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Margaret Thatcher in Japan fällt aus

Sanae Takaichi setzt auf massive Staatsausgaben, um Japans Wirtschaft aus der Dauerkrise zu führen – doch ihre „Sanaenomics“ stoßen schnell an Grenzen.

GS
11. Dezember 2025

Japans Premierministerin Sanae Takaichi gilt als neue Hoffnungsträgerin des Landes. In den Medien wird sie gerne mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher als „Eiserne Lady“ in Verbindung gebracht. Ihre Zustimmungsrate liegt bei 72 Prozent.

Ihr Vorgänger Shigeru Ishiba war wegen der hartnäckigen Inflation bei den Wählern in Ungnade gefallen. Die Wirtschaft stagniert seit mehr als 30 Jahren. Die Reallöhne sinken seit über 20 Jahren, was eine Inflationsrate von rund drei Prozent schmerzlich macht.

Takaichi will mit einer Neuauflage der legendären Abenomics – einem Mix aus aggressiver, schuldenfinanzierter Ausgabenpolitik, ultralockerer Geldpolitik und halbherzigen Strukturreformen – Linderung bringen. Ein neues Konjunkturpaket im Umfang von 21,3 Billionen Yen (117,7 Milliarden Euro) soll die Stimmung aufhellen, wofür Staatsanleihen im Umfang von 11,7 Billionen Yen (64,6 Milliarden Euro) ausgegeben werden sollen.

Takaichis ambitionierter Ausgabenplan umfasst Steuersenkungen auf Benzin, Zuschüsse für Strom- und Gasrechnungen, Entschädigungszahlungen für hohe Lebensmittelpreise sowie Zuwendungen für finanzschwache Regionen und kleine und mittlere Unternehmen. So werde Wachstum geschaffen, das über einen Anstieg von Gewinnen, Löhnen und Steuereinnahmen – um der nächsten Generation willen – nachhaltige Staatsfinanzen sichern könne.

Letztes Jahr hatte Takaichi noch davor gewarnt, die Geldpolitik zu straffen. Zinserhöhungen der Bank von Japan seien „dumm“. Zuletzt war sie zwar mit Kritik an der Bank von Japan zurückhaltender, als diese wegen der Inflation Zinserhöhungen in Erwägung gezogen hatte. Doch sieht Takaichi die Regierung für die Festlegung der Richtung der Finanz- und Geldpolitik zuständig – während nur die konkreten geldpolitischen Maßnahmen in den Verantwortungsbereich der Bank von Japan fielen.

Statt der Strukturreformen bei Shinzō Abe hat es bei Takaichi als dritte Säule die Industriepolitik ins Programm geschafft – um Sektoren von kritischer Bedeutung nach vorne zu bringen. Als förderungswürdig hat Takaichi grüne Technologien, künstliche Intelligenz und Halbleiter ausgemacht. Zudem will sie die Versorgung mit Lebensmitteln, Energie und Rohstoffen sichern. Ihr Programm werde das japanische Archipel wohlhabender machen und die Besorgnis der Menschen wieder in Hoffnung verwandeln.

Doch der Spielraum für expansive Finanz- und Geldpolitik ist im Gegensatz zu Abes Zeiten begrenzt. Die Staatsverschuldung liegt bei 235 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Leitzinsen haben sich seit 1995 nicht mehr weit von der Nullgrenze wegbewegt. Und die Bilanz der Bank von Japan ist durch den zügellosen Ankauf von Staatsanleihen bereits maßlos aufgebläht.

Die Entwicklung der Leitzinsen Deutschland/EU, US-Fed und Japan im Vergleich – zur Darstellung von Grafiken und Karten aktivieren Sie bitte den Bilderdownload in den Einstellungen oberhalb dieses Briefings.

Margaret Thatcher hat entschlossen Staatsausgaben gekürzt, Regulierungen abgebaut und die Bank of England erfolgreich zur Inflationsbekämpfung gedrängt. Nichts davon ist bei Takaichi zu erkennen. Eine „Margaret Thatcher Japans“ scheidet also aus. Die sogenannten „Sanaenomics“ sind damit eher ein Zeichen wirtschaftspolitischer Hoffnungslosigkeit als ein erfolgreiches „Kaufkraftstärkungsprogramm“. Denn Subventionen senken die Inflation nicht. Diese Botschaft wird früher oder später auch bei Japans Wählern ankommen. Die Zeichen für neue Umfragen stehen schlecht.

Gunther Schnabl ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Thinktanks Flossbach von Storch Research Institute. In seiner Kolumne beleuchtet er regelmäßig Themen rund um die internationalen Finanzmärkte.

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Letzte Aktualisierung: 12. Dezember 2025