Von Thilo Boss
Fendt gehört neben John Deere, CNH und Claas zu den führenden Landmaschinenherstellern. Das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Marktoberdorf gehört zum US-amerikanischen AGCO-Konzern und stellt Hightech-Traktoren und Erntemaschinen her. In Deutschland produziert Fendt an fünf Standorten mit rund 7.800 Beschäftigten Landtechnik für Landwirte weltweit. CEO.Table sprach mit Geschäftsführer Christoph Gröblinghoff zum Auftakt der Grünen Woche über die Marke, den Agrarmarkt und den Klimaschutz.
Herr Gröblinghoff, Traktoren werden immer gigantischer. Warum eigentlich?
Traktoren sind heute High-Tech-Landmaschinen, die mit den Generationen aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr zu vergleichen sind. Das zeigt schon ein Blick in die Kabine. Sie ist heute ein hochmoderner, komfortabler, klimatisierter und computerunterstützter Arbeitsplatz mit Geräuschwerten unter 70 Dezibel. Sie wurde entwickelt, damit der Landwirt auch unter Zeitdruck im Dauereinsatz mit einer geringstmöglichen Belastung arbeiten kann. Die Kabinen sind zu einer digitalisierten Schaltzentrale mit viel Platz geworden.
Was die Größe der Kabine, aber nicht die Größe des Traktors erklärt …
Traktoren, aber auch Mähdrescher, werden heute anders eingesetzt als noch vor 20 Jahren. Der Klimawandel wirkt sich auf den Arbeitseinsatz aus. Die Zeitfenster der Ernte werden immer enger. Durchschnittlich können beispielsweise Landwirt in Deutschland nur an rund 21 bis 23 Tagen im gesamten Jahr Getreide dreschen. Wir haben verstärkt extreme Witterungsbedingungen mit Trockenheit oder starken Regenfällen. Das erfordert eine höhere Produktivität und führt dazu, dass Landmaschinen heute größer, leistungsfähiger und wirtschaftlicher sein müssen. Die kürzeren Zeitfenster für die Ernte und der Arbeitskräftemangel sind übrigens auch der Grund, warum die Automatisierung der Landwirtschaftsmaschinen immer weiter voranschreitet.
Das erfordert einen hohen Aufwand an Forschung und Entwicklung. Welche Rolle spielt dabei der Standort Marktoberdorf im AGCO Konzern?
Die DNA der Marke Fendt liegt im Allgäu. Das hat sich auch mit der Übernahme 1997 durch unsere US-amerikanische Muttergesellschaft AGCO nicht geändert. Allein im vergangenen Jahr hat der Konzern vier Prozent des Umsatzes, was rund 575 Mio. US-Dollar entspricht, in das Engineering-Budget gesteckt. Ein Großteil davon ist zu uns nach Deutschland geflossen. Dazu nur eine Zahl: allein in unserem beschaulichen Marktoberfeld arbeiten mehr als 750 Ingenieurinnen und Ingenieure an innovativen Lösungen, damit Landwirten Landmaschinen die Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeit auf dem Feld steigern können.
Könnten Sie das genauer erklären? Was sind die Trends der Zukunft?
Das Thema der Zukunft ist die Vernetzung aller Maschinen, um die Produktivität zu erhöhen und Kosten einzusparen. Die Interaktion der Landmaschinen untereinander ist ein komplexer Vorgang, der ein hohes technisches Knowhow erfordert. Um dies zu unterstützen, hat AGCO in den USA für zwei Milliarden US-Dollar 95 Prozent des Datenmanagementspezialisten PTx Trimble erworben.
Können Sie ein Beispiel für die Vernetzung geben?
Durch Satelliteninformationen können wir die Bodenverhältnisse und die Witterungsbedingungen berechnen und dadurch die Aussaat oder den Pflanzenschutz optimieren. Die Daten müssen zusammengeführt und der Traktor oder der Mähdrescher darauf optimal eingestellt werden. Dies führt zu Zeiteinsparungen und einem geringeren Materialeinsatz.
Innovationen werden auch beim Antrieb mit Blick auf den Klimaschutz nötig sein. Wann kommt der erste seriengefertigte Elektro-Fendt?
Den haben wir längst. Der Fendt e100 Vario ist mit bis zu 90 PS der erste seriengefertigte E-Traktor der Welt. Damit setzt Fendt in der Welt Standards.
90 PS bedeutet aber, dass der Fendt e100 Vario ein kleiner Traktor ist. Große Fendt Schlepper haben durchaus auch über 500 PS. Wann werden diese Modelle elektrifiziert?
Das ist technisch nicht umsetzbar. Die Batteriekapazitäten reichen dafür nicht aus. Batterien würden 20 Tonnen wiegen und hätten die Größe von Zugwagons. Deshalb plädieren wir für den Einsatz von flüssigen und pumpfähigen Biokraftstoffen wie HVO, die die Emissionen bis zu 90 Prozent senken können. Hier können auch bestehende Infrastrukturen für den Transport, die Lagerung und Betankung genutzt werden, sodass der Weg relativ schnell eingeschlagen werden könnte, um dem Klimaschutz zu stärken.
Der Agrifood.Table berichtet regelmäßig von der Grünen Woche über Trends und Innovationen aus der Landwirtschaft. Das tägliche Briefing können sie hier abrufen.