Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 18. Oktober 2025

„Regulierung schafft auch Innovation“

Antje von Dewitz übernahm die Firmenführung 2009 von ihrem Vater, der Vaude gegründet hat. (Vaude)

Jahrelang haben nachhaltige Unternehmen wie Vaude in die Umsetzung mehrerer EU-Regulierungen investiert – Lieferkettengesetz, CSRD, EmpCo. Nun wird vieles zurückgenommen, abgeschwächt oder ausgesetzt. Und das hinterlässt Schäden, sagt die CEO.

Während vielerorts das Zurückrudern bei der Bürokratie gefeiert wird, bleiben Vorreiterunternehmen auf hohen Investitionen sitzen. „Es ist für uns ein großer Rückschritt“, sagt Antje von Dewitz, CEO des familiengeführten Outdoor-Modeherstellers Vaude, im Gespräch mit Table.Briefings. „Weil genau diejenigen bestraft werden, die sich frühzeitig auf kommende Regeln eingestellt haben“, so die Unternehmerin.

Mehrere Regulierungen und politischen Ziele – wie das Lieferkettengesetz zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten auch bei Zulieferern oder die Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – werden derzeit abgeschwächt. Auch bei der Empowering Consumer-Richtlinie (EmpCo), die Greenwashing erschweren und Transparenz bei Umweltaussagen erhöhen soll, gibt es intensive Diskussionen in Wirtschaft und Politik, wie weit die bis 2026 zu realisierende Umsetzung gehen sollte. Bei der Green Claims Direktive, die detaillierte Prüf- und Nachweispflichten für Umweltaussagen regeln sollte, ist ganz unklar, ob und wie sie überhaupt verfolgt wird.

Wenn die Regulierungen nun doch nicht in der verabschiedeten Form kommen, laufen die Investitionen der Early Adopter ins Leere. „Das beschäftigt uns stark, weil das einfach unser ganzes Know-how ist, das wir da über Jahre aufgebaut haben", erklärt von Dewitz. „Als nachhaltige Marke ist es gerade nicht leicht von Regulierungsseite aus."

Ein weiteres Problem aus von Dewitz' Sicht, das nur mit klaren Vorgaben zu lösen ist: Textilrecycling. „Es gibt kein echtes Textil-Recycling derzeit“, sagt von Dewitz. „Die meisten Altkleider werden verbrannt oder landen auf Deponien in Afrika und Südamerika.“ Es fehle ein funktionierendes Geschäftsmodell, neue Materialien seien noch immer billiger als recycelte. „Die Regierung muss da Anreize schaffen", fordert die Vaude-CEO, „beispielsweise durch Recyclingquoten“.

In Deutschland dominiere ein Narrativ: Nachhaltigkeit gleich Bürokratie. „In zu wenig Köpfen ist die Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit Zukunftsfähigkeit bedeutet", sagt von Dewitz. Eine zukunftsfähige Organisation sei eine, die Probleme erkenne und daraus Innovation schaffe. „Das macht innovationsstark und das schafft zukunftsorientierte Lösungen. Aber dieses Denken fehlt in Deutschland an vielen Stellen.“

Bei der Suche nach politischer Unterstützung stößt von Dewitz auf Grenzen. Beim Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) finde sie zwar Gehör, in der klassischen CDU-Mittelstands- und Familienunternehmenpolitik gebe es aber kaum Andockmöglichkeiten. „Da gibt es keine Verbündeten.“ Selbst bei den Grünen heiße es häufig, man dürfe die Unternehmen auch nicht überfordern.

Besonders kritisch sieht die Vaude-Chefin den Trend zur Technologieoffenheit. „Das ist gleichbedeutend mit Führungsschwäche, es fehlt der Mut, die richtigen Wege zu gehen.“ Es entstehe hauptsächlich Verwirrung, man mache alles ein bisschen. „Aber nichts richtig.“

Beim Thema Ewigkeitschemikalien (PFAS) habe sich gezeigt: Wenn Ziele vorgeschrieben werden, finden sich Lösungen. Im Outdoor-Bereich seien bereits Alternativen entwickelt worden. „Wenn kein politischer Druck da ist, investiert auch niemand in das Finden von Lösungen.“

Währenddessen macht die allgemeine Wirtschaftslage auch vor Vaude nicht halt. Das Unternehmen erwartet für das laufende Jahr, auf Vorjahresniveau zu bleiben oder leicht im Minus zu landen. „Wir müssen komplett in der Organisation und in Kosteneffizienzprogrammen umsteuern“, erklärt von Dewitz. Besonders hart getroffen hat es das Fahrradgeschäft. Während Corona machte es fast 50 Prozent des Umsatzes aus, jetzt seien es etwa 35 Prozent.

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Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2025

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