Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 15. November 2025

Gibt es eine KI-Blase?

Rund um die „Magnificent 7“ hat sich eine beispiellose KI-Euphorie entfaltet. Ob dahinter nachhaltige wirtschaftliche Dynamik steckt oder sich bereits eine Blase formt, ist eine der zentralen Fragen an den Märkten.

In der Finanzgeschichte sind euphorische Übertreibungen, die häufig durch eine Kombination aus billigem Geld und bahnbrechenden Innovationen ausgelöst wurden, nichts Ungewöhnliches – man denke etwa an die Tulpenmanie im 17. Jahrhundert oder den britischen Eisenbahnboom im 19. Jahrhundert.

Nach der Überinvestitionstheorie von Friedrich August von Hayek führen zu niedrige Leitzinsen der Zentralbanken zu einer übermäßigen Kreditvergabe für zahlreiche, letztlich nicht renditeträchtige Investitionen, die oft von Spekulation an den Aktienmärkten begleitet werden. Derzeit ist unklar, ob die Zinsen tatsächlich zu niedrig sind. Seit dem Inflationsanstieg im Jahr 2021 haben Fed und EZB nach einer langen Niedrigzinsphase die Leitzinsen deutlich erhöht und ihre Bilanzen schrittweise verkleinert. Dennoch bleiben die Realzinsen aus historischer Perspektive niedrig – und Fed wie EZB beginnen bereits wieder mit Zinssenkungen.

Die Zinserhöhungen haben Ostasien und Europa wirtschaftlich belastet, sodass erhebliche Kapitalströme in die USA geflossen sind – auf der Suche nach attraktiven Anlagemöglichkeiten. Allein 2024 betrug der Nettokapitalzufluss 1.270 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig verlieren US-Staatsanleihen angesichts der dynamisch steigenden Staatsverschuldung an Attraktivität.

Die Euphorie um KI ist grundsätzlich nachvollziehbar: KI-Systeme können aus großen Datenmengen eigenständig Muster erkennen und Strategien entwickeln – ein enormes Potenzial für Produktivitätsgewinne. Bislang konnten Entwicklung und Training von KI über Datenverwertung, Werbung und den Verkauf von KI-Produkten finanziert werden. Doch die nächste Generation von KI erfordert massiv mehr Rechenleistung, was „blockbuster debt packages“ notwendig macht. J.P. Morgan schätzt die Kosten für die künftige KI-Infrastruktur auf rund 5.000 Milliarden Dollar.

Da streng regulierte Banken diese Risiken häufig nicht übernehmen dürfen, weichen Hightech-Unternehmen vermehrt auf den Kapitalmarkt aus. Pensionskassen, Family Offices, Investmentbanken und Staatsfonds stellen über Private Credit große Finanzierungen bereit. Steigende Risikoprämien für die Finanzierung energieintensiver Rechenzentren deuten bereits auf wachsende Risiken hin. So hat sich CoreWeave für den Bau eines Rechenzentrums zwei Milliarden Dollar auf dem US-Junk-Bond-Markt zu einem Zinssatz von 9,25 Prozent beschafft.

Projektgesellschaften von KI-Unternehmen und Finanzinvestoren bündeln die künftigen Mietzahlungen für Rechenzentren in forderungsbesicherten Wertpapieren, die sie an Investoren verkaufen. Damit werden Risiken ähnlich wie während des verhängnisvollen US-Hypothekenbooms aus den Bilanzen ausgelagert. KI-Entwickler, Hochleistungschip-Produzenten und Rechenzentrumsbetreiber tauschen Finanzierungen, Aktien und zukünftige Aufträge untereinander aus – ohne dass daraus unmittelbar Erträge entstehen. Die Aktie von Oracle hat auf diese Weise einen erstaunlichen Kurssprung erfahren.

Bill Gates fühlt sich an die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende erinnert: Das Potenzial von KI sei immens, doch der Weg dorthin werde von vielen gescheiterten Unternehmen gesäumt sein. Selbst wenn die heutigen Kapazitätsplanungen für Rechenzentren verlässlich wären, könnten neue technologische Durchbrüche den Bedarf an Rechenleistung drastisch reduzieren – mit der Folge plötzlich übergroßer Überkapazitäten.

Dauerhaft lockere Geldpolitik in Kombination mit vielversprechenden Innovationen bietet stets einen fruchtbaren Boden für Übertreibungen. Doch selbst wer Anzeichen einer KI-Blase erkennt, findet kaum überzeugende Alternativen. Das global verfügbare Kapital sucht nach Rendite – und könnte die KI-Monopolisten dadurch zu Leichtsinn verleiten.

Gunther Schnabl ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor des Thinktanks Flossbach von Storch Research Institute. In seiner Kolumne beleuchtet er regelmäßig Themen rund um die internationalen Finanzmärkte.

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Letzte Aktualisierung: 15. November 2025

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