Die Auto Shanghai wirkte dieses Jahr unaufgeregter. Es gibt weniger extravagante Stände. Woran könnte das liegen?
Insgesamt wirkt es, als sei die Messe ruhiger und erwachsener geworden. Das ist aber nur die eine Seite. In China wurde zuletzt viel davon gesprochen, dass Firmen finanziell zurückfahren mussten. Die Budgets sind nicht mehr da, Abwrackprämie hin oder her. Das erste Quartal war zwar wieder sehr gut, aber insgesamt ist die Stimmung trüber. Zudem ist der Markt sehr zersplittert. Es besteht weiterhin ein Verdrängungswettbewerb.
Es wird immer von mehr als 100 chinesischen Herstellern gesprochen, die Zahlen sind aber vage. Wie viele sind es denn wirklich?
Meine Recherchen haben ergeben, dass es deutlich mehr als 100 Hersteller sind und rund 280 Marken. Unter den Herstellern gibt es viele, die eine Mehr-Markenstrategie fahren. Manche sind für den Export bestimmt, manche für den lokalen Markt, manche nur für einen ganz bestimmten Markt, wie zum Beispiel Russland. Es gibt auch immer ein Auf und Ab bei den Marken. Manche verschwinden, oder werden umbenannt, weil sie nicht funktionieren. Bei vielen Herstellern ist also nicht wirklich eine Stabilität in der Markenstrategie zu finden. Dahinter steckt oft allerdings ein Austesten, was erfolgreich ist.
Ist der harte Wettbewerb, der in China zuletzt scharf kritisiert wurde, weiterhin ein Thema?
Vor wenigen Wochen fand die Branchenkonferenz EV100 statt, bei der gesagt wurde, dass es so nicht weitergeht. Die Regierung sieht, dass dieser Wettbewerb überhaupt keine Profitabilität bringt und viele in der Branche auf die Unterstützung des Staates, also die Subventionen, angewiesen sind. Doch auch der Staat muss irgendwann auf die Bremse treten, weil die Staatsverschuldung langsam, aber sicher zu hoch steigt. Die Hersteller werden von den Provinzen, von den Banken, oder vom Zentralstaat, zum Beispiel über die Abwrackprämie, subventioniert.
Und deshalb will Peking dann Zahlen sehen?
Wenn man sich die Auto Policy von 2020 noch mal anschaut, ist darin auch ein Passus, der besagt, dass die Planzahlen für das nächste Jahr quasi der zentralen Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC), also nicht nur der regionalen NDRC, vorgelegt werden müssen – inklusive der Plan- und Ist-Zahlen aus dem letzten Jahr. Dann wird entschieden: Darf dieser Hersteller noch weiter produzieren? Es gab da eben schon einige wie Neta, die plötzlich weg waren, weil ihnen die Lizenz entzogen wurde. Oder eben auch Firmen, die nicht profitabel genug sind. Das sieht jetzt auch die Regierung: Mit dem Preiskampf wird es keine Profitabilität geben.
Wie ist allgemein Ihr Eindruck vom aktuellen Zustand der chinesischen Autoindustrie?
Ich glaube, es rüttelt sich in den nächsten zwei, drei Jahren massiv ein, weil der Preiskampf zu stark ist. Es gibt zu viel Auswahl und es ist einfach zu unsicher, welche Marken überleben. Das Kundenvertrauen wird schwinden und ich glaube, es wird hier noch mehr Konsolidierungen geben als nur die der Staatsunternehmen Changan und Dongfeng, deren Fusion ja schon lange angekündigt war. Bei den Staatsunternehmen wird das erzwungen. Doch es wird auch einige der kleineren Fahrzeughersteller geben, die einfach nicht überleben werden.