Hohe Standortkosten bremsen den Luftverkehr in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2025 stieg die Passagierzahl lediglich um knapp drei Prozent auf 99,4 Millionen – im Vergleich zu zehn Prozent Wachstum im Vorjahreszeitraum. Damit liegt Deutschland immer noch knapp 16 Prozent unter dem Niveau von 2019 und belegt bei der Erholung von der Corona-Pandemie in Europa Rang 28 von 31. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), warnt im Interview mit Table.Briefings vor einer „Sondersituation“ und sagt: „Wir holen einfach nicht schnell genug auf.“
Auch das Sitzplatzangebot zeigt den Rückstand deutlich: Während Europa im Schnitt mit 101 Prozent bereits wieder über dem Vor-Corona-Niveau liegt, erreicht Deutschland nur 86 Prozent. Condor-CEO Peter Gerber macht dafür im Gespräch mit Table.Briefings in erster Linie steigende Kosten verantwortlich:
„Grund dafür sind ganz schlicht die überbordenden Standortkosten in Deutschland, die vor allem durch staatlich induzierte Kosten getrieben werden.“
Zu diesen staatlich induzierten Kosten zählt auch die höchste Luftverkehrsteuer Europas: Nur sechs weitere Staaten in der EU erheben überhaupt eine vergleichbare Abgabe – keiner in dieser Höhe. Durch die letzte Anpassung im Mai 2024 hat sich das jährliche Steueraufkommen auf über zwei Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Neben der Luftverkehrsteuer belasten weitere Abgaben und Gebühren die Airlines, darunter hohe Kosten für die Flugsicherung, für Luftsicherheitskontrollen sowie für die Nutzung der Flughafeninfrastruktur. „Sinkende Kosten um zehn bis 15 Euro pro Passagier würden Airlines nach Deutschland zurückbringen“, glaubt Lang. Bei einer Abschaffung der Luftverkehrssteuer kündigte beispielsweise Ryanair nach eigenen Angaben an, 30 Flugzeuge nach Deutschland zurückzuholen.
Besonders deutlich wird der Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich: In Frankfurt am Main stiegen die staatlichen Standortkosten seit 2019 um 115 Prozent auf 4.843 Euro, während sie in Madrid unverändert bei 661 Euro liegen. Das hat Folgen: Laut dem Airport Industry Connectivity Report 2025 liegt Frankfurt, ehemals das „Drehkreuz der Welt“, in puncto direkter Konnektivität – also der Anzahl sowie Frequenz von Nonstop-Verbindungen – nur noch auf Rang 4 in Europa, hinter Istanbul, Amsterdam und London-Heathrow. Gerber warnt: „Das ist vor allem ein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland. In der Sekunde, wo Konnektivität verloren geht, wird die Attraktivität des Standorts geschmälert.“
Die Konsequenzen der immer höheren Standortkosten sind deutlich spürbar. Laut dem BDL hat sich die Zahl der innerdeutschen Flüge seit 2019 mehr als halbiert, die Zahl der angebotenen Strecken ist um 30 Prozent gesunken; zwischen Düsseldorf und Stuttgart wird gar nicht mehr geflogen. Flughäfen – mit Ausnahme von Frankfurt und München – haben 80 Prozent ihres innerdeutschen Verkehrs verloren. Zudem wurden 60 Flugzeuge abgezogen, etwa durch die Verlagerung aus Hamburg nach Schweden. Auch Lufthansa musste Strecken streichen, darunter die Verbindungen Friedrichshafen–Frankfurt und Paderborn–München.
In der Branche stößt es auf Unmut, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Rücknahme der im Mai 2024 beschlossenen Erhöhung der Luftverkehrsteuer angekündigt hat, diese Ankündigung jedoch im aktuellen Haushaltsentwurf keine Berücksichtigung findet. Condor-Chef Gerber kritisiert: „Wir werden bei der Priorisierung nicht ausreichend berücksichtigt.“ Rückendeckung bekommt er von Lang – „die Bundesregierung realisiert nicht, was sie für einen Schaden anrichtet für zwei Milliarden Steuereinnahmen.“ Er schlägt vor, dass der Staat die Fixkosten bei der Flugsicherung trägt und sich an den Kosten für die Sicherheitskontrollen beteiligen sollte, wie es in anderen europäischen Ländern der Standard ist.
Das geringere Angebot wirkt sich direkt auf Ticketpreise und Reiseverhalten aus: Weniger verfügbare Verbindungen bedeuten höhere Preise, längere Reisezeiten und in vielen Fällen den Verzicht auf bestimmte Geschäftsreisen. Zudem werden Dienstreisen seltener als reine Eintagestrips durchgeführt, dauern im Schnitt länger und werden häufiger mit privaten Aufenthalten kombiniert.
In Deutschland liegen die durchschnittlichen Business-Class-Hin- und Rückflugpreise laut einer Auswertung der Reisesuchmaschine Kayak Deutschland (Januar bis Juli 2025) bei rund 532 Euro für Inlandsflüge, 592 Euro für europaweite Strecken und 2.713 Euro für internationale Flüge. Weltweit sind Business-Class-Tarife im Jahr 2025 laut Global Wealth and Lifestyle Report im Schnitt um 18,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Für Condor-CEO Gerber geht der langfristige Trend wieder zu mehr Komfort und Business-Class-Flügen. Die steigende Nachfrage nach höherwertigen Reiseklassen zeigt, dass viele Geschäfts- und Privatreisende trotz höherer Preise besonderen Wert auf Bequemlichkeit und zusätzlichen Service legen.