CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 02. Mai 2025

Compliance muss verstanden werden

Frau Professor Meckenstock, Donald Trump und das Agieren der US-Administration erweckt den Anschein, dass ethisch-moralische Grundsätze in den Hintergrund rücken. Das schnelle Geschäft mit dem Ziel, das Maximale durchzusetzen, steht im Vordergrund – egal ob es sich dabei um Regierungen befreundeter Staaten oder für die US-Wirtschaft wichtige Unternehmen handelt. Hat damit auch bei der Umsetzung von ESG-Kriterien eine neue Zeitrechnung begonnen?

Die Tonlage hat sich in der Tat deutlich verändert. Donald Trump und seine Administration wollen ihre Interessen durchsetzen und demonstrieren ihre Macht. Daran besteht kein Zweifel. Aber dadurch wird sich über Nacht und auch nicht im Laufe einer Legislaturperiode ein anerkanntes Compliance-Wertesystem ändern, das sich über Jahre entwickelt hat und gewachsen ist. Die USA sind kein zentralistisch geführter Staat.

Sondern?

Die einzelnen Bundesstaaten sind in vielen Politikfeldern autonom. Trotz des deutlichen Wahlerfolges von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr werden weiter wichtige Bundesstaaten wie Kalifornien – das Zentrum der Tech-Unternehmen – nach wie vor von Demokraten regiert. Und auch unter den Republikanern gibt es unterschiedliche Auffassungen über ethisch-moralische Werte. Deshalb werden in den USA Bundesgesetze auch sehr unterschiedlich umgesetzt. Das ist von den jeweiligen Gouverneuren abhängig.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe liegt in der Zuständigkeit der Bundesstaaten. Und die handhaben dies vollkommen autonom. Manche führen die Todesstrafe noch aus, andere haben ein Moratorium verhängt und andere wiederum haben sie bereits abgeschafft. Die Vereinigten Staaten sind ein heterogener Politik- und Wirtschaftsraum. Das betrifft natürlich nicht nur das Strafrecht. Die Einhaltung und Umsetzung von ESG-Richtlinien werden sich deshalb auch in den USA nicht schlagartig durch die Politik Donald Trumps ändern, obwohl dies auf den ersten Blick so interpretiert werden könnte. Die Themen Compliance, Ethik oder Insider-Handel verschwinden nicht durch den Regierungswechsel von der Agenda einer Unternehmensführung, zumal die Umsetzung von ESG-Richtlinien inzwischen auch am Kapitalmarkt ein wesentlicher Faktor für Unternehmensbewertungen ist.

Was heißt das nun für CEOs eines europäischen Unternehmens? Business as usual?

Environmental, Social und Governance, bleiben als Regelwerk wichtig, weil ihre Umsetzung auch das Risiko von Unternehmen mindert, gegen Gesetze zu verstoßen. Ein CEO wird nur dann erfolgreich sein, wenn er ESG-Kriterien in die Unternehmensstrategie integriert. Dadurch werden die Interessen aller Stakeholder berücksichtigt. Das ist inzwischen global in den Managementetagen der meisten Unternehmen unumstritten.

Die europäischen Unternehmen und auch die Europäische Union haben Wertevorstellung, die auf der Welt akzeptiert werden. Diesen Weg muss ein Unternehmen und auch die EU weitergehen. Sie dürfen sich jetzt nicht beirren lassen, auch wenn Europa manchmal über das Ziel hinausschießt und bei der Umsetzung der Wirtschaft zu viel Bürokratie aufbürdet.

Was also muss das Management tun, um ESG-Kriterien erfolgreich in die Firmenkultur zu integrieren?

Prozesse müssen fortlaufend hinterfragt und evaluiert werden. Kriterien müssen transparent und für die Beschäftigten vor allem verständlich sein. Dafür müssen die Mitarbeiter geschult werden. Das ist der Schlüssel dazu, Richtlinien erfolgreich in die Unternehmenskultur zu integrieren. Werden Kriterien zu komplex und kompliziert, sind sie nur schwer umsetzbar und stoßen sowohl im Management als auch in der Belegschaft auf Widerstände.

So wie beim Lieferkettengesetz?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – wie es richtig heißt – ist gut gemeint und sollte soziale Standards entlang der Wertschöpfungskette dokumentieren und damit Transparenz gewährleisten. In der Praxis ist das Gesetz aber nur schwer umzusetzen. Vor allem kleinere Unternehmen sind mit den Vorgaben der Dokumentationspflicht und dem Arbeitsaufwand, der dafür nötig ist, überfordert. Hier macht es Sinn, nachzusteuern. Statt mit einem möglichst umfangreichen Reporting Bürokratie aufzubauen, wäre ein stabiles, zukunftsgerichtetes Netzwerk sinnvoller gewesen, mit dem Interessenskonflikte vermieden und der nachhaltige Rohstoffeinsatz gesichert wären.

Ist ein Gesetz erstmal in Kraft, ist es schwierig, es zu korrigieren oder ganz abzuschaffen. Ist das nicht auch eine Erkenntnis aus der Debatte um das Lieferkettengesetz? Die deutschen Regierungen haben sich in den vergangenen Jahren den Bürokratieabbau vorgenommen. Passiert ist aber das Gegenteil.

Es fordert jedenfalls viel Durchsetzungswillen, um Regularien wieder abzubauen. Gesetze und Verordnungen müssen nicht alles bis ins Detail regeln. Das führt nur zu einer Bürokratieflut, die in Unternehmen und bei den Mitarbeitern wieder nur Frustration schafft. Beispiel Datenschutz: Es ist richtig, dass hinterfragt wird, welche Daten man wie und wo nutzt, ob man sie speichern darf oder ob sie Persönlichkeitsrechte verletzten. Wenn dadurch aber eine so große Datenflut entsteht, dass die Beschäftigten den Überblick verlieren und sie sich am Ende die Regeln gar nicht mehr durchlesen, wird Datenschutz kontraproduktiv. Das ist inzwischen leider in vielen Unternehmen und Organisationen der Fall, weil Beschäftigte das Schützende gar nicht mehr verstehen und den Datenschutz dann falsch umsetzen. Datenschutz muss einfach sein, damit jeder die Regeln nachvollziehen kann. Ist das nicht der Fall, wächst der Unmut-Faktor.

Was empfehlen Sie, damit das nicht passiert?

Vereinfachen und vernünftig schulen. Unternehmen sollten sich auf das Wesentliche konzentrieren. Sie dürfen sich nicht verzetteln. Das müssen sie intern – etwa bei der Umsetzung von Compliance-Richtlinien – herausarbeiten, was dann wiederum verständlich und transparent kommuniziert werden muss. Nur wer ein Regelwerk versteht, kann es auch anwenden – genau hier setzen wir bei lawpilots mit unseren digitalen Schulungsformaten an.

Cordula Meckenstock ist seit Anfang 2025 Co-CEO des Berliner Legal-EdTech-Scale-ups lawpilots. Zuvor war sie in verschiedenen Konzernen in führenden Rollen an der Schnittstelle von Compliance, ESG und Transformationsmanagement tätig – unter anderem bei Grünenthal, BayWa und Siemens Logistics. Meckenstock ist promovierte Juristin, Executive MBA-Absolventin der Universität St. Gallen und Mitherausgeberin der Fachzeitschrift „ESG – Zeitschrift für nachhaltige Unternehmensführung“.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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