Streit um langsamen Netzausbau bei 1&1 eskaliert

Weil Vodafone dem Wettbewerber 1&1 über eine Mobilfunktochter nicht die vertraglich zugesicherten Standorte lieferte, hatte das Bundeskartellamt ein Verfahren eingeleitet. Dessen Rechtmäßigkeit zweifelt Vodafone Unterlagen zufolge nun an.

28. November 2025
1&1-CEO Ralph Dommermuth muss bis 2030 mehr als 12.000 Mobilfunkstandorte vorweisen können – derzeit sind es gut 1.000. (picture alliance/dpa | Federico Gambarini)

Im laufenden Kartellverfahren um den Netzausbau bei 1&1 wirft das der Behinderung beschuldigte Vodafone dem Bundeskartellamt vor, in dem Verfahren nicht neutral geblieben zu sein. Aus Dokumenten, die Table.Briefings vorliegen, geht hervor, dass der Konzern die Verfahrensführung als einseitig kritisiert. Im Verfahren geht es um den Vorwurf, Vodafone und dessen Funkturmtochter Vantage Towers hätten 1&1 beim Aufbau eines eigenen Mobilfunknetzes durch nicht bereitgestellte Funkstationen behindert.

Die Zahlen zeigen das Ausmaß der Verzögerungen: Vantage Towers hatte sich Ende 2021 vertraglich verpflichtet, 1&1 Zugang zu mehreren tausend Antennenstandorten zu gewähren. Bis heute steht nur ein Bruchteil davon zur Verfügung. Ende 2022 hätte 1&1 nach Vorgabe der Bundesnetzagentur bereits 1.000 Mobilfunkstandorte in Betrieb haben sollen – tatsächlich waren es drei. Erst im März 2025 erreichte das Unternehmen die 1.000-Standorte-Marke. 1&1 sieht sich für die Verzögerungen nicht verantwortlich und hatte im Juni 2023 Beschwerde beim Kartellamt eingereicht – das resultierende Verfahren wird den Unterlagen zufolge von Vodafone aus mehreren Gründen in seiner Rechtmäßigkeit angezweifelt.

Demnach habe es mindestens drei persönliche Treffen zwischen dem Präsidenten des Bundeskartellamts Andreas Mundt und 1&1-Chef Ralph Dommermuth sowie mehrere direkte Telefonate vor und während des Verfahrens gegeben. In der Kommunikation der Behörde werde zudem zu großen Teilen auf Schriftsätze von 1&1 verwiesen, eigene Ermittlungen seien kaum erfolgt. Vodafone und Vantage Towers soll über Monate hinweg nur stark geschwärzte Akten vorgelegt worden sein, während 1&1 vollständige beziehungsweise deutlich weniger geschwärzte Fassungen erhielt. Die Dokumente sollen mehr als 350 direkte Kontakte zwischen der Behörde und 1&1 belegen – inklusive gemeinsamer Arbeit an Entwürfen für Verpflichtungszusagen und am Tenor des Anhörungsschreibens. Zudem suggerieren sie eine Einflussnahme des Bundeskartellamts auf die Bundesnetzagentur im Frequenzvergabeverfahren zugunsten von 1&1.

Vodafone bzw. Vantage Towers bestätigen, nicht alle vertraglich vereinbarten Startorte geliefert zu haben. Dennoch hat das Unternehmen nun beim Oberlandesgericht Düsseldorf einstweiligen Rechtsschutz beantragt, um eine mögliche Entscheidung des Bundeskartellamts aufzuhalten. „Das Bundeskartellamt hat zentrale Verfahrensregeln missachtet und während des gesamten Verfahrens mit deutlicher Voreingenommenheit zugunsten von 1&1 gehandelt", erklärt der Konzern gegenüber Table.Briefings. Allein aufgrund der Verfahrensverstöße wäre jede Entscheidung der Behörde rechtswidrig. Vodafone verweist auf ähnliche Muster im Fall Lufthansa/Condor – im Streit um Zubringerflüge hatte ein Gericht im August 2025 Verfahrensfehler beim Bundeskartellamt festgestellt und es als formell rechtswidrig erklärt.

Das Bundeskartellamt weist die Vorwürfe fehlender Neutralität auf Nachfrage von Table.Briefings zurück. „Wie alle Verfahren des Bundeskartellamtes wird auch das Verfahren gegen Vantage Towers und Vodafone selbstverständlich unbefangen und unvoreingenommen geführt", erklärt die Behörde. Der Vorwurf, die Verfahrensführung sei einseitig oder ungewöhnlich, entbehre jeglicher Grundlage. Präsident Mundt treffe sich regelmäßig mit Unternehmensführern – darunter sowohl mit 1&1-Chef Dommermuth als auch mit der Leitung von Vodafone und anderen Telekommunikationsunternehmen. Zu weiteren Details eines laufenden Verfahrens wolle man sich nicht äußern.

Einer der Kernpunkte in den Dokumenten ist eine E-Mail von Dommermuth aus dem Jahr 2023. Demnach hatte der 1&1-Chef dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden von Vantage Towers, Rüdiger Grube, geschrieben und gedroht, ein Kartellverfahren einzuleiten. Bedingung für einen Verzicht: Vantage Towers müsse das Verschulden für die Nichterfüllung von Versorgungsauflagen übernehmen und sich in Frequenzfragen auf die Seite von 1&1 stellen. Vodafone sieht darin offenbar einen Beleg für eine konzertierte Aktion zwischen 1&1 und dem Kartellamt, auch weil keine Zivilklage eingereicht, sondern der Weg über die Behörde gewählt wurde.

1&1 weist den Vorwurf einer unlauteren Abstimmung auf Nachfrage zurück. „Die Verfahrensführung obliegt dem Bundeskartellamt", erklärt das Unternehmen gegenüber Table.Briefings. Auch zweieinhalb Jahre nach Eröffnung des Missbrauchsverfahrens stehe für 1&1 der weitere Netzausbau im Vordergrund – dazu zähle auch, dass Vantage Towers ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkomme. Die Bereitstellung zugesagter Antennenstandorte verzögere sich weiterhin massiv.

Das Bundeskartellamt hat im April seine vorläufige Einschätzung übermittelt. „Nach den bislang gewonnenen Erkenntnissen ist die verzögerte Bereitstellung der vertraglich vereinbarten Standorte als kartellrechtswidrige Behinderung von 1&1 bei seinem Markteintritt als vierter Netzbetreiber zu werten", erklärte damals Präsident Mundt. Die Behörde sieht darin eine missbräuchliche Behinderung und erwägt, die Bereitstellung der ausstehenden Standorte innerhalb von drei Jahren anzuordnen.

Die Eigentümerstruktur verkompliziert den Fall. Vantage Towers steht mittlerweile unter gemeinsamer Kontrolle der Vodafone Group und zweier Finanzinvestoren. Die rund 20.000 Antennenstandorte in Deutschland werden weiterhin von Vodafone als Hauptmieterin genutzt. Währenddessen steht 1&1 unter Druck. Bis Ende 2025 muss 1&1 nach den Auflagen der Bundesnetzagentur 25 Prozent der deutschen Haushalte erreichen, bis 2030 dann 50 Prozent – was mehr als 12.000 Antennenstandorten entspricht.

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Letzte Aktualisierung: 27. November 2025