Table.Briefing: China

Bridge Man + Gewalt in Manchester

  • Bridge Man stiehlt der KP die Show
  • Chinesische Diplomaten schlagen zu
  • Generalkonsul verteidigt seine Gewalt
  • Adrian Zenz für Xinjiang-Forschung ausgezeichnet
  • Angeblicher Quarantäne-Todesfall geht viral
  • Präsident des Verfassungsschutzes warnt vor China
  • Standpunkt: Xi Jinpings wahres Gesicht
Liebe Leserin, lieber Leser,

der Bridge Man, wie Peng Lifa inzwischen genannt wird, hat mit seinem Protest in der vergangenen Woche auf der Sitong-Brücke in Peking tatsächlich so etwas wie nachhaltiges Bewusstsein geschaffen. In sozialen Medien tauchen hier und da Bilder auf von reproduzierten Slogans des Mannes. Sie werden an die Wände von öffentlichen Toiletten gekritzelt, an Brückenpfeiler gepinselt oder als Klebestreifén an Autoscheiben gepappt.

Ob das tatsächlich der Anfang einer Protestbewegung ist, die sich organisieren und koordinieren kann, scheint eher unwahrscheinlich zu sein. Und dennoch zeigt sie der Kommunistischen Partei die Grenzen der physischen Überwachung auf.

Wer bei heimlichen Protestaktionen erwischt wird, muss davon ausgehen, hart bestraft zu werden. Das Selbstverständnis, mit dem Chinas staatliche Vertreter auch physisch gegen politischen Dissens vorgehen, zeigt das Beispiel Manchester, wo sich selbst der Generalkonsul der Volksrepublik zu Gewalt gegen Protestierende hinreißen ließ.

Der Kurzschluss ist das eine Problem und auch das deutlich kleinere. Das Interview, in dem der Diplomat die Gewalt an einem Demonstranten zur patriotischen Pflichterfüllung erklärte, das wesentlich größere. Es offenbart die Geisteshaltung des chinesischen Staates, der Gewalt als legitimes Mittel sieht, um anderen den Mund zu verbieten. Und das wohlgemerkt nicht auf dem eigenen Staatsgebiet. Sondern mitten in Großbritannien, einer liberalen Demokratie, wo friedlicher Protest durch die Verfassung geschützt ist.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Bridge Man stiehlt Xi einen Teil der Show

Peng Lifa, der mutmaßliche Demonstrant von der Sitong-Brücke

Die Aktion eines Demokratie-Aktivisten an der Sitong-Brücke in Peking hallt weiterhin nach. Auf der einen Seite handelt es sich nur um einen einzigen von 1,4 Milliarden Chinesen – und eine Massenbewegung ist nicht zu erkennen. Rein theoretisch könnte er mit seiner Meinung ziemlich alleine dastehen und lediglich die Unterstützung eines kleinen Kreises politisch interessierter Intellektueller erhalten.

Auf der anderen Seite besitzt die Aktion enormen Symbolwert. Der Mann hat bewiesen: Auch das lückenlos überwachte Peking lässt sich nicht vollständig kontrollieren. Alleine das zeigt die Grenzen der Herrschaft über die physische Realität, die die Partei anstrebt. In diesem ersten auffälligen Protest seit Jahren wurde zudem deutlich, dass sich die chinesische Zivilgesellschaft nicht im völligen Kälteschlaf befindet. Der Rauch über der Sitong-Brücke könnte auch als Anzeichen für einen Schwelbrand unter der scheinbar geschlossenen Oberfläche der Gesellschaft gesehen werden. Die internationalen Medien erhielten zudem vor einem drögen Parteitag ihre Sensation.

10. Parteitag der KP China

Am Donnerstag hatte der Demonstrant mehrere Spruchbänder an der Straßenbrücke im Bezirk Haidian entrollt. Er bezeichnete Xi Jingping als Diktator und forderte unter anderem Freiheit statt Lockdowns, Würde statt Lügen und Wahlen statt eines obersten Führers. Ebenso bemerkenswert war jedoch, wie er die Aktion organisiert hatte. Er hatte sich als Bauarbeiter angezogen, war in einem offiziell aussehenden Lieferwagen vorgefahren und soll sogar noch die Hilfe der anwesenden Polizisten eingefordert haben, um seine “Baustelle” zu sichern. Nachdem er die Banner in Seelenruhe aufgehängt hatte, legte er das Feuer, um noch zusätzlich auf sie aufmerksam zu machen. Diese Sorte Cleverness kommt gerade in China gut an und spricht sich herum, wenn dazu noch der Obrigkeit ein Schnippchen geschlagen wurde.

Um die Brücke herum befinden sich zahlreiche Unis und Technik-Firmen. Es wimmelt dort nur so von Angehörigen der jungen Generation, die alles Interessante mit dem Handy filmen. Die Zensur hatte daher viel zu tun. Unter den blockierten Suchbegriffen befanden sich zeitweilig “Feuer”, “Sitong-Brücke”, “mutig”, “Banner” und sogar “Dritter Ring”, eine der Hauptstraßen von Peking.  

Bridge Man ist Wissenschaftler und Firmengründer

Im Netz erhielt der Mann den Spitznamen “Bridge Man”, angelehnt an den “Tank Man”, der sich 1989 den Panzern entgegenstellte. Vor allem die Twitter-Gemeinde war sich schnell sicher, ihn identifiziert zu haben. Demnach soll es sich um den Physiker Peng Lifa handeln. Das starke Indiz dafür: Im deutschen Wissenschafts-Portal ResearchGate wurden unter seinem Konto zeitgleich mit der Aktion dieselben Protestsprüche veröffentlicht, schön grafisch aufbereitet fürs Weiterteilen. Peng ist auch an einer Pekinger Firma für Werkstoffe beteiligt.

Derselbe Peng Lifa ist zudem seit Donnerstag verschwunden. Bridge Man hatte sich ohne Widerstand festnehmen lassen, nachdem die Polizisten auf den Inhalt der Banner aufmerksam geworden waren. Ihm drohen nun Folter, Gefängnis und Verschwinden.

Alle Pekinger Brücken sind jetzt doppelt überwacht, aber eventuelle Nachahmer würden wohl andere Orte und Formen wählen, um den Protest weiterzuspinnen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Funken von der Aktion bei anderen jungen Leuten verfangen und sie das Feuer weitertragen. Aufgrund der Allgegenwart der Handy-Kameras und der chaotischen Natur des Internets würden auch weitere Proteste bekannt werden. Vielleicht ist das Internet nicht nur das geniale Herrschaftsinstrument, als das es die KP zuletzt genutzt hat, sondern doch auch eine potenzielle Gefahr für die absolute Machtentfaltung.

  • 20. Parteitag
  • KP Chinas

Chinas langer Arm schlägt in Manchester zu

Aktivisten und britische Politiker fordern die umfassende Aufklärung eines gewalttätigen Übergriffs durch chinesische Konsulatsmitarbeiter bei einer Protestaktion in Manchester. Hongkonger Demonstranten hatten am Sonntag vor dem Gebäude Plakate ausgerollt und Slogans geschrien, um gegen die Herrschaft der Kommunistischen Partei zu protestieren. Parallel dazu hatte in Peking der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei begonnen.

Auf Videos, die in Sozialmedien kursieren, ist zu sehen, wie mehrere Männer vor den Augen mehrerer örtlicher Polizisten ein Schmähplakat mit dem Konterfei von Chinas Staatspräsident Xi Jinping an sich reißen und einen der Demonstranten auf das Gelände des Konsulats zerren, wo sie ihn mit Tritten und Schlägen traktieren. Die Szenerie beruhigte sich erst, nachdem britische Beamten den am Boden liegenden Mann vom Konsulatsgelände zurück auf die öffentliche Straße gezerrt hatten.

Die Eskalation besorgt Hongkonger Aktivisten weltweit. Ray Wong, Gründer des Vereins Freiheit für Hongkong, sagt, er sei “außerordentlich schockiert, dass Chinas diplomatische Abteilungen immer aggressiver im Ausland” wüten. Der Protest der Gruppe sei zwar laut, aber im Rahmen bürgerlicher Freiheitsrechte verlaufen, ehe chinesische Diplomaten begonnen hätten, Gewalt anzuwenden.

Parlamentarier fordern Konsequenzen

Für den früheren Hongkonger Lokalpolitiker, der nach Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes in seiner Heimat nach Deutschland geflohen war und seit 2019 in Göttingen im Exil lebt, steht der Vorfall symbolisch für eine gefährliche Entwicklung. “Er zeigt, dass die Mitarbeiter von chinesischen Botschaften und Konsulaten zunehmend selbstgewiss sind, dass sie in anderen Ländern tun und lassen können, was sie wollen“, erläutert Wong im Gespräch mit China.Table.

Die Polizei in Manchester kündigte an, den Vorfall genau untersuchen zu wollen. Um den Aktivisten zu befreien, hatten sich mindestens zwei Beamte wenige Meter auf das Konsulatsgelände bewegt. Internationale Konventionen sehen jedoch vor, dass Polizisten nur mit ausdrücklicher Zustimmung des diplomatischen Personals das Gelände eines Konsulats oder einer Botschaft betreten dürfen. “Beamte waren anwesend und reagierten sofort, um die Situation zu entschärfen”, hieß es in der Stellungnahme.

Mehrere britische Parlamentarier äußerten sich auf Twitter empört. “Die britische Regierung muss eine umfassende Entschuldigung des chinesischen Botschafters im Vereinigten Königreich verlangen und fordern, dass die Verantwortlichen nach China zurückgeschickt werden”, schrieb der Abgeordnete der regierenden Konservativen Partei Iain Duncan Smith. Auch die Tory-Abgeordnete Alicia Kearns forderte die Behörden zu dringenden Ermittlungen auf. “Wenn ein Beamter Demonstranten geschlagen hat, muss er des Landes verwiesen oder strafrechtlich verfolgt werden“, forderte Kearns.

Missachtung von Regeln auch auf lokaler Ebene

Der frühere Hongkonger Parlamentarier Ted Hui, der inzwischen in Australien lebt, warnt unterdessen vor einem inkonsequenten Umgang britischer Behörden bei der Untersuchung des Falls. “Er ist eine ernste Warnung für liberale Demokratien vor einer fortsetzenden Missachtung von Gesetzen und Regeln durch das Regime der Kommunistischen Partei nicht nur auf internationaler, sondern auch auf lokaler Ebene“, sagte Hui gegenüber China.Table. Exil-Hongkonger fürchten, dass sie künftig auch im Ausland in Angst davor leben müssten, von chinesischen Behörden entführt und nach China verschleppt zu werden, wenn die verantwortlichen Konsulatsmitarbeiter nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Hongkonger Aktivist und Lobbyist Nathan Law forderte die britische Regierung über Twitter auf, “zu ermitteln und unsere Gemeinschaft und die Menschen im Vereinigten Königreich zu schützen”.

Ein Sprecher des chinesischen Außenamtes sagte am Montag, dass sich chinesische Botschaften und Konsulate immer an die Gesetze der Länder gehalten hätten, in denen sie stationiert seien. Zu dem Vorfall in Manchester könne er aus Mangel an Informationen keine Stellung nehmen. Er appellierte jedoch an die britischen Behörden, in Übereinstimmung mit den Wiener Konventionen die Arbeit der chinesischen Botschaft und der Konsulate in Großbritannien zu erleichtern.

Bericht: Chinesische Polizei in Frankfurt aktiv

Schon vor einigen Wochen hatte die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders über die zunehmenden Operationen chinesischer Polizeieinheiten im Ausland berichtet. Über sogenannte Polizei-Servicestationen in anderen Staaten und in enger Zusammenarbeit mit staatlichen chinesischen Organisationen der Einheitsfront wie die Overseas Chinese Federation (COCF) koordinierten die Sicherheitskräfte die Suche nach Auslandschinesen, die sie zu einer Rückkehr in die Volksrepublik bewegen wollten.

54 Stationen in 30 Ländern haben die Safeguard Defender eigenen Angaben zufolge bereits identifiziert. Auch in der Europäischen Union sind chinesische Sicherheitskräfte demnach besonders umtriebig. Allein in Spanien sollen sich neun solcher Stationen befinden. In Deutschland betreibe die Polizei mindestens eine Außenstelle in Frankfurt.

Tatsächlich scheinen die Behörden in Großbritannien die wachsende Gefahr für Aktivisten erkannt zu haben. “Bei unserer letzten Veranstaltung am 1. Oktober war der Polizeischutz sehr groß. Das war nicht immer der Fall”, erinnert sich Rahima Mahmut, Direktorin des Weltkongresses der Uiguren (WUC) in London, gegenüber China.Table

Bei der Protestaktion waren Uiguren zusammen mit Tibetern, Aktivisten aus Hongkong und britischen Unterstützern vor die chinesische Botschaft marschiert, um dort eine Kundgebung abzuhalten. Die hohe Polizeipräsenz haben den Teilnehmer zusätzliche Sicherheit gegeben. 2015 dagegen waren ein chinesischer Dissident und zwei Tibeter am Rande des Staatsbesuchs von Xi Jinping in London von der Polizei festgenommen worden, weil sie gegen den Gast protestiert hatten.

  • Einheitsfront
  • Großbritannien
  • Hongkong
  • Menschenrechte
  • Nationales Sicherheitsgesetz
  • Safeguard Defenders
  • Zivilgesellschaft

News

Generalkonsul gibt Anwendung von Gewalt zu

Chinas Generalkonsul in Manchester hat seine direkte Beteiligung an einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit Hongkonger Demonstranten eingestanden. Zheng Xiyuan gab zu, einen Protestler an den Haaren gezogen zu haben, um ihn gemeinsam mit einer Handvoll Mitarbeiter des Konsulats auf das Gelände zu zerren. Die Handgreiflichkeit ist auf einem Video des Vorfalls deutlich zu erkennen (China.Table berichtete).

Zheng war bislang jedoch nur verdächtigt worden, in den Vorfall vom vergangenen Sonntag verwickelt gewesen zu sein, weil er mit einem Mund-Nasenschutz im Gesicht und einer Mütze auf dem Kopf nicht einwandfrei zu identifizieren war. Nach massiven Forderungen aus der Politik nach Aufklärung brachte der Diplomat in einem Schreiben an die Polizei in Manchester nun aber Licht ins Dunkel.

Später verteidigte Zheng sein Verhalten in einem Interview mit dem TV-Sender Sky News. Er habe niemanden angegriffen, er sei der Friedliche gewesen, behauptete der Diplomat zunächst, ehe ihn der Fragesteller auf das Haareziehen hinwies. Daraufhin erklärte Zheng: “Der Mann hat mein Land und meinen Vorsitzenden (Xi Jinping) beleidigt. Ich denke, es ist meine Pflicht gewesen. Ich denke, es ist die Pflicht eines jeden Diplomaten.”

Kurz zuvor hatte Zheng außerhalb des Konsulats zwei Protestplakate heruntergerissen. Darauf war der Wunsch nach dem Ende der KP-Diktatur zu lesen sowie eine Floskel, die im übertragenen Sinne als derbe Beleidigung aufgefasst werden kann. Zhengs Mitarbeiter entwendeten außerdem ein Plakat, das Xi Jinping zeigte. Darauf ist der chinesische Staatspräsident in einem unter anderem mit Blut befleckten Anzug zu sehen, während die Kleidung seines Spiegelbildes makellos ist. grz

  • Großbritannien
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Protestplakat in Manchester gegen die Herrschaft von Xi Jinping

ICT ehrt Zenz für Xinjiang-Forschung

Der deutsche Anthropologe Adrian Zenz ist mit dem erstmals vergebenen Menschenrechtspreis “Schneelöwe” der International Campaign for Tibet (ICT) ausgezeichnet worden. Zenz erhielt den mit 3.000 Euro dotierten Preis am vergangenen Samstag bei einem Festakt im Umweltforum Berlin. Honoriert wurde der 47-Jährige für seine bahnbrechende Forschung zur Internierung von Millionen Uiguren und Mitgliedern anderer ethnischer Minderheiten in der nordwestchinesischen autonomen Region Xinjiang.

Zenz hatte erstmals im Jahr 2018 Details seiner Arbeit veröffentlicht, die eine systematische Umerziehung mit eklatanten Menschenrechtsverbrechen seitens der chinesischen Regierung in Xinjiang belegte. Zuletzt veröffentlichte Zenz die sogenannten Xinjiang Police Files, die aus großen Datensätzen der örtlichen Polizei bestehen (China.Table berichtete). Die Bilder gaben erstmals Einblicke in den Lageralltag der Gefangenen und halfen dabei, mehrere Tausende Inhaftierte namentlich zu identifizieren.

Der Bundestagsabgeordnete Michael Brand (CDU) lobte in seiner Laudatio die Entschlossenheit von Zenz, “obwohl er genau weiß, dass er sich damit gegen die größte Diktatur unseres Planeten stellt, die mit Gewalt nach innen und viel Geld und vielen Drohungen nach außen global viel Einfluss und Kontrolle erreicht hat”. grz

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Corona-Todesfall geht viral

Berichte über ein 16-jähriges Mädchen, das in der Quarantäne verstorben sein soll, sorgen in China für Aufsehen. Aufnahmen, die bislang nicht unabhängig verifiziert werden konnten, zeigen den Teenager nach Luft ringend in einem Etagenbett. Dieses soll sich demnach in einem Quarantänezentrum in der Stadt Ruzhou in der Provinz Henan befinden. Auch Bilder des leblosen Körpers gingen auf Chinas Social-Media-Kanälen viral.

In einem weiteren Video erklärt die angebliche Tante des Mädchens, dass ihre Nichte gestorben sei, nachdem sie tagelang an Fieber, Krämpfen und Erbrechen gelitten habe. Die Familie habe um medizinische Hilfe gebeten, sei aber nicht dran gekommen. Auch Anrufe bei offiziellen Stellen seien unbeantwortet geblieben. “Ich möchte, dass meine Familie und meine Freunde dieses Video sehen und es verbreiten, damit ich eine Stelle finden kann, die mir hilft, und damit ich Gerechtigkeit erfahre.”

In der Stadt Ruzhou wurden in den vergangenen Tagen Gebäude und Stadtviertel abgeriegelt. Tausende Menschen sollen sich in Quarantäne befinden. In Henan, einer Region mit fast 100 Millionen Einwohnern, wurden am Montag 13 und am Dienstag 26 Covid-19-Fälle gemeldet. fpe

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  • Gesundheit
  • Henan
  • Menschenrechte
  • Zivilgesellschaft

5G-Ausbau: EU-Kommission warnt vor chinesischen Lieferanten

Die EU-Kommission hat die europäischen Regierungen zur Sicherung ihrer 5G-Mobilnetze aufgerufen. “Mitgliedstaaten, die noch keine Beschränkungen für Hochrisikolieferanten erlassen haben, sollten dies unverzüglich tun, da die verlorene Zeit die Anfälligkeit der Netze in der Union erhöhen kann“, schreibt die EU-Kommission in einer Empfehlung zum Schutz kritischer Infrastruktur, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

Unter “Hochrisikolieferant” werden in Brüssel vor allem die chinesischen Telekommunikationsanbieter Huawei und ZTE verstanden. Die Technik von Huawei spielt zwar in vielen europäischen Mobilfunknetzen eine zentrale Rolle, jedoch sieht sich das Unternehmen auf vielen wichtigen Märkten mit einem de-facto Ausschluss vom 5G-Ausbau konfrontiert (China.Table berichtete). Der Netzwerkausrüster gilt als technisch hochversiert und auf dem Weltmarkt vergleichsweise günstig im Einkauf. Zweifel gibt es an seiner Vertrauenswürdigkeit; der Konzern steht im Verdacht, für die Geheimdienste seines Landes die Rivalen auszuspionieren und sich Kontrolle über deren kritische Infrastruktur zu verschaffen. (China.Table berichtete)

Die EU-Kommission warnt davor, sich auf Angaben der Hersteller zu verlassen. Es sei von “entscheidender Bedeutung”, dass alle EU-Länder die “relevanten Beschränkungen für Hochrisikolieferanten” umsetzten. Zur Begründung verweist die Kommission auf “essenzielle Dienste”, die 5G-Netze übernehmen sollen, sowie auf die “verflochtene Natur digitaler Ökosysteme“. Beschränkungen für Hochrisikoanbieter seien für Schlüsselbereiche des Netzes erforderlich, die von der EU als “kritisch und sensibel” eingestuft wurden.

Zeitgleich mit der Mahnung der EU hat Huawei seine Präsenz in Europa allerdings verstärkt. Der Technologieriese kündigte an, 150 Millionen Euro in sein erstes europäisches Cloud-Zentrum in Dublin zu investieren. In den nächsten zwei Jahren sollen 60 Arbeitsplätze geschaffen werden, bis 2027 soll die Zahl auf 200 steigen. mw

  • 5G
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Deutsche Geheimdienste warnen vor China

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) hat mit deutlichen Worten vor China gewarnt. Die Volksrepublik stelle auf Dauer eine erheblichere Bedrohung für die deutsche Sicherheit dar als Russland, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang bei einer öffentlichen Anhörung der Spitzenvertreter der Bundesnachrichtendienste durch das Parlamentarische Kontrollgremium am Montag. “Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel,” so Haldenwang.

BND-Präsident Bruno Kahl warnte ebenfalls vor einem “zur Globalmacht aufsteigenden autokratischen China”. Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in Deutschland seien in dieser Hinsicht bisher ebenfalls zu vertrauensselig gewesen und hätten sich in eine “schmerzhafte Abhängigkeit” begeben von einer Macht, die “auf einmal nicht mehr wohlgesonnen” erscheine, sagte der BND-Präsident. Gemeinsam mit dem BfV bemühe sich der BND seit fünf Jahren, in Wirtschaft und Wissenschaft das Bewusstsein für die von China ausgehenden Risiken zu schärfen. Ein erster Erfolg sei 2019 eine skeptische Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zu wirtschaftlichen Verflechtungen mit der Volksrepublik gewesen. Doch gebe es “im wissenschaftlichen Bereich noch viel Vertrauen und Naivität”, die nicht angebracht seien, so Kahl. Auch die US-Regierung hat gerade erst China als die größte Herausforderung noch vor Russland bezeichnet. ari

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Standpunkt

Xis wahres Gesicht

Die Rede von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei offenbarte nichts Neues. Die aufschlussreichsten Äußerungen, die seine Wertvorstellungen und Gedanken offenbaren, stammen noch aus der Zeit seines Aufstiegs zum Partei-Generalsekretär. Eine chronologische Analyse seiner Äußerungen hilft nicht nur dabei, Xi selbst zu verstehen, sondern zeigt auch, wie sich seine Denkweise allmählich der chinesischsprachigen Welt offenbarte.

“Einige wohlgenährte Ausländer sind derart gelangweilt, dass sie ungefragt Belehrungen und Kritik über unsere Angelegenheiten abgeben. China exportiert weder Revolution noch Hunger oder Armut. Wir belästigen Sie (den Westen) nicht und machen Ihnen keine Schwierigkeiten. Warum also machen sie so einen Aufstand?” Diese Worte stammen aus dem Jahr 2009, als Xi sich während seines offiziellen Besuchs in Mexiko in seiner Funktion als Chinas Vizepräsident mit im Ausland lebenden Chinesen traf.    

Xi wurde auf dem Parteikongress 2007 zum Nachfolger des damaligen Generalsekretärs Hu Jintao ernannt und sollte fünf Jahre später die Macht übernehmen. Nach diesem Kongress wurde es still um ihn, was durchaus normal war. Die Machtübernahme durch Xi war noch nicht in trockenen Tüchern. Daher wurde von ihm erwartet, dass er sich zurückhält und mit Bedacht äußert, um zu vermeiden, dass die Meinung über ihn innerhalb der Partei umschwenkt.  

Chinesische Politiker pflegen in der Regel einen sehr förmlichen Sprachstil. Wenn es um internationale Beziehungen geht, greifen sie fast immer auf ein großes Repertoire an diplomatischen und trockenen Formulierungen zurück.

Damals war das Verhältnis zwischen China und dem Westen vergleichsweise harmonisch. Chinesische Diplomaten wehrten sich zwar gegen westliche Kritik zu Themen wie Menschenrechten. Aber generell nahmen sie eine defensive Haltung ein und bedienten sich einer deutlich milderen Wortwahl als heute.  

Xis Äußerungen im Jahr 2009 wirkten daher wie ein Schlag aus heiterem Himmel. Bis zu diesem Zeitpunkt waren seine Werte und Perspektiven auf die Welt nahezu unbekannt. Man nahm an, dass er mindestens so aufgeschlossen sein würde wie sein Vater, ebenfalls ein hoher Parteifunktionär und ein liberaler Verbündeter Deng Xiaopings. Die Annahme rührte auch daher, dass Xi den größten Teil seiner politischen Karriere in den wirtschaftsfreundlichen Küstenprovinzen Fujian und Zhejiang verbracht hatte.  

Als also Xis spöttische, unverblümte Äußerung über westliche Kritik an die Öffentlichkeit gelangte, glaubte man noch, er wolle damit den Konservativen in der Partei gefallen. Erst Jahre später wurde klar, dass sie seine antiwestliche Mentalität tatsächlich widerspiegelten. Sie läuteten auch das Zeitalter von Chinas Wolfskrieger-Diplomatie und der wachsenden Feindseligkeit zwischen dem Land und dem Westen ein.

Sein Einwand, dass China keine Revolution exportiere, war auch ein Hinweis darauf, dass er in der Mao-Ära verharrt, als das Land noch versuchte, kommunistische Revolten in Entwicklungsländern anzuzetteln oder die dortigen Kommunisten zu unterstützen. 

Trauer um die Sowjetunion

“Es gab nicht einmal einen einzigen echten Mann.” Damit bezog er sich auf den Zusammenbruch der Sowjetunion und beklagte, dass niemand in der Sowjetunion “aufstand, um für ihr Überleben zu kämpfen.” Dies sagte er im Dezember 2012, zwei Monate nachdem er offiziell als Parteichef an die Macht kam. In einer Rede an die Beamten in der wohlhabenden Provinz Guangdong kam seine wahre Gesinnung zum Vorschein: die Überzeugung eines wahren Kommunisten.

Obwohl der Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Europa um 1990 seit jeher ein Alptraum für die chinesische Führung ist, thematisiert sie ihn nur selten. Aber nicht so Xi.

“Es brauchte nur einen leisen Satz von Gorbatschow, dass die kommunistische Partei der Sowjetunion aufgelöst wird, und schon war diese große Partei fort”, sagte er mit tiefem Bedauern. “Es gab keinen einzigen echten Mann” bezieht sich auf eine Zeile aus einem Gedicht aus dem chaotischen 10. Jahrhundert in China, das den Untergang eines kleinen Königreichs beklagt. (Interessanterweise wurde dieses patriotisch anmutende Gedicht von einer Konkubine eines berüchtigten Kaisers verfasst). 

Es ist offensichtlich, dass Xi in der grausamen kommunistischen Herrschaft in der damaligen Sowjetunion kein Problem sieht. Und er ist darauf bedacht, die KP China vor einem ähnlichen Fiasko zu bewahren. 

Zu diesem Zeitpunkt war die Hoffnung auf einen positiven Wandel in China bereits Geschichte.  

Xi zeigt sein wahres Gesicht

“Sich von der kommunistischen Partei füttern zu lassen und dann den Wok der kommunistischen Partei zu zerschlagen, so etwas darf es nicht geben.” Dies äußerte er im Jahr 2014 auf einer Arbeitskonferenz über Dissens und Kritik an der Parteiführung. Er bediente sich dabei einer Volksweisheit über eine undankbare Person, die von etwas profitiert und es gleichzeitig angreift.  

Etwa zur gleichen Zeit wurden mehrere Partei- und Regierungsbeamte wegen “unangemessener Äußerungen über die zentrale Führung” bestraft. Bei dem Begriff “zentrale Führung” handelt es sich im Grunde um Xi Jinping selbst.

Xis Analogie über den zerschlagenen Wok verbreitete sich schnell auch außerhalb der Partei und wird seitdem benutzt, um Kritiker der Partei oder der Regierung anzugreifen. Damit wurde ein totalitäres Regime noch totalitärer. Seine Analogie war deshalb für viele so empörend, weil sie die Partei als Schutzpatron des Volkes versteht und nicht als politische Organisation, die vom Geld der Steuerzahler lebt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Xis Ruf als Machthaber (oder “echter Mann”) innerhalb Chinas vollständig etabliert, und eine neue Welle der Auswanderung und Kapitalflucht losgetreten. Es dauerte einige Zeit, bis das Ausland den wahren Xi erkannte. Seine gutmütigen Vorträge auf Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos, auf der er für die Globalisierung warb, gaukelten den Zuhörern vor, dass China auch in Zukunft ein sicherer und lukrativer Markt bleiben würde.

Doch dann ließ Xi die Verfassung ändern und schuf damit die Grundlage für seine lebenslange Herrschaft. Nun erkannte die ganze Welt, wer er wirklich war.

Xi der Architekturkritiker

“Wir sollten keine seltsamen Gebäude mehr haben.” Xi machte diese Bemerkung auf einer Konferenz für Schriftsteller und Künstler im Jahr 2014. Er forderte sie auf, sich in ihren Werken für die “sozialistischen Grundwerte” einzusetzen, ein Ausdruck für Parteitreue. Damit spielte er offensichtlich auf eine Rede Maos aus dem Jahr 1942 an, mit der er den Ton für Literatur und künstlerische Werke im kommunistischen China vorgab.

Xis willkürliche Randbemerkung über Architektur löste in der Baubranche ein Rätselraten über die Definition von “seltsamen Gebäuden” aus. Es wird angenommen, dass Xi sich auf eine Reihe von Bauwerken im postmodernen Stil bezog, die in Peking und anderen Großstädten zu Beginn des neuen Jahrtausends errichtet wurden. Einige von ihnen stammten von renommierten internationalen Architekten wie Zaha Hadid.

Xis Worte gewähren hin und wieder einen Einblick in seinen Sinn für Ästhetik, welcher, um es vorsichtig auszudrücken, sehr konservativ ist. Dies spiegelt sich auch in seinem Sprachstil wider. Selbst in offiziellen Reden äußert er sich bevorzugt umgangssprachlich und lässt oft Analogien und Anekdoten einfließen.     

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  • KP Chinas
  • Xi Jinping

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Chinesische Diplomaten schlagen zu
    • Generalkonsul verteidigt seine Gewalt
    • Adrian Zenz für Xinjiang-Forschung ausgezeichnet
    • Angeblicher Quarantäne-Todesfall geht viral
    • Präsident des Verfassungsschutzes warnt vor China
    • Standpunkt: Xi Jinpings wahres Gesicht
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der Bridge Man, wie Peng Lifa inzwischen genannt wird, hat mit seinem Protest in der vergangenen Woche auf der Sitong-Brücke in Peking tatsächlich so etwas wie nachhaltiges Bewusstsein geschaffen. In sozialen Medien tauchen hier und da Bilder auf von reproduzierten Slogans des Mannes. Sie werden an die Wände von öffentlichen Toiletten gekritzelt, an Brückenpfeiler gepinselt oder als Klebestreifén an Autoscheiben gepappt.

    Ob das tatsächlich der Anfang einer Protestbewegung ist, die sich organisieren und koordinieren kann, scheint eher unwahrscheinlich zu sein. Und dennoch zeigt sie der Kommunistischen Partei die Grenzen der physischen Überwachung auf.

    Wer bei heimlichen Protestaktionen erwischt wird, muss davon ausgehen, hart bestraft zu werden. Das Selbstverständnis, mit dem Chinas staatliche Vertreter auch physisch gegen politischen Dissens vorgehen, zeigt das Beispiel Manchester, wo sich selbst der Generalkonsul der Volksrepublik zu Gewalt gegen Protestierende hinreißen ließ.

    Der Kurzschluss ist das eine Problem und auch das deutlich kleinere. Das Interview, in dem der Diplomat die Gewalt an einem Demonstranten zur patriotischen Pflichterfüllung erklärte, das wesentlich größere. Es offenbart die Geisteshaltung des chinesischen Staates, der Gewalt als legitimes Mittel sieht, um anderen den Mund zu verbieten. Und das wohlgemerkt nicht auf dem eigenen Staatsgebiet. Sondern mitten in Großbritannien, einer liberalen Demokratie, wo friedlicher Protest durch die Verfassung geschützt ist.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Bridge Man stiehlt Xi einen Teil der Show

    Peng Lifa, der mutmaßliche Demonstrant von der Sitong-Brücke

    Die Aktion eines Demokratie-Aktivisten an der Sitong-Brücke in Peking hallt weiterhin nach. Auf der einen Seite handelt es sich nur um einen einzigen von 1,4 Milliarden Chinesen – und eine Massenbewegung ist nicht zu erkennen. Rein theoretisch könnte er mit seiner Meinung ziemlich alleine dastehen und lediglich die Unterstützung eines kleinen Kreises politisch interessierter Intellektueller erhalten.

    Auf der anderen Seite besitzt die Aktion enormen Symbolwert. Der Mann hat bewiesen: Auch das lückenlos überwachte Peking lässt sich nicht vollständig kontrollieren. Alleine das zeigt die Grenzen der Herrschaft über die physische Realität, die die Partei anstrebt. In diesem ersten auffälligen Protest seit Jahren wurde zudem deutlich, dass sich die chinesische Zivilgesellschaft nicht im völligen Kälteschlaf befindet. Der Rauch über der Sitong-Brücke könnte auch als Anzeichen für einen Schwelbrand unter der scheinbar geschlossenen Oberfläche der Gesellschaft gesehen werden. Die internationalen Medien erhielten zudem vor einem drögen Parteitag ihre Sensation.

    10. Parteitag der KP China

    Am Donnerstag hatte der Demonstrant mehrere Spruchbänder an der Straßenbrücke im Bezirk Haidian entrollt. Er bezeichnete Xi Jingping als Diktator und forderte unter anderem Freiheit statt Lockdowns, Würde statt Lügen und Wahlen statt eines obersten Führers. Ebenso bemerkenswert war jedoch, wie er die Aktion organisiert hatte. Er hatte sich als Bauarbeiter angezogen, war in einem offiziell aussehenden Lieferwagen vorgefahren und soll sogar noch die Hilfe der anwesenden Polizisten eingefordert haben, um seine “Baustelle” zu sichern. Nachdem er die Banner in Seelenruhe aufgehängt hatte, legte er das Feuer, um noch zusätzlich auf sie aufmerksam zu machen. Diese Sorte Cleverness kommt gerade in China gut an und spricht sich herum, wenn dazu noch der Obrigkeit ein Schnippchen geschlagen wurde.

    Um die Brücke herum befinden sich zahlreiche Unis und Technik-Firmen. Es wimmelt dort nur so von Angehörigen der jungen Generation, die alles Interessante mit dem Handy filmen. Die Zensur hatte daher viel zu tun. Unter den blockierten Suchbegriffen befanden sich zeitweilig “Feuer”, “Sitong-Brücke”, “mutig”, “Banner” und sogar “Dritter Ring”, eine der Hauptstraßen von Peking.  

    Bridge Man ist Wissenschaftler und Firmengründer

    Im Netz erhielt der Mann den Spitznamen “Bridge Man”, angelehnt an den “Tank Man”, der sich 1989 den Panzern entgegenstellte. Vor allem die Twitter-Gemeinde war sich schnell sicher, ihn identifiziert zu haben. Demnach soll es sich um den Physiker Peng Lifa handeln. Das starke Indiz dafür: Im deutschen Wissenschafts-Portal ResearchGate wurden unter seinem Konto zeitgleich mit der Aktion dieselben Protestsprüche veröffentlicht, schön grafisch aufbereitet fürs Weiterteilen. Peng ist auch an einer Pekinger Firma für Werkstoffe beteiligt.

    Derselbe Peng Lifa ist zudem seit Donnerstag verschwunden. Bridge Man hatte sich ohne Widerstand festnehmen lassen, nachdem die Polizisten auf den Inhalt der Banner aufmerksam geworden waren. Ihm drohen nun Folter, Gefängnis und Verschwinden.

    Alle Pekinger Brücken sind jetzt doppelt überwacht, aber eventuelle Nachahmer würden wohl andere Orte und Formen wählen, um den Protest weiterzuspinnen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Funken von der Aktion bei anderen jungen Leuten verfangen und sie das Feuer weitertragen. Aufgrund der Allgegenwart der Handy-Kameras und der chaotischen Natur des Internets würden auch weitere Proteste bekannt werden. Vielleicht ist das Internet nicht nur das geniale Herrschaftsinstrument, als das es die KP zuletzt genutzt hat, sondern doch auch eine potenzielle Gefahr für die absolute Machtentfaltung.

    • 20. Parteitag
    • KP Chinas

    Chinas langer Arm schlägt in Manchester zu

    Aktivisten und britische Politiker fordern die umfassende Aufklärung eines gewalttätigen Übergriffs durch chinesische Konsulatsmitarbeiter bei einer Protestaktion in Manchester. Hongkonger Demonstranten hatten am Sonntag vor dem Gebäude Plakate ausgerollt und Slogans geschrien, um gegen die Herrschaft der Kommunistischen Partei zu protestieren. Parallel dazu hatte in Peking der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei begonnen.

    Auf Videos, die in Sozialmedien kursieren, ist zu sehen, wie mehrere Männer vor den Augen mehrerer örtlicher Polizisten ein Schmähplakat mit dem Konterfei von Chinas Staatspräsident Xi Jinping an sich reißen und einen der Demonstranten auf das Gelände des Konsulats zerren, wo sie ihn mit Tritten und Schlägen traktieren. Die Szenerie beruhigte sich erst, nachdem britische Beamten den am Boden liegenden Mann vom Konsulatsgelände zurück auf die öffentliche Straße gezerrt hatten.

    Die Eskalation besorgt Hongkonger Aktivisten weltweit. Ray Wong, Gründer des Vereins Freiheit für Hongkong, sagt, er sei “außerordentlich schockiert, dass Chinas diplomatische Abteilungen immer aggressiver im Ausland” wüten. Der Protest der Gruppe sei zwar laut, aber im Rahmen bürgerlicher Freiheitsrechte verlaufen, ehe chinesische Diplomaten begonnen hätten, Gewalt anzuwenden.

    Parlamentarier fordern Konsequenzen

    Für den früheren Hongkonger Lokalpolitiker, der nach Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes in seiner Heimat nach Deutschland geflohen war und seit 2019 in Göttingen im Exil lebt, steht der Vorfall symbolisch für eine gefährliche Entwicklung. “Er zeigt, dass die Mitarbeiter von chinesischen Botschaften und Konsulaten zunehmend selbstgewiss sind, dass sie in anderen Ländern tun und lassen können, was sie wollen“, erläutert Wong im Gespräch mit China.Table.

    Die Polizei in Manchester kündigte an, den Vorfall genau untersuchen zu wollen. Um den Aktivisten zu befreien, hatten sich mindestens zwei Beamte wenige Meter auf das Konsulatsgelände bewegt. Internationale Konventionen sehen jedoch vor, dass Polizisten nur mit ausdrücklicher Zustimmung des diplomatischen Personals das Gelände eines Konsulats oder einer Botschaft betreten dürfen. “Beamte waren anwesend und reagierten sofort, um die Situation zu entschärfen”, hieß es in der Stellungnahme.

    Mehrere britische Parlamentarier äußerten sich auf Twitter empört. “Die britische Regierung muss eine umfassende Entschuldigung des chinesischen Botschafters im Vereinigten Königreich verlangen und fordern, dass die Verantwortlichen nach China zurückgeschickt werden”, schrieb der Abgeordnete der regierenden Konservativen Partei Iain Duncan Smith. Auch die Tory-Abgeordnete Alicia Kearns forderte die Behörden zu dringenden Ermittlungen auf. “Wenn ein Beamter Demonstranten geschlagen hat, muss er des Landes verwiesen oder strafrechtlich verfolgt werden“, forderte Kearns.

    Missachtung von Regeln auch auf lokaler Ebene

    Der frühere Hongkonger Parlamentarier Ted Hui, der inzwischen in Australien lebt, warnt unterdessen vor einem inkonsequenten Umgang britischer Behörden bei der Untersuchung des Falls. “Er ist eine ernste Warnung für liberale Demokratien vor einer fortsetzenden Missachtung von Gesetzen und Regeln durch das Regime der Kommunistischen Partei nicht nur auf internationaler, sondern auch auf lokaler Ebene“, sagte Hui gegenüber China.Table. Exil-Hongkonger fürchten, dass sie künftig auch im Ausland in Angst davor leben müssten, von chinesischen Behörden entführt und nach China verschleppt zu werden, wenn die verantwortlichen Konsulatsmitarbeiter nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

    Der Hongkonger Aktivist und Lobbyist Nathan Law forderte die britische Regierung über Twitter auf, “zu ermitteln und unsere Gemeinschaft und die Menschen im Vereinigten Königreich zu schützen”.

    Ein Sprecher des chinesischen Außenamtes sagte am Montag, dass sich chinesische Botschaften und Konsulate immer an die Gesetze der Länder gehalten hätten, in denen sie stationiert seien. Zu dem Vorfall in Manchester könne er aus Mangel an Informationen keine Stellung nehmen. Er appellierte jedoch an die britischen Behörden, in Übereinstimmung mit den Wiener Konventionen die Arbeit der chinesischen Botschaft und der Konsulate in Großbritannien zu erleichtern.

    Bericht: Chinesische Polizei in Frankfurt aktiv

    Schon vor einigen Wochen hatte die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders über die zunehmenden Operationen chinesischer Polizeieinheiten im Ausland berichtet. Über sogenannte Polizei-Servicestationen in anderen Staaten und in enger Zusammenarbeit mit staatlichen chinesischen Organisationen der Einheitsfront wie die Overseas Chinese Federation (COCF) koordinierten die Sicherheitskräfte die Suche nach Auslandschinesen, die sie zu einer Rückkehr in die Volksrepublik bewegen wollten.

    54 Stationen in 30 Ländern haben die Safeguard Defender eigenen Angaben zufolge bereits identifiziert. Auch in der Europäischen Union sind chinesische Sicherheitskräfte demnach besonders umtriebig. Allein in Spanien sollen sich neun solcher Stationen befinden. In Deutschland betreibe die Polizei mindestens eine Außenstelle in Frankfurt.

    Tatsächlich scheinen die Behörden in Großbritannien die wachsende Gefahr für Aktivisten erkannt zu haben. “Bei unserer letzten Veranstaltung am 1. Oktober war der Polizeischutz sehr groß. Das war nicht immer der Fall”, erinnert sich Rahima Mahmut, Direktorin des Weltkongresses der Uiguren (WUC) in London, gegenüber China.Table

    Bei der Protestaktion waren Uiguren zusammen mit Tibetern, Aktivisten aus Hongkong und britischen Unterstützern vor die chinesische Botschaft marschiert, um dort eine Kundgebung abzuhalten. Die hohe Polizeipräsenz haben den Teilnehmer zusätzliche Sicherheit gegeben. 2015 dagegen waren ein chinesischer Dissident und zwei Tibeter am Rande des Staatsbesuchs von Xi Jinping in London von der Polizei festgenommen worden, weil sie gegen den Gast protestiert hatten.

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    News

    Generalkonsul gibt Anwendung von Gewalt zu

    Chinas Generalkonsul in Manchester hat seine direkte Beteiligung an einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit Hongkonger Demonstranten eingestanden. Zheng Xiyuan gab zu, einen Protestler an den Haaren gezogen zu haben, um ihn gemeinsam mit einer Handvoll Mitarbeiter des Konsulats auf das Gelände zu zerren. Die Handgreiflichkeit ist auf einem Video des Vorfalls deutlich zu erkennen (China.Table berichtete).

    Zheng war bislang jedoch nur verdächtigt worden, in den Vorfall vom vergangenen Sonntag verwickelt gewesen zu sein, weil er mit einem Mund-Nasenschutz im Gesicht und einer Mütze auf dem Kopf nicht einwandfrei zu identifizieren war. Nach massiven Forderungen aus der Politik nach Aufklärung brachte der Diplomat in einem Schreiben an die Polizei in Manchester nun aber Licht ins Dunkel.

    Später verteidigte Zheng sein Verhalten in einem Interview mit dem TV-Sender Sky News. Er habe niemanden angegriffen, er sei der Friedliche gewesen, behauptete der Diplomat zunächst, ehe ihn der Fragesteller auf das Haareziehen hinwies. Daraufhin erklärte Zheng: “Der Mann hat mein Land und meinen Vorsitzenden (Xi Jinping) beleidigt. Ich denke, es ist meine Pflicht gewesen. Ich denke, es ist die Pflicht eines jeden Diplomaten.”

    Kurz zuvor hatte Zheng außerhalb des Konsulats zwei Protestplakate heruntergerissen. Darauf war der Wunsch nach dem Ende der KP-Diktatur zu lesen sowie eine Floskel, die im übertragenen Sinne als derbe Beleidigung aufgefasst werden kann. Zhengs Mitarbeiter entwendeten außerdem ein Plakat, das Xi Jinping zeigte. Darauf ist der chinesische Staatspräsident in einem unter anderem mit Blut befleckten Anzug zu sehen, während die Kleidung seines Spiegelbildes makellos ist. grz

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    Protestplakat in Manchester gegen die Herrschaft von Xi Jinping

    ICT ehrt Zenz für Xinjiang-Forschung

    Der deutsche Anthropologe Adrian Zenz ist mit dem erstmals vergebenen Menschenrechtspreis “Schneelöwe” der International Campaign for Tibet (ICT) ausgezeichnet worden. Zenz erhielt den mit 3.000 Euro dotierten Preis am vergangenen Samstag bei einem Festakt im Umweltforum Berlin. Honoriert wurde der 47-Jährige für seine bahnbrechende Forschung zur Internierung von Millionen Uiguren und Mitgliedern anderer ethnischer Minderheiten in der nordwestchinesischen autonomen Region Xinjiang.

    Zenz hatte erstmals im Jahr 2018 Details seiner Arbeit veröffentlicht, die eine systematische Umerziehung mit eklatanten Menschenrechtsverbrechen seitens der chinesischen Regierung in Xinjiang belegte. Zuletzt veröffentlichte Zenz die sogenannten Xinjiang Police Files, die aus großen Datensätzen der örtlichen Polizei bestehen (China.Table berichtete). Die Bilder gaben erstmals Einblicke in den Lageralltag der Gefangenen und halfen dabei, mehrere Tausende Inhaftierte namentlich zu identifizieren.

    Der Bundestagsabgeordnete Michael Brand (CDU) lobte in seiner Laudatio die Entschlossenheit von Zenz, “obwohl er genau weiß, dass er sich damit gegen die größte Diktatur unseres Planeten stellt, die mit Gewalt nach innen und viel Geld und vielen Drohungen nach außen global viel Einfluss und Kontrolle erreicht hat”. grz

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    Corona-Todesfall geht viral

    Berichte über ein 16-jähriges Mädchen, das in der Quarantäne verstorben sein soll, sorgen in China für Aufsehen. Aufnahmen, die bislang nicht unabhängig verifiziert werden konnten, zeigen den Teenager nach Luft ringend in einem Etagenbett. Dieses soll sich demnach in einem Quarantänezentrum in der Stadt Ruzhou in der Provinz Henan befinden. Auch Bilder des leblosen Körpers gingen auf Chinas Social-Media-Kanälen viral.

    In einem weiteren Video erklärt die angebliche Tante des Mädchens, dass ihre Nichte gestorben sei, nachdem sie tagelang an Fieber, Krämpfen und Erbrechen gelitten habe. Die Familie habe um medizinische Hilfe gebeten, sei aber nicht dran gekommen. Auch Anrufe bei offiziellen Stellen seien unbeantwortet geblieben. “Ich möchte, dass meine Familie und meine Freunde dieses Video sehen und es verbreiten, damit ich eine Stelle finden kann, die mir hilft, und damit ich Gerechtigkeit erfahre.”

    In der Stadt Ruzhou wurden in den vergangenen Tagen Gebäude und Stadtviertel abgeriegelt. Tausende Menschen sollen sich in Quarantäne befinden. In Henan, einer Region mit fast 100 Millionen Einwohnern, wurden am Montag 13 und am Dienstag 26 Covid-19-Fälle gemeldet. fpe

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    5G-Ausbau: EU-Kommission warnt vor chinesischen Lieferanten

    Die EU-Kommission hat die europäischen Regierungen zur Sicherung ihrer 5G-Mobilnetze aufgerufen. “Mitgliedstaaten, die noch keine Beschränkungen für Hochrisikolieferanten erlassen haben, sollten dies unverzüglich tun, da die verlorene Zeit die Anfälligkeit der Netze in der Union erhöhen kann“, schreibt die EU-Kommission in einer Empfehlung zum Schutz kritischer Infrastruktur, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

    Unter “Hochrisikolieferant” werden in Brüssel vor allem die chinesischen Telekommunikationsanbieter Huawei und ZTE verstanden. Die Technik von Huawei spielt zwar in vielen europäischen Mobilfunknetzen eine zentrale Rolle, jedoch sieht sich das Unternehmen auf vielen wichtigen Märkten mit einem de-facto Ausschluss vom 5G-Ausbau konfrontiert (China.Table berichtete). Der Netzwerkausrüster gilt als technisch hochversiert und auf dem Weltmarkt vergleichsweise günstig im Einkauf. Zweifel gibt es an seiner Vertrauenswürdigkeit; der Konzern steht im Verdacht, für die Geheimdienste seines Landes die Rivalen auszuspionieren und sich Kontrolle über deren kritische Infrastruktur zu verschaffen. (China.Table berichtete)

    Die EU-Kommission warnt davor, sich auf Angaben der Hersteller zu verlassen. Es sei von “entscheidender Bedeutung”, dass alle EU-Länder die “relevanten Beschränkungen für Hochrisikolieferanten” umsetzten. Zur Begründung verweist die Kommission auf “essenzielle Dienste”, die 5G-Netze übernehmen sollen, sowie auf die “verflochtene Natur digitaler Ökosysteme“. Beschränkungen für Hochrisikoanbieter seien für Schlüsselbereiche des Netzes erforderlich, die von der EU als “kritisch und sensibel” eingestuft wurden.

    Zeitgleich mit der Mahnung der EU hat Huawei seine Präsenz in Europa allerdings verstärkt. Der Technologieriese kündigte an, 150 Millionen Euro in sein erstes europäisches Cloud-Zentrum in Dublin zu investieren. In den nächsten zwei Jahren sollen 60 Arbeitsplätze geschaffen werden, bis 2027 soll die Zahl auf 200 steigen. mw

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    Deutsche Geheimdienste warnen vor China

    Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) hat mit deutlichen Worten vor China gewarnt. Die Volksrepublik stelle auf Dauer eine erheblichere Bedrohung für die deutsche Sicherheit dar als Russland, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang bei einer öffentlichen Anhörung der Spitzenvertreter der Bundesnachrichtendienste durch das Parlamentarische Kontrollgremium am Montag. “Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel,” so Haldenwang.

    BND-Präsident Bruno Kahl warnte ebenfalls vor einem “zur Globalmacht aufsteigenden autokratischen China”. Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in Deutschland seien in dieser Hinsicht bisher ebenfalls zu vertrauensselig gewesen und hätten sich in eine “schmerzhafte Abhängigkeit” begeben von einer Macht, die “auf einmal nicht mehr wohlgesonnen” erscheine, sagte der BND-Präsident. Gemeinsam mit dem BfV bemühe sich der BND seit fünf Jahren, in Wirtschaft und Wissenschaft das Bewusstsein für die von China ausgehenden Risiken zu schärfen. Ein erster Erfolg sei 2019 eine skeptische Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zu wirtschaftlichen Verflechtungen mit der Volksrepublik gewesen. Doch gebe es “im wissenschaftlichen Bereich noch viel Vertrauen und Naivität”, die nicht angebracht seien, so Kahl. Auch die US-Regierung hat gerade erst China als die größte Herausforderung noch vor Russland bezeichnet. ari

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    Standpunkt

    Xis wahres Gesicht

    Die Rede von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei offenbarte nichts Neues. Die aufschlussreichsten Äußerungen, die seine Wertvorstellungen und Gedanken offenbaren, stammen noch aus der Zeit seines Aufstiegs zum Partei-Generalsekretär. Eine chronologische Analyse seiner Äußerungen hilft nicht nur dabei, Xi selbst zu verstehen, sondern zeigt auch, wie sich seine Denkweise allmählich der chinesischsprachigen Welt offenbarte.

    “Einige wohlgenährte Ausländer sind derart gelangweilt, dass sie ungefragt Belehrungen und Kritik über unsere Angelegenheiten abgeben. China exportiert weder Revolution noch Hunger oder Armut. Wir belästigen Sie (den Westen) nicht und machen Ihnen keine Schwierigkeiten. Warum also machen sie so einen Aufstand?” Diese Worte stammen aus dem Jahr 2009, als Xi sich während seines offiziellen Besuchs in Mexiko in seiner Funktion als Chinas Vizepräsident mit im Ausland lebenden Chinesen traf.    

    Xi wurde auf dem Parteikongress 2007 zum Nachfolger des damaligen Generalsekretärs Hu Jintao ernannt und sollte fünf Jahre später die Macht übernehmen. Nach diesem Kongress wurde es still um ihn, was durchaus normal war. Die Machtübernahme durch Xi war noch nicht in trockenen Tüchern. Daher wurde von ihm erwartet, dass er sich zurückhält und mit Bedacht äußert, um zu vermeiden, dass die Meinung über ihn innerhalb der Partei umschwenkt.  

    Chinesische Politiker pflegen in der Regel einen sehr förmlichen Sprachstil. Wenn es um internationale Beziehungen geht, greifen sie fast immer auf ein großes Repertoire an diplomatischen und trockenen Formulierungen zurück.

    Damals war das Verhältnis zwischen China und dem Westen vergleichsweise harmonisch. Chinesische Diplomaten wehrten sich zwar gegen westliche Kritik zu Themen wie Menschenrechten. Aber generell nahmen sie eine defensive Haltung ein und bedienten sich einer deutlich milderen Wortwahl als heute.  

    Xis Äußerungen im Jahr 2009 wirkten daher wie ein Schlag aus heiterem Himmel. Bis zu diesem Zeitpunkt waren seine Werte und Perspektiven auf die Welt nahezu unbekannt. Man nahm an, dass er mindestens so aufgeschlossen sein würde wie sein Vater, ebenfalls ein hoher Parteifunktionär und ein liberaler Verbündeter Deng Xiaopings. Die Annahme rührte auch daher, dass Xi den größten Teil seiner politischen Karriere in den wirtschaftsfreundlichen Küstenprovinzen Fujian und Zhejiang verbracht hatte.  

    Als also Xis spöttische, unverblümte Äußerung über westliche Kritik an die Öffentlichkeit gelangte, glaubte man noch, er wolle damit den Konservativen in der Partei gefallen. Erst Jahre später wurde klar, dass sie seine antiwestliche Mentalität tatsächlich widerspiegelten. Sie läuteten auch das Zeitalter von Chinas Wolfskrieger-Diplomatie und der wachsenden Feindseligkeit zwischen dem Land und dem Westen ein.

    Sein Einwand, dass China keine Revolution exportiere, war auch ein Hinweis darauf, dass er in der Mao-Ära verharrt, als das Land noch versuchte, kommunistische Revolten in Entwicklungsländern anzuzetteln oder die dortigen Kommunisten zu unterstützen. 

    Trauer um die Sowjetunion

    “Es gab nicht einmal einen einzigen echten Mann.” Damit bezog er sich auf den Zusammenbruch der Sowjetunion und beklagte, dass niemand in der Sowjetunion “aufstand, um für ihr Überleben zu kämpfen.” Dies sagte er im Dezember 2012, zwei Monate nachdem er offiziell als Parteichef an die Macht kam. In einer Rede an die Beamten in der wohlhabenden Provinz Guangdong kam seine wahre Gesinnung zum Vorschein: die Überzeugung eines wahren Kommunisten.

    Obwohl der Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Europa um 1990 seit jeher ein Alptraum für die chinesische Führung ist, thematisiert sie ihn nur selten. Aber nicht so Xi.

    “Es brauchte nur einen leisen Satz von Gorbatschow, dass die kommunistische Partei der Sowjetunion aufgelöst wird, und schon war diese große Partei fort”, sagte er mit tiefem Bedauern. “Es gab keinen einzigen echten Mann” bezieht sich auf eine Zeile aus einem Gedicht aus dem chaotischen 10. Jahrhundert in China, das den Untergang eines kleinen Königreichs beklagt. (Interessanterweise wurde dieses patriotisch anmutende Gedicht von einer Konkubine eines berüchtigten Kaisers verfasst). 

    Es ist offensichtlich, dass Xi in der grausamen kommunistischen Herrschaft in der damaligen Sowjetunion kein Problem sieht. Und er ist darauf bedacht, die KP China vor einem ähnlichen Fiasko zu bewahren. 

    Zu diesem Zeitpunkt war die Hoffnung auf einen positiven Wandel in China bereits Geschichte.  

    Xi zeigt sein wahres Gesicht

    “Sich von der kommunistischen Partei füttern zu lassen und dann den Wok der kommunistischen Partei zu zerschlagen, so etwas darf es nicht geben.” Dies äußerte er im Jahr 2014 auf einer Arbeitskonferenz über Dissens und Kritik an der Parteiführung. Er bediente sich dabei einer Volksweisheit über eine undankbare Person, die von etwas profitiert und es gleichzeitig angreift.  

    Etwa zur gleichen Zeit wurden mehrere Partei- und Regierungsbeamte wegen “unangemessener Äußerungen über die zentrale Führung” bestraft. Bei dem Begriff “zentrale Führung” handelt es sich im Grunde um Xi Jinping selbst.

    Xis Analogie über den zerschlagenen Wok verbreitete sich schnell auch außerhalb der Partei und wird seitdem benutzt, um Kritiker der Partei oder der Regierung anzugreifen. Damit wurde ein totalitäres Regime noch totalitärer. Seine Analogie war deshalb für viele so empörend, weil sie die Partei als Schutzpatron des Volkes versteht und nicht als politische Organisation, die vom Geld der Steuerzahler lebt.

    Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Xis Ruf als Machthaber (oder “echter Mann”) innerhalb Chinas vollständig etabliert, und eine neue Welle der Auswanderung und Kapitalflucht losgetreten. Es dauerte einige Zeit, bis das Ausland den wahren Xi erkannte. Seine gutmütigen Vorträge auf Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos, auf der er für die Globalisierung warb, gaukelten den Zuhörern vor, dass China auch in Zukunft ein sicherer und lukrativer Markt bleiben würde.

    Doch dann ließ Xi die Verfassung ändern und schuf damit die Grundlage für seine lebenslange Herrschaft. Nun erkannte die ganze Welt, wer er wirklich war.

    Xi der Architekturkritiker

    “Wir sollten keine seltsamen Gebäude mehr haben.” Xi machte diese Bemerkung auf einer Konferenz für Schriftsteller und Künstler im Jahr 2014. Er forderte sie auf, sich in ihren Werken für die “sozialistischen Grundwerte” einzusetzen, ein Ausdruck für Parteitreue. Damit spielte er offensichtlich auf eine Rede Maos aus dem Jahr 1942 an, mit der er den Ton für Literatur und künstlerische Werke im kommunistischen China vorgab.

    Xis willkürliche Randbemerkung über Architektur löste in der Baubranche ein Rätselraten über die Definition von “seltsamen Gebäuden” aus. Es wird angenommen, dass Xi sich auf eine Reihe von Bauwerken im postmodernen Stil bezog, die in Peking und anderen Großstädten zu Beginn des neuen Jahrtausends errichtet wurden. Einige von ihnen stammten von renommierten internationalen Architekten wie Zaha Hadid.

    Xis Worte gewähren hin und wieder einen Einblick in seinen Sinn für Ästhetik, welcher, um es vorsichtig auszudrücken, sehr konservativ ist. Dies spiegelt sich auch in seinem Sprachstil wider. Selbst in offiziellen Reden äußert er sich bevorzugt umgangssprachlich und lässt oft Analogien und Anekdoten einfließen.     

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    China.Table Redaktion

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