Analyse
Erscheinungsdatum: 23. April 2025

Auto Shanghai: Autonomes Fahren auf dem Prüfstand

Bei der Automesse in Shanghai geht es dieses Jahr ruhiger zu. Einen Dämpfer gibt es im Trendbereich automatisiertes Fahren: Hier hat Peking neue Regeln eingeführt.

Die Auto Shanghai 2025 hat ihre Pforten geöffnet. Es ist ein Jubiläum: Die Messe gibt es seit 40 Jahren. Das Gros der Hersteller präsentiert sich seit Mittwoch deutlich weniger flippig und extravagant als im Vorjahr in Beijing. Manche haben ihre neuen Modelle sogar schon einige Tage vor der Messe vorgestellt. Andere haben mit Spannung erwartete Premieren kurzfristig verschoben.

Eine Flaute steckt sicher nicht hinter der ruhigeren Stimmung. Der chinesische Markt ist im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 36 Prozent gewachsen. Die Zahl der verkauften Elektrofahrzeuge erreichte im März 2025 fast eine Million – ein Rekordergebnis.

Doch mit Blick auf die vormalige Vorzeigetechnologie des automatisierten und autonomen Fahrens ist die Stimmung gedämpft. Die Fahrsysteme wurden bereits als Chinas nächster großer Wurf nach der E-Mobilität gehandelt. Doch der jüngste tödliche Unfall dreier Frauen bei der Fahrt mit einem Xiaomi SU7 sorgt für große Sorgen. Die Tragödie hat eine breite Diskussion in China entfacht und die Regierung in Peking zum schnellen Handeln bewegt.

Bisher war das autonome Fahren nur lückenhaft reguliert, wie häufig in China folgen Einschränkungen auf die Erprobung in der Praxis. Ab sofort sind Chinas Autohersteller verpflichtet, ihre Level 2-Fahrsysteme klar als solche zu kennzeichnen und auch nicht mit falschen Versprechungen zu werben. Die letzten Tage haben sich für so manchen Aussteller daher als stressig gestaltet: Werbematerialien für die Messe mussten in letzter Minute überarbeitet werden.

Denn viele Hersteller nutzen schwammige Begriffe bei der Bewerbung ihrer Technologien. Darunter fallen etwa die Feinheiten der Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems, kurz ADAS). Deren Stufungen zwischen dem sogenannten Level 2 (assistiertes Fahren) und Level 3 (teil-automatisiertes Fahren) ist vielen Fahrern nicht bewusst. Level 3 ist in China aktuell in der Testphase, aber noch nicht auf dem Markt. Hinter den verlockenden Suggestionen steckt der scharfe Verdrängungswettbewerb in der Autoindustrie mit ihren mehr als 100 Herstellern: Jeder will attraktiver und fortschrittlicher als die Konkurrenz wirken.

Zudem gibt es technische Lücken in diversen Fahrsystemen. Mehreren Personen aus der Industrie zufolge ist es bei einigen Herstellern möglich, das Steuer während der Fahrt minutenlang aus der Hand zu geben. Mit einem Warnton oder einem kontrollierten Bremsmanöver reagieren manche Fahrzeuge erst viel später. Das bestätigt auch Mark Rainford, Automobiljournalist von Inside China Auto, der auf seinem YouTube-Kanal viele neue Modelle ausgiebigen Tests unterzieht. Eines der getesteten Modelle habe sogar zehn Minuten lang nicht gewarnt, als er ohne Hände unterwegs war, sagt Rainford.

Ein umfassenderes Regelwerk dürfte folgen, in Peking wird das Thema aktuell intensiv evaluiert. Autohersteller mit Level 2-Systemen müssen bis Freitag umfangreiche Informationen bei den Behörden einreichen. Für die deutschen Marken ist die neue Vorsicht möglicherweise eine Gelegenheit, mit ihren Kernkompetenzen zu punkten. Denn auch, wenn die Regelungswut hierzulande gerne verschrien wird –Sicherheit wird bei Herstellern wie Mercedes-Benz, Volkswagen und BMW großgeschrieben. Ihre Autos bimmeln nach wenigen Sekunden, wenn die Hände nicht am Lenkrad sind.

Abseits der Debatten um die Fahrsysteme dominieren bei der Messe die sogenannten New Energy Vehicles (NEVs) erneut deutlich. Dazu zählen auch Hybrid-Modelle und Range Extender-Fahrzeuge. Aus dem Trend ist mittlerweile Normalität geworden. SUVs prägen die Stände, auch das ist nicht überraschend. Die Modelle sind ziemlich vielfältig. Darunter sind sehr luxuriöse, Ehrfurcht einflößende Kolosse, die es auf etablierte Marken im Premium-Segment abgesehen haben. Zeekr hat seinen ersten Hybrid dabei, das SUV 9X, dem auch schon der Beinamen Rolls-Royce aus Hangzhou verpasst wurde. Zu haben ist es allerdings zum Preis eines BMW X5. BYDs Edelmarke Yangwang stellt den U8L vor, der auf der Luxus-Edition des U8 aufbaut, einen besonders langen Radstand besitzt, 1180 PS aus vier Elektromotoren und sechs Sitze.

Auch die oftmals luxuriös eingerichteten Minivans, mit denen man sich bequem durch den Stadtverkehr chauffieren lassen kann, waren im vergangenen Jahr ein Trend. Dieses Jahr sieht man die sogenannten MPVs deutlich weniger. In einer neuen Variante ist der kantige MPV Li Mega in der neuen Home-Version wieder eines der Highlights. Mit allen erforderlichen Sensoren und einem Lidar für autonomes Fahren Level 4 ist das Fahrzeug bereits ausgestattet, die Kunden müssen nur Geduld haben. Unter den Kleinwagen sticht wiederum Firefly hervor, die Tochtermarke von Nio, die jungen Kunden den Einstieg in die Markenfamilie ebnen soll. Einige erwartete Premieren blieben allerdings aus: Nicht mit dabei waren unter anderem das Tesla-Model Y-Jäger Xiaomi YU7, das SUV Xpeng G7 und das zweite vollelektrische Modell von Li Auto, der Li i8.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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