in Großbritannien wird an diesem Sonntag ein Besucher landen, der in die USA gar nicht einreisen dürfte. Der Gouverneur der autonomen Provinz Xinjiang, Erkin Tuniyaz, reist im Auftrag der chinesischen Regierung nach London. Er will Vertreter des britischen Außenministeriums treffen. Auch Brüssel und vielleicht Genf stehen im Anschluss auf dem Reiseplan. Der Besuch ist für uigurische Lobbygruppen, Menschenrechtsorganisationen und deutsche sowie britische Parlamentarier ein Affront, denn Tuniyaz trägt bei den Verbrechen gegen die Uiguren in Xinjiang besondere Verantwortung. Marcel Grzanna beschreibt die Hintergründe und Reaktionen.
Lebhaft geht es derweil in der Debatte zu, die unter deutschen Sinologen geführt wird, wenn es um Zusammenarbeit mit Institutionen und Forschern aus der Volksrepublik geht. Während einige größtmögliche Transparenz fordern, fürchten andere, kritische Geister in China potenziell zu gefährden, beschreibt Marcel Grzanna den Streit.
Einig sind sich beide Seiten in einem Punkt: Mehr China-Kompetenz ist vor allen in jenen Forschungsbereichen nötig, die sich bislang wenig mit den politischen Verhältnissen beschäftigt haben. Das könnte sich mit dieser Debatte ändern.
In den USA auf der schwarzen Liste, als Gast in Europa zumindest akzeptiert: Der Gouverneur der autonomen Provinz Xinjiang, Erkin Tuniyaz, reist im Auftrag der chinesischen Regierung am kommenden Sonntag nach London, wo er auf Vertreter des britischen Außenministeriums treffen soll. Genau eine Woche später will Tuniyaz dann in Brüssel vorsprechen, um bei den EU-Mitgliedsstaaten eine diplomatische Charme-Offensive zu starten.
Uigurische Lobbygruppen, Menschenrechtsorganisationen sowie deutsche und britische Parlamentarier kritisierten den Besuch scharf. Tuniyaz ist wegen seiner verantwortlichen Rolle für Verbrechen gegen die Menschlichkeit an uigurischen Muslimen in Xinjiang von den Vereinigten Staaten seit zwei Jahren sanktioniert. Die US-Regierung bezeichnet Pekings Umgang mit den Uiguren gar als Völkermord. Die EU dagegen richtete ihre Sanktionen bisher auf vier rangniedrigere Funktionäre aus Xinjiang, Tuniyaz ist die Einreise weiterhin erlaubt.
Deutliche Kritik an dem Besuch kommt aus dem EU-Parlament. “Der Gouverneur von Xinjiang ist mitverantwortlich für die Menschenrechtsverbrechen, die die chinesische Führung in der autonomen Region immer noch begeht”, sagte der EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer (Grüne) zu China.Table. “Zwar muss es weiterhin Gespräche mit China geben. Aber das schließt Personen aus, die wie Erkin Tuniyaz persönlich so eng an diesen Verbrechen beteiligt sind.”
Bütikofer, gleichzeitig Mitglied der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC) und Vorsitzender der China-Delegation des EU-Parlaments, hält den chinesischen Vorstoß für ein Zeichen dafür, dass die starke Kritik an Chinas Menschenrechtsverbrechen der vergangenen Jahre Wirkung zeigt. “Peking sieht sich gezwungen, dagegenzuhalten. Ich glaube aber nicht, dass allzu viele internationale Akteure sich Sand in die Augen streuen lassen“, sagte er. Bütikofer selbst wurde 2021 von Peking mit Strafmaßnahmen belegt, nachdem Brüssel die Beamten aus Xinjiang sanktioniert hatte.
Auch aus dem Bundestag kam Kritik. “Ich halte diesen Besuch für äußerst problematisch. Dem Gouverneur von Xinjiang eine Plattform zu bieten, würde ein falsches Signal senden”, sagte der Menschenrechtspolitiker Peter Heidt (FDP) im Gespräch mit China.Table. Auch Heidt glaubt, Peking wolle die Vorgänge in Xinjiang relativieren.
Frank Schwabe (SPD) warnt vor einem propagandistischen Missbrauch des Besuchs durch die chinesische Seite. “Ich hoffe, dass die Europäer gut vorbereitet eine unmissverständliche Kommunikationsstrategie mit in dieses Gespräch nehmen. Niemand darf den Fehler machen, sich von den chinesischen Darstellungen in die Irre führen zu lassen.”
Das Büro der UN-Menschenrechtskommissarin hatte der chinesischen Regierung im vergangenen Jahr erstmals Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Hintergrund dafür ist eine jahrelange Umerziehungs-Kampagne, in deren Verlauf Millionen von Menschen in Xinjiang in Internierungslagern eingesperrt waren. In den Lagern kam es zu systematischer körperlicher und psychischer Folter, Vergewaltigungen und Zwangsarbeit.
Kurz nach Bekanntwerden der Reisepläne des chinesischen Politikers reichte der britische Menschenrechtsanwalt Michael Polak ein Gesuch beim britischen Generalstaatsanwalt ein, um Ermittlungen gegen Erkin Tuniyaz zu erwirken. Polak handelte unter dem Mandat eines ehemaligen kasachischen Lagerhäftlings, der inzwischen in Großbritannien lebt. Sollte der Generalstaatsanwalt dem Gesuch nachkommen, könnte dem chinesischen Politiker theoretisch eine Festnahme drohen.
Aus London kamen derweil Beschwichtigungen. Aus dem Außenministerium hieß es gegenüber britischen Parlamentariern, dass Tuniyaz weder offiziell von britischer Seite eingeladen worden noch eines offiziellen Ministertreffens “würdig” sei. “Chinas Vorgehen in Xinjiang ist natürlich verabscheuungswürdig, und wir werden es in keiner Weise legitimieren“, sagte ein Mitglied des Ministerbüros. Auch das britische Parlament bezeichnet die Behandlung der Uiguren in Xinjiang als Völkermord.
Wie lange Tuniyaz in London bleiben will, ist unklar. Denkbar ist, dass er Mitte kommender Woche nach Genf reist, um an der dortigen Sitzung des UN-Sozialrats teilzunehmen.
Wie kann Deutschland selbst mehr China-Kompetenz aufbauen und Forschungskooperationen mit der Volksrepublik weniger naiv angehen? Die möglichen Antworten auf diese Fragen führen innerhalb der deutschen China- und Sinologen-Szene immer wieder zu intensiven Debatten. Zuletzt war der Vorschlag zur Einführung eines Zentralregisters für Forschungskooperationen mit Partnern aus autokratisch regierten Staaten auf Kritik gestoßen.
Die Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig und der Politologe Andreas Fulda hatten die Idee für ein Zentralregister der Forschenden bei einem Interview mit dem Spiegel ins Spiel gebracht. Während Befürworter größtmögliche Transparenz als wichtiges Mittel zur Verhinderung von Vereinnahmung deutscher Forschung und ihrem Missbrauch sehen, fürchten Gegner eine “Nacktheit” mit drastischen Konsequenzen für die Beteiligten.
“Transparenz ist wichtig, gerade auch in der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China, aber sie muss ihre Grenzen haben”, sagt Björn Alpermann von der Uni Würzburg. Der Sinologe und Xinjiang-Experte glaubt, dass eine Pflicht zur Offenlegung gerade kritische Geister unter chinesischen Kollegen und Kolleginnen potenziell gefährden würde. Er selbst habe in der Vergangenheit bereits Namen chinesischer Co-Autoren oder Mitarbeiter seiner Arbeiten verschwiegen, aus Angst, sie der Willkür des Machtapparats auszusetzen.
Die Befürworter des Registers führen ihrerseits gute Argumente ins Feld. Hennig warnt davor, “dass mangelnde Transparenz zur Verschleierung von ungewünschten Verbindungen zum chinesischen Militär oder der Kommunistischen Partei” führen könne. Bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Forschern müsse berücksichtigt werden, dass der “gesamte chinesische Bildungssektor ausschließlich den Zielen der Partei dienen” solle, hatte Hennig in einem Standpunkt im China.Table gewarnt.
Potenzielle chinesische Forschungspartner werden laut Hennig anhand ihrer patriotischen Qualifikation ausgewählt. Es sei illusorisch, eine Unabhängigkeit anzunehmen, zumal chinesische Gesetze alle Bürger und Bürgerinnen des Landes zur Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten verpflichteten.
Uneinigkeit herrscht jedoch über die Definition von Transparenz. Fulda hatte im Spiegel gesagt: “Man müsste die Konditionen jeglicher Zusammenarbeit offenlegen.” Kompromisse müssten dokumentiert werden und überprüfbar sein. Ein “absolutes Verständnis von Transparenz” solle man daraus jedoch nicht ableiten. Hennig selbst schränkt ein, niemand könne sich 100-prozentige Transparenz ernsthaft wünschen. Für Alpermann wirft das die Fragen auf, welche Kooperationen wem gegenüber konkret offenzulegen wären? Und wer hätte das Recht, sie zu überprüfen?
Alpermann fürchtet, dass ein Register den chinesischen Sicherheitsbehörden sogar Ansatzpunkte böte, “um Druck auf deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszuüben”. Solche “relational repression” sei in China gängige Praxis, sagt er. Sollte es Selbstzensur in der Chinaforschung geben, würde dies die Situation weiter verschärfen.
Die Debatte wird ausgesprochen emotional geführt, auch weil der latente Vorwurf im Raum steht, dass zu große Eigeninteressen innerhalb der Chinaforschung eine klare Sicht auf die Risiken trübe. “Die derzeitige China-Debatte in Deutschland ist zu stark durch Personen mit Agenda geprägt”, hieß es im Spiegel. Die Wirtschafts-Sinologin Doris Fischer von der Uni Würzburg habe nur noch mit den Augen gerollt, als sie das Interview gelesen hat, kommentierte sie in Sozialmedien.
Alpermann geht der Vorwurf zu weit, die Sinologie in Deutschland sei unterwandert, zumal er nicht belegt sei. Wer wie Hennig und Fulda eine an demokratischen Werten orientierte China-Kompetenz fordere, unterstelle allen Sinologen, die an Unis oder im öffentlichen Dienst arbeiteten, dass sie ihren Amtseid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung verletzten. “Das ist schlicht Verleumdung”, meint Alpermann.
Doch bei aller Kontroverse sind sich Befürworter und Gegner eines Zentralregisters einig darüber, dass in der Wissenschaft künftig mit allen Autokratien generell vorsichtiger umgegangen werden müsse. Alpermann sieht die Risiken besonders in naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen, deren Erkenntnisse zum Beispiel in Kontroll- oder Überwachungswerkzeuge fließen könnten. Hennig und Fulda dagegen weisen auch auf die Risiken in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Feldern hin, die mit ihren Ergebnissen unfreiwillig ideologische Unterstützung für das chinesische Regime liefern könnten.
Das Dilemma besteht darin, einen Mittelweg zu finden, der die Argumente beider Seiten berücksichtigt. “Die konkreten Parameter eines solchen Registers haben wir noch nicht thematisiert. Diese müssten kollektiv debattiert und ausgehandelt werden. Jegliche Aufregung diesbezüglich kommt also verfrüht”, sagt Hennig.
Doch sowieso sollte es keineswegs nur um die Chinaforschung gehen. Die hilft zwar dabei, die Volksrepublik besser verstehen zu lernen und daraus politische Maßnahmen zu generieren. Doch betroffen von der Problematik sind alle Forschungskooperationen in allen Fachgebieten. Denn dort ist höchst selten ausreichende China-Kompetenz vorhanden. Dabei ist genau diese Kompetenz notwendig, um die Risiken bei Kooperationen mit der chinesischen Seite zu bewerten und Leitfäden zur Bewältigung dieser Risiken zu entwickeln.
Das kanadische Parlament hat sich einstimmig für die Aufnahme und Niederlassung von bis zu 10.000 Exil-Uiguren mit chinesischer Staatsangehörigkeit ausgesprochen. Die Abgeordneten beschlossen mit 322:0 Stimmen einen entsprechenden Antrag des uigurisch-stämmigen Abgeordneten Sameer Zuberi. Das Votum ist für die Regierung von Premierminister Justin Trudeau rechtlich zwar nicht bindend, die geschlossene Unterstützung des Parlaments setzt seine Minderheitsregierung allerdings unter Handlungsdruck.
Profitieren sollen besonders Uiguren, die in Drittstaaten gestrandet sind, wo sie vorerst zwar vor chinesischer Verfolgung sicher sind, aber langfristig kaum Perspektiven haben. Beispielsweise in der Türkei, aber auch in Thailand haben uigurische Flüchtlinge meist keinen Zugang zum Sozialversicherungssystem. In Kanada soll ihnen dieser Zugang jetzt ermöglicht werden. Zuberi sprach von einem “historischen Moment”. Über Twitter drückte er seine Dankbarkeit für die geschlossene Unterstützung durch seine Parlamentskollegen aus. grz
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Renata Alt, hat das Internatssystem in Tibet “aufs Schärfste” verurteilt. Die FDP-Politikerin wirft der chinesischen Regierung vor, die tibetische Kultur systematisch auszulöschen. “China versucht durch menschenverachtende Maßnahmen wie zwanghafte Assimilation und Umerziehung von bis zu einer Million Kinder die tibetische Minderheit systematisch abzuschaffen. Das Internatssystem Chinas ist eine weitere grobe Menschenrechtsverletzung, die die Kommunistische Partei an der tibetischen Bevölkerung begeht.”
Hintergrund ist der Vorwurf von Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen, die chinesische Regierung wolle die tibetische Sprache und Kultur marginalisieren. Dazu würden örtliche tibetische Schulen geschlossen, um die Kinder zu Internatsbesuchen zu zwingen, wo sie die meiste Zeit des Jahres von ihren Eltern getrennt lebten und ausschließlich auf Mandarin kommunizierten.
Besonders die Jüngeren verlernen nicht nur ihre Sprache, sondern verlieren langfristig den Zugang zu ihren eigenen Traditionen und Wurzeln. “Die Kinder sind in den Schulen ausschließlich chinesischer Sprache, Geschichte und Propaganda ausgesetzt. Sie werden geistig komplett sinisiert. Die Konsequenzen für die tibetische Kultur sind katastrophal”, hatte der Präsident der tibetischen Exilregierung, Penpa Tsering, vergangene Woche im Exklusivgespräch mit China.Table gesagt. Betroffen seien derzeit mehr als 800.000 Schülerinnen und Schüler. Nur in wenigen Orten seien lokale Schulen überhaupt noch geöffnet.
“Wir begrüßen das klare Statement der UN-Sonderberichterstatter über die Zwangsinternate in Tibet, hinter der eine rücksichtslose Assimilationspolitik gegenüber den Tibetern steht”, sagte ICT-Geschäftsführer Kai Müller. Die internationale Gemeinschaft, UN-Gremien, Regierungen und Parlamente sollten die chinesische Regierung mit Nachdruck und öffentlich auffordern, ihre sogenannte Sinisierungs- und Assimilationspolitik gegen die Tibeter zu beenden. “Einer ganzen Generation von Tibetern droht damit der Verlust ihrer kulturellen Identität.” grz
In Hongkong hat der bislang größte Prozess seit Inkrafttreten des umstrittenen Nationalen Sicherheitsgesetzes begonnen. 47 Demokratieaktivisten wird “bösartige Verschwörung zum Umsturz” vorgeworfen. Sie sollen vor der Parlamentswahl inoffizielle Vorwahlen organisiert haben.
Der Prozess gilt als Test dafür, wie unabhängig die Justiz in der Sonderverwaltungszone noch agieren kann, seitdem Peking seinen Einfluss kontinuierlich ausgeweitet hat. Vor Gericht stehen unter anderem der Rechtsgelehrte Benny Tai, die ehemaligen Abgeordneten Claudia Mo, Au Nok-hin sowie der 26-jährige Ex-Studentenführer Joshua Wong.
Vermutlich um das Strafmaß abzumildern, haben sich 30 Angeklagte bereits schuldig bekannt. Der langjährige Aktivist und ehemalige Parlamentarier Leung Kwok-hung, der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, erklärte zu den Vorwürfen, dass es kein Verbrechen sei, “gegen ein totalitäres Regime vorzugehen”. Der Prozess ist auf mindestens 90 Tage angesetzt. Urteile wurden bislang noch nicht verkündet. Im schlimmsten Fall drohen einzelnen Aktivisten jedoch lebenslange Haftstrafen.
Zum Prozessauftakt am Montagmorgen bildeten sich lange Menschenschlangen vor dem Gerichtsgebäude. Berichten lokaler Journalisten zufolge könne es sich zum Teil um bezahltes Publikum gehandelt haben, die möglichst vielen Aktivisten und Journalisten die begrenzten Zuschauerplätze wegschnappen sollten. Vor dem Gericht versammelten sich aber auch Menschen, die auf Plakaten die “Freilassung aller politischen Gefangenen” forderten. fpe
Australien lässt Überwachungskameras chinesischer Hersteller von seinen Regierungsgebäuden entfernen. Der Verteidigungsminister und stellvertretende Premierminister Richard Marles begründete den Schritt damit, dass die Kameras für Australien ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. Er sagte aber zugleich, dass man die Sache nicht überbewerten solle.
Mehr als 900 Überwachungskameras der Unternehmen Hikvision und Dahua sind in und an Regierungsgebäuden angebracht, darunter auch das Außen- und Justizministerium. Hikvision und Dahua sind zum Teil im Staatsbesitz.
Australien habe “keine Möglichkeit zu wissen, ob die von diesen Geräten gesammelten sensiblen Informationen, Bilder und Audiodaten gegen die Interessen der australischen Bürger heimlich nach China zurückgeschickt werden”, sagte James Paterson, Schattenminister für Cybersicherheit, der die Prüfung beantragt hatte. Als weiteren Grund nannte er einen moralischen Aspekt. Die Kameras der beiden Unternehmen werden auch verwendet, um die Uiguren in Xinjiang zu überwachen.
Die USA und Großbritannien waren im November bereits einen ähnlichen Schritt gegangen und hatten Kameras entfernen lassen. Australien hatte im Jahr 2018 Huawei den Zugang zu seinem 5G-Netz untersagt, ebenfalls aus Sicherheitsbedenken. China reagierte darauf mit Handelsrestriktionen. jul
Die EU will Desinformationskampagnen aus China und Russland mit einer neuen Plattform effektiver entgegentreten. Ein neu geschaffenes Informationsaustausch- und Analysezentrum innerhalb des diplomatischen Dienstes der EU (EEAS) soll Desinformation aus Drittstaaten aufspüren und sich auch mit den 27 Mitgliedstaaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren abstimmen, erklärte EU-Chefdiplomat Josep Borrell am Dienstag bei einer Veranstaltung zur Desinformations-Bekämpfung in Brüssel. “Autoritäre Regime versuchen, Fehlinformationen zu erzeugen und zu manipulieren”, warnte Borrell.
Die Idee ist es, eine dezentrale Plattform für den Austausch von Informationen in Echtzeit mit Ländern, Cybersicherheitsbehörden und NGOs zu schaffen. So sollen bereits bestehende Desinformationskampagnen besser untersucht und verstanden werden können. Außerdem soll auf neu aufkommende Narrative schneller reagiert werden können. Nähere Details zur Größe und Besetzung des Zentrums gab es zunächst nicht. Über die Plattform hinaus kündigte Borrell auch an, EU-Delegationen im Ausland mit Desinformationsexperten verstärken zu wollen.
Im vergangenen Jahr habe aus der Volksrepublik vor allem Informationsmanipulation im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine dominiert, erklärte die bestehende Desinformationseinheit der EU, die Stratcom-Abteilung des EEAS, in einem ersten Bericht zu diesem Thema. Die verbreiteten Narrative hätten sich hauptsächlich darauf konzentriert, die russische Invasion zu unterstützen. “Ein Großteil der Ukraine bezogenen Berichte in internationalen Kanälen staatlich kontrollierter chinesischer Medien basiert auf offiziellen russischen Quellen“, erklärt der Stratcom-Bericht.
Für den Bericht hat die Stratcom-Einheit rund 100 Fälle der Informationsmanipulation näher untersucht. Demnach ist die Desinformation überwiegend bild- und videobasiert, mehrsprachig und wird über ein dichtes Netzwerk von Akteuren verbreitet. Auf Twitter seien dazu auch die Kanäle von diplomatischen Vertretern aus China und Russland besonders involviert.
Neben der Narrative zum Krieg sei China zudem auch sehr auf die eigene Wahrnehmung bedacht. So “verfolgt China gleichzeitig das Ziel, konkurrierende und potenziell kritische Geschichten über sich selbst zu unterdrücken, auch durch Einschüchterung und Belästigung”, heißt es in dem Bericht. So werde beispielsweise versucht, Berichte zu Menschenrechtsproblemen zu beeinflussen. China sei dabei auch besonders im Westbalkan aktiv. ari
Chinas Rolle in Zentral- und Osteuropa hat sich verändert. Nach Ansicht von Ivana Karásková nicht zum Guten. Karásková ist China Research Fellow und Projektkoordinatorin bei der Denkfabrik Association for International Affairs (AMO) in Prag. Eigentlich wollte sie Journalistin werden und aus der Welt berichten. Doch nach dem Studium schrecken sie die unsicheren Zukunftsaussichten ab. Sie entscheidet sich für die Wissenschaft und studiert und lehrt in Prag, Shanghai und Taipeh. Karásková erkundet so die Welt, über die sie später als Wissenschaftlerin berichten wird.
Denn am AMO untersucht Karásková Chinas Einfluss in Zentral- und Osteuropa. Mit Blick auf die vergangenen Jahre sagt sie: Die Wirtschaftskrise 2008 hat Osteuropa hart getroffen. Groß war die Hoffnung, mit chinesischen Investitionen wieder auf die Beine zu kommen. Doch der Investitionsboom blieb aus, denn “China hatte keinen Plan, wo es wirklich investieren will”, so Karásková. Außerdem gab es einen weiteren Haken: “Die Investitionen aus China kamen mit politischen Forderungen”, erklärt Karásková. Dass vielen Ländern Zentral- und Osteuropas die Situation in Hongkong und Xinjiang Bauchschmerzen bereitete, kam in Peking nicht gut an.
Dennoch ist China ein wichtiger Akteur geblieben. Und Karásková hat sich zur Aufgabe gemacht, dessen Einfluss zu erforschen. 2016 gründet sie die Initiative Choice (China Observers in Central and Eastern Europe) – einen Hub für Chinaexperten aus Zentral und Osteuropa. “Ich hätte China-Experten in Berlin, Brüssel und Washington treffen können, aber nicht in Prag oder Warschau.” Zusätzlich ist sie Gründerin von MapInfluenCE. Das Projekt zeichnet detailliert nach, wie sich China und Russland im Kampf der Narrative verhalten.
Karásková erklärt: China versuche seit Jahren, das Vertrauen in westliche Demokratien über Social Media und auch klassische Medienformate zu untergraben. Ein Beispiel: Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, behauptete im Frühjahr 2020, das Corona-Virus stamme aus einem US-Labor. Eine Lüge, die sich über westliche Social-Media-Kanäle rasant verbreitete. Auch, weil eine Armee an neuen Fake-Accounts zusammen mit Accounts chinesischer Offizieller die Falschmeldung multiplizierten. So auch die polnische Version von China Radio International (CRI).
Das Ergebnis beunruhigt Karásková. Wer westliche Berichterstattung und chinesische Desinformation gegenüberstellt, könnte denken, dass die Wahrheit zwischen beiden Informations-Polen irgendwo in der Mitte läge. Das ist nicht nur falsch, sondern brandgefährlich für Demokratien, deren wichtigste Währung die Wahrheit ist, sagt Karásková.
Für Karásková kommt mit Russlands Invasion in der Ukraine eine neue Dimension hinzu. Denn China und Russland lernen voneinander und multiplizieren dieselben anti-westlichen Narrative. Und das in westlichen sozialen Netzwerken. Die Botschaft aus China lautet: Die Nato trage die Schuld am Krieg und die europäischen Demokratien stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Vor allem Osteuropa ist Ziel der Desinformationskampagnen. So wird China für Zentral- und Osteuropa “aus einem problematischen Partner zu einem Paria-Partner”, sagt Karásková.
Außerdem vermutet sie: “Bei der Desinformation über die Ukraine geht es auch um Taiwan.” Das Ziel sei es, Anti-Nato-Narrative schon jetzt zu befeuern, damit Chinas Propaganda im Falle einer Invasion in Taiwan schon auf bestehende anti-westliche Propaganda aufbauen könne. Die EU müsse das antizipieren und mehr gegen chinesische Desinformation tun, fordert Karásková. Jonathan Kaspar Lehrer
Die Streamingplattform Disney Plus hat in Hongkong eine Folge der US-Trickfilmserie The Simpsons aus seinem Angebot entfernt. Der Grund: China wird in einer Szene aus der letzten Staffel als Land der “Bitcoin-Minen und Zwangsarbeitslager” vorgestellt. Unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz, das Peking 2020 als Reaktion auf die Massenproteste in der Sonderverwaltungszone verabschiedet hatte, gelten solche Kommentare als subversiv.
in Großbritannien wird an diesem Sonntag ein Besucher landen, der in die USA gar nicht einreisen dürfte. Der Gouverneur der autonomen Provinz Xinjiang, Erkin Tuniyaz, reist im Auftrag der chinesischen Regierung nach London. Er will Vertreter des britischen Außenministeriums treffen. Auch Brüssel und vielleicht Genf stehen im Anschluss auf dem Reiseplan. Der Besuch ist für uigurische Lobbygruppen, Menschenrechtsorganisationen und deutsche sowie britische Parlamentarier ein Affront, denn Tuniyaz trägt bei den Verbrechen gegen die Uiguren in Xinjiang besondere Verantwortung. Marcel Grzanna beschreibt die Hintergründe und Reaktionen.
Lebhaft geht es derweil in der Debatte zu, die unter deutschen Sinologen geführt wird, wenn es um Zusammenarbeit mit Institutionen und Forschern aus der Volksrepublik geht. Während einige größtmögliche Transparenz fordern, fürchten andere, kritische Geister in China potenziell zu gefährden, beschreibt Marcel Grzanna den Streit.
Einig sind sich beide Seiten in einem Punkt: Mehr China-Kompetenz ist vor allen in jenen Forschungsbereichen nötig, die sich bislang wenig mit den politischen Verhältnissen beschäftigt haben. Das könnte sich mit dieser Debatte ändern.
In den USA auf der schwarzen Liste, als Gast in Europa zumindest akzeptiert: Der Gouverneur der autonomen Provinz Xinjiang, Erkin Tuniyaz, reist im Auftrag der chinesischen Regierung am kommenden Sonntag nach London, wo er auf Vertreter des britischen Außenministeriums treffen soll. Genau eine Woche später will Tuniyaz dann in Brüssel vorsprechen, um bei den EU-Mitgliedsstaaten eine diplomatische Charme-Offensive zu starten.
Uigurische Lobbygruppen, Menschenrechtsorganisationen sowie deutsche und britische Parlamentarier kritisierten den Besuch scharf. Tuniyaz ist wegen seiner verantwortlichen Rolle für Verbrechen gegen die Menschlichkeit an uigurischen Muslimen in Xinjiang von den Vereinigten Staaten seit zwei Jahren sanktioniert. Die US-Regierung bezeichnet Pekings Umgang mit den Uiguren gar als Völkermord. Die EU dagegen richtete ihre Sanktionen bisher auf vier rangniedrigere Funktionäre aus Xinjiang, Tuniyaz ist die Einreise weiterhin erlaubt.
Deutliche Kritik an dem Besuch kommt aus dem EU-Parlament. “Der Gouverneur von Xinjiang ist mitverantwortlich für die Menschenrechtsverbrechen, die die chinesische Führung in der autonomen Region immer noch begeht”, sagte der EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer (Grüne) zu China.Table. “Zwar muss es weiterhin Gespräche mit China geben. Aber das schließt Personen aus, die wie Erkin Tuniyaz persönlich so eng an diesen Verbrechen beteiligt sind.”
Bütikofer, gleichzeitig Mitglied der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC) und Vorsitzender der China-Delegation des EU-Parlaments, hält den chinesischen Vorstoß für ein Zeichen dafür, dass die starke Kritik an Chinas Menschenrechtsverbrechen der vergangenen Jahre Wirkung zeigt. “Peking sieht sich gezwungen, dagegenzuhalten. Ich glaube aber nicht, dass allzu viele internationale Akteure sich Sand in die Augen streuen lassen“, sagte er. Bütikofer selbst wurde 2021 von Peking mit Strafmaßnahmen belegt, nachdem Brüssel die Beamten aus Xinjiang sanktioniert hatte.
Auch aus dem Bundestag kam Kritik. “Ich halte diesen Besuch für äußerst problematisch. Dem Gouverneur von Xinjiang eine Plattform zu bieten, würde ein falsches Signal senden”, sagte der Menschenrechtspolitiker Peter Heidt (FDP) im Gespräch mit China.Table. Auch Heidt glaubt, Peking wolle die Vorgänge in Xinjiang relativieren.
Frank Schwabe (SPD) warnt vor einem propagandistischen Missbrauch des Besuchs durch die chinesische Seite. “Ich hoffe, dass die Europäer gut vorbereitet eine unmissverständliche Kommunikationsstrategie mit in dieses Gespräch nehmen. Niemand darf den Fehler machen, sich von den chinesischen Darstellungen in die Irre führen zu lassen.”
Das Büro der UN-Menschenrechtskommissarin hatte der chinesischen Regierung im vergangenen Jahr erstmals Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Hintergrund dafür ist eine jahrelange Umerziehungs-Kampagne, in deren Verlauf Millionen von Menschen in Xinjiang in Internierungslagern eingesperrt waren. In den Lagern kam es zu systematischer körperlicher und psychischer Folter, Vergewaltigungen und Zwangsarbeit.
Kurz nach Bekanntwerden der Reisepläne des chinesischen Politikers reichte der britische Menschenrechtsanwalt Michael Polak ein Gesuch beim britischen Generalstaatsanwalt ein, um Ermittlungen gegen Erkin Tuniyaz zu erwirken. Polak handelte unter dem Mandat eines ehemaligen kasachischen Lagerhäftlings, der inzwischen in Großbritannien lebt. Sollte der Generalstaatsanwalt dem Gesuch nachkommen, könnte dem chinesischen Politiker theoretisch eine Festnahme drohen.
Aus London kamen derweil Beschwichtigungen. Aus dem Außenministerium hieß es gegenüber britischen Parlamentariern, dass Tuniyaz weder offiziell von britischer Seite eingeladen worden noch eines offiziellen Ministertreffens “würdig” sei. “Chinas Vorgehen in Xinjiang ist natürlich verabscheuungswürdig, und wir werden es in keiner Weise legitimieren“, sagte ein Mitglied des Ministerbüros. Auch das britische Parlament bezeichnet die Behandlung der Uiguren in Xinjiang als Völkermord.
Wie lange Tuniyaz in London bleiben will, ist unklar. Denkbar ist, dass er Mitte kommender Woche nach Genf reist, um an der dortigen Sitzung des UN-Sozialrats teilzunehmen.
Wie kann Deutschland selbst mehr China-Kompetenz aufbauen und Forschungskooperationen mit der Volksrepublik weniger naiv angehen? Die möglichen Antworten auf diese Fragen führen innerhalb der deutschen China- und Sinologen-Szene immer wieder zu intensiven Debatten. Zuletzt war der Vorschlag zur Einführung eines Zentralregisters für Forschungskooperationen mit Partnern aus autokratisch regierten Staaten auf Kritik gestoßen.
Die Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig und der Politologe Andreas Fulda hatten die Idee für ein Zentralregister der Forschenden bei einem Interview mit dem Spiegel ins Spiel gebracht. Während Befürworter größtmögliche Transparenz als wichtiges Mittel zur Verhinderung von Vereinnahmung deutscher Forschung und ihrem Missbrauch sehen, fürchten Gegner eine “Nacktheit” mit drastischen Konsequenzen für die Beteiligten.
“Transparenz ist wichtig, gerade auch in der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China, aber sie muss ihre Grenzen haben”, sagt Björn Alpermann von der Uni Würzburg. Der Sinologe und Xinjiang-Experte glaubt, dass eine Pflicht zur Offenlegung gerade kritische Geister unter chinesischen Kollegen und Kolleginnen potenziell gefährden würde. Er selbst habe in der Vergangenheit bereits Namen chinesischer Co-Autoren oder Mitarbeiter seiner Arbeiten verschwiegen, aus Angst, sie der Willkür des Machtapparats auszusetzen.
Die Befürworter des Registers führen ihrerseits gute Argumente ins Feld. Hennig warnt davor, “dass mangelnde Transparenz zur Verschleierung von ungewünschten Verbindungen zum chinesischen Militär oder der Kommunistischen Partei” führen könne. Bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Forschern müsse berücksichtigt werden, dass der “gesamte chinesische Bildungssektor ausschließlich den Zielen der Partei dienen” solle, hatte Hennig in einem Standpunkt im China.Table gewarnt.
Potenzielle chinesische Forschungspartner werden laut Hennig anhand ihrer patriotischen Qualifikation ausgewählt. Es sei illusorisch, eine Unabhängigkeit anzunehmen, zumal chinesische Gesetze alle Bürger und Bürgerinnen des Landes zur Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten verpflichteten.
Uneinigkeit herrscht jedoch über die Definition von Transparenz. Fulda hatte im Spiegel gesagt: “Man müsste die Konditionen jeglicher Zusammenarbeit offenlegen.” Kompromisse müssten dokumentiert werden und überprüfbar sein. Ein “absolutes Verständnis von Transparenz” solle man daraus jedoch nicht ableiten. Hennig selbst schränkt ein, niemand könne sich 100-prozentige Transparenz ernsthaft wünschen. Für Alpermann wirft das die Fragen auf, welche Kooperationen wem gegenüber konkret offenzulegen wären? Und wer hätte das Recht, sie zu überprüfen?
Alpermann fürchtet, dass ein Register den chinesischen Sicherheitsbehörden sogar Ansatzpunkte böte, “um Druck auf deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszuüben”. Solche “relational repression” sei in China gängige Praxis, sagt er. Sollte es Selbstzensur in der Chinaforschung geben, würde dies die Situation weiter verschärfen.
Die Debatte wird ausgesprochen emotional geführt, auch weil der latente Vorwurf im Raum steht, dass zu große Eigeninteressen innerhalb der Chinaforschung eine klare Sicht auf die Risiken trübe. “Die derzeitige China-Debatte in Deutschland ist zu stark durch Personen mit Agenda geprägt”, hieß es im Spiegel. Die Wirtschafts-Sinologin Doris Fischer von der Uni Würzburg habe nur noch mit den Augen gerollt, als sie das Interview gelesen hat, kommentierte sie in Sozialmedien.
Alpermann geht der Vorwurf zu weit, die Sinologie in Deutschland sei unterwandert, zumal er nicht belegt sei. Wer wie Hennig und Fulda eine an demokratischen Werten orientierte China-Kompetenz fordere, unterstelle allen Sinologen, die an Unis oder im öffentlichen Dienst arbeiteten, dass sie ihren Amtseid auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung verletzten. “Das ist schlicht Verleumdung”, meint Alpermann.
Doch bei aller Kontroverse sind sich Befürworter und Gegner eines Zentralregisters einig darüber, dass in der Wissenschaft künftig mit allen Autokratien generell vorsichtiger umgegangen werden müsse. Alpermann sieht die Risiken besonders in naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen, deren Erkenntnisse zum Beispiel in Kontroll- oder Überwachungswerkzeuge fließen könnten. Hennig und Fulda dagegen weisen auch auf die Risiken in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Feldern hin, die mit ihren Ergebnissen unfreiwillig ideologische Unterstützung für das chinesische Regime liefern könnten.
Das Dilemma besteht darin, einen Mittelweg zu finden, der die Argumente beider Seiten berücksichtigt. “Die konkreten Parameter eines solchen Registers haben wir noch nicht thematisiert. Diese müssten kollektiv debattiert und ausgehandelt werden. Jegliche Aufregung diesbezüglich kommt also verfrüht”, sagt Hennig.
Doch sowieso sollte es keineswegs nur um die Chinaforschung gehen. Die hilft zwar dabei, die Volksrepublik besser verstehen zu lernen und daraus politische Maßnahmen zu generieren. Doch betroffen von der Problematik sind alle Forschungskooperationen in allen Fachgebieten. Denn dort ist höchst selten ausreichende China-Kompetenz vorhanden. Dabei ist genau diese Kompetenz notwendig, um die Risiken bei Kooperationen mit der chinesischen Seite zu bewerten und Leitfäden zur Bewältigung dieser Risiken zu entwickeln.
Das kanadische Parlament hat sich einstimmig für die Aufnahme und Niederlassung von bis zu 10.000 Exil-Uiguren mit chinesischer Staatsangehörigkeit ausgesprochen. Die Abgeordneten beschlossen mit 322:0 Stimmen einen entsprechenden Antrag des uigurisch-stämmigen Abgeordneten Sameer Zuberi. Das Votum ist für die Regierung von Premierminister Justin Trudeau rechtlich zwar nicht bindend, die geschlossene Unterstützung des Parlaments setzt seine Minderheitsregierung allerdings unter Handlungsdruck.
Profitieren sollen besonders Uiguren, die in Drittstaaten gestrandet sind, wo sie vorerst zwar vor chinesischer Verfolgung sicher sind, aber langfristig kaum Perspektiven haben. Beispielsweise in der Türkei, aber auch in Thailand haben uigurische Flüchtlinge meist keinen Zugang zum Sozialversicherungssystem. In Kanada soll ihnen dieser Zugang jetzt ermöglicht werden. Zuberi sprach von einem “historischen Moment”. Über Twitter drückte er seine Dankbarkeit für die geschlossene Unterstützung durch seine Parlamentskollegen aus. grz
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Renata Alt, hat das Internatssystem in Tibet “aufs Schärfste” verurteilt. Die FDP-Politikerin wirft der chinesischen Regierung vor, die tibetische Kultur systematisch auszulöschen. “China versucht durch menschenverachtende Maßnahmen wie zwanghafte Assimilation und Umerziehung von bis zu einer Million Kinder die tibetische Minderheit systematisch abzuschaffen. Das Internatssystem Chinas ist eine weitere grobe Menschenrechtsverletzung, die die Kommunistische Partei an der tibetischen Bevölkerung begeht.”
Hintergrund ist der Vorwurf von Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen, die chinesische Regierung wolle die tibetische Sprache und Kultur marginalisieren. Dazu würden örtliche tibetische Schulen geschlossen, um die Kinder zu Internatsbesuchen zu zwingen, wo sie die meiste Zeit des Jahres von ihren Eltern getrennt lebten und ausschließlich auf Mandarin kommunizierten.
Besonders die Jüngeren verlernen nicht nur ihre Sprache, sondern verlieren langfristig den Zugang zu ihren eigenen Traditionen und Wurzeln. “Die Kinder sind in den Schulen ausschließlich chinesischer Sprache, Geschichte und Propaganda ausgesetzt. Sie werden geistig komplett sinisiert. Die Konsequenzen für die tibetische Kultur sind katastrophal”, hatte der Präsident der tibetischen Exilregierung, Penpa Tsering, vergangene Woche im Exklusivgespräch mit China.Table gesagt. Betroffen seien derzeit mehr als 800.000 Schülerinnen und Schüler. Nur in wenigen Orten seien lokale Schulen überhaupt noch geöffnet.
“Wir begrüßen das klare Statement der UN-Sonderberichterstatter über die Zwangsinternate in Tibet, hinter der eine rücksichtslose Assimilationspolitik gegenüber den Tibetern steht”, sagte ICT-Geschäftsführer Kai Müller. Die internationale Gemeinschaft, UN-Gremien, Regierungen und Parlamente sollten die chinesische Regierung mit Nachdruck und öffentlich auffordern, ihre sogenannte Sinisierungs- und Assimilationspolitik gegen die Tibeter zu beenden. “Einer ganzen Generation von Tibetern droht damit der Verlust ihrer kulturellen Identität.” grz
In Hongkong hat der bislang größte Prozess seit Inkrafttreten des umstrittenen Nationalen Sicherheitsgesetzes begonnen. 47 Demokratieaktivisten wird “bösartige Verschwörung zum Umsturz” vorgeworfen. Sie sollen vor der Parlamentswahl inoffizielle Vorwahlen organisiert haben.
Der Prozess gilt als Test dafür, wie unabhängig die Justiz in der Sonderverwaltungszone noch agieren kann, seitdem Peking seinen Einfluss kontinuierlich ausgeweitet hat. Vor Gericht stehen unter anderem der Rechtsgelehrte Benny Tai, die ehemaligen Abgeordneten Claudia Mo, Au Nok-hin sowie der 26-jährige Ex-Studentenführer Joshua Wong.
Vermutlich um das Strafmaß abzumildern, haben sich 30 Angeklagte bereits schuldig bekannt. Der langjährige Aktivist und ehemalige Parlamentarier Leung Kwok-hung, der ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, erklärte zu den Vorwürfen, dass es kein Verbrechen sei, “gegen ein totalitäres Regime vorzugehen”. Der Prozess ist auf mindestens 90 Tage angesetzt. Urteile wurden bislang noch nicht verkündet. Im schlimmsten Fall drohen einzelnen Aktivisten jedoch lebenslange Haftstrafen.
Zum Prozessauftakt am Montagmorgen bildeten sich lange Menschenschlangen vor dem Gerichtsgebäude. Berichten lokaler Journalisten zufolge könne es sich zum Teil um bezahltes Publikum gehandelt haben, die möglichst vielen Aktivisten und Journalisten die begrenzten Zuschauerplätze wegschnappen sollten. Vor dem Gericht versammelten sich aber auch Menschen, die auf Plakaten die “Freilassung aller politischen Gefangenen” forderten. fpe
Australien lässt Überwachungskameras chinesischer Hersteller von seinen Regierungsgebäuden entfernen. Der Verteidigungsminister und stellvertretende Premierminister Richard Marles begründete den Schritt damit, dass die Kameras für Australien ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. Er sagte aber zugleich, dass man die Sache nicht überbewerten solle.
Mehr als 900 Überwachungskameras der Unternehmen Hikvision und Dahua sind in und an Regierungsgebäuden angebracht, darunter auch das Außen- und Justizministerium. Hikvision und Dahua sind zum Teil im Staatsbesitz.
Australien habe “keine Möglichkeit zu wissen, ob die von diesen Geräten gesammelten sensiblen Informationen, Bilder und Audiodaten gegen die Interessen der australischen Bürger heimlich nach China zurückgeschickt werden”, sagte James Paterson, Schattenminister für Cybersicherheit, der die Prüfung beantragt hatte. Als weiteren Grund nannte er einen moralischen Aspekt. Die Kameras der beiden Unternehmen werden auch verwendet, um die Uiguren in Xinjiang zu überwachen.
Die USA und Großbritannien waren im November bereits einen ähnlichen Schritt gegangen und hatten Kameras entfernen lassen. Australien hatte im Jahr 2018 Huawei den Zugang zu seinem 5G-Netz untersagt, ebenfalls aus Sicherheitsbedenken. China reagierte darauf mit Handelsrestriktionen. jul
Die EU will Desinformationskampagnen aus China und Russland mit einer neuen Plattform effektiver entgegentreten. Ein neu geschaffenes Informationsaustausch- und Analysezentrum innerhalb des diplomatischen Dienstes der EU (EEAS) soll Desinformation aus Drittstaaten aufspüren und sich auch mit den 27 Mitgliedstaaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren abstimmen, erklärte EU-Chefdiplomat Josep Borrell am Dienstag bei einer Veranstaltung zur Desinformations-Bekämpfung in Brüssel. “Autoritäre Regime versuchen, Fehlinformationen zu erzeugen und zu manipulieren”, warnte Borrell.
Die Idee ist es, eine dezentrale Plattform für den Austausch von Informationen in Echtzeit mit Ländern, Cybersicherheitsbehörden und NGOs zu schaffen. So sollen bereits bestehende Desinformationskampagnen besser untersucht und verstanden werden können. Außerdem soll auf neu aufkommende Narrative schneller reagiert werden können. Nähere Details zur Größe und Besetzung des Zentrums gab es zunächst nicht. Über die Plattform hinaus kündigte Borrell auch an, EU-Delegationen im Ausland mit Desinformationsexperten verstärken zu wollen.
Im vergangenen Jahr habe aus der Volksrepublik vor allem Informationsmanipulation im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine dominiert, erklärte die bestehende Desinformationseinheit der EU, die Stratcom-Abteilung des EEAS, in einem ersten Bericht zu diesem Thema. Die verbreiteten Narrative hätten sich hauptsächlich darauf konzentriert, die russische Invasion zu unterstützen. “Ein Großteil der Ukraine bezogenen Berichte in internationalen Kanälen staatlich kontrollierter chinesischer Medien basiert auf offiziellen russischen Quellen“, erklärt der Stratcom-Bericht.
Für den Bericht hat die Stratcom-Einheit rund 100 Fälle der Informationsmanipulation näher untersucht. Demnach ist die Desinformation überwiegend bild- und videobasiert, mehrsprachig und wird über ein dichtes Netzwerk von Akteuren verbreitet. Auf Twitter seien dazu auch die Kanäle von diplomatischen Vertretern aus China und Russland besonders involviert.
Neben der Narrative zum Krieg sei China zudem auch sehr auf die eigene Wahrnehmung bedacht. So “verfolgt China gleichzeitig das Ziel, konkurrierende und potenziell kritische Geschichten über sich selbst zu unterdrücken, auch durch Einschüchterung und Belästigung”, heißt es in dem Bericht. So werde beispielsweise versucht, Berichte zu Menschenrechtsproblemen zu beeinflussen. China sei dabei auch besonders im Westbalkan aktiv. ari
Chinas Rolle in Zentral- und Osteuropa hat sich verändert. Nach Ansicht von Ivana Karásková nicht zum Guten. Karásková ist China Research Fellow und Projektkoordinatorin bei der Denkfabrik Association for International Affairs (AMO) in Prag. Eigentlich wollte sie Journalistin werden und aus der Welt berichten. Doch nach dem Studium schrecken sie die unsicheren Zukunftsaussichten ab. Sie entscheidet sich für die Wissenschaft und studiert und lehrt in Prag, Shanghai und Taipeh. Karásková erkundet so die Welt, über die sie später als Wissenschaftlerin berichten wird.
Denn am AMO untersucht Karásková Chinas Einfluss in Zentral- und Osteuropa. Mit Blick auf die vergangenen Jahre sagt sie: Die Wirtschaftskrise 2008 hat Osteuropa hart getroffen. Groß war die Hoffnung, mit chinesischen Investitionen wieder auf die Beine zu kommen. Doch der Investitionsboom blieb aus, denn “China hatte keinen Plan, wo es wirklich investieren will”, so Karásková. Außerdem gab es einen weiteren Haken: “Die Investitionen aus China kamen mit politischen Forderungen”, erklärt Karásková. Dass vielen Ländern Zentral- und Osteuropas die Situation in Hongkong und Xinjiang Bauchschmerzen bereitete, kam in Peking nicht gut an.
Dennoch ist China ein wichtiger Akteur geblieben. Und Karásková hat sich zur Aufgabe gemacht, dessen Einfluss zu erforschen. 2016 gründet sie die Initiative Choice (China Observers in Central and Eastern Europe) – einen Hub für Chinaexperten aus Zentral und Osteuropa. “Ich hätte China-Experten in Berlin, Brüssel und Washington treffen können, aber nicht in Prag oder Warschau.” Zusätzlich ist sie Gründerin von MapInfluenCE. Das Projekt zeichnet detailliert nach, wie sich China und Russland im Kampf der Narrative verhalten.
Karásková erklärt: China versuche seit Jahren, das Vertrauen in westliche Demokratien über Social Media und auch klassische Medienformate zu untergraben. Ein Beispiel: Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, behauptete im Frühjahr 2020, das Corona-Virus stamme aus einem US-Labor. Eine Lüge, die sich über westliche Social-Media-Kanäle rasant verbreitete. Auch, weil eine Armee an neuen Fake-Accounts zusammen mit Accounts chinesischer Offizieller die Falschmeldung multiplizierten. So auch die polnische Version von China Radio International (CRI).
Das Ergebnis beunruhigt Karásková. Wer westliche Berichterstattung und chinesische Desinformation gegenüberstellt, könnte denken, dass die Wahrheit zwischen beiden Informations-Polen irgendwo in der Mitte läge. Das ist nicht nur falsch, sondern brandgefährlich für Demokratien, deren wichtigste Währung die Wahrheit ist, sagt Karásková.
Für Karásková kommt mit Russlands Invasion in der Ukraine eine neue Dimension hinzu. Denn China und Russland lernen voneinander und multiplizieren dieselben anti-westlichen Narrative. Und das in westlichen sozialen Netzwerken. Die Botschaft aus China lautet: Die Nato trage die Schuld am Krieg und die europäischen Demokratien stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Vor allem Osteuropa ist Ziel der Desinformationskampagnen. So wird China für Zentral- und Osteuropa “aus einem problematischen Partner zu einem Paria-Partner”, sagt Karásková.
Außerdem vermutet sie: “Bei der Desinformation über die Ukraine geht es auch um Taiwan.” Das Ziel sei es, Anti-Nato-Narrative schon jetzt zu befeuern, damit Chinas Propaganda im Falle einer Invasion in Taiwan schon auf bestehende anti-westliche Propaganda aufbauen könne. Die EU müsse das antizipieren und mehr gegen chinesische Desinformation tun, fordert Karásková. Jonathan Kaspar Lehrer
Die Streamingplattform Disney Plus hat in Hongkong eine Folge der US-Trickfilmserie The Simpsons aus seinem Angebot entfernt. Der Grund: China wird in einer Szene aus der letzten Staffel als Land der “Bitcoin-Minen und Zwangsarbeitslager” vorgestellt. Unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz, das Peking 2020 als Reaktion auf die Massenproteste in der Sonderverwaltungszone verabschiedet hatte, gelten solche Kommentare als subversiv.