Analyse | Autonomes Fahren
Erscheinungsdatum: 17. September 2025

Assistiertes Fahren: Welche L2-Sicherheitsregeln Peking nun festlegen will

Für assistiertes Fahren der Stufe L2 gibt es in China künftig strengere Regeln. Die neuen Standards schaffen Sicherheit in einem umkämpften, innovationshungrigen Automarkt.

Chinas Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) hat einen neuen nationalen Standard im viel debattierten Bereich des assistierten Fahrens vorgelegt. Die Regulierung mit dem Titel „Sicherheitsanforderungen für kombinierte Fahrassistenzsysteme in intelligent vernetzten Fahrzeugen“ soll bisher bestehende Sicherheitslücken bei Fahrsystemen der Stufe L2 schließen und liegt nun zur Konsultation der Öffentlichkeit vor. Mit deutlichem Verzug, nachdem die Fahrzeuge längst weit verbreitet im Einsatz sind, werden damit technische Voraussetzungen für Marktzugang, Qualitätssicherung und Unfalluntersuchungen definiert. Die Frist für Stellungnahmen zu dem Standard ist der 15. November 2025. Wer kommentieren möchte, muss sich durch ein 130 Seiten langes Dokument lesen.

Level 2-Systeme sind in China für viele Kunden ein wichtiges Kaufargument bei einem Neuwagen. Von Januar bis Juli 2025 wurden in China 7,76 Millionen Fahrzeuge mit solchen Systemen verkauft, die Marktdurchdringung liegt bei knapp 63 Prozent, berichtet Car News China. Es handelt sich um kombinierte Fahrassistenz: Der Fahrer muss aufmerksam bleiben, die Fahrzeugkontrolle behalten und jederzeit eingreifen können. Manche Hersteller nutzen Bezeichnungen wie Level 2+ für Assistenzsysteme, die dem Fahrer mehr Komfort bieten, etwa bei längeren Autobahnfahrten oder teilweiser Hände-vom-Lenkrad-Funktion. Allerdings sind die Grenzen der Technik nicht immer klar.

Das liegt auch an irreführender Kommunikation, bei der Hersteller schwammige Begriffe bei der Bewerbung der Technologie nutzten. Konkret wurde die Abstufungen zwischen dem sogenannten Level 2 (assistiertes Fahren) und Level 3 (teil-automatisiertes Fahren) gegenüber Käufern in vielen Fällen nicht deutlich gemacht. Im scharfen Wettbewerb auf dem umkämpften chinesischen Automarkt suchten die Hersteller nach Wegen, gegenüber ihren Wettbewerbern das attraktivere Angebot zu bieten. Ein MIIT-Beamter beschrieb die dadurch entstandene Täuschung gegenüber dem chinesischen Magazin Economic Information Daily so: „Das verharmlost die Systemgrenzen und hat dazu geführt, dass Fahrer selbstgefährdendes Verhalten an den Tag legen, etwa längeres Fahren ohne Hand am Lenkrad oder abgelenktes Bedienen – mit tödlichen Unfällen, die erhebliche öffentliche Besorgnis ausgelöst haben.“

Gemeint ist der Unfall eines Xiaomi SU7 Ende März. Dieser war im Autopilot-Modus auf der Autobahn unterwegs, als es zu einem Crash kam, drei Studentinnen verloren ihr Leben. Der Fall sorgte dafür, dass kurz vor der Shanghai Autoshow im April dieses Jahres irreführende Werbung verboten wurde. Die Regierung kündigte damals eine schärfere Regulierung an, die sie mit dem neuen Standard nun vorgelegt hat.

Das MIIT adressiert einen zentralen Schwachpunkt: Die technische Begrenzung der Systeme. Wer L2-Systeme bereits verwendet hat, kennt es: Die Hände müssen in der Nähe des Lenkrads bleiben, dieses muss hin und wieder berührt werden. Ansonsten ertönt ein Warnton. Wird auf diesen nicht reagiert, leitet das Auto ein kontrolliertes Bremsmanöver ein. Mehreren Personen aus der Industrie zufolge ist es bei einigen chinesischen Herstellern möglich, das Steuer während der Fahrt minutenlang aus der Hand zu geben. Der Automobiljournalist Mark Rainford bestätigte gegenüber Table.Briefings, dass ein von ihm getestetes Modell sogar zehn Minuten lang nicht gewarnt habe, als er ohne Hände unterwegs war.

Künftig soll es standardisierte Nutzungsvorgaben geben, die so etwas ausschließen. Systeme müssen sowohl eine Lenkrad-Handerkennung als auch eine Blicküberwachung beinhalten. Entfernt der Fahrer die Hände vom Lenkrad oder wendet den Blick ab, muss das System Warnungen ausgeben und – falls keine Reaktion erfolgt – sicher deaktivieren.

Ein weiteres Element des „dreifachen Sicherheitsgarantiesystems“ ist eine strikte Definition der Bedingungen, unter denen Systeme aktiviert werden dürfen. Für unterschiedliche Funktionen werden umfassende technische Sicherheitsanforderungen festgelegt, einschließlich Mensch-Maschine-Interaktion, funktionaler Sicherheit, Cybersicherheit und Datenaufzeichnung.

Auch für das Prozessmanagement definiert der Standard neue Anforderungen. In der Entwicklungsphase müssen Unternehmen proaktive Risikoanalysen durchführen, in der Produktion Zuverlässigkeit und Rückverfolgbarkeit sicherstellen. Im Betrieb werden dynamische Statusüberwachung und verpflichtende Meldesysteme vorgeschrieben.

Für neu genehmigte Fahrzeugtypen müssen ab dem Inkrafttreten des Standards alle Anforderungen erfüllt werden. Davon ausgenommen sind Anforderungen zur Datenerfassung, die ab dem 13. Monat fällig sind. Darunter fällt zum Beispiel die Aufzeichnung von Daten im Falle einer Kollision. Für bereits genehmigte Fahrzeugtypen sind die Fristen länger.

Letzte Aktualisierung: 18. September 2025

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