Executive Summary
Erscheinungsdatum: 19. Juli 2025

„Voreilige Investitionen“: Das kritisiert die Wirtschaft an der Hightech-Agenda

Wollen mehr Hightech in Deutschland: Ökonomin Veronika Grimm, SAP-Chef Christian Klein und Investor Florian Heinemann (v.l.n.r.) (Picture Alliance, Saskia Uppenkamps)
Mit der Hightech-Agenda soll Deutschland im internationalen Wettbewerb nach vorne kommen. Vertreter aus der deutschen Wirtschaft loben den Impuls – äußern allerdings Bedenken, ob einige der geplanten Maßnahmen zielführend sind.

KI-Gigafabriken, Quantencomputer, Fusionstechnologie. Bundesforschungs- und Technologieministerin Dorothee Bär will Deutschland mit ihrer Hightech-Agenda wieder an die Weltspitze bringen. Wenn das Vorhaben – vielleicht schon in der kommenden Woche – vom Bundeskabinett beschlossen wird, soll sich mit der Agenda, die Table.Briefings in einem Referentenentwurf vorliegt, in der deutschen Tech-Landschaft viel ändern.

Konkretes Ziel aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz: Im Jahr 2030 sollen zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf KI basieren. Geplant ist unter anderem, eine oder mehrere der von der EU-Kommission geplanten „KI-Gigafactories“ nach Deutschland zu holen. Zum Jahresende soll die Bewerbung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen abgestimmt sein, bis Jahresmitte 2027 sind die KI-Hubs dann startklar, wenn es nach den Plänen geht.

Christian Klein, CEO des Softwarekonzerns SAP, blickt kritisch auf solche Gigazentren. Zu Table.Briefings sagt er: „Wertschöpfung entsteht erst durch die Anwendung von Technologie. In der Verbindung von angewandter KI und industriellem Prozesswissen liegt die größte ökonomische Chance für Deutschland und Europa – nicht in voreiligen Investitionen in Rechenzentren.“

Tech-Investor Florian Heinemann, Gründungspartner beim milliardenschweren Wagniskapitalgeber Project A, sieht die Gigazentren ebenfalls nicht als direkte Maßnahme zum Ankurbeln der Wirtschaft. „Es ist für mich eher eine Frage der Souveränität und der Kompetenzen als im Sinne der Wertschöpfung“, sagt er im Table.Today Podcast. Einen Vorteil solcher Zentren hebt er dabei hervor: Eine Clusterbildung nach dem Vorbild des Silicon Valley führe auf längere Frist zur Bildung von nachhaltigen Kompetenzzentren. Um KI erfolgreich zu nutzen, brauche man die Gigazentren aber nicht zwingend.

Neben KI stellt der Entwurf weitere Schlüsseltechnologien heraus: Quantentechnologie, Mikroelektronik, Biotechnologie, Fusion, klimaneutrale Mobilität. Zu breit gestreut? Das findet Heinemann vor allem vor einem Hintergrund nicht: „Erst einmal ein bisschen breiter zu sein ist richtig. Und wenn man dann in drei oder vier Bereichen wirklich etwas schafft, wäre das schon ein großer Erfolg.“ Um Letzteren zu erzielen, müssten vor allem gute Geschäftsmodelle gefunden werden. „Der Weg von der Forschung zur Anwendung ist in Deutschland länger als in den USA.“

Rückendeckung bekommt der Investor von SAP-Chef Klein. Der sieht die Definition solcher Fokusbranchen zwar als wichtigen Impuls, aber allenfalls als Startpunkt an: „Entscheidend ist nicht nur, worauf wir heute setzen, sondern dass wir als Standort bereit sind, auch kommende Technologien schnell zu erkennen und anzuwenden.“ Dafür brauche es vor allem Agilität. Und auch die richtigen Rahmenbedingungen: „Bürokratieabbau, Wissens- und Technologietransfer sowie die Stärkung des Fachkräfteangebots sind hierfür unerlässlich.“

Damit Deutschland in den genannten Bereichen im weltweiten Wettbewerb aufholen kann, sollen mehrere „Hebel“ bedient werden: Für Forschungseinrichtungen soll es standardisierte Ausgründungsverträge geben, Förderprozesse sollen vollständig digitalisiert werden, und unter anderem im Rahmen der Initiative 1.000-Köpfe-plus soll der Fachkräftemangel entschärft werden. Ökonomin Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft, sagt zu Table.Briefings: „Ein wesentliches Hemmnis für Gründung und Skalierung in der EU und ganz besonders in Deutschland ist die Regulierung nach dem Vorsorgeprinzip: Man versucht, Risiken im Voraus einzuhegen, anstatt sie nach dem Innovationsprinzip zu adressieren, wenn sie relevant werden.“ Die Forschungsförderung müsse zudem „deutlich stärker auf High Risk High Return ausgerichtet werden“.

Um seine Rolle auch auf wirtschaftlicher Seite zu verstärken und die Risiken für Unternehmen zu mindern, soll der Staat im Rahmen der Hightech-Agenda zwar häufiger als Ankerkunde auftreten. Ökonomin Grimm sieht bei der staatlichen Beschaffung, insbesondere im militärischen Bereich, die Anforderungen an die teilnehmenden Firmen aber bislang als zu hoch an. „Wenn der Staat in diesem Bereich als Ankerkunde auftritt, sollte man darauf achten, dass innovative und vor allem junge Unternehmen im Beschaffungsprozess eine Chance erhalten.“

Mit Blick auf aufstrebende Jungfirmen und die Frage, ob der Wettbewerb mit den USA und China überhaupt noch zu gewinnen ist, fasst Investor Heinemann zusammen: „Wir müssen es auf jeden Fall probieren.“ Und endet auf einer positiven Note: „Die Forschung ist gut, die Geschäftsmodelle werden immer besser.“

Mehr zur Hightech-Agenda lesen Sie auch in unserem Research.Table.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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