CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 25. April 2025

Was erwarten Sie von der neuen Regierung, Frau Titzrath?

Frau Titzrath, die Strafzollpolitik von US-Präsident Donald Trump hat die Weltwirtschaft laut dem IWF auf Talfahrt geschickt. Sind Handelsrückgänge im HHLA-Konzern bereits spürbar?

Grundsätzlich bewegt sich das Seefrachtaufkommen in Zyklen von sechs bis sieben Wochen. Das ist der Zeitraum, in dem die Containerschiffe auf ihren Routen um die Welt von Asien nach Europa oder Nordamerika unterwegs sind. Die HHLA transportiert zudem über ihre Netzwerkknoten in ganz Europa Fracht, vornehmlich über die Schiene und auf der Straße. Insofern sind wir ein guter Seismograf für die industrielle Entwicklung, die sich im Frachtaufkommen widerspiegelt.

Im Moment läuft der Warenverkehr stabil. Nun sind seit der Verkündung der Strafzölle und dem dann um 90 Tage bekanntgegebenen Aufschub erst gut zwei Wochen vergangenen. Vieles hängt jetzt davon ab, wie die Weichen in Washington gestellt werden. Das beobachten wir genau. Erst dann werden sich vermutlich klare Tendenzen erkennen lassen.

Womit rechnen Sie?

Entscheidungen rund um Produktionsverlagerungen oder die Veränderung von Lieferketten werden nicht über Nacht gefällt. Solange wir eine Situation haben, in der sich tagtäglich die Nachrichtenlage ändert und niemand genau sagen kann, wohin der Weg letztendlich führt, wird es keine weitreichenden Investitionsentscheidungen geben. Unternehmen brauchen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen. Darauf reagieren auch die Finanzmärkte, was US-Präsident Trump in den vergangenen Tagen sehr deutlich zu spüren bekommen hat.

Beim Container- und Warenumschlag aus Deutschland müssten Sie aber negative Veränderungen festgestellt haben, oder? Deutschland kämpft seit Jahren mit der Rezession. Exportstarke Branchen wie der Maschinenbau oder die Automobilindustrie stecken tief in der Krise.

Die anhaltende strukturelle Wachstumsschwäche in Deutschland können wir natürlich feststellen. Wir als Logistiker sind eine Drehscheibe für die Industrienation Deutschland und auch eine Drehscheibe für die Industrieproduktion in Europa, sowohl innerhalb des Binnenmarktes als auch für den globalen Ex- und Import. Der Exportrückgang bei deutschen Unternehmen und der leichte Rückgang bei Importen zeigt, dass Deutschland an industrieller Wirtschaftskraft verloren hat. Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung das erkennt – und handelt.

Was meinen Sie damit?

Der Koalitionsvertrag setzt wichtige Impulse und stößt dringend notwendige Zukunftsinvestitionen in der Verkehrsinfrastruktur, aber auch Maßnahmen zur wirtschaftlichen Belebung an. Das muss nun zügig umgesetzt werden und wird zu mehr Wachstum und auch zu mehr Arbeitsplätzen führen. Wir als HHLA begrüßen natürlich insbesondere die zugesagte Planungssicherheit bei der Sanierung und dem Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserstraßen. Aber wie gesagt: Nicht die Ankündigungen sind entscheidend, sondern die Umsetzung.

Das deutsche Schienennetz ist marode, der Güterverkehr über ihre Bahntochter Metrans ein wesentlicher Umsatzlieferant des Konzerns. Die DB Cargo schreibt auch wegen der schlechten Infrastruktur rote Zahlen. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Hamburg ist der zweitgrößte Eisenbahnhafen der Welt. Dort werden ungefähr so viele Container auf die Bahn verladen wie in Rotterdam, Antwerpen, Bremerhaven und Wilhelmshaven zusammen. Ein Großteil dieser Container wird an den Terminals der HHLA umgeschlagen. Dazu nutzen wir das deutsche und natürlich auch das europäische Schienennetz. Von daher begrüßen wir sehr, dass die Sanierungen in Deutschland endlich begonnen haben. Mit entsprechender Flexibilität und hohem Einsatz sind unsere Bahnverkehre trotz der infrastrukturellen Widrigkeiten deutlich profitabel.

Was machen Sie besser?

Wir sind eine Netzwerkorganisation mit entsprechenden Knotenpunkten. Wir haben eine sehr hohe eigene Wertschöpfung – von eigenen Terminals bis hin zu Lokomotiven und Waggons. Reparaturen werden inhouse durchgeführt. Unsere Lokführer werden selbst von uns ausgebildet. Dies alles zusammen führt dazu, dass unsere Leistung auf der Schiene stimmt. Das honorieren auch unsere Kunden.

Gibt es Überlegungen, neben der Schiene auch eine eigene Luftfracht-Tochter aufzubauen?

Nein, eine Airline zu betreiben erfordert sehr viel Kapitalbedarf und Know-how. Wenn wir Luftfracht für Kunden organisieren würden, würden wir auf vorhandene Kapazitäten auf dem Markt zurückgreifen. Über unsere Tochter HHLA Sky sind wir allerdings in der Drohnenentwicklung tätig. Schon heute ist es über unsere Hard- und Software möglich, von einem Leitstand aus bis zu 100 autonom fliegende Drohnen für Lieferdienste zu steuern. Das ist ein Geschäftsfeld in der Luftfracht, dass in Deutschland und Europa viel Potenzial hat.

Die HHLA betreibt Terminals im Ausland, in Tallinn, Triest und in Odessa. Nach einem russischen Raketenangriff sind Arbeiter in Odessa verletzt worden. Ist das Terminal sicher – und betriebsbereit?

In Odessa haben wir alle nötigen Maßnahmen getroffen, um unsere Beschäftigten bestmöglich zu schützen – ihre Sicherheit hat unsere höchste Priorität. Wir stehen zu unserem Engagement in der Ukraine, die Ukraine gehört weiter zu unserem Netzwerk. Unser Hafenterminal in Odessa ist sowohl wasserseitig als auch auf der Schiene in Betrieb. Nach Kriegsausbruch haben wir zunächst eine Landbrücke über Ungarn bis zu unserem Terminal in Triest aufgebaut, sodass wir einen Teil der Seefracht umleiten konnten.

Gibt es Pläne, im Ausland weiterz uwachsen?

Wir sind als europäischer Logistikkonzern immer offen, weiterzuwachsen und unser Netzwerk auszubauen. Auch über Akquisitionen. Das betrifft vor allem unsere Intermodal-Verbindungen mit Blick auf unsere Bahntochter Metrans Rail. Rumänien und Serbien stehen dabei in unserem Fokus. Generell gilt dabei für uns: Wir gehen dahin, wo uns unsere Kunden brauchen. Dort wollen wir effiziente und nachhaltige Logistiklösungen anbieten.

Apropos nachhaltige Lösungen. Bis 2040 wollen Sie klimaneutral sein. Schaffen Sie das?

Ja, wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir ersetzen beispielsweise Dieselmotoren durch Elektromobilität. Bei zwei von drei Terminals in Hamburg werden wir die Umstellung bereits bis zum Jahresende geschafft haben. Das dritte folgt dann. Parallel arbeiten wir an dem Aufbau unserer Infrastruktur für Wasserstoff. Eine Tankstelle haben wir bereits errichtet, weil wir glauben, dass Wasserstoff als Kraftstoff auch für bestimmte Großgeräte eingesetzt werden kann. Und wir haben eigene Solarparks errichtet, mit denen wir klimaneutral Strom produzieren. Unsere Zielvorgabe 2040 werden wir einhalten.

Angela Titzrath studierte Wirtschaftswissenschaften und romanische Philologie in Bochum. Von 1991 bis 2012 war sie in unterschiedlichen internationalen Topmanagement-Funktionen des Daimler-Konzerns tätig, unter anderem als Geschäftsführerin der Mercedes-Benz Credit of North America in den USA und als Vorstand für Vertrieb, Aftersales, Logistik des Geschäftsbereichs Busse der Daimler AG. Bei der Deutschen Post verantwortete sie anschließend das Personalressort des Konzerns. Seit Januar 2017 ist Titzrath Vorstandsvorsitzende der HHLA. Sie ist zudem Mitglied in den Aufsichtsräten der Talanx, von Evonik Industries AG und der Deutsche Lufthansa sowie Präsidentin des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS).

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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