die US-Regierung untersagt bestimmte Investitionen in die chinesische Technologiebranche. Präsident Joe Biden beruft sich auf die nationale Sicherheit. Mehr Sorge als die Maßnahme an sich bereiten in Europa eher ihr Ton und ihre Zielrichtung, analysiert Finn Mayer-Kuckuk. Denn die USA und China bewegen sich weiter in Richtung einer Spaltung des Weltmarkts und mit jeder neuen Runde des Handelskonflikts schrumpft der Handlungsspielraum international agierender Unternehmen.
Wer früher in China an – halbwegs – guten Kaffee für die Maschine daheim kommen wollte, kam an der US-Kaffeekette Starbucks eigentlich nicht vorbei. Denn viel andere Auswahl gab es nicht, um in einer Weltstadt wie Shanghai an Kaffeepulver zu kommen. Der bisherige Kaffee-Platzhirsch aus dem Ausland wurde jetzt allerdings heimisch überholt: Luckin Coffee ist der umsatzstärkste Anbieter. Wie Luckin das geschafft hat, schreibt Jörn Petring.
In unserer Kolumne “Blick aus China” geht es heute um den wahren Herrscher in China. Und damit ist nicht die Partei gemeint.
Wir wünschen Ihnen ein entspanntes Wochenende!
Per Dekret hat das Weiße Haus verfügt: Kapitalinvestitionen von US-Anlegern in chinesische Hochtechnik-Firmen sollen ab dem kommenden Jahr nicht mehr möglich sein. Auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen ist untersagt. Betroffen sind die Branchen
Die Verwaltungsanweisung betrifft offiziell “Countries of Concern”, gemeint ist China. So darf beispielsweise ein US-Investmenthaus wie Goldman Sachs künftig kein Geld mehr in eine chinesische KI-Firma wie Baidu oder Alibaba stecken. Auch die Finanzierung chinesischer Start-ups vonseiten US-amerikanischer Firmen ist nicht mehr möglich. Bisher waren solche Investitionen Routine.
Es ist weniger die Maßnahme selbst, die in Europa erhebliche Sorgen weckt. Ihre unmittelbaren Auswirkungen werden sich in Grenzen halten, zumal sie nicht rückwirkt. Europäische und deutsche Firmen sind nicht direkt betroffen.
Doch indirekt wird die Fortsetzung des Handelskonflikts globale Auswirkungen haben. China wird seinerseits mit einer Handelsmaßnahme reagieren, wie bisher jedes Mal nach US-Sanktionen. Das Außenministerium in Peking klagte am Donnerstag bereits darüber, Opfer von “wirtschaftlichem Zwang” vonseiten der USA zu sein.
Es ist zudem der Ton des Dekrets, der nichts Gutes für die Entwicklung des Welthandels in den kommenden Jahren verheißt. Biden begründet die Maßnahme ausdrücklich nicht wirtschaftlich, sondern politisch als Frage der nationalen Sicherheit. Er stellt den Investitionsstopp als Notwehr gegen den Aufstieg Chinas zum technischen Rivalen dar.
In erstaunlicher Offenheit legen die Dekrete dar, dass der Präsident die pure Existenz einer technisch ebenbürtigen Großmacht an sich schon als gefährlich empfindet. Die USA wollen ihren Vorsprung mit allen Mitteln verteidigen. Das bestätigt die chinesische Sicht, dass der Westen das eigene Land klein halten wolle, wie der Sprecher des Außenministeriums auch sagte.
Der EU-Handelspolitiker Bernd Lange von der SPD sieht die Sanktionen durchaus kritisch. Lange, ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments, sorgt sich um willkürliche Nutzung der nationalen Sicherheit als Begründung für Handelshemmnisse. “Eine völlig unspezifische Nutzung dieser Begründung öffnet natürlich Tür und Tor für Protektionismus.” Lange sieht hier eine Fortsetzung der Praktiken Donald Trumps.
Die EU-Kommission kündigte an, die geplanten Beschränkungen genau zu analysieren. “Wir stehen in engem Kontakt mit der US-Regierung und freuen uns auf weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich”, teilte eine Sprecherin mit. Man sei sich der Bedeutung des Themas bewusst. Auch die EU und die Mitgliedsstaaten hätten ein gemeinsames Interesse daran, zu verhindern, dass Kapital und Fachkenntnisse europäischer Unternehmen militärische und nachrichtendienstliche Fähigkeiten von Akteuren verbessern, “die sie möglicherweise dazu nutzen, internationalen Frieden und Sicherheit zu untergraben”.
Mit jeder neuen Runde des Handelskonflikts schrumpft jedoch der Handlungsspielraum international agierender Unternehmen. Und je konsequenter beide Seiten technische Produkte des Gegners ablehnen, desto weniger können europäische Firmen einheitliche Geräte für den Weltmarkt anbieten. Wenn die Grundversion eines Produkts hochwertige US-Chips enthält, muss ein Unternehmen für China eine Version mit chinesischen Chips entwickeln. Es droht eine Spaltung des Weltmarkts.
Lange sieht in dem Dekret einen weiteren Schritt der Eskalation zwischen den USA und China und sogar “eine neue Dimension”. Er glaubt nicht, dass Brüssel dem Schritt folgen sollte: “Wir in der EU haben unsere eigenen Interessen, und insofern sollten wir nicht uns unter Druck setzen lassen und unsere Strategie autonom verfolgen.”
Aus Sicht der USA ergibt die Maßnahme laut Langes Einschätzung allerdings Sinn: Biden komme gleich zwei seiner Ziele damit näher. Er verbinde “die ökonomischen Interessen, China in der Konkurrenz zum Wirtschaftsstandort USA zu begrenzen, mit der geopolitischen Absicht, China bestimmte technologische Möglichkeiten in der politischen Expansion zu entziehen”.
Biden will tatsächlich den Erklärungen seiner Beamten zufolge zwei Dinge erreichen:
Der neue Investment-Bann fügt sich in die Liste der Handelsmaßnahmen des Weißen Hauses nahtlos ein. Er trägt zudem unmissverständlich Bidens Handschrift. Während Donald Trump sich noch auf Old-Economy-Produkte wie Waschmaschinen und Stahl konzentriert, geht es Biden vor allem um Hochtechnologie.
Ein wenig stellt sich allerdings die Frage, wer hier wem mehr schadet. Die US-Finanzbranche hat schließlich auch aus Eigeninteresse in den schnell wachsenden chinesischen Tech-Sektor investiert. China ist zudem tendenziell unzugänglich; die westlichen Investitionen haben aber jahrzehntelang Türen geöffnet und den Informationsstand des Westens über die Vorgänge in China hochgehalten. Ein Verbot von Investitionen in chinesische Tech-Firmen klingt fast mehr wie eine Sanktion, die China gegen den USA hätte verhängen können.
An der Spitze des chinesischen Kaffeemarktes gibt es einen überraschenden Wechsel: Erstmals ist nicht mehr Starbucks der umsatzstärkste Anbieter in China, sondern der heimische Angreifer Luckin Coffee. Das Unternehmen mit Sitz in Xiamen setzte von April bis Juni 6,2 Milliarden Yuan (783 Millionen Euro) um, 88 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Gewinn lag bei 999 Millionen Yuan (126 Millionen Euro). Auch Starbucks verzeichnete im gleichen Zeitraum ein kräftiges Wachstum von 51 Prozent. Unter dem Strich blieb der Umsatz in China mit 5,9 Milliarden Yuan aber knapp hinter Luckin zurück.
Luckin hatte nach seiner Gründung 2017 für viel Aufsehen gesorgt und der amerikanischen Konkurrenz in China schnell Marktanteile abgenommen. Doch dann folgte ein großer Skandal: Luckin gab zu, seine Geschäftszahlen geschönt zu haben. Der Betrug kostete Luckin sogar die Notierung an der New Yorker Börse.
Wider Erwarten schaffte die Kette jedoch einen Turnaround. Das Management wurde ausgewechselt und das Geschäft umgestellt. Die Lücke zu Starbucks konnte Luckin vor allem dank der Corona-Pandemie schließen. Denn das Geschäftsmodell der beiden Konkurrenten unterscheidet sich gravierend.
Starbucks setzt auf die Verweildauer der Kunden in den Kaffeehäusern. Das Unternehmen versteht sich als Premiumanbieter. Die meisten Getränke werden für mehr als 30 RMB angeboten. Luckin hingegen ist auf Take-away und Lieferservice ausgerichtet. Die Filialen bieten kaum Sitzgelegenheiten. Sie dienen vor allem als Anlaufstelle für Lieferanten, die die Getränke auf ihren Elektrorollern zu den Kunden fahren. Die Preise bewegen sich eher im Bereich von 20 RMB – mit Rabatten sind sie oft noch günstiger.
Das Geschäft von Starbucks brach während der Pandemie ein, Luckin hingegen konnte seinen Umsatz weitgehend stabil halten – und sogar neue Kunden gewinnen. Luckin hat Starbucks nicht nur erstmals beim Umsatz überholt, sondern besitzt nun auch mehr Filialen als Starbucks in China. Allein im ersten Quartal öffneten mehr als 1.300 neue Filialen. Im Juni wurde die Marke von 10.000 Filialen überschritten. Zum Vergleich: Starbucks betreibt derzeit rund 6.000 Filialen in mehr als 230 chinesischen Städten.
Luckin wurde 2017 als hippe und günstige Alternative zu traditionellen Kaffeehäusern wie Starbucks gegründet und hat sich mit unschlagbaren Rabatten schnell etabliert. 2019 feierte das Unternehmen mit einem 600 Millionen Dollar schweren Börsengang ein grandioses Debüt an der New Yorker Nasdaq.
Doch weniger als ein Jahr danach musste die chinesische Kaffeekette ihre Index-Notierung zurückziehen, nachdem sie zugegeben hatte, dass ihre Gewinne übertrieben waren. In der Folge entließ Luckin seinen Präsidenten und CEO und zahlte 180 Millionen Dollar Strafe. “Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, um unser eigenes Haus zu säubern”, sagte Guo Jinyi, der neue Luckin-CEO, kürzlich in einem Interview.
Im Wettlauf mit Starbucks hat Luckin nun zumindest vorläufig eine ausländische Marke vom Thron gestoßen, die in China mehr als zwei Jahrzehnte lang als Synonym für Kaffee stand. Bis in die 1990er-Jahre gab es in China kaum Kaffee, außer in Luxushotels für Ausländer. Als Starbucks 1999 in Peking seine erste Filiale auf dem chinesischen Festland eröffnete, war das für den internationalen Kaffeeriesen ein riskantes Unterfangen. Kaffee im Land der Teetrinker – nicht alle Analysten waren von der Idee begeistert.
Doch Kaffee gewann vor allem bei jungen Leuten in den Großstädten massiv an Beliebtheit. Prognosen zufolge soll der Markt bis 2025 auf ein Volumen von 219 Milliarden Yuan (28 Milliarden Euro) wachsen. Dabei steckt die Branche noch in den Kinderschuhen. Derzeit liegt der Pro-Kopf-Kaffeekonsum in China Schätzungen zufolge bei nur neun bis zehn Tassen pro Jahr. In Deutschland sind es vier Tassen – allerdings pro Tag.
Die erfolgreiche Restrukturierung von Luckin zahlt sich auch für Investoren aus. Die Aktien des Unternehmens sind zwar nicht mehr an der Nasdaq gelistet, können aber weiterhin außerbörslich gehandelt werden. Seit dem Tiefpunkt nach dem Delisting vor drei Jahren sind die Papiere um mehr als 2.000 Prozent gestiegen und liegen damit seit dem Börsengang 2019 immer noch rund 40 Prozent im Plus. Starbucks hat im gleichen Zeitraum rund 27 Prozent zugelegt. Bei der Marktkapitalisierung hat Starbucks allerdings weiterhin die Nase vorn: Während Starbucks zuletzt mit rund 115 Milliarden Dollar bewertet wurde, kommt Luckin gerade einmal auf eine Bewertung von 7,5 Milliarden Dollar.
15.08.2023, 09:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing time)
Yusof Ishak Institute (ISEAS), Webinar: China’s BRI in Southeast Asia: A Tale of Two Railways Mehr
16.08.2023, 16:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)
World Scientific Publishing, Webinar: China and the World Forum: The Belt and Road Initiative Mehr
17.08.2023, 15:00 bis 18:00 Uhr, vor Ort in Peking
AHK Greater China, Innovation Dialogue: Revolutionizing Manufacturing – The Power of AI and Smart Manufacturing Mehr
17.08.2023, 20:00 Uhr (18.08.2023, 02:00 Uhr Beijing time)
Issues in Science and Technology, Webinar: What Happens to Global Science if the United States and China Quit Collaborating? Mehr
Vergangenes Jahr hatten Chinas CO₂-Emissionen positiv überrascht: Mehrere Quartale in Folge waren sie zum Teil stark gesunken. Nun zeigt der Trend wieder in die andere Richtung – und zwar deutlich. Die CO₂-Emissionen lagen im zweiten Quartal zehn Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums.
Die Entwicklung geht aus einem aktuellen Bericht von Carbon Brief hervor, für den offizielle Statistiken und kommerzielle Daten analysiert wurden. Der aktuelle Wert liegt ein Prozent über dem bisherigen Höchststand von 2021.
Den größten Einfluss auf die höheren Emissionen hatten die Erzeugung von Kohlestrom mit einem Anstieg um 15 Prozent und der Verbrauch von Öl, unter anderem zur Dieselherstellung, mit einem 18-prozentigen Anstieg. Die Stahl- und Zementproduktion hingegen war rückläufig, zurückzuführen auf die Krise im Immobiliensektor. Allerdings liegen dem Anstieg eher einmalige als strukturelle Faktoren zugrunde.
Besonders zwei Faktoren begründen laut Carbon Brief den starken Anstieg. Zunächst war der Vergleichswert von 2022 besonders niedrig, weil die Metropole Shanghai und viele andere Städte zu dieser Zeit unter strikten Lockdowns standen. Im zweiten Quartal 2022 war Chinas CO₂-Ausstoß im Vergleich zum zweiten Quartal 2021 um acht Prozent niedriger. Dadurch wirkt der aktuelle Anstieg um zehn Prozent nun besonders gravierend, ist es aber tatsächlich nicht.
Zudem ist die Leistung von Chinas Wasserkraftwerken wegen der anhaltenden Dürre stark gemindert, was das Hochfahren anderer Kraftwerke, die zum Beispiel Kohle verfeuern, erforderlich macht.
Wohin sich der Trend beim CO₂-Ausstoß in den nächsten Jahren entwickelt, ist demnach noch nicht ganz klar. Die schleppende Erholung von Chinas Wirtschaft nach der Covid-Pandemie setzt sich fort und neue Konjunkturmaßnahmen könnten die Emissionen weiter anheizen, zum Beispiel durch Förderungen des Immobiliensektors mit seiner energieintensiven Zementproduktion.
Auch der Bau von Kohlekraftwerken boomt weiter: Seit Beginn des Jahres wurden pro Woche durchschnittlich zwei neue Kraftwerke genehmigt und mit dem Bau begonnen. Ein Großteil der Investitionen soll allerdings innerhalb des 15. Fünfjahresplans bis 2030 abgeschlossen sein. Ab dann hat China sich verpflichtet, seine Emissionen zu senken und bis 2060 beim CO₂-Ausstoß netto-Null zu erreichen.
Aber auch die Investitionen in kohlenstoffarme Energien wachsen rasant, zum Beispiel in Solarkraftwerke und Windkraftwerke, Kernkraftwerke und Wasserkraftwerke. Der Zubau kann ein Wachstum des Stromverbrauchs um vier Prozent pro Jahr abdecken, aktuell liegt es bei fünf Prozent. Sollten die Prognosen für den Ausbau eingehalten werden, könnte China das erwartete Wachstum seiner Stromnachfrage decken und seinen Emissionshöchststand bereits in zwei Jahren erreichen. jul
China hat die aus der Pandemiezeit stammenden Beschränkungen für Gruppenreisen für 70 weitere Länder aufgehoben, darunter auch für Deutschland, Großbritannien, die USA, Japan, Südkorea und Australien. Für Kanada, zu dem Chinas Verhältnis aktuell angespannt ist, gelten die Reisebeschränkungen allerdings weiter. Die Entscheidung wurde am Donnerstag vom chinesischen Ministerium für Kultur und Tourismus bekannt gegeben und gilt ab sofort.
Gruppenreisen sind bei chinesischen Touristen sehr beliebt und diese geben bei Auslandsreisen mehr Geld aus als Touristen anderer Länder: Im Jahr 2019 waren es 255 Milliarden Dollar, schätzungsweise 60 Prozent davon entfielen auf Gruppenreisen. Viele vom Tourismus abhängige Unternehmen auf der ganzen Welt dürften daher von den Lockerungen profitieren.
Für 60 Länder wurden Gruppenreisen bereits Anfang des Jahres erlaubt, unter anderem für Thailand, Kuba und Russland. Eine Erklärung für das gestaffelte Vorgehen bei den Genehmigungen lieferte Peking nicht, Analysten sehen jedoch einen Zusammenhang mit dem Zustand der jeweiligen politischen Beziehungen.
Wie schnell der chinesische Reiseverkehr wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht, bleibt abzuwarten. Der internationale Flugverkehr nach und aus China hatte sich bis Juli nur auf 53 Prozent des Niveaus von 2019 erholt. Trip.com, Chinas größtes Reisebüro, teilte allerdings mit, dass die Nachricht der gefallenen Beschränkungen bereits zu einem sprunghaften Anstieg der Suchanfragen nach Reisezielen wie Australien und Japan geführt hat.
Auch Analysten sehen positive Signale. “Trotz einer sich abkühlenden Gesamtwirtschaft sagen 40 Prozent der Chinesen, dass sie mehr Geld für Reisen ausgeben werden”, so Steve Saxon, Partner bei McKinsey & Co. “Die Menschen wollen das Geld, das sie während der Covid-Pandemie gespart haben, für internationale Reisen ausgeben.” rtr/jul
China will seinem Handelsministerium zufolge die Handels- und Investitionskooperation mit Südafrika vertiefen. Zudem sollen die südafrikanischen Exporte nach China gefördert werden, wie das Ministerium am späten Mittwoch in einer Erklärung mitteilte. Eine Vertiefung der Zusammenarbeit soll es unter anderem in den Bereichen Bergbau, Landwirtschaft und neue Energien geben. Der chinesische Handelsminister Wang Wentao hatte sich am Mittwoch in der Hauptstadt Pretoria mit dem südafrikanischen Vizepräsidenten Paul Mashatile getroffen. Ab dem 21. August findet zudem ein Gipfeltreffen der Brics-Staaten statt. rtr/ari
Während Politikexperten die Gefahr eines chinesischen Angriffs auf Taiwan und den möglichen Zeitpunkt noch unterschiedlich einschätzen, bemühen sich Versicherer bereits um eine finanzielle Risikobewertung der Schäden eines militärischen Angriffs. Die Versicherer von Lloyds of London sind einem Bericht von Reuters zufolge führend bei der Anhebung der Tarife und der Verringerung des Deckungsumfangs für Risiken, die Taiwan betreffen. Die Besorgnis über mögliche militärische Aktionen Chinas wachse, sagten demnach Quellen aus der Branche, die mit der Angelegenheit vertraut sind.
Einige Versicherer haben demnach bereits Ausschlüsse für Taiwan in Policen für politische Risiken oder politische Gewalt eingeführt. Solche Policen werden in der Regel als Zusatz zur Sachversicherung verkauft und decken Sachschäden und Betriebsunterbrechungsschäden bei Themen wie Terrorismus, Sabotage und Krieg ab.
“Politische Risiken und Kreditkapazitäten für China und Taiwan sind seit dem dritten Quartal des vergangenen Jahres eingeschränkt, und die Versicherer versuchen im Allgemeinen, das Gesamtengagement so weit wie möglich zu reduzieren”, sagt Nick Robson, Global Chairman, Credit Specialties beim Makler Marsh.
Mehrere Quellen aus der Branche sagten, die Beschränkungen wirkten sich auch auf den taiwanesischen Seeschifffahrtsmarkt aus, und eine von ihnen fügte hinzu, dass ein US-Versicherer Ausschlüsse für Schiffe einführe, die taiwanesische Gewässer anlaufen.
Der Versicherungsmarkt Lloyd’s of London, dem rund 100 Syndikatsmitglieder angehören, hatte seine Mitglieder im Januar aufgefordert, die potenzielle Gefährdung durch sogenannte realistische Katastrophenszenarien im Zusammenhang mit dem Konflikt in Taiwan in Versicherungssparten wie See-, Luftfahrt- und politisches Risiko zu ermitteln, wie aus Dokumenten hervorgeht, die Reuters vorliegen. Eine solche Risikoeinschätzung der Mitglieder ist allerdings nichts Ungewöhnliches.
Den Dokumenten zufolge wurden die Szenarien von dem Versicherungsmakler CHC Global ausgearbeitet. Ein CHC-Sprecher bestätigte den Bericht. Die Szenarien könnten sich in den nächsten 10 Jahren abspielen, sagte CHC.
Die Szenarien reichten von einer chinesischen Marinequarantäne des Landes über die Beschlagnahmung abgelegener taiwanesischer Inseln durch China bis hin zum extremsten Szenario, einem chinesischen Versuch, Taiwan gewaltsam einzunehmen. Dies könnte dazu führen, dass einige Flugzeuge und Schiffe auf taiwanesischen Flughäfen und Häfen beschädigt oder zerstört werden und dass weitreichende, wirtschaftlich schädliche westliche Sanktionen gegen China verhängt werden.
Shih Chiung-hwa, Generaldirektorin des Versicherungsbüros der taiwanesischen Finanzaufsichtsbehörde, sagte gegenüber Reuters, dass ihr die Überprüfung des taiwanesischen Versicherungsschutzes durch Lloyd’s nicht bekannt sei. Sie wies jedoch darauf hin, dass der Markt in den letzten zwei bis drei Jahren den Versicherungsschutz allgemein verschärft habe, vor allem als Reaktion auf den Klimawandel und geopolitische Risiken, wie sie beispielsweise durch den Russland-Ukraine-Konflikt entstehen. rtr/jul
Die weltweit tätige Anwaltskanzlei Dentons trennt sich von ihrem China-Geschäft, um den Datenschutzvorgaben des sogenannten “Anti-Spionage-Gesetzes” zu entsprechen. Das Gesetz sieht eine massive Ausweitung der Befugnisse der Staatssicherheit vor, die künftig leichter Razzien und Festnahmen ohne Gerichtsbeschluss durchführen kann, wenn Informationsweitergabe vermutet wird. Das Geschäft in China werde vom Partner Beijing Dacheng Law Offices vollständig übernommen, berichteten Financial Times und Bloomberg unter Berufung auf eine Mitteilung an Mandanten.
Das Gesetz macht seit seiner Verabschiedung Firmen in China nervös. Denn es definiert den Strafbestand der Spionage neu: So sollen nicht mehr nur Staatsgeheimnisse geschützt werden, sondern sämtliche Dokumente oder Dateien, welche die “nationalen Interessen” berühren. Letztere sind jedoch derart vage formuliert, dass sie den Behörden Spielraum für eine willkürliche Anwendung geben. ari
Auf dem Papier ist China ein kommunistisches Land, doch was in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wirklich herrscht, ist Zynismus.
In der Volksrepublik leben 97 Millionen Parteimitglieder, im Untergrund zudem Buddhisten, Muslime, Christen und Anhänger von Falun Gong. Doch die meisten Menschen sind in der Regel nicht nur Atheisten, sondern auch skeptisch gegenüber vielen anderen Dingen, wie beispielsweise Altruismus, Gerechtigkeit und Demokratie.
Im Alltag, in der Innenpolitik und in den internationalen Beziehungen manifestiert sich der chinesische Zynismus auf unterschiedliche Weise.
Es scheint, als wären die Chinesen etwas freundlicher zu Fremden als früher, vor allem in U-Bahnen und Bussen. Älteren Menschen, kleinen Kindern und schwangeren Frauen wird nun oft ein Sitzplatz angeboten. In Großstädten finden Menschen mit gleichen Interessen zueinander und verabreden sich zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten. Freiwilligengruppen helfen Menschen in Not, wie zum Beispiel bei den schweren Überschwemmungen in Peking in der letzten Woche.
Das Schicksal von Fremden ist den Menschen allerdings nach wie vor weitgehend egal und sie begegnen sogar der Freundlichkeit von Fremden mit Argwohn, aus Angst vor möglichen Gefahren. Es herrscht noch immer die alte Tradition der sogenannten “Bekanntschaftsgesellschaft” – ein Begriff, den der wegweisende chinesische Soziologe Fei Xiaotong (1910-2005) geprägt hat – in der die Moral ausschließlich Menschen im persönlichen Umfeld einbezieht.
Die Situation verbesserte sich ungefähr zwischen 2000 und 2013. Online und offline wurden Diskussionen über gesellschaftliche Themen geführt. Gemeinnützige Organisationen für öffentliche Interessen und Freiwilligenarbeit schossen wie Pilze aus dem Boden. Es schien sich eine Zivilgesellschaft zu entwickeln.
Doch dann griff die Regierung hart durch. Offensichtlich fürchtete sie die Selbstorganisation der Gesellschaft, die eine Bedrohung darstellen könnte.
Dabei ist China bereits – um den von Václav Havel geschaffenen Begriff zu verwenden – eine post-totalitäre Gesellschaft. Es wird immer noch von einem grausamen autoritären Regime regiert, doch die Menschen haben den Glauben an die Partei und die Regierung verloren. Allerdings würden sie ihr Misstrauen nie öffentlich kundtun. Stattdessen sagen sie auch Dinge, die den Parteiparolen entsprechen, wenn es die Situation verlangt.
In den Worten des Sinologen Perry Link von der Universität von Kalifornien, Riverside, ist es der Kommunistischen Partei Chinas nicht mehr möglich, den Chinesen eine Gehirnwäsche zu verpassen, so wie es in der Mao-Ära der Fall war. Heute kann die Partei ihnen nur noch “den Mund waschen”.
Zumindest in einem Punkt war die Gehirnwäsche der Partei jedoch erfolgreich: der Verunglimpfung der Demokratie. Viele Chinesen glauben, dass die Politik in allen Ländern ähnlich verdorben ist und dass die Politik in westlichen Ländern von den Reichen gesteuert wird. Obwohl viele Chinesen mit der Kommunistischen Partei unzufrieden sind, sehen sie keine Alternative. Selbst wenn China sich demokratisieren würde, wäre es unmöglich, faire Wahlen abzuhalten, da das Land einfach zu komplex ist und viele Chinesen leicht zu manipulieren sind, so ihre Überzeugung.
So geht das Leben einfach weiter. Man hat sich zu benehmen, andernfalls wird man bestraft. Einige von ihnen fügen sich nicht nur, sie steuern sogar das System der Lügen und Intrigen und profitieren davon. In einem Land mit einem wenig verlässlichem Sozialsystem und einer Regierung, die ihre Meinung und ihre Politik jederzeit ändern kann, ist Geld zum wahren Glauben einer ganzen Nation geworden.
In den allmächtigen Systemen von Partei, Regierung und Staatsunternehmen waren Idealisten schon immer eine seltene Gattung. Vor der Xi-Ära schafften es die kompetentesten von ihnen, zu überleben und etwas zu leisten. Heutzutage sind sie komplett ausgestorben. Wer den Ehrgeiz hat, im System aufzusteigen, muss bereit sein, sich eine perfekte Maske aufzusetzen und sich in politische Machtkämpfe zu stürzen.
Wenn es um internationale Beziehungen geht, sind die Chinesen überzeugte Anhänger des Realismus und des Sozialdarwinismus. Für sie leben wir in einer eiskalten Welt. Freundschaft und Gerechtigkeit gibt es nicht. In Friedenszeiten haben Interessen und Geld das Sagen; im Ernstfall zählt nur schiere militärische Macht.
“Es gibt keine ewigen Feinde, keine ewigen Freunde, nur ewige Interessen.” Diese Aussage und ihre Abwandlungen werden häufig in chinesischen Artikeln über Diplomatie zitiert. Es handelt sich um eine vereinfachte Version einer Äußerung des britischen Politikers Henry Palmerston (1784-1865), die jedoch oft fälschlicherweise Winston Churchill zugeschrieben wird.
Ein anderes Zitat, das für die Chinesen zum Mantra geworden ist, lautet: “Wer zurückbleibt, wird besiegt”. Nur wenige wissen, dass es sich dabei um ein Zitat von Stalin handelt, der in China keinen schlechten Ruf genießt.
Der Glaube der Chinesen an das Geld überträgt sich auch auf die Weltpolitik. Ihrer Ansicht nach ist der chinesische Markt für viele Länder überlebenswichtig. Daher kann die Wirtschaft in den internationalen Beziehungen als Waffe eingesetzt werden.
Benjamin Becker ist neuer Professor an der Universität von Hongkong. Becker hat zuvor unter anderem an der Uni Bonn und Köln gearbeitet. Er forscht und lehrt zu kognitiver und affektiver Neurowissenschaft.
Guido Maune ist seit Anfang Juli neuer Managing Director bei Maersk Container Industry in Qingdao. Maune war zuvor General Manager bei Melitta in Shenzhen.
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Linglong One bekommt sein Kernmodul – ein wichtiger Meilenstein beim Bau des weltweit ersten kommerziellen kleinen modularen Reaktors (kurz SMR von small modular reactor), wie die China National Nuclear Corporation mitteilte. Linglong One steht in Changjiang in Hainan. Das Kernmodul besteht unter anderem aus einem Druckbehälter und einem Dampferzeuger sowie weiteren wichtigen Geräten.
die US-Regierung untersagt bestimmte Investitionen in die chinesische Technologiebranche. Präsident Joe Biden beruft sich auf die nationale Sicherheit. Mehr Sorge als die Maßnahme an sich bereiten in Europa eher ihr Ton und ihre Zielrichtung, analysiert Finn Mayer-Kuckuk. Denn die USA und China bewegen sich weiter in Richtung einer Spaltung des Weltmarkts und mit jeder neuen Runde des Handelskonflikts schrumpft der Handlungsspielraum international agierender Unternehmen.
Wer früher in China an – halbwegs – guten Kaffee für die Maschine daheim kommen wollte, kam an der US-Kaffeekette Starbucks eigentlich nicht vorbei. Denn viel andere Auswahl gab es nicht, um in einer Weltstadt wie Shanghai an Kaffeepulver zu kommen. Der bisherige Kaffee-Platzhirsch aus dem Ausland wurde jetzt allerdings heimisch überholt: Luckin Coffee ist der umsatzstärkste Anbieter. Wie Luckin das geschafft hat, schreibt Jörn Petring.
In unserer Kolumne “Blick aus China” geht es heute um den wahren Herrscher in China. Und damit ist nicht die Partei gemeint.
Wir wünschen Ihnen ein entspanntes Wochenende!
Per Dekret hat das Weiße Haus verfügt: Kapitalinvestitionen von US-Anlegern in chinesische Hochtechnik-Firmen sollen ab dem kommenden Jahr nicht mehr möglich sein. Auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen ist untersagt. Betroffen sind die Branchen
Die Verwaltungsanweisung betrifft offiziell “Countries of Concern”, gemeint ist China. So darf beispielsweise ein US-Investmenthaus wie Goldman Sachs künftig kein Geld mehr in eine chinesische KI-Firma wie Baidu oder Alibaba stecken. Auch die Finanzierung chinesischer Start-ups vonseiten US-amerikanischer Firmen ist nicht mehr möglich. Bisher waren solche Investitionen Routine.
Es ist weniger die Maßnahme selbst, die in Europa erhebliche Sorgen weckt. Ihre unmittelbaren Auswirkungen werden sich in Grenzen halten, zumal sie nicht rückwirkt. Europäische und deutsche Firmen sind nicht direkt betroffen.
Doch indirekt wird die Fortsetzung des Handelskonflikts globale Auswirkungen haben. China wird seinerseits mit einer Handelsmaßnahme reagieren, wie bisher jedes Mal nach US-Sanktionen. Das Außenministerium in Peking klagte am Donnerstag bereits darüber, Opfer von “wirtschaftlichem Zwang” vonseiten der USA zu sein.
Es ist zudem der Ton des Dekrets, der nichts Gutes für die Entwicklung des Welthandels in den kommenden Jahren verheißt. Biden begründet die Maßnahme ausdrücklich nicht wirtschaftlich, sondern politisch als Frage der nationalen Sicherheit. Er stellt den Investitionsstopp als Notwehr gegen den Aufstieg Chinas zum technischen Rivalen dar.
In erstaunlicher Offenheit legen die Dekrete dar, dass der Präsident die pure Existenz einer technisch ebenbürtigen Großmacht an sich schon als gefährlich empfindet. Die USA wollen ihren Vorsprung mit allen Mitteln verteidigen. Das bestätigt die chinesische Sicht, dass der Westen das eigene Land klein halten wolle, wie der Sprecher des Außenministeriums auch sagte.
Der EU-Handelspolitiker Bernd Lange von der SPD sieht die Sanktionen durchaus kritisch. Lange, ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments, sorgt sich um willkürliche Nutzung der nationalen Sicherheit als Begründung für Handelshemmnisse. “Eine völlig unspezifische Nutzung dieser Begründung öffnet natürlich Tür und Tor für Protektionismus.” Lange sieht hier eine Fortsetzung der Praktiken Donald Trumps.
Die EU-Kommission kündigte an, die geplanten Beschränkungen genau zu analysieren. “Wir stehen in engem Kontakt mit der US-Regierung und freuen uns auf weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich”, teilte eine Sprecherin mit. Man sei sich der Bedeutung des Themas bewusst. Auch die EU und die Mitgliedsstaaten hätten ein gemeinsames Interesse daran, zu verhindern, dass Kapital und Fachkenntnisse europäischer Unternehmen militärische und nachrichtendienstliche Fähigkeiten von Akteuren verbessern, “die sie möglicherweise dazu nutzen, internationalen Frieden und Sicherheit zu untergraben”.
Mit jeder neuen Runde des Handelskonflikts schrumpft jedoch der Handlungsspielraum international agierender Unternehmen. Und je konsequenter beide Seiten technische Produkte des Gegners ablehnen, desto weniger können europäische Firmen einheitliche Geräte für den Weltmarkt anbieten. Wenn die Grundversion eines Produkts hochwertige US-Chips enthält, muss ein Unternehmen für China eine Version mit chinesischen Chips entwickeln. Es droht eine Spaltung des Weltmarkts.
Lange sieht in dem Dekret einen weiteren Schritt der Eskalation zwischen den USA und China und sogar “eine neue Dimension”. Er glaubt nicht, dass Brüssel dem Schritt folgen sollte: “Wir in der EU haben unsere eigenen Interessen, und insofern sollten wir nicht uns unter Druck setzen lassen und unsere Strategie autonom verfolgen.”
Aus Sicht der USA ergibt die Maßnahme laut Langes Einschätzung allerdings Sinn: Biden komme gleich zwei seiner Ziele damit näher. Er verbinde “die ökonomischen Interessen, China in der Konkurrenz zum Wirtschaftsstandort USA zu begrenzen, mit der geopolitischen Absicht, China bestimmte technologische Möglichkeiten in der politischen Expansion zu entziehen”.
Biden will tatsächlich den Erklärungen seiner Beamten zufolge zwei Dinge erreichen:
Der neue Investment-Bann fügt sich in die Liste der Handelsmaßnahmen des Weißen Hauses nahtlos ein. Er trägt zudem unmissverständlich Bidens Handschrift. Während Donald Trump sich noch auf Old-Economy-Produkte wie Waschmaschinen und Stahl konzentriert, geht es Biden vor allem um Hochtechnologie.
Ein wenig stellt sich allerdings die Frage, wer hier wem mehr schadet. Die US-Finanzbranche hat schließlich auch aus Eigeninteresse in den schnell wachsenden chinesischen Tech-Sektor investiert. China ist zudem tendenziell unzugänglich; die westlichen Investitionen haben aber jahrzehntelang Türen geöffnet und den Informationsstand des Westens über die Vorgänge in China hochgehalten. Ein Verbot von Investitionen in chinesische Tech-Firmen klingt fast mehr wie eine Sanktion, die China gegen den USA hätte verhängen können.
An der Spitze des chinesischen Kaffeemarktes gibt es einen überraschenden Wechsel: Erstmals ist nicht mehr Starbucks der umsatzstärkste Anbieter in China, sondern der heimische Angreifer Luckin Coffee. Das Unternehmen mit Sitz in Xiamen setzte von April bis Juni 6,2 Milliarden Yuan (783 Millionen Euro) um, 88 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Gewinn lag bei 999 Millionen Yuan (126 Millionen Euro). Auch Starbucks verzeichnete im gleichen Zeitraum ein kräftiges Wachstum von 51 Prozent. Unter dem Strich blieb der Umsatz in China mit 5,9 Milliarden Yuan aber knapp hinter Luckin zurück.
Luckin hatte nach seiner Gründung 2017 für viel Aufsehen gesorgt und der amerikanischen Konkurrenz in China schnell Marktanteile abgenommen. Doch dann folgte ein großer Skandal: Luckin gab zu, seine Geschäftszahlen geschönt zu haben. Der Betrug kostete Luckin sogar die Notierung an der New Yorker Börse.
Wider Erwarten schaffte die Kette jedoch einen Turnaround. Das Management wurde ausgewechselt und das Geschäft umgestellt. Die Lücke zu Starbucks konnte Luckin vor allem dank der Corona-Pandemie schließen. Denn das Geschäftsmodell der beiden Konkurrenten unterscheidet sich gravierend.
Starbucks setzt auf die Verweildauer der Kunden in den Kaffeehäusern. Das Unternehmen versteht sich als Premiumanbieter. Die meisten Getränke werden für mehr als 30 RMB angeboten. Luckin hingegen ist auf Take-away und Lieferservice ausgerichtet. Die Filialen bieten kaum Sitzgelegenheiten. Sie dienen vor allem als Anlaufstelle für Lieferanten, die die Getränke auf ihren Elektrorollern zu den Kunden fahren. Die Preise bewegen sich eher im Bereich von 20 RMB – mit Rabatten sind sie oft noch günstiger.
Das Geschäft von Starbucks brach während der Pandemie ein, Luckin hingegen konnte seinen Umsatz weitgehend stabil halten – und sogar neue Kunden gewinnen. Luckin hat Starbucks nicht nur erstmals beim Umsatz überholt, sondern besitzt nun auch mehr Filialen als Starbucks in China. Allein im ersten Quartal öffneten mehr als 1.300 neue Filialen. Im Juni wurde die Marke von 10.000 Filialen überschritten. Zum Vergleich: Starbucks betreibt derzeit rund 6.000 Filialen in mehr als 230 chinesischen Städten.
Luckin wurde 2017 als hippe und günstige Alternative zu traditionellen Kaffeehäusern wie Starbucks gegründet und hat sich mit unschlagbaren Rabatten schnell etabliert. 2019 feierte das Unternehmen mit einem 600 Millionen Dollar schweren Börsengang ein grandioses Debüt an der New Yorker Nasdaq.
Doch weniger als ein Jahr danach musste die chinesische Kaffeekette ihre Index-Notierung zurückziehen, nachdem sie zugegeben hatte, dass ihre Gewinne übertrieben waren. In der Folge entließ Luckin seinen Präsidenten und CEO und zahlte 180 Millionen Dollar Strafe. “Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, um unser eigenes Haus zu säubern”, sagte Guo Jinyi, der neue Luckin-CEO, kürzlich in einem Interview.
Im Wettlauf mit Starbucks hat Luckin nun zumindest vorläufig eine ausländische Marke vom Thron gestoßen, die in China mehr als zwei Jahrzehnte lang als Synonym für Kaffee stand. Bis in die 1990er-Jahre gab es in China kaum Kaffee, außer in Luxushotels für Ausländer. Als Starbucks 1999 in Peking seine erste Filiale auf dem chinesischen Festland eröffnete, war das für den internationalen Kaffeeriesen ein riskantes Unterfangen. Kaffee im Land der Teetrinker – nicht alle Analysten waren von der Idee begeistert.
Doch Kaffee gewann vor allem bei jungen Leuten in den Großstädten massiv an Beliebtheit. Prognosen zufolge soll der Markt bis 2025 auf ein Volumen von 219 Milliarden Yuan (28 Milliarden Euro) wachsen. Dabei steckt die Branche noch in den Kinderschuhen. Derzeit liegt der Pro-Kopf-Kaffeekonsum in China Schätzungen zufolge bei nur neun bis zehn Tassen pro Jahr. In Deutschland sind es vier Tassen – allerdings pro Tag.
Die erfolgreiche Restrukturierung von Luckin zahlt sich auch für Investoren aus. Die Aktien des Unternehmens sind zwar nicht mehr an der Nasdaq gelistet, können aber weiterhin außerbörslich gehandelt werden. Seit dem Tiefpunkt nach dem Delisting vor drei Jahren sind die Papiere um mehr als 2.000 Prozent gestiegen und liegen damit seit dem Börsengang 2019 immer noch rund 40 Prozent im Plus. Starbucks hat im gleichen Zeitraum rund 27 Prozent zugelegt. Bei der Marktkapitalisierung hat Starbucks allerdings weiterhin die Nase vorn: Während Starbucks zuletzt mit rund 115 Milliarden Dollar bewertet wurde, kommt Luckin gerade einmal auf eine Bewertung von 7,5 Milliarden Dollar.
15.08.2023, 09:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing time)
Yusof Ishak Institute (ISEAS), Webinar: China’s BRI in Southeast Asia: A Tale of Two Railways Mehr
16.08.2023, 16:00 Uhr (22:00 Uhr Beijing time)
World Scientific Publishing, Webinar: China and the World Forum: The Belt and Road Initiative Mehr
17.08.2023, 15:00 bis 18:00 Uhr, vor Ort in Peking
AHK Greater China, Innovation Dialogue: Revolutionizing Manufacturing – The Power of AI and Smart Manufacturing Mehr
17.08.2023, 20:00 Uhr (18.08.2023, 02:00 Uhr Beijing time)
Issues in Science and Technology, Webinar: What Happens to Global Science if the United States and China Quit Collaborating? Mehr
Vergangenes Jahr hatten Chinas CO₂-Emissionen positiv überrascht: Mehrere Quartale in Folge waren sie zum Teil stark gesunken. Nun zeigt der Trend wieder in die andere Richtung – und zwar deutlich. Die CO₂-Emissionen lagen im zweiten Quartal zehn Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums.
Die Entwicklung geht aus einem aktuellen Bericht von Carbon Brief hervor, für den offizielle Statistiken und kommerzielle Daten analysiert wurden. Der aktuelle Wert liegt ein Prozent über dem bisherigen Höchststand von 2021.
Den größten Einfluss auf die höheren Emissionen hatten die Erzeugung von Kohlestrom mit einem Anstieg um 15 Prozent und der Verbrauch von Öl, unter anderem zur Dieselherstellung, mit einem 18-prozentigen Anstieg. Die Stahl- und Zementproduktion hingegen war rückläufig, zurückzuführen auf die Krise im Immobiliensektor. Allerdings liegen dem Anstieg eher einmalige als strukturelle Faktoren zugrunde.
Besonders zwei Faktoren begründen laut Carbon Brief den starken Anstieg. Zunächst war der Vergleichswert von 2022 besonders niedrig, weil die Metropole Shanghai und viele andere Städte zu dieser Zeit unter strikten Lockdowns standen. Im zweiten Quartal 2022 war Chinas CO₂-Ausstoß im Vergleich zum zweiten Quartal 2021 um acht Prozent niedriger. Dadurch wirkt der aktuelle Anstieg um zehn Prozent nun besonders gravierend, ist es aber tatsächlich nicht.
Zudem ist die Leistung von Chinas Wasserkraftwerken wegen der anhaltenden Dürre stark gemindert, was das Hochfahren anderer Kraftwerke, die zum Beispiel Kohle verfeuern, erforderlich macht.
Wohin sich der Trend beim CO₂-Ausstoß in den nächsten Jahren entwickelt, ist demnach noch nicht ganz klar. Die schleppende Erholung von Chinas Wirtschaft nach der Covid-Pandemie setzt sich fort und neue Konjunkturmaßnahmen könnten die Emissionen weiter anheizen, zum Beispiel durch Förderungen des Immobiliensektors mit seiner energieintensiven Zementproduktion.
Auch der Bau von Kohlekraftwerken boomt weiter: Seit Beginn des Jahres wurden pro Woche durchschnittlich zwei neue Kraftwerke genehmigt und mit dem Bau begonnen. Ein Großteil der Investitionen soll allerdings innerhalb des 15. Fünfjahresplans bis 2030 abgeschlossen sein. Ab dann hat China sich verpflichtet, seine Emissionen zu senken und bis 2060 beim CO₂-Ausstoß netto-Null zu erreichen.
Aber auch die Investitionen in kohlenstoffarme Energien wachsen rasant, zum Beispiel in Solarkraftwerke und Windkraftwerke, Kernkraftwerke und Wasserkraftwerke. Der Zubau kann ein Wachstum des Stromverbrauchs um vier Prozent pro Jahr abdecken, aktuell liegt es bei fünf Prozent. Sollten die Prognosen für den Ausbau eingehalten werden, könnte China das erwartete Wachstum seiner Stromnachfrage decken und seinen Emissionshöchststand bereits in zwei Jahren erreichen. jul
China hat die aus der Pandemiezeit stammenden Beschränkungen für Gruppenreisen für 70 weitere Länder aufgehoben, darunter auch für Deutschland, Großbritannien, die USA, Japan, Südkorea und Australien. Für Kanada, zu dem Chinas Verhältnis aktuell angespannt ist, gelten die Reisebeschränkungen allerdings weiter. Die Entscheidung wurde am Donnerstag vom chinesischen Ministerium für Kultur und Tourismus bekannt gegeben und gilt ab sofort.
Gruppenreisen sind bei chinesischen Touristen sehr beliebt und diese geben bei Auslandsreisen mehr Geld aus als Touristen anderer Länder: Im Jahr 2019 waren es 255 Milliarden Dollar, schätzungsweise 60 Prozent davon entfielen auf Gruppenreisen. Viele vom Tourismus abhängige Unternehmen auf der ganzen Welt dürften daher von den Lockerungen profitieren.
Für 60 Länder wurden Gruppenreisen bereits Anfang des Jahres erlaubt, unter anderem für Thailand, Kuba und Russland. Eine Erklärung für das gestaffelte Vorgehen bei den Genehmigungen lieferte Peking nicht, Analysten sehen jedoch einen Zusammenhang mit dem Zustand der jeweiligen politischen Beziehungen.
Wie schnell der chinesische Reiseverkehr wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht, bleibt abzuwarten. Der internationale Flugverkehr nach und aus China hatte sich bis Juli nur auf 53 Prozent des Niveaus von 2019 erholt. Trip.com, Chinas größtes Reisebüro, teilte allerdings mit, dass die Nachricht der gefallenen Beschränkungen bereits zu einem sprunghaften Anstieg der Suchanfragen nach Reisezielen wie Australien und Japan geführt hat.
Auch Analysten sehen positive Signale. “Trotz einer sich abkühlenden Gesamtwirtschaft sagen 40 Prozent der Chinesen, dass sie mehr Geld für Reisen ausgeben werden”, so Steve Saxon, Partner bei McKinsey & Co. “Die Menschen wollen das Geld, das sie während der Covid-Pandemie gespart haben, für internationale Reisen ausgeben.” rtr/jul
China will seinem Handelsministerium zufolge die Handels- und Investitionskooperation mit Südafrika vertiefen. Zudem sollen die südafrikanischen Exporte nach China gefördert werden, wie das Ministerium am späten Mittwoch in einer Erklärung mitteilte. Eine Vertiefung der Zusammenarbeit soll es unter anderem in den Bereichen Bergbau, Landwirtschaft und neue Energien geben. Der chinesische Handelsminister Wang Wentao hatte sich am Mittwoch in der Hauptstadt Pretoria mit dem südafrikanischen Vizepräsidenten Paul Mashatile getroffen. Ab dem 21. August findet zudem ein Gipfeltreffen der Brics-Staaten statt. rtr/ari
Während Politikexperten die Gefahr eines chinesischen Angriffs auf Taiwan und den möglichen Zeitpunkt noch unterschiedlich einschätzen, bemühen sich Versicherer bereits um eine finanzielle Risikobewertung der Schäden eines militärischen Angriffs. Die Versicherer von Lloyds of London sind einem Bericht von Reuters zufolge führend bei der Anhebung der Tarife und der Verringerung des Deckungsumfangs für Risiken, die Taiwan betreffen. Die Besorgnis über mögliche militärische Aktionen Chinas wachse, sagten demnach Quellen aus der Branche, die mit der Angelegenheit vertraut sind.
Einige Versicherer haben demnach bereits Ausschlüsse für Taiwan in Policen für politische Risiken oder politische Gewalt eingeführt. Solche Policen werden in der Regel als Zusatz zur Sachversicherung verkauft und decken Sachschäden und Betriebsunterbrechungsschäden bei Themen wie Terrorismus, Sabotage und Krieg ab.
“Politische Risiken und Kreditkapazitäten für China und Taiwan sind seit dem dritten Quartal des vergangenen Jahres eingeschränkt, und die Versicherer versuchen im Allgemeinen, das Gesamtengagement so weit wie möglich zu reduzieren”, sagt Nick Robson, Global Chairman, Credit Specialties beim Makler Marsh.
Mehrere Quellen aus der Branche sagten, die Beschränkungen wirkten sich auch auf den taiwanesischen Seeschifffahrtsmarkt aus, und eine von ihnen fügte hinzu, dass ein US-Versicherer Ausschlüsse für Schiffe einführe, die taiwanesische Gewässer anlaufen.
Der Versicherungsmarkt Lloyd’s of London, dem rund 100 Syndikatsmitglieder angehören, hatte seine Mitglieder im Januar aufgefordert, die potenzielle Gefährdung durch sogenannte realistische Katastrophenszenarien im Zusammenhang mit dem Konflikt in Taiwan in Versicherungssparten wie See-, Luftfahrt- und politisches Risiko zu ermitteln, wie aus Dokumenten hervorgeht, die Reuters vorliegen. Eine solche Risikoeinschätzung der Mitglieder ist allerdings nichts Ungewöhnliches.
Den Dokumenten zufolge wurden die Szenarien von dem Versicherungsmakler CHC Global ausgearbeitet. Ein CHC-Sprecher bestätigte den Bericht. Die Szenarien könnten sich in den nächsten 10 Jahren abspielen, sagte CHC.
Die Szenarien reichten von einer chinesischen Marinequarantäne des Landes über die Beschlagnahmung abgelegener taiwanesischer Inseln durch China bis hin zum extremsten Szenario, einem chinesischen Versuch, Taiwan gewaltsam einzunehmen. Dies könnte dazu führen, dass einige Flugzeuge und Schiffe auf taiwanesischen Flughäfen und Häfen beschädigt oder zerstört werden und dass weitreichende, wirtschaftlich schädliche westliche Sanktionen gegen China verhängt werden.
Shih Chiung-hwa, Generaldirektorin des Versicherungsbüros der taiwanesischen Finanzaufsichtsbehörde, sagte gegenüber Reuters, dass ihr die Überprüfung des taiwanesischen Versicherungsschutzes durch Lloyd’s nicht bekannt sei. Sie wies jedoch darauf hin, dass der Markt in den letzten zwei bis drei Jahren den Versicherungsschutz allgemein verschärft habe, vor allem als Reaktion auf den Klimawandel und geopolitische Risiken, wie sie beispielsweise durch den Russland-Ukraine-Konflikt entstehen. rtr/jul
Die weltweit tätige Anwaltskanzlei Dentons trennt sich von ihrem China-Geschäft, um den Datenschutzvorgaben des sogenannten “Anti-Spionage-Gesetzes” zu entsprechen. Das Gesetz sieht eine massive Ausweitung der Befugnisse der Staatssicherheit vor, die künftig leichter Razzien und Festnahmen ohne Gerichtsbeschluss durchführen kann, wenn Informationsweitergabe vermutet wird. Das Geschäft in China werde vom Partner Beijing Dacheng Law Offices vollständig übernommen, berichteten Financial Times und Bloomberg unter Berufung auf eine Mitteilung an Mandanten.
Das Gesetz macht seit seiner Verabschiedung Firmen in China nervös. Denn es definiert den Strafbestand der Spionage neu: So sollen nicht mehr nur Staatsgeheimnisse geschützt werden, sondern sämtliche Dokumente oder Dateien, welche die “nationalen Interessen” berühren. Letztere sind jedoch derart vage formuliert, dass sie den Behörden Spielraum für eine willkürliche Anwendung geben. ari
Auf dem Papier ist China ein kommunistisches Land, doch was in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wirklich herrscht, ist Zynismus.
In der Volksrepublik leben 97 Millionen Parteimitglieder, im Untergrund zudem Buddhisten, Muslime, Christen und Anhänger von Falun Gong. Doch die meisten Menschen sind in der Regel nicht nur Atheisten, sondern auch skeptisch gegenüber vielen anderen Dingen, wie beispielsweise Altruismus, Gerechtigkeit und Demokratie.
Im Alltag, in der Innenpolitik und in den internationalen Beziehungen manifestiert sich der chinesische Zynismus auf unterschiedliche Weise.
Es scheint, als wären die Chinesen etwas freundlicher zu Fremden als früher, vor allem in U-Bahnen und Bussen. Älteren Menschen, kleinen Kindern und schwangeren Frauen wird nun oft ein Sitzplatz angeboten. In Großstädten finden Menschen mit gleichen Interessen zueinander und verabreden sich zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten. Freiwilligengruppen helfen Menschen in Not, wie zum Beispiel bei den schweren Überschwemmungen in Peking in der letzten Woche.
Das Schicksal von Fremden ist den Menschen allerdings nach wie vor weitgehend egal und sie begegnen sogar der Freundlichkeit von Fremden mit Argwohn, aus Angst vor möglichen Gefahren. Es herrscht noch immer die alte Tradition der sogenannten “Bekanntschaftsgesellschaft” – ein Begriff, den der wegweisende chinesische Soziologe Fei Xiaotong (1910-2005) geprägt hat – in der die Moral ausschließlich Menschen im persönlichen Umfeld einbezieht.
Die Situation verbesserte sich ungefähr zwischen 2000 und 2013. Online und offline wurden Diskussionen über gesellschaftliche Themen geführt. Gemeinnützige Organisationen für öffentliche Interessen und Freiwilligenarbeit schossen wie Pilze aus dem Boden. Es schien sich eine Zivilgesellschaft zu entwickeln.
Doch dann griff die Regierung hart durch. Offensichtlich fürchtete sie die Selbstorganisation der Gesellschaft, die eine Bedrohung darstellen könnte.
Dabei ist China bereits – um den von Václav Havel geschaffenen Begriff zu verwenden – eine post-totalitäre Gesellschaft. Es wird immer noch von einem grausamen autoritären Regime regiert, doch die Menschen haben den Glauben an die Partei und die Regierung verloren. Allerdings würden sie ihr Misstrauen nie öffentlich kundtun. Stattdessen sagen sie auch Dinge, die den Parteiparolen entsprechen, wenn es die Situation verlangt.
In den Worten des Sinologen Perry Link von der Universität von Kalifornien, Riverside, ist es der Kommunistischen Partei Chinas nicht mehr möglich, den Chinesen eine Gehirnwäsche zu verpassen, so wie es in der Mao-Ära der Fall war. Heute kann die Partei ihnen nur noch “den Mund waschen”.
Zumindest in einem Punkt war die Gehirnwäsche der Partei jedoch erfolgreich: der Verunglimpfung der Demokratie. Viele Chinesen glauben, dass die Politik in allen Ländern ähnlich verdorben ist und dass die Politik in westlichen Ländern von den Reichen gesteuert wird. Obwohl viele Chinesen mit der Kommunistischen Partei unzufrieden sind, sehen sie keine Alternative. Selbst wenn China sich demokratisieren würde, wäre es unmöglich, faire Wahlen abzuhalten, da das Land einfach zu komplex ist und viele Chinesen leicht zu manipulieren sind, so ihre Überzeugung.
So geht das Leben einfach weiter. Man hat sich zu benehmen, andernfalls wird man bestraft. Einige von ihnen fügen sich nicht nur, sie steuern sogar das System der Lügen und Intrigen und profitieren davon. In einem Land mit einem wenig verlässlichem Sozialsystem und einer Regierung, die ihre Meinung und ihre Politik jederzeit ändern kann, ist Geld zum wahren Glauben einer ganzen Nation geworden.
In den allmächtigen Systemen von Partei, Regierung und Staatsunternehmen waren Idealisten schon immer eine seltene Gattung. Vor der Xi-Ära schafften es die kompetentesten von ihnen, zu überleben und etwas zu leisten. Heutzutage sind sie komplett ausgestorben. Wer den Ehrgeiz hat, im System aufzusteigen, muss bereit sein, sich eine perfekte Maske aufzusetzen und sich in politische Machtkämpfe zu stürzen.
Wenn es um internationale Beziehungen geht, sind die Chinesen überzeugte Anhänger des Realismus und des Sozialdarwinismus. Für sie leben wir in einer eiskalten Welt. Freundschaft und Gerechtigkeit gibt es nicht. In Friedenszeiten haben Interessen und Geld das Sagen; im Ernstfall zählt nur schiere militärische Macht.
“Es gibt keine ewigen Feinde, keine ewigen Freunde, nur ewige Interessen.” Diese Aussage und ihre Abwandlungen werden häufig in chinesischen Artikeln über Diplomatie zitiert. Es handelt sich um eine vereinfachte Version einer Äußerung des britischen Politikers Henry Palmerston (1784-1865), die jedoch oft fälschlicherweise Winston Churchill zugeschrieben wird.
Ein anderes Zitat, das für die Chinesen zum Mantra geworden ist, lautet: “Wer zurückbleibt, wird besiegt”. Nur wenige wissen, dass es sich dabei um ein Zitat von Stalin handelt, der in China keinen schlechten Ruf genießt.
Der Glaube der Chinesen an das Geld überträgt sich auch auf die Weltpolitik. Ihrer Ansicht nach ist der chinesische Markt für viele Länder überlebenswichtig. Daher kann die Wirtschaft in den internationalen Beziehungen als Waffe eingesetzt werden.
Benjamin Becker ist neuer Professor an der Universität von Hongkong. Becker hat zuvor unter anderem an der Uni Bonn und Köln gearbeitet. Er forscht und lehrt zu kognitiver und affektiver Neurowissenschaft.
Guido Maune ist seit Anfang Juli neuer Managing Director bei Maersk Container Industry in Qingdao. Maune war zuvor General Manager bei Melitta in Shenzhen.
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Linglong One bekommt sein Kernmodul – ein wichtiger Meilenstein beim Bau des weltweit ersten kommerziellen kleinen modularen Reaktors (kurz SMR von small modular reactor), wie die China National Nuclear Corporation mitteilte. Linglong One steht in Changjiang in Hainan. Das Kernmodul besteht unter anderem aus einem Druckbehälter und einem Dampferzeuger sowie weiteren wichtigen Geräten.