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Erscheinungsdatum: 05. Juli 2025

Das Mindestlohnrätsel

Von Gunther Schnabl

Der Mindestlohn soll von derzeit 12,82 Euro auf 14,60 Euro im Jahr 2027 steigen. Seit seiner Einführung am 1. Januar 2015 – damals 8,50 Euro – entspricht das insgesamt einem Anstieg um gut 70 Prozent.  

Insbesondere Vertreter der Arbeitgeber haben immer wieder davor gewarnt, dass der Mindestlohn Arbeitslosigkeit erzeugen wird. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erwarten rund 19 Prozent aller Betriebe bei einem Mindestlohn von 14 Euro einen Rückgang der Beschäftigung. 

Denn mit einem Mindestlohn, der über dem Gleichgewichtslohn liegt, steigt nach den Gesetzen des Marktes das Arbeitsangebot und es sinkt vor allem die Nachfrage. Arbeitslosigkeit ist die Folge. 

Nicht so in Deutschland seit 2015. Während im Januar 2015 drei Millionen Menschen arbeitslos waren, sind es heute trotz des starken Anstiegs des Mindestlohns etwas weniger. Die Arbeitslosenquote ist gering. Das ist rätselhaft! 

Ein möglicher Grund: Längst herrscht nicht nur Fachkräftemangel, sondern ein genereller Arbeitskräftemangel, den das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos für 2025 auf 2,5 Millionen Erwerbstätige schätzt.  

Als Ursache für den Mangel wird in der Regel die Demografie genannt. Viele Babyboomer gehen in den Ruhestand, während aufgrund dauerhaft niedriger Geburtenraten weniger neue Arbeitskräfte nachkommen.  

Dagegen spricht, dass die Bevölkerung durch Zuwanderung gewachsen ist, von knapp 80 Millionen 1990 auf heute 83,6 Millionen. Die Anzahl der Erwerbstätigen ist seit 2008 von 40,8 Millionen auf 46 Millionen gestiegen. Das deutet nicht auf Mangel hin. 

Vielmehr hat der Staat die Nachfrage am Arbeitsmarkt drastisch erhöht. Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor (einschließlich Gesundheit und Bildung) ist von 9,5 Millionen Anfang 2008 auf 12,3 Millionen angestiegen.  

Gleichzeitig hat der Staat durch eine großzügige soziale Sicherung wie das Bürgergeld, die Rente mit 63, Kurzarbeitergeld sowie die Ausweitung von kostenlosen Studienplätzen das Arbeitsangebot schonungslos verknappt.  

Durch wuchernde Regulierung hat er die Unternehmen in eine zusätzliche Arbeitsnachfrage gezwungen. Wohl nicht ohne Grund sind die Erwerbstätigen bei den sonstigen Dienstleistungen – wie Beratung oder wissenschaftliche Tätigkeiten – von fünf Millionen 2008 auf 6,2 Millionen angewachsen. 

Es könnte deshalb sein, dass der Staat den Gleichgewichtslohn schneller nach oben getrieben hat, als der Mindestlohn folgen konnte. Ein Bäcker in Leipzig wirbt vielleicht nicht ohne Grund mit 15,50 Euro pro Stunde um Verkaufspersonal. 

Allerdings wäre das versteckte Engagement des Staats am Arbeitsmarkt ohne eine lockere Geldpolitik der EZB und mehr Staatsschulden nicht möglich gewesen.  

Ohne das neue große Schuldenpaket der Regierung würde deshalb das Mindestlohnrätsel wohl bald der Vergangenheit angehören.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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