CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 22. November 2025

US-Zölle: Doppelte Belastung für deutsche Unternehmen

Chinesische Waren suchen auf Grund der US-Zölle neue Abnehmer. (picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde)

Allianz-Trade-DACH-CEO Milo Bogaerts spricht im Interview über den Zollschock, Umlenkungseffekte aus China, steigende Insolvenzrisiken – und warum er dennoch optimistisch für die deutsche Volkswirtschaft bleibt.

Die US-Zölle treffen deutsche Unternehmen aus zwei Richtungen: Zum einen direkt über höhere Abgaben auf deutsche Exporte in die USA und indirekt über chinesische Waren, die aufgrund der US-Zollpolitik nach Europa ausweichen und dort insbesondere den deutschen Markt fluten. Allianz-Trade-DACH-CEO Milo Bogaerts erklärt: „Die effektive Zollbelastung auf US-Importe erreicht bis zum Jahresende voraussichtlich rund 14 Prozent – ein enormer Sprung, der die globalen Handelsströme spürbar verändert.“

Die Umleitung chinesischer Exporte ist inzwischen in den Daten klar sichtbar. Der chinesische Anteil an den US-Importen ist von 21,6 Prozent im Jahr 2017 auf nur noch 9,4 Prozent bis Juli 2025 gefallen. „Diese wegfallenden Exporte verschwinden nicht“, sagt Bogaerts, „sie werden in andere Märkte gelenkt – und ein spürbarer Teil landet inzwischen in Deutschland.“

Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) untermauert diesen Eindruck. Die Kölner Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass bei mehr als 1.500 detaillierten Warengruppen gleichzeitig die US-Importe aus China zurückgehen und die deutschen Importe aus China ungewöhnlich stark zulegen. Auf diese Warengruppen entfallen etwas mehr als 50 Prozent des gesamten deutschen Einfuhrwerts aus China im zweiten Quartal 2025. Besonders betroffen sind Kernbereiche der Industrie wie Chemie, Elektroindustrie, Maschinen- und Fahrzeugbau – also genau jene Branchen, in denen Deutschland traditionell stark ist.

Gleichzeitig schlagen die direkten Zolleffekte zunehmend durch. 2023 waren nur rund zwei Prozent der deutschen Exporte von neuen Zollmaßnahmen betroffen, 2024 bereits sieben Prozent. „Mitte November 2025 liegen wir bei rund 25 Prozent“, so Bogaerts. „Das hat sich also mehr als verzehnfacht – und das spüren die Unternehmen jeden Tag.“

Die Belastungen zeigen sich inzwischen deutlich in der Insolvenzentwicklung. In Deutschland rechnet Allianz Trade für 2025 mit einem Anstieg der Insolvenzen um rund elf Prozent auf etwa 24.320 Fälle. Das liegt rund 23 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Besonders gravierend ist die Lage bei den Großinsolvenzen: 2024 gab es 87 Fälle – der höchste Wert seit Beginn der Messung. „2025 liegen wir nach neun Monaten schon bei 57“, sagt Bogaerts. „Gerade im dritten Quartal waren es auffallend viele.“ Großinsolvenzen seien besonders gefährlich, weil „ein einziger Fall Hunderte Zulieferer mitreißen kann“.

Trotz aller Herausforderungen blickt Bogaerts zuversichtlich auf die kommenden Jahre. Deutschland habe eine außergewöhnliche industrielle Basis, sagt er, geprägt von starken Ausbildungsstrukturen, innovativem Mittelstand und Unternehmen, „die in Generationen denken, nicht in Quartalen“. Gerade diese Eigenschaften hätten die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit durch schwere Krisen getragen – und könnten das auch jetzt wieder tun. Entscheidend sei, dass Firmen weiter investieren und Innovation nicht aufschieben. Dann könne Deutschland in vier oder fünf Jahren sogar besser dastehen als andere große Volkswirtschaften.

Was Milo Bogaerts Unternehmen rät, wer die Gewinner und Verlierer des US-Zollregimes sind – und ob Allianz Trade als weltweit führender Anbieter von Kreditversicherungen selbst von einer steigenden Zahl an Insolvenzen profitiert, lesen Sie im ausführlichen Interview hier.

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Letzte Aktualisierung: 22. November 2025

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