Laut Torsten Leue, Vorstandsvorsitzender der Talanx AG, reicht reine Strategie nicht mehr aus: „Man muss Energie ins System bringen und Empowerment leben – dafür brauchen CEOs mehr Social Skills als früher.“ Diese Erfahrung sammelte er auch in seiner Auslandszeit in der Slowakei: „Als ich damals einen strategischen Plan aus der Zentrale heraus entwerfen wollte, hieß es, das kennen wir als Fünf-Jahres-Plan von früher.“ Diese Denkmuster hat er „glücklicherweise abgelegt“ und setzt nun auf „dezentrale Verantwortungen und lokales Entrepreneurship“.
Leue ergänzt, dass es gerade im KI-Zeitalter entscheidend ist, „neugierig zu bleiben und sich weiterzuentwickeln“. Dazu sieht er die Versicherungsbranche gut aufgestellt: „Es gibt viele hoch spezialisierte KI-Experten, die früher in Start-ups arbeiten wollten und nun zunehmend nach Sicherheit streben.“
Jochen Weyrauch, CEO der Dürr Group, unterstreicht zudem, wie wichtig internationale Erfahrungen geworden sind. „Man kommt dadurch weg von der rein zentralen Corporate-Sicht, die manchmal einer Einbahnstraße ähnelt.“ Dennoch sieht er Kulturunterschiede: „In Ländern wie China oder den USA ist die Toleranz für häufigere Wechsel zwischen Unternehmen größer als in Deutschland.“
Seine Aufenthalte in Asien hätten ihm ein besseres Gespür für die Dynamik anderer Wirtschaftsregionen gegeben: „Wenn ich eine Woche am Stück in China bin, komme ich mit einem anderen Mindset zurück – einem besseren Verständnis für die Geschwindigkeit, mit der Dinge dort passieren.“ Laut Weyrauch „wird es für angehende CEOs immer wichtiger, Zeit in Asien verbracht zu haben.“
Stephanie Coßmann, Personalvorständin bei Symrise, sieht immer noch klassische Strukturen in den Chefetagen: „Ganz viel funktioniert immer noch nach dem Prinzip Deutschland AG. Änderungen sind im Gange.“ Obwohl externe Erfahrung als wertvoll angesehen wird, sei sie in der deutschen Vorstandspraxis noch nicht angekommen. „Ein Jobhopping alle zwei Jahre halte ich nicht für sinnvoll; eine gewisse Konsistenz über fünf oder sechs Jahre hinweg ist aus meiner Sicht das bessere Erfolgsrezept.“
Coßmann kritisiert: „Das Grundproblem in der deutschen Governance ist, dass durch kurze Vorstandsverträge keine langfristige Orientierung in der Strategie mehr möglich ist. Das heißt: Jeder fokussiert sich nur noch auf seinen Term.“
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