Deutschland steht vor entscheidenden Weichenstellungen. Die laufenden Koalitionsgespräche bieten die Chance, den Industriestandort zukunftsfähig zu machen. Dazu sind klare industriepolitische Impulse notwendig, um Wachstum und Innovation zu sichern.
Der Maschinen- und Anlagenbau ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Mit über einer Million Beschäftigten, einer Exportquote von rund 80 Prozent und als Innovationstreiber trägt die Branche wesentlich zu Wohlstand und Beschäftigung bei. Ihre Lösungen braucht es fast überall – von der Automobil- und Verteidigungsindustrie bis zum Bau. Doch hohe Steuern, Energiekosten, Fachkräftemangel und Bürokratie beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit inzwischen massiv.
Die neue Bundesregierung muss klare wirtschaftspolitische Prioritäten setzen. Sie muss eine Industriepolitik entwickeln, die Investitionen fördert, Planungssicherheit schafft und den Standort stärkt. Wirtschaftspolitik ist dabei zu großen Teilen EU-Politik. Die EU-Kommission hat Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum ins Zentrum gerückt – Deutschland muss diesen Kurs unterstützen und auch eigene Beiträge leisten.
Der Mittelstand benötigt eine wirtschafts- und wachstumsfreundliche Agenda mit technologieoffener Politik und weniger Bürokratie. Langwierige Genehmigungsprozesse und ein unflexibler Arbeitsmarkt hemmen Investitionen und Innovation. Wer im globalen Wettbewerb bestehen will, braucht Freiräume statt zusätzlicher Hürden.
Innovation ist der Schlüssel zur industriellen Transformation. Der Maschinen- und Anlagenbau entwickelt klima- und ressourcenschonende Produktionstechnologien. Doch ohne die richtigen politischen Rahmenbedingungen droht Deutschland den Anschluss zu verlieren. Andere Länder investieren gezielt in ihre Transformationstechnologien – Deutschland darf nicht nachlassen. Eine Senkung der Stromsteuer ist richtig, aber ein tragfähiges Strommarktdesign bleibt überfällig.
Die künftige Koalition muss die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Die angekündigte Unternehmensteuerreform bleibt vage – für mehr Investitionen sind niedrigere Steuersätze, bessere Abschreibungsregeln und eine erweiterte Verlustverrechnung notwendig. Eine nachhaltige Finanzpolitik ist ebenso wichtig. Höhere Verteidigungsausgaben sind nötig, müssen aber mittelfristig aus dem regulären Haushalt finanziert werden. Schulden und Zinsen schränken den Handlungsspielraum zukünftiger Generationen ein. Auch Strukturreformen in der Sozialversicherung sind dringend erforderlich.
Das Sondierungspapier zeigt wenig Ambition zur Stärkung der europäischen Zusammenarbeit. Die von Friedrich Merz im Wahlkampf betonte EU-Ausrichtung fehlt leider. Angesichts gemeinsamer Herausforderungen braucht es enge wirtschaftliche Kooperation. Nationale Fokussierungen senden das falsche Signal. Deutschland muss seine Rolle in der EU aktiv gestalten, da wirtschaftspolitische Herausforderungen nur im europäischen Verbund gelöst werden können.
Die Koalitionsgespräche müssen zeigen, dass die Politik den industriellen Mittelstand versteht und entschlossen handelt. Jetzt ist die Zeit für nachhaltiges Wachstum, Innovationskraft, eine starke Industrie und ein starkes Europa. Ein echtes Standort-Upgrade ist überfällig!
Bertram Kawlath studierte Geschichte in London und Erlangen und absolvierte ein MBA-Studium in der Schweiz. Im Anschluss folgten berufliche Stationen unter anderem als Geschäftsführer und Aufsichtsrat der Eisenwerk Erla GmbH. Seit 2004 ist Kawlath geschäftsführender Gesellschafter der Schubert Salzer Firmengruppe mit Hauptsitz in Ingolstadt. Seit Oktober 2024 ist er Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).