu teures Schweinefleisch in den Regalen lässt die Alarmglocken in Pekings Machtzentrale schrillen. Doch der Trend geht auch hier ganz langsam zum Fleischersatz, wenn auch nur bei gutverdienenden jungen Städtern.
Die Stadt Ningde im Südosten Chinas sieht auf den ersten Blick nicht wie das Zentrum für eine Schlüsseltechnologie in den Autos der Zukunft aus. Die Stadt ist von Bergen umgeben und liegt in einem bekannten Tee-Anbaugebiet. Sie ist aber auch Hauptsitz von CATL, dem mittlerweile größten Hersteller von Batterien für Elektroautos.
CATL-Chef Robin Zeng hatte ohne Frage einen guten Riecher, als er als einer der ersten Anbieter in China seine Produktion von Batterien für Smartphones und Laptops auf viel größere Zellen für E-Autos umstellte. Schon vor zehn Jahren begann Zeng mit dieser strategischen Neuausrichtung. Der Umsatz von CATL stieg in diesem Zeitraum von etwa 200 Millionen auf zuletzt 5,9 Milliarden Euro.
Zeng hat davon profitiert, dass er die Politik der chinesischen Führung richtig interpretiert hat. Mit massiven Unterstützungen für Firmen im Bereich Elektromobilität, Subventionen für E-Auto-Käufe, aber auch Fahrverboten für Benziner, hat sich die Volksrepublik in den vergangenen Jahren rasant zum Marktführer entwickelt.
Erstmals wurden 2018 in der Volksrepublik eine Million Fahrzeuge verkauft, die durch neue Energien angetrieben werden. 2020 waren es bereits mehr als 1,3 Millionen Fahrzeuge.
CATL ist im eigenen Land eindeutiger Branchenprimus. Nicht nur heimische Autobauer, sondern auch ausländische Hersteller, inklusive der meisten deutschen Autobauer und sogar Tesla, setzen auf das Unternehmen aus Ningde, dass 2020 in der Volksrepublik einen Marktanteil von knapp 50 Prozent hatte – Tendenz steigend.
Mit den stark wachsenden Verkaufszahlen von Elektroautos will CATL seine eigenen Batteriekapazitäten weiter massiv ausbauen. Auch will der Konzern weltweit stark expandieren. CATL plant so Markteintritte in Japan, Indonesien, in die USA und auch Europa. Deutschland spielt die Schlüsselrolle für den europäischen Markt. Bereits im Oktober 2019 begannen Chinesen mit dem Bau einer Fabrik in Erfurt. Das Werk, in das CATL gut 1,8 Milliarden Euro investiert, soll 2022 den Betrieb aufnehmen.
BMW will den Erfurtern Akkus im Wert von 1,5 Milliarden Euro abnehmen. Bis zu 2000 Mitarbeiter könnten in der Fabrik beschäftigt werden. Auch mit Daimler hat CATL eine Partnerschaft vereinbart. So soll etwa die elektrische Limousine Mercedes-Benz EQS mit CATL-Zellen ausgestattet werden. Auch wollen die Unternehmen gemeinsam an Lithium-Ionen-Zellen forschen.
Die deutschen Hersteller halten große Stücke auf CATL. So sagte VW-Chef Herbert Diess kürzlich in einem Interview mit der Wirtschaftswoche, dass er, damals noch als BMW-Manager, bereits vor zehn Jahren erste Gespräche mit CATL geführt habe. Damals produzierten die Chinesen hauptsächlich noch Batterien für Smartphones. CATL habe “zunächst abgewunken”, Akkus für E-Autos zu produzieren. Heute sei CATL, wie der VW-Chef erklärt, “nicht nur der größte, sondern auch der innovativste Batteriehersteller der Welt”.
Die Zellen von CATL gelten nicht nur als günstig, sondern auch als technologisch fortschrittlich. Die Chinesen wollen die Reichweite der Batterien entscheidend steigern. Zudem sollen die Ladezeiten kürzer werden, was für den Fahrer von Elektroautos mehr Komfort bedeuten würde. CATL arbeitet außerdem an einer Batterie mit extrem langer Lebensdauer: 16 Jahre oder zwei Millionen gefahrene Kilometer sollen künftige Batteriegenerationen im Einsatz sein.
VW-Chef Diess sei “immer davon ausgegangen, dass bei den Batterien in wenigen Jahren eine Industrie entstehen wird, die so viel Umsatz hat, wie die Zulieferer in Summe haben”. Auch die Befürchtung niedriger Margen habe sich “nicht bewahrheitet”. Die operative Marge von CATL liege “im zweistelligen Bereich”.
Wie das Manager Magazin berichtet, können Diess und sein früherer Arbeitgeber BMW durchaus einen Anteil am heutigen Erfolg von CATL für sich beanspruchen. Nachdem man 2012 eine offizielle Kooperation gestartet habe, sei die Qualität der Zellen nicht ausreichend gewesen.
Doch dann griffen deutsche Ingenieure ein. “In kürzester Zeit halfen die Deutschen, CATL auf ein ansehnliches technologisches Niveau zu bringen. Ganze Teams flogen regelmäßig aus Shenyang, dem Sitz des BMW-Joint-Ventures, und München ein”, so das Magazin.
Nicht nur Chinas knallharte Industriepolitik, sondern auch bereitwillige Hilfe aus Deutschland hat CATL demnach dabei geholfen, zum Weltmarktführer einer Zukunftstechnologie aufzusteigen. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
01.03.2021, 18:15 Uhr
Vortrag, Konfuzius-Institut Berlin Neue Seidenstraße – Zur politischen Ökonomie eines Jahrhundertprojekts Anmeldung
02.03.2021, 12:00-13:00 Uhr
Oxford Diskussion, Asia Society Switzerland Will East Asia Lead the Way Beyond This Pandemia? Mehr
03.03.2021, 8:30-9:30 Uhr
Vortrag, Chinaforum Bayern Ab die Post – Wie Corona den Onlinehandel in China beeinflusst. Mehr
03.03.2021, 10:00-11:00 Uhr
Vortrag, DCW Zwischen Dual Circulation und Decoupling: Effekte chinesischer Industriepolitik auf deutsche Unternehmen. Mehr
03.03.2021, 12:30-1:45 Uhr PM (EST)
Buchvorstellung, Harvard University China´s corrupt Meritocracy Mehr
04.03.2021, 10:00-11:30 Uhr
Webinar, EUCCC China´s 14th Five-Year-Plan Anmeldung
04.03.2021, 10:00-12:00 Uhr
Diskussion, IHK Frankfurt IT-Sicherheit im China-Geschäft Mehr
Ein Fleischgericht muss zu jeder Mahlzeit auf den Tisch, wenn es nach Frau Li (57) aus Peking geht. Sie kocht für sich und ihren Mann, ihre 74-jährige Mutter und ihre Tochter samt Enkelkind. Fast täglich geht sie daher auf den Markt nahe des Gongti-Stadiums einkaufen. Der Fleischkonsum gehört zum Alltag. Dass die Schweinefleischpreise gerade wieder stark schwanken, wundert sie nicht. Im Norden Chinas kam es zu neuen Fällen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und Landwirte haben vor dem chinesischen Neujahrsfest mehr geschlachtet als sonst, denn vor den Feiertagen wird Schweinefleisch stärker nachgefragt. Schweinefleisch ist daher auch einer der großen Treiber der Inflation in China: Laut dem Nationalen Statistikamt (NBS) stiegen die Preise für Lebensmittel im vergangenen Jahr um 1,2 Prozent, wobei die Kosten für frisches Fleisch um 7,1 Prozent und die Preise für Schweinefleisch um 49,7 Prozent stiegen.
Grund ist die 2018 in China ausgebrochene Afrikanische Schweinepest (ASP). Die Rabobank schätzt, dass China etwa 35 bis 40 Prozent seiner Schweinepopulation aufgrund der ASP gekeult hat, was rund 20 Prozent des weltweiten Schweinebestands entspricht. Schweinefleisch aber gehört fast in jedes Gericht, ob mit oder ohne Gemüse und die konstant hohe Nachfrage bei sinkendem Angebot ließ den Preis für Schweinefleisch teils um über 100 Prozent steigen.
Damit die steigenden Fleischpreise nicht zu Unmut in der Bevölkerung führen, wurde die “Fleischreserve” des Landes freigegeben. Von Dezember letzten Jahres bis Ende Januar wurden insgesamt 180.000 Tonnen Schweinefleisch auf den Markt gebracht. In den beiden Februarwochen vor dem Neujahrsfest gingen zusätzlich 60.000 Tonnen in den Verkauf.
Um die Nachfrage zu decken, importiert Peking große Mengen Fleisch aus dem Ausland. Einer der größten Zulieferer ist Spanien. Im vergangenen Jahr hat das Land 933.940 Tonnen Schweinefleisch nach China exportiert, da sei fast dreimal so viel wie im Jahr 2019, sagte Markus Fiebelkorn, Marktexperte beim dänischen Branchenverband Danske Svineproducenter bei einer Präsentation auf der digitalen Messe EuroTier. Die USA exportierten im Jahr 2020 696.086 Tonnen Schweinefleisch und Deutschland 462.346 Tonnen nach China.
Nicht nur Schweinefleisch wurde eingekauft, sondern auch Futtermittel, um die eigenen Schweinebestände im Land nach der Schweinepest wieder aufzubauen. Futtergetreide aus den USA war in den vergangenen Monaten so sehr nachgefragt, dass es in Nordamerika zu einem massiven Mangel an Futtergetreide kam. Das US-Landwirtschaftsministerium schätzt, dass China im Jahr 2021 über 17 Millionen Tonnen Mais importieren wird, gegenüber 7,6 Millionen Tonnen im Jahr 2020.
Die Regierung in Peking plant, den Fleischkonsum der Bürger bis zum Jahr 2030 zu halbieren – vor allem aus Gesundheitsgründen. Auch deswegen drängen immer mehr Hersteller pflanzlicher Fleischersatzprodukte auf den chinesischen Markt. Die Daten des Marktforschungsunternehmens Euromonitor zeigen, dass der Markt für Produkte wie Fleisch auf Pflanzenbasis zwischen 2014 und 2018 um 33,5 Prozent auf 9,7 Milliarden US-Dollar angestiegen ist. Die Experten von Euromonitor gehen davon aus, dass die Branche bis 2023 einen Wert von rund zwölf Milliarden US-Dollar haben wird.
Die US-Anbieter für Fleischersatz, Impossible Foods und Beyond Meat, haben ihre Produktion in China zuletzt erweitert und auch Nestlé gab 2020 Pläne für die Produktion veganer Produkte in der Nähe von Tianjin bekannt.
Gemeinsam mit der Kaffeehauskette Starbucks bietet Beyond Meat in China pflanzenbasierte Fleischmenüs an. Heimische Anbieter für Schweinefleischersatz wie OmniPork sind in ganz China in Tausenden von Taco Bell- und Starbucks-Filialen erhältlich. Selbst Schulkantinen bieten pflanzlichen Fleischersatz an.
Ein großes Hindernis für die Steigerung des Marktanteils dieser Anbieter sind besonders die im Vergleich zur Fleischherstellung höheren Kosten und damit verbundenen höheren Preise – insbesondere bei preisempfindlichen Verbrauchern. Nur die besonders gut ausgebildeten jungen Leute in Städten wie Shenzhen, Shanghai, Peking sind bereit, die Ersatzprodukte zu probieren, so Studien aus China.
David Yeung, der gerade in Shanghai das Restaurant Green Common eröffnet hat und dort nur Gerichte mit Fleisch auf Pflanzenbasis anbietet, sagte gegenüber dem Time Magazin: “Nach den letzten Jahren ist es kein Geheimnis, dass die Fleischproduktion unendlich riskant ist. Krankheiten und extreme Klimaprobleme werden sich leider nicht ändern, wenn wir uns nicht verändern”, so seine Einschätzung.
Doch die Motive für den Fleischverzicht in China unterscheiden sich noch sehr von denen im Westen: So hat die Hochschule Fresenius schon 2019 in einer Studie die Gründe untersucht, warum Menschen angaben, weniger Fleisch essen zu wollen: Während in Deutschland vor allem ethische Gründe und das Tierwohl im Vordergrund standen, wie aber auch Klima- und Naturschutz, gaben in China 64 Prozent der Befragten gesundheitliche Gründe als ausschlaggebend für eine Ernährung mit weniger Fleisch an. Gerade mal zwei Prozent gaben Naturschutz und immerhin sieben Prozent Tierschutz als Motiv an.
In China wird pro Kopf über 50 Kilogramm Fleisch im Jahr konsumiert und nur 50 Millionen der 1,4 Milliarden Chinesen sehen sich als Vegetarier. Frau Li selbst sagt, sie esse weniger Fleisch, da sie der Meinung ist, dass es dick mache und zu viel Fleisch ungesund sei. Ihrer Enkelin Fleischgerichte zu kochen, bereitet ihr dennoch große Freude. Frau Li möchte der nachfolgenden Generation damit auch zeigen, wie gut sie es nun haben. In ihrer eigenen Kindheit gab es nicht täglich Fleisch. Das ist nun anders.
Geplant war der Mobile World Congress (MWC), die größte Mobilfunkmesse der Welt, eigentlich in Barcelona. Corona-bedingt wurde sie jedoch in das kaum noch vom Virus betroffene China – nach Shanghai – verlegt. Heute geht sie zu Ende. Von der Stadtregierung wurde die Besucherzahl auf 20.000 limitiert. Zutritt hatte allerdings nur, wer einen maximal 72 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen kann. Wer aus dem Ausland kommt, muss zusätzlich für mindestens 14 Tage in strikte Quarantäne. Deswegen haben sich die meisten westlichen Branchenvertreter nur per Videoschalte beteiligt.
200 Aussteller zeigten ihre Produkte, die auf Technologien wie 5G, Internet of Things und Blockchain basieren. Rund 150 Keynote-Speaker tauschten sich über den Status Quo der technologischen Entwicklung mit den Experten aus.
Eines der Kernthemen war die Verbreitung der 5G-Technologie und Liu Liehong, der Vizeminister des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie, nutzte die Messe zum Selbstlob: Rund 40 Milliarden Dollar habe man bereits investiert und 718.000 5G-Basisstationen gebaut. Das sei mehr als der Rest der Welt zusammen, berichtet außerdem die South China Morning Post. Chinas globaler Anteil der 5G-Verbindungen belaufe sich damit derzeit auf 87 Prozent, schreibt die internationalen Telekom-Branchenvereinigung GSMA in einer zur Messe veröffentlichten Studie.
Die Technologie werde von den Menschen in China schneller angenommen als anderswo auf der Welt, erklärt das Marktforschungsunternehmen International Data Corporation (IDC). Demnach sind in China 2020 mehr als 167,5 Millionen 5G-Smartphones verkauft worden, 53 Prozent der gesamten chinesischen Smartphone-Auslieferungen des vergangenen Jahres.
“Bis 2025 werden 55 Prozent von Chinas Sozialprodukt durch die digitale Wirtschaft erwirtschaftet”, erklärte Ken Hu, der derzeit amtierende Vorstandsvorsitzende von Huawei. Frank Meng, der Chinapräsident des US-Chip-Herstellers Qualcomm, geht davon aus, dass die chinesische Wirtschaft mit der neusten 5G-Technologie bis 2034 über 100 Milliarden US-Dollar zusätzlichen Gewinn machen werde. Yang Jie, der Präsident von China Mobile, der Mobilfunkanbieter mit den meisten Kunden weltweit, spricht wiederum davon, dass 5G der “Katalysator” der 4. Industriellen Revolution sei.
Während das 5G-Geschäft offenbar sehr gut läuft, hat Platzhirsch Huawei Branchenkennern zufolge bei den Smartphones selbst ein hartes Jahr vor sich. Huawei habe Bestellungen bei seinen Zulieferern dramatisch reduziert. Deshalb werde mit einem Einbruch von 60 Prozent bei den Verkäufen gerechnet. Ein Huawei-Sprecher wollte diese Berichte nicht kommentieren. Auf Grund von US-Sanktionen, die in der Amtszeit des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verhängt wurden, kann Huawei weder Googles Mobile Services nutzen noch die amerikanischen 5G-Chips. Damit sind die Smartphones kaum wettbewerbsfähig.
Die Verkäufe sind bereits im vergangenen Jahr 2020 um 20 Prozent eingebrochen. Zudem war Huawei gezwungen, seine preiswerte Marke Honor zu verkaufen. Huawei war allerdings im 4. Quartal des vergangenen Jahres noch immer Chinas Markführer bei den Smartphones.
Trotz der Probleme hat Huawei mit dem X2 ein neues Smartphone mit faltbarem Bildschirm herausgebracht. Dabei “eifert Huawei nun dem Samsung-Klapphandy nach”, so Computer Bild, schafft allerdings zusammengeklappt ein deutlich flacheres Design, ohne dass man beim Ausklappen Störungen auf dem Bildschirm sieht.
Ansonsten konzentriert sich Huawei wie alle Hersteller auf die Vernetzung der Umwelt seiner Kunden. Fast alles in der Wohnung oder im Auto kann nun auf Basis smarter auf Künstlicher Intelligenz basierte Technologie gesteuert werden, oft schon über einfache Gesten oder Sprachbefehle. Wie auf der Messe verkündet, wurde wird Mercedes-Benz seine neue S-Klasse nicht wie in Deutschland mit einem eigenen OS namens MBUX verkaufen, sondern mit dem Huawei Mobile Services (HMS) ausliefern, einer intelligenten Cloudlösung für Autos. Huawei stellte in Shanghai auch seine Cyberverse-App vor. Die neue App integriert virtuelle und physische Realitäten übergangslos. Fast wichtiger noch: Inzwischen hat Huawei nach eigenen Angaben über 1000 5G-Verträge in zwanzig Industrien abgeschlossen. Da zeigt sich deutlich, wo der Trend liegt, nämlich in der digitalen Transformation von Branchen mithilfe einer 5G-Infrastruktur. Das ist das große Thema auch für den deutschen Mittelstand.
Auch die Deutsche Telekom zeigte auf der Messe, wie sie ihre Kunden tiefgreifender vernetzen will. Hubraum, der Technologie-Inkubator der Telekom, arbeitet dabei nun mit dem Pekinger Startup und Hersteller von Mixed -Reality-Brillen, Nreal, zusammen. Ein Sprecher der Deutsche Telekom zeigte sich überzeugt, dass XR in Kombination mit 5G und Edge Computing “die nächste große Sache” wird für digitale Interaktion: “Mit diesem Gerät wird der Massenmarkt endlich möglich.” Unter XR (Extended Reality) werden immersive Technologien zusammengefasst, also virtual Reality, Augmented Reality, Mixed Reality, 360-Grad-Video, Technologien also, die den User tief in eine virtuelle Welt integrieren. In einer “Heads-up-Gesellschaft” könnte die XR-Brille schließlich eine Alternative zum Smartphone werden.
Laut dem Mobilfunk-Interessenvertreter GSMA hat das Coronavirus den Trend hin zu mehr Online-Services in China noch verstärkt. Auf dem Höhepunkt der Epidemie in China hätten 78 Prozent der Verbraucher ihren Konsum auf Online-Angebote umgestellt. Rund 200 Millionen Menschen hätten ihre Arbeit von Zuhause erledigt. Im März 2020 sei der mobile Datenverkehr in China um 40 Prozent höher gewesen als im Vorjahreszeitraum. Allein im Epizentrum Wuhan sei der Online-Traffic sogar kurzzeitig um 70 Prozent angestiegen. In den Sektoren Online-Bildung, Gesundheitswesen und Einzelhandel nutzen 85 Prozent aller chinesischen Unternehmen mittlerweile Cloud-Services. Der Großteil davon stieg erst 2020 ein. Auch Kontaktlose Online-Zahlungen seien für noch mehr Chinesen zur Selbstverständlichkeit geworden: Laut einer GSMA-Umfrage nutzen 46 Prozent aller chinesischen Smartphone-User heute mindestens einmal pro Woche mobile Zahlungslösungen. In den USA sind es nur 20 Prozent.
Doch nicht nur China profitiert. Laut GSMA können 5G-Investitionen helfen, der Weltwirtschaft nach der Pandemie wieder auf die Beine zu helfen. Demnach könnten 5G-Upgrades bis zum Jahr 2030 jährlich mehr als 600 Milliarden US-Dollar zur Weltwirtschaft beitragen. Das sind ungefähr 2,1 Prozent des für das kommende Jahrzehnt erwarteten Einkommenszuwachses in allen Branchen und Wirtschaftssektoren. In einem Test wurde auf der Messe bereits die Nachfolge Generation der gegenwärtigen 5G Technologie vorgestellt. Sie ist vier Mal so schnell.
Ungarn hat als erster EU-Staat begonnen, den chinesischen Sinopharm-Impfstoff zu verwenden. Premierminister Viktor Orbán gab den Beginn der Impfkampagne in einer Videonachricht auf Facebook bekannt. Die ungarische Regulierungsbehörde hatte Ende Januar als erstes Land der Europäischen Union die Notfall-Genehmigung zur Verwendung des chinesischen Corona-Impfstoffs erteilt.
Ungarische Beamte erwarten, dass der Sinopharm-Impfstoff die Impfrate des Landes ankurbelt. Diese Woche könnten bereits rund 275.000 Menschen mit dem Vakzin geimpft werden, sagte Staatssekretär György István bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Ungarn hat fünf Millionen Impfdosen von diesem Impfstoff gekauft. Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat Sinopharm bisher keinen Antrag auf Zulassung eingereicht.
Ungarns Chefärztin Cecília Müller wies einem Medienbericht zufolge Bedenken gegen den chinesischen – und russischen Impfstoff – zurück. Die “Befürchtungen” bezüglich der chinesischen und russischen Impfstoffe müssten zerstreut werden, sagte Müller. Mehr als 30 Millionen Menschen hätten diese “ohne besondere Probleme erhalten”. ari
China hat nach eigenen Angaben den Kampf gegen extreme Armut gewonnen. Präsident Xi Jinping sagte gestern, eine Woche vor Beginn des wichtigen Volkskongresses, China habe das historische “menschliche Wunder” der Beseitigung extremer Armut erreicht. “Kein anderes Land kann in so kurzer Zeit Hunderte Millionen Menschen aus der Armut befreien”, so Xi Staatsmedien zufolge bei einem Festakt. Das “chinesische Beispiel” solle auch mit anderen Entwicklungsländern geteilt werden, fügte Xi hinzu.
Der von der Kommunistischen Partei Chinas (KP Chinas) angesetzte Standard zur Definition von Armut ist jedoch stark umstritten. Um die Behauptung aufzustellen, Armut beseitigt zu haben, verwendet die chinesische Regierung dem US-Think-Tank Brookings zufolge eine Armutsgrenze von etwa 2,25 US-Dollar pro Tag. Die Weltbank geht demnach aber von einem Armut-Schwellenwert von 1,90 US-Dollar pro Tag für Länder mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 1.000 US-Dollar aus, darunter fällt beispielsweise Äthiopien.
Für Länder mit niedrigem mittleren Einkommen wie zum Beispiel Indien – mit einem Pro-Kopf-Einkommen zwischen 1.000 und rund 4.000 US-Dollar – wird eine Armutsgrenze von 3,20 US-Dollar pro Tag angesetzt. Für Länder mit höherem mittleren Einkommen wie China veranschlagt die Weltbank jedoch eine Armutsgrenze von 5,50 US-Dollar pro Tag, wie Brookings erklärt. Mit anderen Worten: China verwendet Kritiker zufolge für die Berechnungen eine Armutsgrenze, die für ein Land geeignet ist, das den Übergang vom niedrigen zum unteren mittleren Einkommen vollzieht, obwohl Chinas Einkommensniveau viel höher ist.
Nach Angaben der Weltbank aus dem Jahr 2018 hat China mehr als 800 Millionen Menschen aus der extremen Armut befreit, seit es in den 1970er Jahren zu Marktreformen kam. ari
Rot aufleuchtende Anzeigetafeln in den Aktienmärkten von Shanghai und Shenzhen verheißen Anlegern Kursgewinne. Die Farbe Grün steht für Verluste. Das ist eine der Andersartigkeiten, worin sich Chinas Börsen von denen in Europa unterscheiden, wo Grün die Farbe der Hoffnung ist. Paradox ist auch, dass sich auf dem Börsenparkett massenweise Hausfrauen und Rentner tummeln. 96 Prozent aller Anleger am Kapitalmarkt sind individuelle Personen oder Kleinstfirmen, notiert die Börsenaufsicht (China Securities Regulatory Commission). Ende 2020 hielten 177,77 Millionen Privatleute A-Aktien-Konten in China, fast doppelt so viele Klein-Spekulanten wie Deutschland Einwohner hat.
Der Massenandrang der “laobaixing” (Chinas Volk) wird vom rascheren Zufluss ausländischen Kapitals und Indexfonds angeheizt, seit Beijing von 2019 an den Zugang zu seinen Börsen erleichterte. Internationales Kapital investierte bis vergangenen August 451 Milliarden US-Dollar. Xinhua meldete, dass allein 2020 der Shanghai-Komposit-Index um fast 20 Prozent und der Index in Shenzhen um mehr als 40 Prozent stiegen.
Warum blitzt das Kursfeuerwerk in Rot? Laut Shanghais “Jiefang Ribao” wurde Rot bei der Gründung der ersten Börse im Dezember 1990 gewählt, um den “sozialistischen Aktienmarkt” in China vom Kapitalistischen Markt abzugrenzen. Einer anderen Quelle zufolge hätten die ersten Staatsmakler in Shanghai ihre Software von Taiwans Börse abgekupfert, wo Rot für Gewinne steht.
Einzelne Beispiele, warum in China vieles diametral anders als bei uns erscheint, lassen sich alle erklären, aber nicht das Phänomen einer fast in Gänze verkehrten Welt. Sprachkundige Missionare und Reisende gingen dem nach. China-Resident und Kenner William R. Kahler (1862-1941) schrieb in seinem 1910 in Shanghai erschienenen und heute als Kultbuch in den USA nachgedruckten “Chinese Hotch Potch”, er sei erst von Chinesen auf diese Frage gestoßen worden; “Warum macht ihr mit der rechten Hand alles so, was wir mit unserer Linken tun?” Kahler fand so zu seiner Theorie des “left-handedness”. Alles würde von Chinesen mit “links” gemacht, ob sie vom Pferd absteigen, sich das Kleid aufknüpfen oder Windrichtungen mit Westnord (Xibei) angeben, statt Nordwest zu sagen. Und der Kompass heiße im Chinesischen “Nadel, die nach Süden zeigt” (zhinan). Geschrieben werde von rechts nach links und gelesen werde ein Buch von hinten nach vorn. Was Wunder, dass die Trauerfarbe Weiß statt Schwarz ist und (Vor)-Namen hinter den (Nach)-Namen) stehen.
Kahler irrte. Chinesen sind gar kein Volk von Linkshändlern. Ist also alles nur Zufall? Oder steckt tiefere Bedeutung dahinter, wenn Chinesen von sich sagen, sie leben “unter dem Himmel” (tianxia), während Ausländer sich “auf der Erde” wähnen? Der in Beijing lebende, vom “Spiegel” als Weltklasse-Philosoph gewürdigte Zhao Tingyang versucht gerade, dahinter liegende Prinzipien einer Weltordnung zu ergründen. Das ist aufregend genug, um sein Buch “Alles unter einem Himmel” (Suhrkamp) auch hierzulande zum Bestseller werden zu lassen.
Der Jahrzehnte in China arbeitende Kulturforscher Richard Wilhelm, Gründer des Chinainstituts in Frankfurt, verwarf die Theorie der Verkehrten Welt. Vor 100 Jahren kritisierte er in “Die Seele Chinas”, dass die Suche nach “Verschiedenheit der kulturellen Umgebungen” oft nur dazu da sei, um europäischer “Überheblichkeit gegenüber den Chinesen” Vorschub zu leisten. “Dass die chinesischen Frauen ihre Füße schnürten statt wie die Europäerinnen ihre Hüften galt als entsetzliche Perversität- Alles was anders war, war schlecht.”
Man sollte kulturelle Andersartigkeiten, die in China vielerlei Einflüssen vom Yin-Yang Dualismus, Buddhismus bis zur höflichen Etikette ihr Entstehen verdankten, von ihrer komischen Seite nehmen, riet der Ost-West-Essayist Lin Yutang. Ihn amüsierte, wie sich Ausländer zur Begrüßung wild ihre Hände schüttelten, während Chinesen sich gesittet verbeugten und dabei nur ihre eigenen Hände drückten. Heute würde Lin ulken, dass in Zeiten von Corona darin mehr Weisheit stecke, als sich albern mit den Füßen zu kicken.
Auch dem Sinologen Jörg M. Rudolph, erster Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Beijing und Gründungspräsident der Deutschen Handelskammer in China (1999) ließ das chinesische Anderssein keine Ruhe. Rudolph, der später am Ostasieninstitut des FH Ludwigshafen lehrte, trug in seinem China-Infodienst “Xiu Cai” Beispiele dafür zusammen, “dass die chinesische Welt anders gepolt ist. Wer auf und mit dem Planeten China zurechtkommen will, muss mehr tun, als nur die Vorderseite der Kulissen zu betrachten.” In China sei das “Totenhemd” ein “Kleid des langen Lebens” (shouyi) und ein “Stehaufmännchen” ein “Mann, der nicht umfällt” (budaowen).
Die Debatte ist eröffnet, ob China und seiner Weltsicht eine Sonderstellung aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit zukommen, wie Andrew Sheng zum Jahr des Ochsen in der “South China Morning Post” fragt. Er beruft sich auf Vordenker wie Jacques Gernet und dessen Hauptwerk “Die chinesische Welt” und warnt, nicht nur auf die Herausforderung der USA und des Westens durch Chinas “Exzeptionalismus” zu achten. Auch Indien und der Islam ticken anders.
Manch Gegensätzliches ist nur grotesk. Parteihistoriker haben aufgearbeitet, wie in den Anfängen der Kulturrevolution im Juli 1966 Beijinger Rotgardisten per Revolutionsverordnung durchsetzten, dass alle Ampelanlagen von Grün auf Rot umgeschaltet wurden: “Laufen bei Rot – Stoppen bei Grün” (红灯行,绿灯停) . Das Verkehrschaos zwang den damaligen Premier Zhou Enlai die Wortführer in einer Beijinger Mittelschule aufzusuchen. Er erklärte ihnen, warum Rot für die Unfallverhütung und zum Segen des Volkes unverzichtbar sei. Die Hitzköpfe zogen ihr Dekret zurück. Chinas Verkehrte Welt wurde zumindest für Millionen Radfahrer in Beijing wieder sicher.
negroM netug – Spüren Sie das unangenehme Gefühl, das Ablehnende? Dabei ist es doch nur ein Guten-Morgen-Gruß – einfach mal von hinten nach vorn. Ein wenig so, wie Chinesen lesen. Wer das Land wirklich verstehen will, sollte das Anderssein seiner Menschen zunächst akzeptieren, schreibt Johnny Erling in seiner heutigen Kolumne. Und erst dann urteilen.
Die Herstellung leistungsfähiger Batteriezellen ist eines der Megathemen der Automobilindustrie – und in Deutschland auch politisch von höchster Priorität. Gregor Koppenburg und Jörn Petring haben sich den Weltmarktführer CATL, genauer angesehen.
Die etwas Älteren unter uns werden sich erinnern: Mindestens am Sonntag musste ein Braten auf den Tisch. Bis tief in die neunziger Jahre galt Fleisch als Wohlstandssymbol. Das ist auch in China so, schreibt Ning Wang. Nicht ausreichend oder zu teures Schweinefleisch in den Regalen lässt die Alarmglocken in Pekings Machtzentrale schrillen. Doch der Trend geht auch hier ganz langsam zum Fleischersatz, wenn auch nur bei gutverdienenden jungen Städtern.
Die Stadt Ningde im Südosten Chinas sieht auf den ersten Blick nicht wie das Zentrum für eine Schlüsseltechnologie in den Autos der Zukunft aus. Die Stadt ist von Bergen umgeben und liegt in einem bekannten Tee-Anbaugebiet. Sie ist aber auch Hauptsitz von CATL, dem mittlerweile größten Hersteller von Batterien für Elektroautos.
CATL-Chef Robin Zeng hatte ohne Frage einen guten Riecher, als er als einer der ersten Anbieter in China seine Produktion von Batterien für Smartphones und Laptops auf viel größere Zellen für E-Autos umstellte. Schon vor zehn Jahren begann Zeng mit dieser strategischen Neuausrichtung. Der Umsatz von CATL stieg in diesem Zeitraum von etwa 200 Millionen auf zuletzt 5,9 Milliarden Euro.
Zeng hat davon profitiert, dass er die Politik der chinesischen Führung richtig interpretiert hat. Mit massiven Unterstützungen für Firmen im Bereich Elektromobilität, Subventionen für E-Auto-Käufe, aber auch Fahrverboten für Benziner, hat sich die Volksrepublik in den vergangenen Jahren rasant zum Marktführer entwickelt.
Erstmals wurden 2018 in der Volksrepublik eine Million Fahrzeuge verkauft, die durch neue Energien angetrieben werden. 2020 waren es bereits mehr als 1,3 Millionen Fahrzeuge.
CATL ist im eigenen Land eindeutiger Branchenprimus. Nicht nur heimische Autobauer, sondern auch ausländische Hersteller, inklusive der meisten deutschen Autobauer und sogar Tesla, setzen auf das Unternehmen aus Ningde, dass 2020 in der Volksrepublik einen Marktanteil von knapp 50 Prozent hatte – Tendenz steigend.
Mit den stark wachsenden Verkaufszahlen von Elektroautos will CATL seine eigenen Batteriekapazitäten weiter massiv ausbauen. Auch will der Konzern weltweit stark expandieren. CATL plant so Markteintritte in Japan, Indonesien, in die USA und auch Europa. Deutschland spielt die Schlüsselrolle für den europäischen Markt. Bereits im Oktober 2019 begannen Chinesen mit dem Bau einer Fabrik in Erfurt. Das Werk, in das CATL gut 1,8 Milliarden Euro investiert, soll 2022 den Betrieb aufnehmen.
BMW will den Erfurtern Akkus im Wert von 1,5 Milliarden Euro abnehmen. Bis zu 2000 Mitarbeiter könnten in der Fabrik beschäftigt werden. Auch mit Daimler hat CATL eine Partnerschaft vereinbart. So soll etwa die elektrische Limousine Mercedes-Benz EQS mit CATL-Zellen ausgestattet werden. Auch wollen die Unternehmen gemeinsam an Lithium-Ionen-Zellen forschen.
Die deutschen Hersteller halten große Stücke auf CATL. So sagte VW-Chef Herbert Diess kürzlich in einem Interview mit der Wirtschaftswoche, dass er, damals noch als BMW-Manager, bereits vor zehn Jahren erste Gespräche mit CATL geführt habe. Damals produzierten die Chinesen hauptsächlich noch Batterien für Smartphones. CATL habe “zunächst abgewunken”, Akkus für E-Autos zu produzieren. Heute sei CATL, wie der VW-Chef erklärt, “nicht nur der größte, sondern auch der innovativste Batteriehersteller der Welt”.
Die Zellen von CATL gelten nicht nur als günstig, sondern auch als technologisch fortschrittlich. Die Chinesen wollen die Reichweite der Batterien entscheidend steigern. Zudem sollen die Ladezeiten kürzer werden, was für den Fahrer von Elektroautos mehr Komfort bedeuten würde. CATL arbeitet außerdem an einer Batterie mit extrem langer Lebensdauer: 16 Jahre oder zwei Millionen gefahrene Kilometer sollen künftige Batteriegenerationen im Einsatz sein.
VW-Chef Diess sei “immer davon ausgegangen, dass bei den Batterien in wenigen Jahren eine Industrie entstehen wird, die so viel Umsatz hat, wie die Zulieferer in Summe haben”. Auch die Befürchtung niedriger Margen habe sich “nicht bewahrheitet”. Die operative Marge von CATL liege “im zweistelligen Bereich”.
Wie das Manager Magazin berichtet, können Diess und sein früherer Arbeitgeber BMW durchaus einen Anteil am heutigen Erfolg von CATL für sich beanspruchen. Nachdem man 2012 eine offizielle Kooperation gestartet habe, sei die Qualität der Zellen nicht ausreichend gewesen.
Doch dann griffen deutsche Ingenieure ein. “In kürzester Zeit halfen die Deutschen, CATL auf ein ansehnliches technologisches Niveau zu bringen. Ganze Teams flogen regelmäßig aus Shenyang, dem Sitz des BMW-Joint-Ventures, und München ein”, so das Magazin.
Nicht nur Chinas knallharte Industriepolitik, sondern auch bereitwillige Hilfe aus Deutschland hat CATL demnach dabei geholfen, zum Weltmarktführer einer Zukunftstechnologie aufzusteigen. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
01.03.2021, 18:15 Uhr
Vortrag, Konfuzius-Institut Berlin Neue Seidenstraße – Zur politischen Ökonomie eines Jahrhundertprojekts Anmeldung
02.03.2021, 12:00-13:00 Uhr
Oxford Diskussion, Asia Society Switzerland Will East Asia Lead the Way Beyond This Pandemia? Mehr
03.03.2021, 8:30-9:30 Uhr
Vortrag, Chinaforum Bayern Ab die Post – Wie Corona den Onlinehandel in China beeinflusst. Mehr
03.03.2021, 10:00-11:00 Uhr
Vortrag, DCW Zwischen Dual Circulation und Decoupling: Effekte chinesischer Industriepolitik auf deutsche Unternehmen. Mehr
03.03.2021, 12:30-1:45 Uhr PM (EST)
Buchvorstellung, Harvard University China´s corrupt Meritocracy Mehr
04.03.2021, 10:00-11:30 Uhr
Webinar, EUCCC China´s 14th Five-Year-Plan Anmeldung
04.03.2021, 10:00-12:00 Uhr
Diskussion, IHK Frankfurt IT-Sicherheit im China-Geschäft Mehr
Ein Fleischgericht muss zu jeder Mahlzeit auf den Tisch, wenn es nach Frau Li (57) aus Peking geht. Sie kocht für sich und ihren Mann, ihre 74-jährige Mutter und ihre Tochter samt Enkelkind. Fast täglich geht sie daher auf den Markt nahe des Gongti-Stadiums einkaufen. Der Fleischkonsum gehört zum Alltag. Dass die Schweinefleischpreise gerade wieder stark schwanken, wundert sie nicht. Im Norden Chinas kam es zu neuen Fällen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und Landwirte haben vor dem chinesischen Neujahrsfest mehr geschlachtet als sonst, denn vor den Feiertagen wird Schweinefleisch stärker nachgefragt. Schweinefleisch ist daher auch einer der großen Treiber der Inflation in China: Laut dem Nationalen Statistikamt (NBS) stiegen die Preise für Lebensmittel im vergangenen Jahr um 1,2 Prozent, wobei die Kosten für frisches Fleisch um 7,1 Prozent und die Preise für Schweinefleisch um 49,7 Prozent stiegen.
Grund ist die 2018 in China ausgebrochene Afrikanische Schweinepest (ASP). Die Rabobank schätzt, dass China etwa 35 bis 40 Prozent seiner Schweinepopulation aufgrund der ASP gekeult hat, was rund 20 Prozent des weltweiten Schweinebestands entspricht. Schweinefleisch aber gehört fast in jedes Gericht, ob mit oder ohne Gemüse und die konstant hohe Nachfrage bei sinkendem Angebot ließ den Preis für Schweinefleisch teils um über 100 Prozent steigen.
Damit die steigenden Fleischpreise nicht zu Unmut in der Bevölkerung führen, wurde die “Fleischreserve” des Landes freigegeben. Von Dezember letzten Jahres bis Ende Januar wurden insgesamt 180.000 Tonnen Schweinefleisch auf den Markt gebracht. In den beiden Februarwochen vor dem Neujahrsfest gingen zusätzlich 60.000 Tonnen in den Verkauf.
Um die Nachfrage zu decken, importiert Peking große Mengen Fleisch aus dem Ausland. Einer der größten Zulieferer ist Spanien. Im vergangenen Jahr hat das Land 933.940 Tonnen Schweinefleisch nach China exportiert, da sei fast dreimal so viel wie im Jahr 2019, sagte Markus Fiebelkorn, Marktexperte beim dänischen Branchenverband Danske Svineproducenter bei einer Präsentation auf der digitalen Messe EuroTier. Die USA exportierten im Jahr 2020 696.086 Tonnen Schweinefleisch und Deutschland 462.346 Tonnen nach China.
Nicht nur Schweinefleisch wurde eingekauft, sondern auch Futtermittel, um die eigenen Schweinebestände im Land nach der Schweinepest wieder aufzubauen. Futtergetreide aus den USA war in den vergangenen Monaten so sehr nachgefragt, dass es in Nordamerika zu einem massiven Mangel an Futtergetreide kam. Das US-Landwirtschaftsministerium schätzt, dass China im Jahr 2021 über 17 Millionen Tonnen Mais importieren wird, gegenüber 7,6 Millionen Tonnen im Jahr 2020.
Die Regierung in Peking plant, den Fleischkonsum der Bürger bis zum Jahr 2030 zu halbieren – vor allem aus Gesundheitsgründen. Auch deswegen drängen immer mehr Hersteller pflanzlicher Fleischersatzprodukte auf den chinesischen Markt. Die Daten des Marktforschungsunternehmens Euromonitor zeigen, dass der Markt für Produkte wie Fleisch auf Pflanzenbasis zwischen 2014 und 2018 um 33,5 Prozent auf 9,7 Milliarden US-Dollar angestiegen ist. Die Experten von Euromonitor gehen davon aus, dass die Branche bis 2023 einen Wert von rund zwölf Milliarden US-Dollar haben wird.
Die US-Anbieter für Fleischersatz, Impossible Foods und Beyond Meat, haben ihre Produktion in China zuletzt erweitert und auch Nestlé gab 2020 Pläne für die Produktion veganer Produkte in der Nähe von Tianjin bekannt.
Gemeinsam mit der Kaffeehauskette Starbucks bietet Beyond Meat in China pflanzenbasierte Fleischmenüs an. Heimische Anbieter für Schweinefleischersatz wie OmniPork sind in ganz China in Tausenden von Taco Bell- und Starbucks-Filialen erhältlich. Selbst Schulkantinen bieten pflanzlichen Fleischersatz an.
Ein großes Hindernis für die Steigerung des Marktanteils dieser Anbieter sind besonders die im Vergleich zur Fleischherstellung höheren Kosten und damit verbundenen höheren Preise – insbesondere bei preisempfindlichen Verbrauchern. Nur die besonders gut ausgebildeten jungen Leute in Städten wie Shenzhen, Shanghai, Peking sind bereit, die Ersatzprodukte zu probieren, so Studien aus China.
David Yeung, der gerade in Shanghai das Restaurant Green Common eröffnet hat und dort nur Gerichte mit Fleisch auf Pflanzenbasis anbietet, sagte gegenüber dem Time Magazin: “Nach den letzten Jahren ist es kein Geheimnis, dass die Fleischproduktion unendlich riskant ist. Krankheiten und extreme Klimaprobleme werden sich leider nicht ändern, wenn wir uns nicht verändern”, so seine Einschätzung.
Doch die Motive für den Fleischverzicht in China unterscheiden sich noch sehr von denen im Westen: So hat die Hochschule Fresenius schon 2019 in einer Studie die Gründe untersucht, warum Menschen angaben, weniger Fleisch essen zu wollen: Während in Deutschland vor allem ethische Gründe und das Tierwohl im Vordergrund standen, wie aber auch Klima- und Naturschutz, gaben in China 64 Prozent der Befragten gesundheitliche Gründe als ausschlaggebend für eine Ernährung mit weniger Fleisch an. Gerade mal zwei Prozent gaben Naturschutz und immerhin sieben Prozent Tierschutz als Motiv an.
In China wird pro Kopf über 50 Kilogramm Fleisch im Jahr konsumiert und nur 50 Millionen der 1,4 Milliarden Chinesen sehen sich als Vegetarier. Frau Li selbst sagt, sie esse weniger Fleisch, da sie der Meinung ist, dass es dick mache und zu viel Fleisch ungesund sei. Ihrer Enkelin Fleischgerichte zu kochen, bereitet ihr dennoch große Freude. Frau Li möchte der nachfolgenden Generation damit auch zeigen, wie gut sie es nun haben. In ihrer eigenen Kindheit gab es nicht täglich Fleisch. Das ist nun anders.
Geplant war der Mobile World Congress (MWC), die größte Mobilfunkmesse der Welt, eigentlich in Barcelona. Corona-bedingt wurde sie jedoch in das kaum noch vom Virus betroffene China – nach Shanghai – verlegt. Heute geht sie zu Ende. Von der Stadtregierung wurde die Besucherzahl auf 20.000 limitiert. Zutritt hatte allerdings nur, wer einen maximal 72 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen kann. Wer aus dem Ausland kommt, muss zusätzlich für mindestens 14 Tage in strikte Quarantäne. Deswegen haben sich die meisten westlichen Branchenvertreter nur per Videoschalte beteiligt.
200 Aussteller zeigten ihre Produkte, die auf Technologien wie 5G, Internet of Things und Blockchain basieren. Rund 150 Keynote-Speaker tauschten sich über den Status Quo der technologischen Entwicklung mit den Experten aus.
Eines der Kernthemen war die Verbreitung der 5G-Technologie und Liu Liehong, der Vizeminister des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie, nutzte die Messe zum Selbstlob: Rund 40 Milliarden Dollar habe man bereits investiert und 718.000 5G-Basisstationen gebaut. Das sei mehr als der Rest der Welt zusammen, berichtet außerdem die South China Morning Post. Chinas globaler Anteil der 5G-Verbindungen belaufe sich damit derzeit auf 87 Prozent, schreibt die internationalen Telekom-Branchenvereinigung GSMA in einer zur Messe veröffentlichten Studie.
Die Technologie werde von den Menschen in China schneller angenommen als anderswo auf der Welt, erklärt das Marktforschungsunternehmen International Data Corporation (IDC). Demnach sind in China 2020 mehr als 167,5 Millionen 5G-Smartphones verkauft worden, 53 Prozent der gesamten chinesischen Smartphone-Auslieferungen des vergangenen Jahres.
“Bis 2025 werden 55 Prozent von Chinas Sozialprodukt durch die digitale Wirtschaft erwirtschaftet”, erklärte Ken Hu, der derzeit amtierende Vorstandsvorsitzende von Huawei. Frank Meng, der Chinapräsident des US-Chip-Herstellers Qualcomm, geht davon aus, dass die chinesische Wirtschaft mit der neusten 5G-Technologie bis 2034 über 100 Milliarden US-Dollar zusätzlichen Gewinn machen werde. Yang Jie, der Präsident von China Mobile, der Mobilfunkanbieter mit den meisten Kunden weltweit, spricht wiederum davon, dass 5G der “Katalysator” der 4. Industriellen Revolution sei.
Während das 5G-Geschäft offenbar sehr gut läuft, hat Platzhirsch Huawei Branchenkennern zufolge bei den Smartphones selbst ein hartes Jahr vor sich. Huawei habe Bestellungen bei seinen Zulieferern dramatisch reduziert. Deshalb werde mit einem Einbruch von 60 Prozent bei den Verkäufen gerechnet. Ein Huawei-Sprecher wollte diese Berichte nicht kommentieren. Auf Grund von US-Sanktionen, die in der Amtszeit des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verhängt wurden, kann Huawei weder Googles Mobile Services nutzen noch die amerikanischen 5G-Chips. Damit sind die Smartphones kaum wettbewerbsfähig.
Die Verkäufe sind bereits im vergangenen Jahr 2020 um 20 Prozent eingebrochen. Zudem war Huawei gezwungen, seine preiswerte Marke Honor zu verkaufen. Huawei war allerdings im 4. Quartal des vergangenen Jahres noch immer Chinas Markführer bei den Smartphones.
Trotz der Probleme hat Huawei mit dem X2 ein neues Smartphone mit faltbarem Bildschirm herausgebracht. Dabei “eifert Huawei nun dem Samsung-Klapphandy nach”, so Computer Bild, schafft allerdings zusammengeklappt ein deutlich flacheres Design, ohne dass man beim Ausklappen Störungen auf dem Bildschirm sieht.
Ansonsten konzentriert sich Huawei wie alle Hersteller auf die Vernetzung der Umwelt seiner Kunden. Fast alles in der Wohnung oder im Auto kann nun auf Basis smarter auf Künstlicher Intelligenz basierte Technologie gesteuert werden, oft schon über einfache Gesten oder Sprachbefehle. Wie auf der Messe verkündet, wurde wird Mercedes-Benz seine neue S-Klasse nicht wie in Deutschland mit einem eigenen OS namens MBUX verkaufen, sondern mit dem Huawei Mobile Services (HMS) ausliefern, einer intelligenten Cloudlösung für Autos. Huawei stellte in Shanghai auch seine Cyberverse-App vor. Die neue App integriert virtuelle und physische Realitäten übergangslos. Fast wichtiger noch: Inzwischen hat Huawei nach eigenen Angaben über 1000 5G-Verträge in zwanzig Industrien abgeschlossen. Da zeigt sich deutlich, wo der Trend liegt, nämlich in der digitalen Transformation von Branchen mithilfe einer 5G-Infrastruktur. Das ist das große Thema auch für den deutschen Mittelstand.
Auch die Deutsche Telekom zeigte auf der Messe, wie sie ihre Kunden tiefgreifender vernetzen will. Hubraum, der Technologie-Inkubator der Telekom, arbeitet dabei nun mit dem Pekinger Startup und Hersteller von Mixed -Reality-Brillen, Nreal, zusammen. Ein Sprecher der Deutsche Telekom zeigte sich überzeugt, dass XR in Kombination mit 5G und Edge Computing “die nächste große Sache” wird für digitale Interaktion: “Mit diesem Gerät wird der Massenmarkt endlich möglich.” Unter XR (Extended Reality) werden immersive Technologien zusammengefasst, also virtual Reality, Augmented Reality, Mixed Reality, 360-Grad-Video, Technologien also, die den User tief in eine virtuelle Welt integrieren. In einer “Heads-up-Gesellschaft” könnte die XR-Brille schließlich eine Alternative zum Smartphone werden.
Laut dem Mobilfunk-Interessenvertreter GSMA hat das Coronavirus den Trend hin zu mehr Online-Services in China noch verstärkt. Auf dem Höhepunkt der Epidemie in China hätten 78 Prozent der Verbraucher ihren Konsum auf Online-Angebote umgestellt. Rund 200 Millionen Menschen hätten ihre Arbeit von Zuhause erledigt. Im März 2020 sei der mobile Datenverkehr in China um 40 Prozent höher gewesen als im Vorjahreszeitraum. Allein im Epizentrum Wuhan sei der Online-Traffic sogar kurzzeitig um 70 Prozent angestiegen. In den Sektoren Online-Bildung, Gesundheitswesen und Einzelhandel nutzen 85 Prozent aller chinesischen Unternehmen mittlerweile Cloud-Services. Der Großteil davon stieg erst 2020 ein. Auch Kontaktlose Online-Zahlungen seien für noch mehr Chinesen zur Selbstverständlichkeit geworden: Laut einer GSMA-Umfrage nutzen 46 Prozent aller chinesischen Smartphone-User heute mindestens einmal pro Woche mobile Zahlungslösungen. In den USA sind es nur 20 Prozent.
Doch nicht nur China profitiert. Laut GSMA können 5G-Investitionen helfen, der Weltwirtschaft nach der Pandemie wieder auf die Beine zu helfen. Demnach könnten 5G-Upgrades bis zum Jahr 2030 jährlich mehr als 600 Milliarden US-Dollar zur Weltwirtschaft beitragen. Das sind ungefähr 2,1 Prozent des für das kommende Jahrzehnt erwarteten Einkommenszuwachses in allen Branchen und Wirtschaftssektoren. In einem Test wurde auf der Messe bereits die Nachfolge Generation der gegenwärtigen 5G Technologie vorgestellt. Sie ist vier Mal so schnell.
Ungarn hat als erster EU-Staat begonnen, den chinesischen Sinopharm-Impfstoff zu verwenden. Premierminister Viktor Orbán gab den Beginn der Impfkampagne in einer Videonachricht auf Facebook bekannt. Die ungarische Regulierungsbehörde hatte Ende Januar als erstes Land der Europäischen Union die Notfall-Genehmigung zur Verwendung des chinesischen Corona-Impfstoffs erteilt.
Ungarische Beamte erwarten, dass der Sinopharm-Impfstoff die Impfrate des Landes ankurbelt. Diese Woche könnten bereits rund 275.000 Menschen mit dem Vakzin geimpft werden, sagte Staatssekretär György István bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Ungarn hat fünf Millionen Impfdosen von diesem Impfstoff gekauft. Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat Sinopharm bisher keinen Antrag auf Zulassung eingereicht.
Ungarns Chefärztin Cecília Müller wies einem Medienbericht zufolge Bedenken gegen den chinesischen – und russischen Impfstoff – zurück. Die “Befürchtungen” bezüglich der chinesischen und russischen Impfstoffe müssten zerstreut werden, sagte Müller. Mehr als 30 Millionen Menschen hätten diese “ohne besondere Probleme erhalten”. ari
China hat nach eigenen Angaben den Kampf gegen extreme Armut gewonnen. Präsident Xi Jinping sagte gestern, eine Woche vor Beginn des wichtigen Volkskongresses, China habe das historische “menschliche Wunder” der Beseitigung extremer Armut erreicht. “Kein anderes Land kann in so kurzer Zeit Hunderte Millionen Menschen aus der Armut befreien”, so Xi Staatsmedien zufolge bei einem Festakt. Das “chinesische Beispiel” solle auch mit anderen Entwicklungsländern geteilt werden, fügte Xi hinzu.
Der von der Kommunistischen Partei Chinas (KP Chinas) angesetzte Standard zur Definition von Armut ist jedoch stark umstritten. Um die Behauptung aufzustellen, Armut beseitigt zu haben, verwendet die chinesische Regierung dem US-Think-Tank Brookings zufolge eine Armutsgrenze von etwa 2,25 US-Dollar pro Tag. Die Weltbank geht demnach aber von einem Armut-Schwellenwert von 1,90 US-Dollar pro Tag für Länder mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 1.000 US-Dollar aus, darunter fällt beispielsweise Äthiopien.
Für Länder mit niedrigem mittleren Einkommen wie zum Beispiel Indien – mit einem Pro-Kopf-Einkommen zwischen 1.000 und rund 4.000 US-Dollar – wird eine Armutsgrenze von 3,20 US-Dollar pro Tag angesetzt. Für Länder mit höherem mittleren Einkommen wie China veranschlagt die Weltbank jedoch eine Armutsgrenze von 5,50 US-Dollar pro Tag, wie Brookings erklärt. Mit anderen Worten: China verwendet Kritiker zufolge für die Berechnungen eine Armutsgrenze, die für ein Land geeignet ist, das den Übergang vom niedrigen zum unteren mittleren Einkommen vollzieht, obwohl Chinas Einkommensniveau viel höher ist.
Nach Angaben der Weltbank aus dem Jahr 2018 hat China mehr als 800 Millionen Menschen aus der extremen Armut befreit, seit es in den 1970er Jahren zu Marktreformen kam. ari
Rot aufleuchtende Anzeigetafeln in den Aktienmärkten von Shanghai und Shenzhen verheißen Anlegern Kursgewinne. Die Farbe Grün steht für Verluste. Das ist eine der Andersartigkeiten, worin sich Chinas Börsen von denen in Europa unterscheiden, wo Grün die Farbe der Hoffnung ist. Paradox ist auch, dass sich auf dem Börsenparkett massenweise Hausfrauen und Rentner tummeln. 96 Prozent aller Anleger am Kapitalmarkt sind individuelle Personen oder Kleinstfirmen, notiert die Börsenaufsicht (China Securities Regulatory Commission). Ende 2020 hielten 177,77 Millionen Privatleute A-Aktien-Konten in China, fast doppelt so viele Klein-Spekulanten wie Deutschland Einwohner hat.
Der Massenandrang der “laobaixing” (Chinas Volk) wird vom rascheren Zufluss ausländischen Kapitals und Indexfonds angeheizt, seit Beijing von 2019 an den Zugang zu seinen Börsen erleichterte. Internationales Kapital investierte bis vergangenen August 451 Milliarden US-Dollar. Xinhua meldete, dass allein 2020 der Shanghai-Komposit-Index um fast 20 Prozent und der Index in Shenzhen um mehr als 40 Prozent stiegen.
Warum blitzt das Kursfeuerwerk in Rot? Laut Shanghais “Jiefang Ribao” wurde Rot bei der Gründung der ersten Börse im Dezember 1990 gewählt, um den “sozialistischen Aktienmarkt” in China vom Kapitalistischen Markt abzugrenzen. Einer anderen Quelle zufolge hätten die ersten Staatsmakler in Shanghai ihre Software von Taiwans Börse abgekupfert, wo Rot für Gewinne steht.
Einzelne Beispiele, warum in China vieles diametral anders als bei uns erscheint, lassen sich alle erklären, aber nicht das Phänomen einer fast in Gänze verkehrten Welt. Sprachkundige Missionare und Reisende gingen dem nach. China-Resident und Kenner William R. Kahler (1862-1941) schrieb in seinem 1910 in Shanghai erschienenen und heute als Kultbuch in den USA nachgedruckten “Chinese Hotch Potch”, er sei erst von Chinesen auf diese Frage gestoßen worden; “Warum macht ihr mit der rechten Hand alles so, was wir mit unserer Linken tun?” Kahler fand so zu seiner Theorie des “left-handedness”. Alles würde von Chinesen mit “links” gemacht, ob sie vom Pferd absteigen, sich das Kleid aufknüpfen oder Windrichtungen mit Westnord (Xibei) angeben, statt Nordwest zu sagen. Und der Kompass heiße im Chinesischen “Nadel, die nach Süden zeigt” (zhinan). Geschrieben werde von rechts nach links und gelesen werde ein Buch von hinten nach vorn. Was Wunder, dass die Trauerfarbe Weiß statt Schwarz ist und (Vor)-Namen hinter den (Nach)-Namen) stehen.
Kahler irrte. Chinesen sind gar kein Volk von Linkshändlern. Ist also alles nur Zufall? Oder steckt tiefere Bedeutung dahinter, wenn Chinesen von sich sagen, sie leben “unter dem Himmel” (tianxia), während Ausländer sich “auf der Erde” wähnen? Der in Beijing lebende, vom “Spiegel” als Weltklasse-Philosoph gewürdigte Zhao Tingyang versucht gerade, dahinter liegende Prinzipien einer Weltordnung zu ergründen. Das ist aufregend genug, um sein Buch “Alles unter einem Himmel” (Suhrkamp) auch hierzulande zum Bestseller werden zu lassen.
Der Jahrzehnte in China arbeitende Kulturforscher Richard Wilhelm, Gründer des Chinainstituts in Frankfurt, verwarf die Theorie der Verkehrten Welt. Vor 100 Jahren kritisierte er in “Die Seele Chinas”, dass die Suche nach “Verschiedenheit der kulturellen Umgebungen” oft nur dazu da sei, um europäischer “Überheblichkeit gegenüber den Chinesen” Vorschub zu leisten. “Dass die chinesischen Frauen ihre Füße schnürten statt wie die Europäerinnen ihre Hüften galt als entsetzliche Perversität- Alles was anders war, war schlecht.”
Man sollte kulturelle Andersartigkeiten, die in China vielerlei Einflüssen vom Yin-Yang Dualismus, Buddhismus bis zur höflichen Etikette ihr Entstehen verdankten, von ihrer komischen Seite nehmen, riet der Ost-West-Essayist Lin Yutang. Ihn amüsierte, wie sich Ausländer zur Begrüßung wild ihre Hände schüttelten, während Chinesen sich gesittet verbeugten und dabei nur ihre eigenen Hände drückten. Heute würde Lin ulken, dass in Zeiten von Corona darin mehr Weisheit stecke, als sich albern mit den Füßen zu kicken.
Auch dem Sinologen Jörg M. Rudolph, erster Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Beijing und Gründungspräsident der Deutschen Handelskammer in China (1999) ließ das chinesische Anderssein keine Ruhe. Rudolph, der später am Ostasieninstitut des FH Ludwigshafen lehrte, trug in seinem China-Infodienst “Xiu Cai” Beispiele dafür zusammen, “dass die chinesische Welt anders gepolt ist. Wer auf und mit dem Planeten China zurechtkommen will, muss mehr tun, als nur die Vorderseite der Kulissen zu betrachten.” In China sei das “Totenhemd” ein “Kleid des langen Lebens” (shouyi) und ein “Stehaufmännchen” ein “Mann, der nicht umfällt” (budaowen).
Die Debatte ist eröffnet, ob China und seiner Weltsicht eine Sonderstellung aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit zukommen, wie Andrew Sheng zum Jahr des Ochsen in der “South China Morning Post” fragt. Er beruft sich auf Vordenker wie Jacques Gernet und dessen Hauptwerk “Die chinesische Welt” und warnt, nicht nur auf die Herausforderung der USA und des Westens durch Chinas “Exzeptionalismus” zu achten. Auch Indien und der Islam ticken anders.
Manch Gegensätzliches ist nur grotesk. Parteihistoriker haben aufgearbeitet, wie in den Anfängen der Kulturrevolution im Juli 1966 Beijinger Rotgardisten per Revolutionsverordnung durchsetzten, dass alle Ampelanlagen von Grün auf Rot umgeschaltet wurden: “Laufen bei Rot – Stoppen bei Grün” (红灯行,绿灯停) . Das Verkehrschaos zwang den damaligen Premier Zhou Enlai die Wortführer in einer Beijinger Mittelschule aufzusuchen. Er erklärte ihnen, warum Rot für die Unfallverhütung und zum Segen des Volkes unverzichtbar sei. Die Hitzköpfe zogen ihr Dekret zurück. Chinas Verkehrte Welt wurde zumindest für Millionen Radfahrer in Beijing wieder sicher.