Die Technologie greift nicht mehr nur in einzelne Berufsfelder ein, sondern wirkt, wie Arbeitsmarktforscher Enzo Weber im Gespräch mit Table.Briefings erklärt, „quer durch alle Branchen, Qualifikationen und Berufsgruppen“. Sie sei keine Speziallösung, sondern „eine Technologie, die quer durch die Bank eingesetzt werden kann – in verschiedenen Anwendungen“.
Damit wächst der Druck, neue Kompetenzen zu entwickeln. Weber betont: „Entscheidend wird sein, ob es uns gelingt, die konzeptionellen Fähigkeiten der Menschen zu stärken: zu verstehen, wie KI funktioniert, wie man sie einsetzt und wie sie die eigene Arbeit sinnvoll unterstützen kann.“ Dabei gehe es nicht um theoretische Schulungen, sondern um praktische Anknüpfungspunkte – „niemand benötigt abstrakte KI-Schulungen“.
Ob KI den Arbeitsalltag wirklich verbessert, zeigt sich am Ende bei Löhnen und Produktivität. „Ein Hype erhöht keine Löhne“, sagt Weber. Erst wenn KI sinnvoll in Prozesse integriert werde, entstünden messbare Fortschritte – für Unternehmen wie für Beschäftigte. „Die Produktivitätsmöglichkeiten sind da – und sie sind auch groß. Wir reden hier nicht nur über einige Zehntelprozent beim BIP, sondern da ist definitiv mehr drin – und dementsprechend auch deutlich mehr für die Löhne.“
Damit der Wandel gelingt, braucht es mehr als Technikverständnis. Entscheidend ist die Fähigkeit, neue Technologien sinnvoll in die eigene Arbeit zu integrieren und daraus konkrete Verbesserungen abzuleiten. Genau dieses konzeptionelle Denken muss künftig viel stärker in Bildung und Weiterbildung gefördert werden – denn das eigentliche Potenzial der KI liegt nicht in der Technologie selbst, sondern in der Weiterentwicklung des Menschen.
Unternehmen rät Weber deshalb zu einem Perspektivwechsel. „Viele Beschäftigte sorgen sich um ihre heutigen Tätigkeiten. Der Schlüssel liegt aber in den Tätigkeiten von morgen.“ Qualifizierung müsse dort ansetzen, wo Menschen heute stehen – praxisnah und verständlich. Nur wenn Beschäftigte selbst „Lunte riechen“ und den Mehrwert der Technologie erkennen, könne KI zum echten Fortschrittsmotor werden. „Dann geht die Post ab.“
Wie der Einsatz von KI in der Praxis aussehen kann, zeigt der Energiekonzern RWE. Personalvorständin Katja van Doren beschreibt im Podcast Table.Today KI als „eine wirklich transformative Neuerung, der wir uns stellen müssen“. Es gehe dabei nicht um Technikeuphorie, sondern um konkreten Nutzen: „Wenn wir KI in unserem Arbeitsumfeld nutzen wollen, dann geht es vor allen Dingen darum, wie wir den Menschen entlasten, aber auch, wie wir Arbeitsplätze erhalten.“
RWE setzt deshalb auf konkrete Anwendungen und Freiräume zum Ausprobieren. Ein Beispiel ist ein internes Tool im Bewerbungsprozess: Bewerber können anonymisierte Lebensläufe hochladen, die automatisch mit offenen Stellen abgeglichen werden. „So muss niemand selbst lange suchen – die KI schlägt passende Optionen vor“, sagt van Doren. Auch bei der vorausschauenden Wartung von Kraftwerken oder in einem Wetterlabor in den USA wird KI eingesetzt. Dabei gelte: „Wir schauen uns auch an, wo wir mit KI weitermachen wollen – und wo vielleicht aber auch nicht.“
Wie RWE seine Belegschaft im Strukturwandel begleitet – und welche Chancen und Risiken der Einsatz von KI dabei mit sich bringt – erfahren Sie hier.