CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 31. Oktober 2025

Ingrid Hengster: „Deutschland muss jetzt liefern“

Registriert Interesse an Investitionen in Deutschland: Ingrid Hengster, CEO von Barclays Deutschland. (Barclays)

Auf der Weltbank-Tagung in Washington wurde das Investoreninteresse an Deutschland ausgelotet. Ingrid Hengster, CEO von Barclays Deutschland war dabei – und sieht verhalten optimistisch in die Zukunft.

Frau Hengster, Sie waren gerade bei der Weltbanktagung in Washington. Wie nehmen internationale Investoren Deutschland derzeit wahr?

Zunächst einmal: Es herrscht weltweit ein enormer Wettbewerb um Kapital. Der mittlere Osten ist sehr attraktiv, Asien in verschiedenen Regionen ebenso, und natürlich die USA. Aufgrund der vielen Herausforderungen steht Europa insgesamt momentan nicht so sehr im Fokus. Aber Deutschland stellt sich innerhalb Europas noch sehr positiv dar. Man ist uns gegenüber grundsätzlich offen und interessiert an Investitionen bei uns.

Das klingt ermutigend. Aber die Investitionszahlen erzählen eine andere Geschichte.

Deutschland hat eine spürbare Entwicklung durchlaufen. Nach Antritt der Regierung und Ankündigung der Investititionsprogramme gab es zunächst große Begeisterung, viele Investoren standen in den Startlöchern. Dann kühlte sich das über den Sommer ab, die Aktionen sind ausgeblieben. Im Herbst hat es nun Fahrt aufgenommen. Ich habe in den USA jetzt sehr viel Interesse wahrgenommen.

Was fragen die Investoren konkret?

Drei Punkte kommen immer wieder: Erstens, wo sind die Projekte, in die wir investieren können? Zweitens, welche Renditeerwartungen können erfüllt werden? Und drittens erwarten die Investoren Reformen insbesondere bei der Bürokratie.

Ihr Haus hat in Washington ein Investorentreffen mit Finanzminister Klingbeil organisiert. Was war das Ziel?

Solche Formate sind wichtig, um Vertrauen zu schaffen. Bei solchen Runden geht es darum, für das Land zu werben, zu erklären, was politisch passiert, und Interesse zu wecken. Der Minister setzt den Ton und erläuter, welche Projekte die Regierung angestoßen hat. Viele Investoren haben Investmentkomitees in ihren Headquarters, die dann berichten, was sie mitgenommen haben. Das formt die Haltung zu einem Land. Das Interesse am deutschen Finanzminister war enorm.

Welche Investoren waren bei den Gesprächen dabei?

Eine breite Mischung: Investoren für Fremdkapital und Eigenkapital, Staatsfonds, Private Equity, Banken, Asset Manager – aus unterschiedlichsten Regionen zwischen den USA, Asien, Middle East und Lateinamerika. Weniger Venture Capital, da diese vor allem in Boston und San Francisco sitzen.

In welchen Bereichen sehen internationale Investoren Potenzial in Deutschland?

Da sind zunächst viele Mittelständler, diese Hidden Champions, die in unterschiedlichen Technologien Weltmarktführer sind – wie Robotik oder Automatisierungstechnologie. Dann die großen Projekte wie die Energietransformation, wobei da noch nach dem klaren Umsetzungsplan gefragt wird. Außerdem Infrastruktur im breiteren Sinne, beispielsweise Datenzentren, Autobahnen und Brücken, sowie Defense. Der Mittelstand genießt international hohes Ansehen, und viele Mittelständler sind heute offener für Private Equity, weil sie Internationalisierung nicht alleine ohne ausreichend Finanzierungsmittel vorantreiben können.

Sie erwähnten, dass Investoren nach konkreten Projekten fragen. Wo hakt es?

Die Projekte müssen da sein. Wir haben große Investitionen gesehen, wie von Apollo Global Management in den Stromnetzbetreiber Amprion oder vom norwegischen Staatsfonds in Tennet. Aber verlässliche Rahmenbedingungen und ausreichende Umsetzungskapazitäten vor Ort in den Kommunen sind nötig. Idealerweise sollte der Genehmigungsprozess bereits abgeschlossen sein.

Wie blicken internationale Investoren auf Deutschland beim Thema künstliche Intelligenz?

Man traut uns vor allem bei Industrieanwendungen viel zu, weil wir die Prozesse gut kennen. Wenn Produkte durch künstliche Intelligenz automatisiert oder verbessert werden, ist das eine natürliche Kompetenz von uns. Auch im Pharmabereich, in Biotechnologie, Chemie, Robotik und Industriefertigung traut man Deutschland viel zu.

Der Ontario Teachers' Pension Fund investiert bei Zalando, Trade Republic oder DeepL – warum unterstützen deutsche Pensionskassen die heimische Wirtschaft nicht stärker?

Das ist zum Teilunserer Tradition geschuldet. Wir investieren konservativer – mit einem starken Fokus auf Anleihen und damit risikoärmere Produkte. Deutschland ist zudem ein Land mit einem verhältnismäßig geringen Anteil kapitalmarktbasierter Finanzierung, der überwiegende Großteil des Kapitals wird von Banken bereitgestellt. In den USA ist es genau umgekehrt. Dazu kommt die Regulatorik: Solvency II erlaubt Versicherern, nur eine relativ kleine Tranche in Eigenkapital-ähnliche Produkte. Diese ist oft schnell ausgeschöpft.

Deutschland wird oft als risikoavers kritisiert. Ist das noch eine Stärke oder bereits eine Schwäche?

Das ist tatsächlich auch eine Stärke, weil man nicht auf jeden Zug aufspringt. Grundlegend kann man das wahrscheinlich nicht ändern – das ist über Generationen so weitergegeben. Aber man kann aufmerksam gegenüber neuen Trends sein und Prioritäten definieren, die man als Gesellschaft entwickeln möchte. Und man kann sich abschauen, was woanders gut funktioniert – nicht nur in Amerika, auch beispielsweise in Skandinavien.

Sehen Sie Lücken in der Finanzierungslandschaft für junge Unternehmen?

In der Frühphase gibt es mittlerweile ausreichend Geld durch Initiativen der Bundesregierung über die KfW und der Länder über die Landesförderbanken. In der Scale-up-Phase werden mit einem Schlag 100, 200, 300 Millionen für Pilotprojekte und Anlagen erfordert. Da benötigen Unternehmen sehr oft internationale Investoren aus den USA oder Middle East, weil der lokale Markt diese großen Kapitalbeträge nicht zur Verfügung stellen kann.

Was müssen jetzt die Next Steps in Deutschland sein, damit das Interesse der Investoren in tatsächliche Investments mündet?

Man will schon noch dieses Jahr sehen, dass umgesetzt wird, was angekündigt wurde. Der Investitionsbooster ist gut, die Frühstartrente zeigt, dass wir den Kapitalmarkt ernst nehmen. Aber wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit noch stärker in den Vordergrund stellen. Das Interesse ist da, aber es braucht jetzt von uns das Zeichen, dass wir auch tun, was wir versprochen haben.

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Letzte Aktualisierung: 31. Oktober 2025

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