unser heutiger Interview-Partner Wang Zichen von der nicht staatlichen chinesischen Denkfabrik Center for China and Globalization spricht nicht für die Regierung in Peking. Allerdings kann man sicher sein, dass Wang der Regierung auch nicht stark widerspricht. Dazu ist der Meinungskorridor innerhalb der Volksrepublik viel zu sehr geschrumpft worden von Xi Jinping und seinem Regime.
Dieser Logik folgend legt Wang interessante Vorschläge auf den Tisch, deren Verlautbarung in Peking wohl auf Zustimmung stoßen dürfte. Im Gespräch mit Michael Radunski erklärt er, unter welchen Umständen Chinas Regierung höchstwahrscheinlich Bereitschaft signalisieren würde, im Ukraine-Krieg ihren Einfluss auf Russland stärker geltend zu machen. Eine Wiederbelebung des Investitionsabkommens CAI oder eine Rehabilitierung von Huawei als Netzwerkausrüster wären Köder, die Pekings Aufmerksamkeit gewinnen könnten.
Das dürfte verlockend klingen in den Ohren mancher EU-Politiker. Aber es sollte auch klar sein, dass China seine Trümpfe nicht unter Wert verkauft. Deswegen ist sorgfältig abzuwägen, welchen Preis Europa und die USA für größeres chinesisches Engagement zu zahlen bereit wären.
Derweil wirft Fabian Kretschmer für uns einen Blick nach Südchina, wo sich Muslime der Hui-Minderheit wohl vergebens gegen den Teilabriss einer Moschee gewehrt haben. Die totale physische und digitale Isolation der Ortschaft lässt diese Vermutung zu. Das Beispiel zeigt, dass Chinas Integrationspolitik keine Kompromisse zulässt, sondern eine totale ideologische Unterordnung aller Ethnien vorantreibt. Als gelungene Methode, den Extremismus zu bekämpfen, dürfte die Abrissbirne jedoch scheitern.
Herr Wang, wir befinden uns im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs – und China ist mit dem Vorschlag nach Friedensgesprächen vorgetreten. Gleichzeitig unterhält die Führung in Peking allerdings eine “grenzenlose” Freundschaft mit Russland. Wie ernst ist Chinas Initiative gemeint?
Ich glaube, China meint es ziemlich ernst. Es hat sein politisches Gewicht in die Waagschale geworfen und einen Sondergesandten in die Ukraine und fünf weitere Ziele entsandt. Und was das “grenzenlose” Verhältnis zu Russland angeht: Der chinesische Gesandte in Brüssel hat klargestellt, dass es sich dabei lediglich um Rhetorik handele. Ich denke, Peking ist nicht glücklich darüber, was in der Ukraine vor sich geht.
Aber ist China bereit, seinen Einfluss auf Putin auch zu nutzen?
Ich verstehe, dass viele im Westen darauf bestehen, China hätte einen enormen Einfluss und könne Moskau unter Druck setzen. Aber die Realität ist viel komplizierter. Die Chinesen haben nicht das Gefühl, dass sie Moskau zu stark in eine Richtung drängen können.
Andererseits wäre Putin ohne die Unterstützung Chinas in großen Schwierigkeiten.
Lassen Sie es mich so formulieren: Wann immer ein Chinese auf der Weltkarte auf China schaut, sieht er oder sie ein übermächtiges Russland, ein riesiges Land direkt oberhalb von China. Russland hatte im gesamten 20. Jahrhundert einen enormen Einfluss auf China. Nach vielen Problemen sind die beiden Länder erst in den vergangenen rund zehn Jahren zu engen geopolitischen Partnern geworden – insbesondere im Hinblick auf das, was sie als Eindämmung und Einkreisung durch die USA empfinden. Russlands Wirtschaft mag inzwischen vielleicht nur noch in etwa so stark sein wie das der Provinz Guangdong, aber in den Augen Chinas handelt es sich immer noch um eine Supermacht mit einem großen Nukleararsenal und hoch entwickelter Technologie. Und vergessen Sie nicht: Die Grenze zwischen China und Russland ist tausende Kilometer lang, die bei guten Beziehungen nicht sonderlich stark bewacht werden muss.
Aber um ernsthaft für Friedensgespräche zu werben…
Was die Initiative für eine politische Lösung betrifft: China hat sich in der Vergangenheit nicht in Krisen eingemischt, schon gar nicht dort, wo China nicht beteiligt ist – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die sich gerne wie der Weltpolizist verhalten. Chinas Außenpolitik basiert seit den 1950er-Jahren auf Nichteinmischung. Daher muss es nun einen eigenen Ansatz entwickeln.
Durchaus, aber um ein ehrlicher Makler zu sein, bedarf es zumindest ein wenig Distanz zu Russland.
Derartige Forderungen des Westens bedeuten für China, große Opfer bezüglich seiner eigenen Interessen zu bringen, am Ende gar Russland zu verärgern. Wenn China diesen Forderungen nachkommen und Russland sanktionieren würde, würde das bedeuten, dass China hohe Kosten für etwas tragen müsste, das es nicht verursacht hat.
Warum ist China so zurückhaltend?
Nicht nur China. Schauen Sie sich die Abstimmungen bei den Vereinten Nationen an: Mehr als 140 Länder haben Russlands Invasion in der Ukraine verurteilt. Aber wenn man sich ansieht, wer Sanktionen gegen Russland verhängt hat, bleiben im Grunde lediglich etwas mehr als 40 Länder – und 27 davon sind EU-Mitgliedstaaten. Kein Land des Globalen Südens hat sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen, so auch nicht China, Indien und Brasilien. Die überwältigende Mehrheit der Welt, insbesondere die ärmeren Länder, fühlt sich nicht verpflichtet, die Kosten für etwas zu tragen, von dem sie glaubt, dass sie es nicht begonnen haben.
Wie wichtig ist dieser Krieg überhaupt für Länder in Asien und dem Rest der Welt?
Ich verstehe absolut, dass er für die EU sehr wichtig ist, speziell für die osteuropäischen Länder, die an die Ukraine angrenzen, da sie nach dem ukrainischen Volk die zweitgrößten Opfer sind. Ich habe 29 Monate in Europa gelebt und bewundere das europäische Projekt, es ist ein Friedensprojekt. Aber für weit entfernte Länder ist der Konflikt etwas, was die Leute im Fernsehen und in den sozialen Medien sehen. Hinzu kommt, dass die Europäische Union durch ihre Geschichte und den Kalten Krieg seit vielen Jahren daran gewöhnt ist, sich vor russischen Truppen zu schützen. Aber diese Geschichte wird in anderen Teilen der Welt nicht geteilt. Und zu guter Letzt, was vielleicht noch wichtiger ist: Die Länder des globalen Südens teilen eine gemeinsame Geschichte des Kolonialismus. Sie teilen das Gefühl, dass die entwickelten Länder sich nicht so verhalten haben, wie sie sollten. All das mündet in einem Gefühl der Distanz zu diesem Konflikt.
Krieg ist überall auf der Welt schlecht, für alle. Deshalb sollte er schnell enden.
Ja. Aber die USA und Europa üben nur Druck auf China aus. Es ist ihnen bislang nicht gelungen, auch Anreize zu schaffen, um China auf ihre Seite zu ziehen. Gerade für Europa wäre es pragmatischer, Anreize zu setzen.
Inwiefern Europa?
Weil zwischen China und den USA ein sehr harter Wettbewerb tobt, der noch eine ganze Weile anhalten wird. Zudem will Peking ganz offensichtlich, dass Europa sich von seinem transatlantischen Partner distanziert und es näher an China heranrückt. Europa verfügt also über einen gewissen Einfluss gegenüber einem darauf erpichten China.
Was könnte oder sollte Europa anbieten?
Chinas Botschafter in Brüssel hat bereits mehrmals gesagt, dass China das umfassende Investitionsabkommen CAI wieder auf den Tisch bringen möchte und offen für Vorschläge sei. Ich denke, Europa ist tatsächlich in der Lage, Anreize für China zu schaffen, anstatt China nur unter Druck zu setzen.
CAI könnte den Unterschied machen?
Wenn Europa diese Idee in Betracht ziehen würde, gäbe es meiner Meinung nach viele Optionen.
Was meinen Sie?
Zum Beispiel die Rücknahme der von den USA initiierten Beschränkungen für Huawei und ZTE. Oder den Verzicht darauf, sich den USA bei Exportkontrollen im Bereich Technologie anzuschließen. Das würde starke strategische Signale der Autonomie aussenden. Das wiederum könnte gut zusammenpassen mit einem China, das sich für die Verwirklichung europäischer und ukrainischer Ziele einsetzt, etwa den Austausch von Kriegsgefangenen, die Einrichtung humanitärer Korridore für Zivilisten, die Rückführung ukrainischer Kinder und letztendlich für einen Waffenstillstand und Frieden.
Wang Zichen ist stellvertretender Direktor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for China and Globalization (CCG), einem führenden nichtstaatlichen Thinktank in China.
Nur wenige Stunden nach dem Morgengebet in der Najiaying-Moschee in Nagu rückten die Bulldozer an. Bewacht wurden sie von mehreren hundert Sicherheitskräften, die umgehend den Eingang zum Gebetshaus in der südchinesischen Provinz Yunnan absperrten und ein Gerüst um die Fassade errichteten. Auch eine Einheit der Volksbefreiungsarmee brachte sich in Position. Ihr Auftrag: das muslimische Religionsgebäude in der südchinesischen Provinz Yunnan zu “säubern”. Vier Minarette und die riesige Eingangskuppel sollten entfernt werden.
Doch die Dorfbewohner, Mitglieder der muslimischen Hui-Minorität, wehrten sich. Sie rissen Bauzäune nieder, warfen Gegenstände auf die Polizeibeamten, die sich – offensichtlich überrascht und überfordert – aus dem Innenhof der Moschee zurückzogen. Die Lokalbevölkerung formierte sich schließlich zu einer riesigen Menschenkette. Abgelöst wurden die Männer schon bald von ihren Ehefrauen, die sich ebenfalls lautstark den Sicherheitskräften entgegenstellten und ihre Moschee beschützten.
Der Ausgangspunkt dieser Eskalation liegt im Jahr 2020, als ein Gericht den Teilabriss der Moschee angeordnet. Das Gebäude, das im 13. Jahrhundert errichtet wurde, war in den Jahren zuvor um die Minarette und die Eingangskuppel erweitert worden. Diese Anbauten erklärte das Gericht jedoch als illegal. Der richterliche Beschluss war ein Stich ins Herz der Hui.
Ihre Moschee genießt in der Region einen besonderen Status. Schließlich werden in der ansässigen Gebetsschule eine Vielzahl der Imame in der Provinz Yunnan ausgebildet. Dass ausgerechnet hier ein Hort des Extremismus brüten könnte, wirkt eher widersprüchlich, denn die Muslime der Hui-Minderheit gelten unter den 57 ethnischen Gruppen der Volksrepublik als weitgehend assimiliert mit den dominierenden Han-Chinesen.
Die Zerstörung muslimischer Gebetshäuser ist jedoch nur der sichtbare Teil einer systematischen Umerziehung der Muslime. Sie ist Teil einer Kampagne, die vorgibt, potenziellen Extremismus im Keim zu ersticken und religiöse durch sozialistische Werte ersetzen zu wollen. Bereits im Frühjahr 2016 initiierte Staatschef Xi Jinping eine landesweite Kampagne zur “Sinisierung der Religionen”, die vorrangig auf den Islam abzielte.
In etlichen Provinzen, vornehmlich in Xinjiang, wurden Moscheen entweder vollständig abgerissen oder in Teilen zerstört. Wenn etwas übrig blieb, wurde arabisch anmutende Architektur durch Han-chinesische Bauelemente ersetzt.
Diese zunehmend repressive Politik unter Xi Jinping hat in den vergangenen Jahren zu einem stillen Widerstand geführt. Ein junger Hui-Muslim, dessen Familie aus einem nordchinesischem Dorf stammt, berichtet mit Bitte um Anonymität: “Meine Familie hat sich in den letzten Jahren immer stärker in den Islam zurückgezogen.” Offen würde man innerhalb der Familie zwar nicht über Politik reden, doch für ihn sei es offensichtlich: Je weniger willkommen sich seine Eltern und ihre Nachbarn fühlen, desto stärker besinnen sie sich auf ihre islamische Identität. Hinzu kommen mehr Gängelungen, Vorschriften und Verbote.
In Nagu scheint die Härte der Staatsmacht Radikalsierung eher zu bedingen als zu beseitigen. Schuld daran ist auch die mangelnde Linie der Zentralregierung in Peking. Die erteilte lediglich eine vage Order, Moscheen “chinesischer” zu gestalten. Die Umsetzung überlässt man den Kommunen, die darauf bedacht sind, ihren Vorgesetzten bloß keinen Ärger zu bereiten, um Konsequenzen für sich selbst zu vermeiden.
Entsprechend kompromisslos gingen die lokalen Behörden auch in Nagu zu Werke. Erst versuchten sie es noch mit ideologischen Argumenten, um die Dorfbewohner von der Dringlichkeit des Abrisses zu “überzeugen”. Doch als nicht alle freiwillig zustimmten, wurden kurzerhand Lohnkürzungen angedroht.
Zudem reagierten die Behörden mit Drohnen-Überwachung aus der Luft. Niemand sollte sein Haus verlassen. Störsender unterbrachen die Internet- und Telefonverbindungen des Ortes. Durch Militär-Checkpoints wurden sämtliche Straßenzugänge kontrolliert. Dutzende Demonstranten sollen verhaftet worden sein. Videoaufnahmen von den Protesten wurden von Anwohnern an Aktivisten im Exil weitergegeben, ehe die Zensoren sie löschen konnten.
Genaue Berichte über den tatsächlichen Stand der Abrissarbeiten lassen noch auf sich warten. Die Hoffnung der Hui aber scheint versiegt zu sein. Ein Anwohner sagte dem US-Radiosender NPR: “Wir kennen unser Schicksal und sind machtlos. Dennoch hoffen wir darauf, dass wir unser letztes bisschen Religionsfreiheit und Würde bewahren können.”
Die Angst der Muslime von Nagu hat wohl auch damit zu tun, dass sie sehr genau um die Repression in der nordwestlichen Region Xinjiang Bescheid wissen. Dort wurden einst ebenfalls unzählige Moscheen dem Erdbeben gleichgemacht, ehe die Regierung in den letzten fünf Jahren Hunderttausende ethnische Uiguren in Umerziehungslager steckte.
Die Polizei in Hongkong hat am Tag nach dem 4. Juni Bilanz gezogen. Demnach wurden 23 Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen. Die Menschen hatten öffentlich an die Niederschlagung der pro-demokratischen Proteste vor 34 Jahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking erinnert. Unter anderem hatten sich am Sonntag mehrere Menschen im Victoria-Park versammelt, wo noch vor wenigen Jahren Hunderttausende an den Mahnwachen teigenommen hatten.
Das rigide Vorgehen der Behörden in Hongkong am 34. Jahrestag der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste hat unter anderem die Vereinten Nationen (UN) auf den Plan gerufen. Die Berichte über Festnahmen seien alarmierend, erklärte das Büro von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk auf Twitter. “Wir fordern die Freilassung aller Personen, die wegen der Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert sind.”
Nach Berichten lokaler Medien waren die Sicherheitsvorkehrungen in Hongkong in diesem Jahr verschärft worden. Bis zu 6.000 Polizisten sollen im Einsatz gewesen sein. Im Vorfeld hatten Regierungsvertreter gemahnt, sich an Gesetze zu halten. Sie hatten aber offengelassen, ob Gedenkveranstaltungen illegal seien.
Die chinesische Regierung hatte 2019 als Reaktion auf Massenproteste in Hongkong ein Gesetz zur nationalen Sicherheit erlassen. Es gilt als massivster Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip “Ein Land, zwei Systeme” für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. rtr
Chinas Anti-Spionage-Chef Chen Yixin hat seine Beamten aufgefordert, das neue Anti-Spionage-Gesetz genau zu studieren und das rechtliche Durchgreifen zu intensivieren. Die Staatssicherheit müsse die Führung bei der Durchsetzung des Gesetzes übernehmen, sagte Chen. Das berichtet die South China Morning Post am Montag.
Demnach habe Chen gefordert, dass der Sicherheitsapparat gegen Versuche, Chinas Staatsgeheimnisse zu stehlen, “hart vorgehen” müsse. Die Aussagen stammen offenbar aus einer Rede, die Chen am 15. Mai während eines Schulungskurses für chinesische Beamte gehalten hat.
Im April hatte China eine weitreichende Änderung seines Anti-Spionage-Gesetzes beschlossen. Es handelt sich um eine massive Ausweitung der Befugnisse der Staatssicherheit. Zukünftig können Razzien und Festnahmen ohne Gerichtsbeschluss leichter durchführen werden. Mit dem Beschluss erhält eine bereits verbreitete Praxis eine gesetzliche Grundlage.
Wichtig: Das Gesetz definiert den Strafbestand der Spionage neu. So sollen nicht mehr nur Staatsgeheimnisse geschützt werden, sondern sämtliche Dokumente oder Dateien, welche die “nationalen Interessen” berühren. Das Problem: Die Grenzen des neuen Gesetztes sind sehr schwammig. Seither wurden mehrere Razzien durchgeführt, wie in den Räumen der China-Tochter der US-Unternehmensberatung Bain.
Die Unruhe bei ausländischen Firmen in China ist groß. Der EU-Botschafter in China warnte vor einer “Intensivierung” der Strafverfolgung im Namen der nationalen Sicherheit. Die EU-Handelskammer sieht in dem Gesetz ein “beunruhigendes Signal”, die US-Kammer äußerte sich ähnlich. rad
Chinas Botschafter in Frankreich hat seine Aussagen bezüglich der Eigenständigkeit ehemaliger Sowjetrepubliken verteidigt. Von Reue fehlte dabei jedoch jede Spur. Im Gegenteil. “Ich denke, in dieser Debatte geht es nicht darum, ob ich Recht oder Unrecht hatte, sondern darum, ob es in der öffentlichen Debatte im Fernsehen Redefreiheit gibt“, sagte Lu Shaye in einem Interview mit Régis de Castelnau, einem umstrittenen französischen Anwalt, dem die Blogseite “Vu Du Droit” gehört. Verbreitet wurde das gut einstündige Interview über die Plattform Réseau International, die regelmäßig Falschnachrichten und Desinformation wiedergibt.
Als Beispiel der mangelnden Redefreiheit führte Lu die Debatte um seine Person an. Er beklagt in diesem Zusammenhang, ein französischer Fernsehsender habe gezielt wütende Reaktionen “geschürt”, ein Verhalten, das “sehr unfair” sei.
Im April hatte Lu Shaye hatte in einem Interview mit dem vom französischen Fernsehsender La Chaîne Info (LCI) den Status ehemaliger Sowjetrepubliken als souveräne Staaten infrage gestellt. Es folgte eine heftige Diskussion, selbst die Führung in Peking sah sich zu einer öffentlichen Richtigstellung gezwungen. “China respektiert den Status der ehemaligen Sowjetrepubliken als souveräne Länder nach der Auflösung der Sowjetunion“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums.
Doch Lu sieht sich selbst als Opfer. Er habe das Recht, seine persönlichen Ansichten zu äußern, die nicht “erfunden” seien und diskutiert werden könnten. Nicht in Ordnung sei hingegen das Verhalten der anderen: LCI, das zum französischen Sender TF1 gehört, habe vielmehr “einen Angriff” gegen ihn gestartet. “Am Tag nach dem Interview luden sie einige sogenannte China-Experten derselben Sendung ein, um mich zu kritisieren und zu verurteilen”, sagte Lu. “Sie haben gegen die journalistische Ethik verstoßen.” rad
Die Vorsitzende des American Institute in Taiwan, Laura Rosenberger, mahnt den Erhalt eines regelmäßigen Kommunikationskanals zwischen Peking und Washington an. “Die Vereinigten Staaten sind der Ansicht, dass offene Kommunikationswege wichtig sind, um den Wettbewerb verantwortungsvoll zu gestalten und sicherzustellen, dass er nicht in einen Konflikt ausartet”, sagte Rosenberger, die als inoffizielle US-Repräsentantin die US-amerikanischen Interessen in Taiwan vertritt.
Beide Seiten könnten nicht nur Wege finden, um Fragen von bilateraler und globaler Bedeutung anzusprechen, sondern auch neue Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit beider Seiten bei globalen Herausforderungen, sagte sie. Gleichzeitig betonte Rosenberger, dass die Vereinigten Staaten auch in Zukunft Kriegsschiffe und Flugzeuge durch die Taiwan-Straße manövrieren ließen. Am Wochenende hatte sich ein chinesisches Kriegsschiff einem US-Schiff bis auf 140 Meter genährt.
Rosenbergers Äußerungen begleiteten den Beginn eines sechstägigen China-Besuchs des stellvertretenden US-Außenministers Daniel Kritenbrink. grz
Nach der globalen Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 hat China begonnen, seine Währung, den Renminbi (RMB) oder Yuan, zu internationalisieren, zunächst als Handels-, später auch als Reservewährung. Dieser Prozess war zu Beginn erfolgreich und gipfelte in der offiziellen Aufnahme des RMB in die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) am 1. Oktober 2016.
Allerdings führte der Börsencrash 2015, der auf die Devisenmärkte abstrahlte, zu einer starken Abwertung. Die chinesische Zentralbank PBoC versuchte, dem Abwertungsdruck Herr zu werden, indem sie den RMB einseitig und überraschend an zwei, kurz hintereinander folgenden Handelstagen um fast vier Prozent abwertete. Der Schuss ging nach hinten los. Eine massive Kapitalflucht war die Folge. Es kostete China rund eine Trillion Dollar an Währungsreserven, um die Lage Anfang 2016 wieder halbwegs zu beruhigen.
Seit dieser Episode ist die Internationalisierung des Renminbi zum Stillstand gekommen. Aus der chinesischen Perspektive hat sich die Liberalisierung und Internationalisierung des RMB nicht gelohnt. Stattdessen hat sie zu einem Kontrollverlust über die eigene Währung geführt, die mehr schmerzte als der Verlust der Ambitionen, den Renminbi zu einer internationalen Leitwährung auf Augenhöhe mit dem US-Dollar zu entwickeln. China denkt strategisch und hat Zeit.
Durch den russischen Einmarsch in der Ukraine hat sich die Situation radikal verändert. Nicht wegen der Invasion selbst, sondern auf Grund der westlichen Sanktionen, die bekanntermaßen beinhalten, die russischen Währungsreserven einzufrieren und Russland vom internationalen Abrechnungssystem SWIFT auszuschließen. Dies hat Ängste in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften ausgelöst, dass auch sie solche Sanktionen in Zukunft treffen könnten.
China selbst verfügt nach wie vor über rund drei Trillionen US-Dollar an Währungsreserven, ein signifikanter Teil davon in US-Staatsanleihen. Es ist kein Zufall, dass das Land diesen Bestand im letzten halben Jahr systematisch abgebaut hat. Parallel dazu leiht Peking Drittstaaten US-Dollar mit der Vereinbarung, dass die Rückzahlung in RMB erfolgt.
Aber auch andere Staaten denken in diese Richtung. Der brasilianische Präsident Lula betont, dass die BRICS-Staaten ihre Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren müssten. Offenbar befinden sich die Staaten bereits in Vorgesprächen, wie eine Alternative zum Dollar aussehen könnte. Das Gleiche gilt für die ASEAN-Staaten, die kürzlich beschlossen haben, ihren Handel in regionalen Währungen abzuwickeln. Währungen und Finanzen sind offenbar zu einer Waffe im geopolitischen Ringen geworden, die die unangefochtene Vormachtstellung des Dollars gefährden.
Die Zahlen bestätigen den Trend: So wird der chinesisch-russische Handel, der sich im letzten Jahr nahezu verdoppelt hat auf rund 200 Milliarden US-Dollar, mittlerweile weitestgehend in Renminbi fakturiert. Die Abwicklung erfolgt über das von China eingerichtete grenzüberschreitende Abrechnungssystem CIPS (Cross-Border Interbank Payment). Bisher sind nur 79 Finanzinstitute an das System angeschlossen. Bei SWIFT sind es 11.000. Aber die CIPS-Zahl steigt stetig an.
Auch innerhalb des SWIFT-Systems hat sich die Abwicklung von Geschäften in Renminbi mit einem Anteil von fast fünf Prozent an allen grenzüberschreitenden Handelstransaktionen weltweit fast verdoppelt seit der russischen Invasion. Rund 50 Prozent des chinesischen Außenhandels werden mittlerweile in Renminbi abgewickelt.
Nach wie vor dominiert aber der US-Dollar mit einem Anteil von etwa 85 Prozent, während der Euro als Handelswährung nur einen Anteil von sechs Prozent aufweisen kann, also bald vom RMB überholt werden dürfte. Die Dominanz des Dollars erklärt sich durch den Drittstaatenhandel mit Dollar. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass der Renminbi auch in dieser Hinsicht aufholt. Die von China vermittelte Friedensvereinbarung zwischen Teheran und Riad, könnte Vorbote solcher Veränderungen sein.
Die Königsklasse einer internationalen Währung ist aber ihre Rolle als Reservewährung, die Zentralbanken und globale Finanzinstitute halten, um unter allen Umständen zahlungsfähig zu bleiben. Hier hinkt der Renminbi noch stärker hinterher. Nur knapp drei Prozent der globalen Währungsreserven sind Renminbi, während der Dollar einen Anteil von rund 60 Prozent hat. Allerdings lag der Anteil des Renminbi im Jahr 2016 noch bei einem Prozent.
Der Euro kommt Übrigens auf einen aktuellen Anteil von 20 Prozent als Reservewährung. Das zeigt ebenso wie der geringe Anteil als Handelswährung, dass der Euro nicht wirklich eine internationale Leitwährung ist, die den Status des Dollars herausfordern könnte. Genauso wenig wie die EU ein globaler Akteur ist, ist es der Euro als Währung. Die Schlacht an der globalen Währungsfront wird zwischen den USA und China ausgetragen.
Dass der Renminbi dem US-Dollar auf absehbare Zeit den Rang als internationale Reservewährung ablaufen könnte, ist allerdings zu bezweifeln. Dazu fehlt der freie, grenzüberschreitende Kapitalverkehr. Und auch der administrierte Wechselkurs stört. Die aktuelle Schwäche des Dollars wird beispielsweise nicht durch das Halten von mehr Renminbi-Reserven aufgefangen, stattdessen erhöhen die Zentralbanken ihre Goldbestände.
Andererseits kann wenig Zweifel bestehen, dass wir auf eine Welt einer erneuten Blockbildung hinauslaufen – ob man dies gut findet oder nicht. Im Rahmen einer solchen geopolitischen Neuordnung könnte sich ein bi- oder gar multipolares Währungssystem herausbilden. Unter einem solchen Szenario scheint ein Bedeutungsverlust der Rolle des US-Dollar als internationale Leitwährung über die Zeit unvermeidbar.
Die Frage lautet, wie hoch und wie schnell wird der Bedeutungsverlust vonstatten gehen. Das hängt auch entscheidend davon ab, ob die chinesische Führung ihre Hausaufgaben macht und sowohl den Kapitalverkehr wie den Wechselkurs weiter liberalisiert. Nur eines von beiden kann man nämlich haben: den Renminbi als internationalen Leitwährung oder das gegenwärtige Wechselkursregime.
Horst Löchel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance & Management und Ko-Vorsitzender des dort ansässigen Sino-German Centers.
George Chen wird bei The Asia Group (TAG) neuer Geschäftsführer für Hongkong und Taiwan. Davor arbeitete Chen als Geschäftsführer Public Policy für China, die Mongolei und Zentralasien beim Facebook-Mutterkonzern Meta.
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Bei Wang in Hangzhou gibt es die besten shaobing und youtiao der Stadt. Das wissen die vielen Kunden schon lange. Nur kann es jeder aber auch nachlesen – und zwar im Michelin Guide 2023. Dieser hat nun Wangs kleine Bäckerei in seine exklusive Auswahl aufgenommen.
unser heutiger Interview-Partner Wang Zichen von der nicht staatlichen chinesischen Denkfabrik Center for China and Globalization spricht nicht für die Regierung in Peking. Allerdings kann man sicher sein, dass Wang der Regierung auch nicht stark widerspricht. Dazu ist der Meinungskorridor innerhalb der Volksrepublik viel zu sehr geschrumpft worden von Xi Jinping und seinem Regime.
Dieser Logik folgend legt Wang interessante Vorschläge auf den Tisch, deren Verlautbarung in Peking wohl auf Zustimmung stoßen dürfte. Im Gespräch mit Michael Radunski erklärt er, unter welchen Umständen Chinas Regierung höchstwahrscheinlich Bereitschaft signalisieren würde, im Ukraine-Krieg ihren Einfluss auf Russland stärker geltend zu machen. Eine Wiederbelebung des Investitionsabkommens CAI oder eine Rehabilitierung von Huawei als Netzwerkausrüster wären Köder, die Pekings Aufmerksamkeit gewinnen könnten.
Das dürfte verlockend klingen in den Ohren mancher EU-Politiker. Aber es sollte auch klar sein, dass China seine Trümpfe nicht unter Wert verkauft. Deswegen ist sorgfältig abzuwägen, welchen Preis Europa und die USA für größeres chinesisches Engagement zu zahlen bereit wären.
Derweil wirft Fabian Kretschmer für uns einen Blick nach Südchina, wo sich Muslime der Hui-Minderheit wohl vergebens gegen den Teilabriss einer Moschee gewehrt haben. Die totale physische und digitale Isolation der Ortschaft lässt diese Vermutung zu. Das Beispiel zeigt, dass Chinas Integrationspolitik keine Kompromisse zulässt, sondern eine totale ideologische Unterordnung aller Ethnien vorantreibt. Als gelungene Methode, den Extremismus zu bekämpfen, dürfte die Abrissbirne jedoch scheitern.
Herr Wang, wir befinden uns im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs – und China ist mit dem Vorschlag nach Friedensgesprächen vorgetreten. Gleichzeitig unterhält die Führung in Peking allerdings eine “grenzenlose” Freundschaft mit Russland. Wie ernst ist Chinas Initiative gemeint?
Ich glaube, China meint es ziemlich ernst. Es hat sein politisches Gewicht in die Waagschale geworfen und einen Sondergesandten in die Ukraine und fünf weitere Ziele entsandt. Und was das “grenzenlose” Verhältnis zu Russland angeht: Der chinesische Gesandte in Brüssel hat klargestellt, dass es sich dabei lediglich um Rhetorik handele. Ich denke, Peking ist nicht glücklich darüber, was in der Ukraine vor sich geht.
Aber ist China bereit, seinen Einfluss auf Putin auch zu nutzen?
Ich verstehe, dass viele im Westen darauf bestehen, China hätte einen enormen Einfluss und könne Moskau unter Druck setzen. Aber die Realität ist viel komplizierter. Die Chinesen haben nicht das Gefühl, dass sie Moskau zu stark in eine Richtung drängen können.
Andererseits wäre Putin ohne die Unterstützung Chinas in großen Schwierigkeiten.
Lassen Sie es mich so formulieren: Wann immer ein Chinese auf der Weltkarte auf China schaut, sieht er oder sie ein übermächtiges Russland, ein riesiges Land direkt oberhalb von China. Russland hatte im gesamten 20. Jahrhundert einen enormen Einfluss auf China. Nach vielen Problemen sind die beiden Länder erst in den vergangenen rund zehn Jahren zu engen geopolitischen Partnern geworden – insbesondere im Hinblick auf das, was sie als Eindämmung und Einkreisung durch die USA empfinden. Russlands Wirtschaft mag inzwischen vielleicht nur noch in etwa so stark sein wie das der Provinz Guangdong, aber in den Augen Chinas handelt es sich immer noch um eine Supermacht mit einem großen Nukleararsenal und hoch entwickelter Technologie. Und vergessen Sie nicht: Die Grenze zwischen China und Russland ist tausende Kilometer lang, die bei guten Beziehungen nicht sonderlich stark bewacht werden muss.
Aber um ernsthaft für Friedensgespräche zu werben…
Was die Initiative für eine politische Lösung betrifft: China hat sich in der Vergangenheit nicht in Krisen eingemischt, schon gar nicht dort, wo China nicht beteiligt ist – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die sich gerne wie der Weltpolizist verhalten. Chinas Außenpolitik basiert seit den 1950er-Jahren auf Nichteinmischung. Daher muss es nun einen eigenen Ansatz entwickeln.
Durchaus, aber um ein ehrlicher Makler zu sein, bedarf es zumindest ein wenig Distanz zu Russland.
Derartige Forderungen des Westens bedeuten für China, große Opfer bezüglich seiner eigenen Interessen zu bringen, am Ende gar Russland zu verärgern. Wenn China diesen Forderungen nachkommen und Russland sanktionieren würde, würde das bedeuten, dass China hohe Kosten für etwas tragen müsste, das es nicht verursacht hat.
Warum ist China so zurückhaltend?
Nicht nur China. Schauen Sie sich die Abstimmungen bei den Vereinten Nationen an: Mehr als 140 Länder haben Russlands Invasion in der Ukraine verurteilt. Aber wenn man sich ansieht, wer Sanktionen gegen Russland verhängt hat, bleiben im Grunde lediglich etwas mehr als 40 Länder – und 27 davon sind EU-Mitgliedstaaten. Kein Land des Globalen Südens hat sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen, so auch nicht China, Indien und Brasilien. Die überwältigende Mehrheit der Welt, insbesondere die ärmeren Länder, fühlt sich nicht verpflichtet, die Kosten für etwas zu tragen, von dem sie glaubt, dass sie es nicht begonnen haben.
Wie wichtig ist dieser Krieg überhaupt für Länder in Asien und dem Rest der Welt?
Ich verstehe absolut, dass er für die EU sehr wichtig ist, speziell für die osteuropäischen Länder, die an die Ukraine angrenzen, da sie nach dem ukrainischen Volk die zweitgrößten Opfer sind. Ich habe 29 Monate in Europa gelebt und bewundere das europäische Projekt, es ist ein Friedensprojekt. Aber für weit entfernte Länder ist der Konflikt etwas, was die Leute im Fernsehen und in den sozialen Medien sehen. Hinzu kommt, dass die Europäische Union durch ihre Geschichte und den Kalten Krieg seit vielen Jahren daran gewöhnt ist, sich vor russischen Truppen zu schützen. Aber diese Geschichte wird in anderen Teilen der Welt nicht geteilt. Und zu guter Letzt, was vielleicht noch wichtiger ist: Die Länder des globalen Südens teilen eine gemeinsame Geschichte des Kolonialismus. Sie teilen das Gefühl, dass die entwickelten Länder sich nicht so verhalten haben, wie sie sollten. All das mündet in einem Gefühl der Distanz zu diesem Konflikt.
Krieg ist überall auf der Welt schlecht, für alle. Deshalb sollte er schnell enden.
Ja. Aber die USA und Europa üben nur Druck auf China aus. Es ist ihnen bislang nicht gelungen, auch Anreize zu schaffen, um China auf ihre Seite zu ziehen. Gerade für Europa wäre es pragmatischer, Anreize zu setzen.
Inwiefern Europa?
Weil zwischen China und den USA ein sehr harter Wettbewerb tobt, der noch eine ganze Weile anhalten wird. Zudem will Peking ganz offensichtlich, dass Europa sich von seinem transatlantischen Partner distanziert und es näher an China heranrückt. Europa verfügt also über einen gewissen Einfluss gegenüber einem darauf erpichten China.
Was könnte oder sollte Europa anbieten?
Chinas Botschafter in Brüssel hat bereits mehrmals gesagt, dass China das umfassende Investitionsabkommen CAI wieder auf den Tisch bringen möchte und offen für Vorschläge sei. Ich denke, Europa ist tatsächlich in der Lage, Anreize für China zu schaffen, anstatt China nur unter Druck zu setzen.
CAI könnte den Unterschied machen?
Wenn Europa diese Idee in Betracht ziehen würde, gäbe es meiner Meinung nach viele Optionen.
Was meinen Sie?
Zum Beispiel die Rücknahme der von den USA initiierten Beschränkungen für Huawei und ZTE. Oder den Verzicht darauf, sich den USA bei Exportkontrollen im Bereich Technologie anzuschließen. Das würde starke strategische Signale der Autonomie aussenden. Das wiederum könnte gut zusammenpassen mit einem China, das sich für die Verwirklichung europäischer und ukrainischer Ziele einsetzt, etwa den Austausch von Kriegsgefangenen, die Einrichtung humanitärer Korridore für Zivilisten, die Rückführung ukrainischer Kinder und letztendlich für einen Waffenstillstand und Frieden.
Wang Zichen ist stellvertretender Direktor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for China and Globalization (CCG), einem führenden nichtstaatlichen Thinktank in China.
Nur wenige Stunden nach dem Morgengebet in der Najiaying-Moschee in Nagu rückten die Bulldozer an. Bewacht wurden sie von mehreren hundert Sicherheitskräften, die umgehend den Eingang zum Gebetshaus in der südchinesischen Provinz Yunnan absperrten und ein Gerüst um die Fassade errichteten. Auch eine Einheit der Volksbefreiungsarmee brachte sich in Position. Ihr Auftrag: das muslimische Religionsgebäude in der südchinesischen Provinz Yunnan zu “säubern”. Vier Minarette und die riesige Eingangskuppel sollten entfernt werden.
Doch die Dorfbewohner, Mitglieder der muslimischen Hui-Minorität, wehrten sich. Sie rissen Bauzäune nieder, warfen Gegenstände auf die Polizeibeamten, die sich – offensichtlich überrascht und überfordert – aus dem Innenhof der Moschee zurückzogen. Die Lokalbevölkerung formierte sich schließlich zu einer riesigen Menschenkette. Abgelöst wurden die Männer schon bald von ihren Ehefrauen, die sich ebenfalls lautstark den Sicherheitskräften entgegenstellten und ihre Moschee beschützten.
Der Ausgangspunkt dieser Eskalation liegt im Jahr 2020, als ein Gericht den Teilabriss der Moschee angeordnet. Das Gebäude, das im 13. Jahrhundert errichtet wurde, war in den Jahren zuvor um die Minarette und die Eingangskuppel erweitert worden. Diese Anbauten erklärte das Gericht jedoch als illegal. Der richterliche Beschluss war ein Stich ins Herz der Hui.
Ihre Moschee genießt in der Region einen besonderen Status. Schließlich werden in der ansässigen Gebetsschule eine Vielzahl der Imame in der Provinz Yunnan ausgebildet. Dass ausgerechnet hier ein Hort des Extremismus brüten könnte, wirkt eher widersprüchlich, denn die Muslime der Hui-Minderheit gelten unter den 57 ethnischen Gruppen der Volksrepublik als weitgehend assimiliert mit den dominierenden Han-Chinesen.
Die Zerstörung muslimischer Gebetshäuser ist jedoch nur der sichtbare Teil einer systematischen Umerziehung der Muslime. Sie ist Teil einer Kampagne, die vorgibt, potenziellen Extremismus im Keim zu ersticken und religiöse durch sozialistische Werte ersetzen zu wollen. Bereits im Frühjahr 2016 initiierte Staatschef Xi Jinping eine landesweite Kampagne zur “Sinisierung der Religionen”, die vorrangig auf den Islam abzielte.
In etlichen Provinzen, vornehmlich in Xinjiang, wurden Moscheen entweder vollständig abgerissen oder in Teilen zerstört. Wenn etwas übrig blieb, wurde arabisch anmutende Architektur durch Han-chinesische Bauelemente ersetzt.
Diese zunehmend repressive Politik unter Xi Jinping hat in den vergangenen Jahren zu einem stillen Widerstand geführt. Ein junger Hui-Muslim, dessen Familie aus einem nordchinesischem Dorf stammt, berichtet mit Bitte um Anonymität: “Meine Familie hat sich in den letzten Jahren immer stärker in den Islam zurückgezogen.” Offen würde man innerhalb der Familie zwar nicht über Politik reden, doch für ihn sei es offensichtlich: Je weniger willkommen sich seine Eltern und ihre Nachbarn fühlen, desto stärker besinnen sie sich auf ihre islamische Identität. Hinzu kommen mehr Gängelungen, Vorschriften und Verbote.
In Nagu scheint die Härte der Staatsmacht Radikalsierung eher zu bedingen als zu beseitigen. Schuld daran ist auch die mangelnde Linie der Zentralregierung in Peking. Die erteilte lediglich eine vage Order, Moscheen “chinesischer” zu gestalten. Die Umsetzung überlässt man den Kommunen, die darauf bedacht sind, ihren Vorgesetzten bloß keinen Ärger zu bereiten, um Konsequenzen für sich selbst zu vermeiden.
Entsprechend kompromisslos gingen die lokalen Behörden auch in Nagu zu Werke. Erst versuchten sie es noch mit ideologischen Argumenten, um die Dorfbewohner von der Dringlichkeit des Abrisses zu “überzeugen”. Doch als nicht alle freiwillig zustimmten, wurden kurzerhand Lohnkürzungen angedroht.
Zudem reagierten die Behörden mit Drohnen-Überwachung aus der Luft. Niemand sollte sein Haus verlassen. Störsender unterbrachen die Internet- und Telefonverbindungen des Ortes. Durch Militär-Checkpoints wurden sämtliche Straßenzugänge kontrolliert. Dutzende Demonstranten sollen verhaftet worden sein. Videoaufnahmen von den Protesten wurden von Anwohnern an Aktivisten im Exil weitergegeben, ehe die Zensoren sie löschen konnten.
Genaue Berichte über den tatsächlichen Stand der Abrissarbeiten lassen noch auf sich warten. Die Hoffnung der Hui aber scheint versiegt zu sein. Ein Anwohner sagte dem US-Radiosender NPR: “Wir kennen unser Schicksal und sind machtlos. Dennoch hoffen wir darauf, dass wir unser letztes bisschen Religionsfreiheit und Würde bewahren können.”
Die Angst der Muslime von Nagu hat wohl auch damit zu tun, dass sie sehr genau um die Repression in der nordwestlichen Region Xinjiang Bescheid wissen. Dort wurden einst ebenfalls unzählige Moscheen dem Erdbeben gleichgemacht, ehe die Regierung in den letzten fünf Jahren Hunderttausende ethnische Uiguren in Umerziehungslager steckte.
Die Polizei in Hongkong hat am Tag nach dem 4. Juni Bilanz gezogen. Demnach wurden 23 Personen wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgenommen. Die Menschen hatten öffentlich an die Niederschlagung der pro-demokratischen Proteste vor 34 Jahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking erinnert. Unter anderem hatten sich am Sonntag mehrere Menschen im Victoria-Park versammelt, wo noch vor wenigen Jahren Hunderttausende an den Mahnwachen teigenommen hatten.
Das rigide Vorgehen der Behörden in Hongkong am 34. Jahrestag der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste hat unter anderem die Vereinten Nationen (UN) auf den Plan gerufen. Die Berichte über Festnahmen seien alarmierend, erklärte das Büro von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk auf Twitter. “Wir fordern die Freilassung aller Personen, die wegen der Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert sind.”
Nach Berichten lokaler Medien waren die Sicherheitsvorkehrungen in Hongkong in diesem Jahr verschärft worden. Bis zu 6.000 Polizisten sollen im Einsatz gewesen sein. Im Vorfeld hatten Regierungsvertreter gemahnt, sich an Gesetze zu halten. Sie hatten aber offengelassen, ob Gedenkveranstaltungen illegal seien.
Die chinesische Regierung hatte 2019 als Reaktion auf Massenproteste in Hongkong ein Gesetz zur nationalen Sicherheit erlassen. Es gilt als massivster Einschnitt in die Autonomie der ehemaligen britischen Kronkolonie, die ihr bei der Übergabe an China 1997 nach dem Prinzip “Ein Land, zwei Systeme” für mindestens 50 Jahre zugesagt worden war. rtr
Chinas Anti-Spionage-Chef Chen Yixin hat seine Beamten aufgefordert, das neue Anti-Spionage-Gesetz genau zu studieren und das rechtliche Durchgreifen zu intensivieren. Die Staatssicherheit müsse die Führung bei der Durchsetzung des Gesetzes übernehmen, sagte Chen. Das berichtet die South China Morning Post am Montag.
Demnach habe Chen gefordert, dass der Sicherheitsapparat gegen Versuche, Chinas Staatsgeheimnisse zu stehlen, “hart vorgehen” müsse. Die Aussagen stammen offenbar aus einer Rede, die Chen am 15. Mai während eines Schulungskurses für chinesische Beamte gehalten hat.
Im April hatte China eine weitreichende Änderung seines Anti-Spionage-Gesetzes beschlossen. Es handelt sich um eine massive Ausweitung der Befugnisse der Staatssicherheit. Zukünftig können Razzien und Festnahmen ohne Gerichtsbeschluss leichter durchführen werden. Mit dem Beschluss erhält eine bereits verbreitete Praxis eine gesetzliche Grundlage.
Wichtig: Das Gesetz definiert den Strafbestand der Spionage neu. So sollen nicht mehr nur Staatsgeheimnisse geschützt werden, sondern sämtliche Dokumente oder Dateien, welche die “nationalen Interessen” berühren. Das Problem: Die Grenzen des neuen Gesetztes sind sehr schwammig. Seither wurden mehrere Razzien durchgeführt, wie in den Räumen der China-Tochter der US-Unternehmensberatung Bain.
Die Unruhe bei ausländischen Firmen in China ist groß. Der EU-Botschafter in China warnte vor einer “Intensivierung” der Strafverfolgung im Namen der nationalen Sicherheit. Die EU-Handelskammer sieht in dem Gesetz ein “beunruhigendes Signal”, die US-Kammer äußerte sich ähnlich. rad
Chinas Botschafter in Frankreich hat seine Aussagen bezüglich der Eigenständigkeit ehemaliger Sowjetrepubliken verteidigt. Von Reue fehlte dabei jedoch jede Spur. Im Gegenteil. “Ich denke, in dieser Debatte geht es nicht darum, ob ich Recht oder Unrecht hatte, sondern darum, ob es in der öffentlichen Debatte im Fernsehen Redefreiheit gibt“, sagte Lu Shaye in einem Interview mit Régis de Castelnau, einem umstrittenen französischen Anwalt, dem die Blogseite “Vu Du Droit” gehört. Verbreitet wurde das gut einstündige Interview über die Plattform Réseau International, die regelmäßig Falschnachrichten und Desinformation wiedergibt.
Als Beispiel der mangelnden Redefreiheit führte Lu die Debatte um seine Person an. Er beklagt in diesem Zusammenhang, ein französischer Fernsehsender habe gezielt wütende Reaktionen “geschürt”, ein Verhalten, das “sehr unfair” sei.
Im April hatte Lu Shaye hatte in einem Interview mit dem vom französischen Fernsehsender La Chaîne Info (LCI) den Status ehemaliger Sowjetrepubliken als souveräne Staaten infrage gestellt. Es folgte eine heftige Diskussion, selbst die Führung in Peking sah sich zu einer öffentlichen Richtigstellung gezwungen. “China respektiert den Status der ehemaligen Sowjetrepubliken als souveräne Länder nach der Auflösung der Sowjetunion“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums.
Doch Lu sieht sich selbst als Opfer. Er habe das Recht, seine persönlichen Ansichten zu äußern, die nicht “erfunden” seien und diskutiert werden könnten. Nicht in Ordnung sei hingegen das Verhalten der anderen: LCI, das zum französischen Sender TF1 gehört, habe vielmehr “einen Angriff” gegen ihn gestartet. “Am Tag nach dem Interview luden sie einige sogenannte China-Experten derselben Sendung ein, um mich zu kritisieren und zu verurteilen”, sagte Lu. “Sie haben gegen die journalistische Ethik verstoßen.” rad
Die Vorsitzende des American Institute in Taiwan, Laura Rosenberger, mahnt den Erhalt eines regelmäßigen Kommunikationskanals zwischen Peking und Washington an. “Die Vereinigten Staaten sind der Ansicht, dass offene Kommunikationswege wichtig sind, um den Wettbewerb verantwortungsvoll zu gestalten und sicherzustellen, dass er nicht in einen Konflikt ausartet”, sagte Rosenberger, die als inoffizielle US-Repräsentantin die US-amerikanischen Interessen in Taiwan vertritt.
Beide Seiten könnten nicht nur Wege finden, um Fragen von bilateraler und globaler Bedeutung anzusprechen, sondern auch neue Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit beider Seiten bei globalen Herausforderungen, sagte sie. Gleichzeitig betonte Rosenberger, dass die Vereinigten Staaten auch in Zukunft Kriegsschiffe und Flugzeuge durch die Taiwan-Straße manövrieren ließen. Am Wochenende hatte sich ein chinesisches Kriegsschiff einem US-Schiff bis auf 140 Meter genährt.
Rosenbergers Äußerungen begleiteten den Beginn eines sechstägigen China-Besuchs des stellvertretenden US-Außenministers Daniel Kritenbrink. grz
Nach der globalen Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 hat China begonnen, seine Währung, den Renminbi (RMB) oder Yuan, zu internationalisieren, zunächst als Handels-, später auch als Reservewährung. Dieser Prozess war zu Beginn erfolgreich und gipfelte in der offiziellen Aufnahme des RMB in die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) am 1. Oktober 2016.
Allerdings führte der Börsencrash 2015, der auf die Devisenmärkte abstrahlte, zu einer starken Abwertung. Die chinesische Zentralbank PBoC versuchte, dem Abwertungsdruck Herr zu werden, indem sie den RMB einseitig und überraschend an zwei, kurz hintereinander folgenden Handelstagen um fast vier Prozent abwertete. Der Schuss ging nach hinten los. Eine massive Kapitalflucht war die Folge. Es kostete China rund eine Trillion Dollar an Währungsreserven, um die Lage Anfang 2016 wieder halbwegs zu beruhigen.
Seit dieser Episode ist die Internationalisierung des Renminbi zum Stillstand gekommen. Aus der chinesischen Perspektive hat sich die Liberalisierung und Internationalisierung des RMB nicht gelohnt. Stattdessen hat sie zu einem Kontrollverlust über die eigene Währung geführt, die mehr schmerzte als der Verlust der Ambitionen, den Renminbi zu einer internationalen Leitwährung auf Augenhöhe mit dem US-Dollar zu entwickeln. China denkt strategisch und hat Zeit.
Durch den russischen Einmarsch in der Ukraine hat sich die Situation radikal verändert. Nicht wegen der Invasion selbst, sondern auf Grund der westlichen Sanktionen, die bekanntermaßen beinhalten, die russischen Währungsreserven einzufrieren und Russland vom internationalen Abrechnungssystem SWIFT auszuschließen. Dies hat Ängste in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften ausgelöst, dass auch sie solche Sanktionen in Zukunft treffen könnten.
China selbst verfügt nach wie vor über rund drei Trillionen US-Dollar an Währungsreserven, ein signifikanter Teil davon in US-Staatsanleihen. Es ist kein Zufall, dass das Land diesen Bestand im letzten halben Jahr systematisch abgebaut hat. Parallel dazu leiht Peking Drittstaaten US-Dollar mit der Vereinbarung, dass die Rückzahlung in RMB erfolgt.
Aber auch andere Staaten denken in diese Richtung. Der brasilianische Präsident Lula betont, dass die BRICS-Staaten ihre Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren müssten. Offenbar befinden sich die Staaten bereits in Vorgesprächen, wie eine Alternative zum Dollar aussehen könnte. Das Gleiche gilt für die ASEAN-Staaten, die kürzlich beschlossen haben, ihren Handel in regionalen Währungen abzuwickeln. Währungen und Finanzen sind offenbar zu einer Waffe im geopolitischen Ringen geworden, die die unangefochtene Vormachtstellung des Dollars gefährden.
Die Zahlen bestätigen den Trend: So wird der chinesisch-russische Handel, der sich im letzten Jahr nahezu verdoppelt hat auf rund 200 Milliarden US-Dollar, mittlerweile weitestgehend in Renminbi fakturiert. Die Abwicklung erfolgt über das von China eingerichtete grenzüberschreitende Abrechnungssystem CIPS (Cross-Border Interbank Payment). Bisher sind nur 79 Finanzinstitute an das System angeschlossen. Bei SWIFT sind es 11.000. Aber die CIPS-Zahl steigt stetig an.
Auch innerhalb des SWIFT-Systems hat sich die Abwicklung von Geschäften in Renminbi mit einem Anteil von fast fünf Prozent an allen grenzüberschreitenden Handelstransaktionen weltweit fast verdoppelt seit der russischen Invasion. Rund 50 Prozent des chinesischen Außenhandels werden mittlerweile in Renminbi abgewickelt.
Nach wie vor dominiert aber der US-Dollar mit einem Anteil von etwa 85 Prozent, während der Euro als Handelswährung nur einen Anteil von sechs Prozent aufweisen kann, also bald vom RMB überholt werden dürfte. Die Dominanz des Dollars erklärt sich durch den Drittstaatenhandel mit Dollar. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass der Renminbi auch in dieser Hinsicht aufholt. Die von China vermittelte Friedensvereinbarung zwischen Teheran und Riad, könnte Vorbote solcher Veränderungen sein.
Die Königsklasse einer internationalen Währung ist aber ihre Rolle als Reservewährung, die Zentralbanken und globale Finanzinstitute halten, um unter allen Umständen zahlungsfähig zu bleiben. Hier hinkt der Renminbi noch stärker hinterher. Nur knapp drei Prozent der globalen Währungsreserven sind Renminbi, während der Dollar einen Anteil von rund 60 Prozent hat. Allerdings lag der Anteil des Renminbi im Jahr 2016 noch bei einem Prozent.
Der Euro kommt Übrigens auf einen aktuellen Anteil von 20 Prozent als Reservewährung. Das zeigt ebenso wie der geringe Anteil als Handelswährung, dass der Euro nicht wirklich eine internationale Leitwährung ist, die den Status des Dollars herausfordern könnte. Genauso wenig wie die EU ein globaler Akteur ist, ist es der Euro als Währung. Die Schlacht an der globalen Währungsfront wird zwischen den USA und China ausgetragen.
Dass der Renminbi dem US-Dollar auf absehbare Zeit den Rang als internationale Reservewährung ablaufen könnte, ist allerdings zu bezweifeln. Dazu fehlt der freie, grenzüberschreitende Kapitalverkehr. Und auch der administrierte Wechselkurs stört. Die aktuelle Schwäche des Dollars wird beispielsweise nicht durch das Halten von mehr Renminbi-Reserven aufgefangen, stattdessen erhöhen die Zentralbanken ihre Goldbestände.
Andererseits kann wenig Zweifel bestehen, dass wir auf eine Welt einer erneuten Blockbildung hinauslaufen – ob man dies gut findet oder nicht. Im Rahmen einer solchen geopolitischen Neuordnung könnte sich ein bi- oder gar multipolares Währungssystem herausbilden. Unter einem solchen Szenario scheint ein Bedeutungsverlust der Rolle des US-Dollar als internationale Leitwährung über die Zeit unvermeidbar.
Die Frage lautet, wie hoch und wie schnell wird der Bedeutungsverlust vonstatten gehen. Das hängt auch entscheidend davon ab, ob die chinesische Führung ihre Hausaufgaben macht und sowohl den Kapitalverkehr wie den Wechselkurs weiter liberalisiert. Nur eines von beiden kann man nämlich haben: den Renminbi als internationalen Leitwährung oder das gegenwärtige Wechselkursregime.
Horst Löchel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Frankfurt School of Finance & Management und Ko-Vorsitzender des dort ansässigen Sino-German Centers.
George Chen wird bei The Asia Group (TAG) neuer Geschäftsführer für Hongkong und Taiwan. Davor arbeitete Chen als Geschäftsführer Public Policy für China, die Mongolei und Zentralasien beim Facebook-Mutterkonzern Meta.
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Bei Wang in Hangzhou gibt es die besten shaobing und youtiao der Stadt. Das wissen die vielen Kunden schon lange. Nur kann es jeder aber auch nachlesen – und zwar im Michelin Guide 2023. Dieser hat nun Wangs kleine Bäckerei in seine exklusive Auswahl aufgenommen.